Kitabı oku: «Seewölfe Paket 34», sayfa 2

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2.

Zwei Stunden nach dem Glasen, in der größten Mittagshitze, überzog sich der Himmel im Süden mit grauen Wolken. Von der Kimm aus baute sich eine Wand auf, die überraschend schnell in die Höhe wuchs und sich näherte. Der Wind wehte mit gleichbleibender Kraft aus Süden oder Südwesten.

„Vielleicht kommt ein Sturm auf“, sagte Dan O’Flynn. „Wäre keine wirkliche Überraschung, Sir.“

„Damit müssen wir tagtäglich rechnen“, entgegnete der Seewolf. „Nur können wir nicht riskieren, daß uns der Sturm hier stranden läßt. Wir dürfen nicht auf Legerwall geraten.“

Dan deutete nach Steuerbord voraus. Dort schien sich ein niedriges Kap – nicht mehr als eine Ansammlung von Dünen oder langgestreckten Felsen – weit ins Meer vorzuschieben. Noch waren keine Einzelheiten zu erkennen. Das einsame Fischerboot mit einem kleinen Segel, das in zwei Spitzen rechts und links des niedrigen Mastes auslief, blieb zurück.

„Also, weiter nach Westen drehen, wenn’s zu pfeifen anfängt“, sagte der Rudergänger.

Dunst und Nebel, sowohl an Land als auch über dem Wasser, hatten sich längst völlig aufgelöst. Im Licht der senkrecht einfallenden Sonnenstrahlen erstreckte sich das Meer. Im Norden und Osten bildeten sich über dem Land, das nicht deutlicher als ein vager Schatten über der Kimm war, dünne, aufwärts geschwungene Wolken.

Der Seewolf nickte, schaute in die Gesichter der Crew und erkannte, daß sie ebenso enttäuscht waren wie er selbst.

„Richtig. Auf Westkurs, wenn es nötig werden sollte“, erwiderte er halblaut.

Sie Spektive hatten ihm und der Crew gezeigt, daß es entlang des Ufers, an dem sie länger als einen halben Tag gesucht hatten, weder einen größeren Hafen noch eine Siedlung gab, die diesen Namen verdiente. Nur Fischerhütten, einzelne oder in winzigen Gruppen, hatten sich durch den Rauch ihrer Feuer verraten.

Die Dächer der Pfahlbauten verschwammen bereits aus geringer Entfernung mit dem grünen Hintergrund der Uferwälder. Querab der Schebecke ging der Wald stufenartig in riesige Zonen von Uferschilf über. Die Flut hatte das trockengefallene Land wieder bedeckt, und die Wellen zum Ufer hin wurden grau und kabbelig.

Dan O’Flynn schwang sich auf das Achterdeck, hielt sich am Want fest und sagte: „In spätestens drei Stunden ist der Sturm da. Wahrscheinlich Regen und Starkwind, aber sicher kein Orkan, Sir.“

„Schätze ich auch“, erwiderte der Seewolf. „Dann sind wir vielleicht hinter der Huk dort vorn in größerer Sicherheit.“

„Wird sich zeigen“, brummte der Erste.

Al Conroy hatte wieder mal seine Geschütze inspiziert und schien mißmutig zu grinsen. Er hatte sie zwar mit der gewohnten Sorgfalt geladen, aber wenn sie nicht in absehbarer Zeit abgefeuert wurden, konnte das Pulver feucht werden. Diese Aussicht schmeckte ihm gar nicht. Aber noch war es nicht nötig, sich ernsthafte Sorgen zu machen.

Die gleiche Unruhe, Anspannung und Erwartung hatte auch alle anderen Seewölfe gepackt. Sie segelten hinter dem Hundesohn Ruthland her und fanden ihn nicht, obwohl er sich mit seiner Karavelle nicht in Luft aufgelöst haben konnte.

„Verdammter Monsun“, sagte Dan und runzelte die Stirn.

Hasard junior deutete zu der Wolkenwand, die von Osten bis Westen reichte und mehr als ein Drittel des Himmels bedeckte. „Du weißt, warum diese Wind- und Regenzeit so genannt wird?“

„Wenn ich’s nicht wüßte“, antwortete Dan und lachte kurz auf, „dann würdest du es mir sicher genau erklären, Schlaukopf.“

„Wahrscheinlich stammt das Wort aus der Muselmanensprache“, schaltete sich der Profos ein.

„Richtig, Ed“, sagte Jung Hasard. „Bei den Muselmanen spricht man von ‚Mausin‘, und das bedeutet ‚Jahreszeit‘. Also werden wir es noch länger mit diesem Wetter zu tun haben.“

„Das glaube ich auch“, meinte Dan und musterte die Grenze zwischen Brandung und Land durch das Spektiv.

Nicht die Langeweile ärgerte die Crew, sondern die erzwungene Untätigkeit und die erfolglose Suche nach Ruthlands „Ghost“. Die Stimmung der Crew wurde, je mehr Zeit ereignislos verging, schlechter und mürrischer.

Edwin Carberry fluchte leise in sich hinein, reckte sein kantiges Kinn nach Lee und stierte schweigend zur Küste. Aber dort war nur wenig mehr zu sehen als auf dem offenen Meer. Nicht ein Segel, nur die vielen Vögel, die ihren ewigen Heißhunger nach Fisch stillten.

Einmal trieb ein blattloser Baum mit aufgequollener Rinde und weißen Wurzeln eine Kabellänge an Backbord vorbei, auf dem ein paar Reiher hockten und ihre Schnäbel in die Richtung der Schebecke drehten.

Als die Landzunge fast querab lag, lehnte ein Dutzend Seewölfe am Schanzkleid und versuchte, jede noch so kleine Einzelheit an Land zu erkennen.

Philip rief von der Back her: „Eine große Bucht, aber höchstwahrscheinlich keine Flußmündung. Oder hat jemand von euch mehr gesehen?“

Von Deck aus war eine annähernd dreieckige, riesige Bucht zu sehen. Ein Strich östlicher als Nord war das andere Ende der Bucht zu erkennen. Die Sonne, der sich die Monsunwolke bis auf eine geringe Entfernung genähert hatte, lag voll auf dem Land, das aus Felsen und Wald zu bestehen schien.

„Nein“, erwiderte Jung Hasard und enterte die Großmastwanten auf. „Aber gleich werden wir etwas klüger sein.“

In sicherer Entfernung, mehr als eine Meile, schob sich die Schebecke auf Nordkurs an der Landzunge vorbei. Recht voraus und an Steuerbord erstreckte sich blaues Wasser. Nur in den Spektiven zeichnete sich die östliche Küste ab. Mit bloßem Auge war nur ein dunkler Saum zu erkennen.

„Wo steckt dieser Höllenhund Ruthland?“ brüllte Carberry unbeherrscht. „Wenn ich den zu packen kriege …“

„Leere Versprechungen.“ Sven Nybergs Gesicht verzog sich zu einer abschätzigen Grimasse.

Hasard drehte sich um und rief: „Ruder Steuerbord! Wir gehen in die Bucht und suchen weiter, solange wir noch etwas sehen.“

Zweifellos, so dachten sie alle, war Ruthland nach Norden geflohen. Er mußte im aufkommenden Starkwind und Regen kreuzen, wenn er sich aus seinem Versteck wagte und sich wieder nach Süden wandte. Er konnte ihnen also während der Nacht wieder entwischen, aber die Entfernung zwischen Verfolger und Verfolgtem konnte nicht groß sein. Sie betrug nur wenige Stunden. Wahrscheinlich suchten sie nur an den falschen Stellen.

„Aye, aye, Sir!“ tönte es aus der Gruppe auf dem Achterdeck.

Die Schebecke gehorchte dem Ruder und führte eine weite Halse aus. Der Wind wehte jetzt von Steuerbord achtern. Die Seewölfe trimmten die Segel. Wieder gab es wenig anderes zu tun, als das Wasser und das Ufer zu beobachten, während die Helligkeit Schritt um Schritt abnahm. Der obere Rand der Wolkenbank berührte die Scheibe der Sonne. Riesige Strahlenbündel zuckten über den fahlblauen Himmel.

Hasard hatte wenige Minuten später einen Entschluß gefaßt, wandte sich an den Ersten und sagte: „Wir versuchen, so weit von den Ufern entfernt zu segeln, daß wir genau sehen können, ob sich die ‚Ghost‘ in dieser Bucht versteckt. Wenn es sein muß, gehen wir näher heran.“

„Aye, Sir.“ Ben Brighton nickte.

„Wahrscheinlich müssen wir in dem Regen, wenn’s zu schlimm wird, vor Anker liegen. Ich würde in der Nacht lieber weiter nach Norden verholen.“

„Ich auch, Sir“, entgegnete Ben. „Wir alle, denke ich.“

„Wir werden sehen, wie weit wir kommen.“ Hasards Augen richteten sich wieder der Küste zu.

Vier Fischerboote wurden in verdächtiger Eile in die Richtung der nächsten Bucht gepaddelt. Die Eingeborenen, zwei oder drei in jedem Boot, zeigten immer wieder mit aufgeregten Gesten zur Sonne. Sie war zur Hälfte von der Wolke verschluckt worden. Die riesige Wand färbte sich blaugrau und schwarz.

„Also weiter nach Osten?“ fragte der Rudergänger. „Und erst später nach Westen, im Sturm oder wann?“

„Wenn du die ‚Ghost‘ irgendwo achtern siehst, gehen wir sofort auf Gegenkurs!“ rief Edwin Carberry und hob die Faust.

„Alles klar.“

Das Schiff lag nach Steuerbord über. Al Conroy musterte die sich nähernde Wand aus Wolken und Regen und schielte nach seinen Geschützen. Dann entschloß er sich und sagte: „Besser, wenn ich die Persenninge hole. Mit nassem Pulver kann der beste Stückmeister kein Gefecht gewinnen.“

„Ein guter Einfall, Al“, lobte der Profos.

Der Wind nahm an Stärke zu, blieb aber noch gleichmäßig. Die letzten Sonnenstrahlen spielten auf den kleinen Schaumkronen. Dann änderte sich binnen weniger Minuten das Licht. Das Wasser schien schwarz zu werden die Wälder am Ufer wirkten plötzlich drohend. Die Schebecke begann zu stampfen und zu gieren, als von Steuerbord die ersten größeren Wellen heranrollten und sich an den Planken brachen.

„Jetzt wird’s ungemütlich“, sagte Carberry, obwohl die Luft nach wie vor warm und feucht, der Wind keineswegs kalt war.

„Keine Karavelle, Dad. Nichts. Nur Fischerboote und ein winziges Segel voraus!“ schrie Jung Hasard aus dem Ausguck am Großmast. „Langsam wird es hier ungemütlich.“

„Dann enter ab!“ brüllte Hasard und ließ das Spektiv in die andere Hand gleiten.

Sein Sohn blieb noch einige Minuten oben und spähte in alle Richtungen.

Die kleinen Buchten des Ufers waren leicht einzusehen. Es gab nur wenige Hütten auf Pfählen, aber die Anzahl der zerfasernden Rauchfahnen zeigte, daß weiter landeinwärts einzelne Häuser stehen mußten. Es handelte sich mit großer Wahrscheinlichkeit um kleinere Siedlungen, weitaus kleiner als Surat.

Zwischen den Einkerbungen der flachen, langgestreckten Uferlinie tauchten immer wieder weite Strecken auf, die aus Schilf bestanden und wahrscheinlich morastig waren. Daran schlossen sich die undurchdringlichen Mangroven an. Und dahinter schob sich immer wieder eine Bucht ins Blickfeld, in der sich Eingeborene zeigten.

„Hier gibt es keine Verstecke für ein größeres Schiff“, murmelte Jung Hasard vor sich hin, während er über die Steuerbordwanten abenterte. „Wir suchen wirklich an den falschen Stellen.“

Aber woher sollten sie wissen, wo die Suche erfolgversprechend war?

Während es dunkler wurde und über dem Land an Steuerbord die ersten Regenschauer niedergingen, schob sich die Schebecke durch das aufgewühlte Wasser nach Osten tiefer in die Bucht. Der scharfe Bug schnitt durch die gischtenden Wellen. Das hochspritzende Wasser wurde nach Backbord weggerissen, während Al Conroy und die Zwillinge die wasserdichte Leinwand über die langen, schlanken Bronzerohre bändselten.

Plötzlich riß der Regenvorhang auf. Ringsum schien das Wasser zu dampfen. In der Wolkenmasse zeigte sich ein riesiges Loch, durch das die gelbrote Sonne strahlte. Sie hing mehr als eine Handbreite über der Kimm, ihre Strahlen ließen das östliche Ende der Bucht deutlich und überaus scharf hervortreten.

„Wird ein schöner Abend, Sir“, scherzte der Profos. Ihm troff wie allen anderen das Wasser aus dem Haar. Der Regen hatte kaum Abkühlung gebracht.

„‚Abendrot – Schlechtwetterbot‘, wie jedermann weiß“, zitierte der Seewolf. „Seht ihr die Karavelle?“

In dem sonderbaren Licht und zwischen den dunklen Regenzonen an Backbord und an Steuerbord traten auch über dem Buchtende die fernen Berge deutlich vor die Augen der Arwenacks. Die Berghänge waren voller Wald. Dann wischte wieder ein Regenschauer vor dem Bild vorbei.

„Ruthland ist bei seiner Flucht nicht nach Ost abgebogen. Wir hätten ihn sonst längst entdeckt“, sagte Jung Philip und packte den Klöppel der Schiffsglocke. Er drehte die Sanduhr um und läutete. Vier Glasen, zwei durchdringende Doppelschläge hallten über die Länge des Schiffes. „Wir suchen an der falschen Stelle, Dad.“

„Das habe ich auch schon gemerkt“, knurrte der Seewolf. „Woher hätten wir das vorher wissen sollen?“

Die Schebecke war weit in den Sund gesegelt. Auch die Strände und Buchten im östlichen Teil waren gut einsehbar gewesen. Was die Seewölfe nicht mit bloßem Auge erkannten, zeigte ihnen das Spektiv. Das Wolkenloch schloß sich gerade wieder, als Hasard seine Kommandos gab.

„Ben! Wir segeln zurück nach Westen. Dabei sehen wir uns die Nordufer an. Ruthland muß sich irgendwo dort drüben versteckt haben.“

„Aye, aye, Sir.“

Als der Regen wieder einsetzte, halste die Schebecke in einem weiten Bogen auf den neuen Kurs. Sie wurde schneller und rauschte zuerst in nördliche Richtung, dann legte sie sich nach Steuerbord über und rauschte zurück nach Westen.

Der Profos schüttelte das Regenwasser aus dem Haar und hielt sich an einem Want fest. Sein Zeigefinger bohrte sich fast in Hasards Brust. „Ich sage dir, Sir, wo dieser Hundesohn steckt.“

Hasard zeigte nach Westen, ohne aber das Ufer aus den Augen zu lassen.

„Ich habe mir nämlich bei Dan die Karten angesehen. Ich sage dir, Sir, daß Ruthland erst gar nicht versucht hat, sich hierher abzusetzen. Er steckt dort drüben.“

Der Profos deutete zu den schrägen Bändern des Regens, die im schwindenden Tageslicht schwarz wirkten. Dahinter lagen unzählige Buchten und Inseln, wirr vorspringende Halbinseln und eine Vielzahl von Sandbänken.

„Dorthin segeln wir, Edwin“, erwiderte der Seewolf. „Länger als einen Tag brauchen wir nicht dazu. Aber mich drückt eine ganz andere Sorge, nämlich die, daß Ruthland heute nacht ankerauf geht und möglicherweise nach Goa zu fliehen versucht. Oder sonstwohin.“

„Davon rede ich ja seit Stunden!“ rief der Profos. „Und jetzt, in der Nacht, kann er tun, was er will. Wir bemerken nicht, wenn er abhaut.“

Hasard nickte. Die Schebecke segelte am Wind, der aus dem südwestlichen Sektor wehte. Noch hatte der Regen das Schiff nicht wieder erreicht, aber in weniger als einer halben Stunde würde das Wasser aufs Deck niederprasseln.

„Lieber Profos“, sagte der Seewolf geduldig. „Wir haben alle Überlegungen und Möglichkeiten seit Stunden durchgekaut wie ein Stück Stiefelleder. Wir können schließlich nicht fliegen wie diese verdammten Reiher oder Pelikane, oder wie die Vögelchen auch immer heißen mögen. Wir sind mit geladenen Culverinen und einer Mordswut in den Bäuchen unterwegs in den Westen dieser Gegend. Und jetzt stellst du dich hierher und erzählst mir, wo wir sind, was wir unternehmen, und was Ruthland möglicherweise tut. Wie kommst du mir vor?“

Carberry grinste breit und hielt seine riesige Pranke über den Kopf. Die ersten Tropfen lösten sich aus dem dunklen Himmel und schlugen auf die Planken. Es klang, als hüpften kleine Steine über das Holz.

„Hoffentlich komme ich dir wie ein besorgter Profos vor, der an alles denkt, Sir.“

„Genauso, Ed“, erwiderte der Seewolf. „Und jetzt spähst du mit deinen scharfen Augen dort hinüber und schreist laut, wenn du etwas anderes siehst als Regen und Landschaft. Verstanden, Mister Profos?“

Sie duckten sich unter dem ersten richtigen Regenguß, und Hasard hörte gerade noch Carberrys „Aye, aye, Sir.“

Der Regen rauschte, gleichmäßig warm und dicht, aus den Wolken. Die Sonne war nur noch ein winziger, undeutlicher roter Fleck hinter dem Regenvorhang. Wer nichts an Deck zu tun hatte, verholte ins Trockene. Von der Kombüse her wehte ein Geruch, der einem das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ.

Hasard stand auf dem Quarterdeck, spürte den Regen im Gesicht und fragte sich, was zu tun sei. Weitersegeln oder einen Platz suchen, an dem die Schebecke vor Anker liegen konnte?

Voller Selbstzweifel entschied er sich, weitersegeln zu lassen.

3.

Das Tauwerk knarrte und knirschte, die Karavelle wiegte sich in den auslaufenden Wellen. Die Festmacher bröselten die Rinde von den dicken Baumstämmen. An den Masten und den Wanten lief das Wasser hinunter und über die Decksplanken. Von den großen Blättern der Bäume mit ihren weit überhängenden Ästen tropfte es unablässig auf das Oberdeck der „Ghost“.

Im dichten Regen sah Ruthland vom Quarterdeck aus gerade noch den Bug. Mit einem schnellen Schritt war er wieder an der Tür zur Kapitänskammer und schüttelte sich.

„Scheißwetter“, murmelte er. Aus dem dunklen Haar lief ihm das Wasser in den Kragen. „Aber ein ausgezeichnetes Versteck.“

„Du hast mal wieder in die richtige Ecke verholt“, sagte Hugh Lefray. „Aber ewig und drei Tage können wir uns hier nicht verstecken. Das weiß mittlerweile jeder an Bord.“

„Habe ich auch nicht vor.“

Ruthland und sein Kumpan hielten große Becher voll Wein in den Händen. Eine gewisse Unruhe stand deutlich in ihren Gesichtern geschrieben, aber in diesem Winkel der größeren Bucht war das Schiff so gut wie unsichtbar. Die Bäume überragten die Mastspitzen.

Als Ruthland diese Baumgruppe gesehen hatte, war sofort der Kurs geändert worden. Das Versteck war nur dreimal so groß wie der Rumpf der „Ghost“ lang.

„Außerdem“, sagte Ruthland mit rauher Stimme, „verstecken wir uns nicht. Wir warten nur einen besonders günstigen Moment ab.“

„Und dann?“ fragte Lefray lauernd.

„Dann sehen wir weiter.“

Sie lachten kurz, tranken einen Schluck und hatten nicht viel mehr zu tun, als auf das Essen zu warten. Die Geschütze waren geladen, genau wie die Culverinen auf der Seewolf-Schebecke, das war Ruthland und seiner Crew völlig klar. Gegen den Regen waren über den meisten Rohren Persenninge gespannt. Nur unter Deck und in der Kapitänskammer brannten kleine Lampen. Finsternis und rauschender Regen herrschten rund um das Schiff in der menschenleeren Ecke dieser verlassenen Gegend.

„Hör mal“, sagte Lefray nach einer Weile. „Was hast du eigentlich vor, ich meine, willst du wieder zurück zum Padischah nach Surat?“

„Unsinn!“ Ruthland fluchte. „Wir warten ab, wie sich die Lage morgen früh darstellt. Nach Surat können wir nicht zurück, das weißt du. Dort ist für uns nichts mehr zu holen. Auch für Killigrew nicht.“

„Stimmt, Kapitän.“

Lefray hielt den Kopf schief und hörte dem prasselnden Regen zu. Das Geräusch drang ungehindert durch die offene Tür der Kammer. Während des Regens blieb sogar der Dschungel hinter den Mangroven ruhig.

Der Kapitän fuhr fort: „In den nächsten Tagen treffen wir wieder aufeinander, verlaß dich drauf. Dann schicke ich den Hund zu den Fischen. Klar?“

„Völlig klar, Francis“, erwiderte Lefray und starrte Ruthland mit seinem toten Fischauge an.

Nachdem sie Surat so schnell wie möglich verlassen hatten, waren sie den Tapti-Fluß hinuntergesegelt und hatten sich nach Norden verholen wollen. Der achterliche Wind verschaffte ihnen im Regen einen Vorsprung vor dem Verfolger. Wo der Seewolf suchte – oder ob er überhaupt noch nach der Karavelle Ausschau hielt –, wußte Kapitän Ruthland nicht. Zuletzt hatten sie die Schebecke gesehen, als sie aus der Mündung des Tapti gesegelt und ebenfalls auf Nordkurs gegangen war.

„Der Kerl wird nicht lockerlassen, Francis“, sagte Lefray nach längerem Nachdenken. „Er hat gute Gründe für seine Wut.“

Mit kaltem Grinsen zuckte Ruthland mit den Schultern und warf einen Blick auf die Sanduhr.

„Vorläufig habe ich einen guten Grund, diesem Koch einen Tritt zu verpassen, dorthin, wo’s am meisten weh tut. Wo bleibt der Fraß?“ Die letzten Worte brüllte er. Der Essensgeruch war stärker geworden. Er packte den Krug und füllte die Becher erneut.

David Lean lief, die Jacke über dem Kopf, in dem schmalen Streifen des gelblichen Lichts aus der Kammer den Niedergang hoch.

„Gibt’s was, Kapitän?“ fragte er und fluchte, weil das Wasser in seine Stiefelschäfte lief. „Ich hab da was gehört …“

Ruthland winkte ab.

„Die Wache geht ihre Runden?“ fragte er. „Dein Pulver ist hoffentlich noch trocken? Und wo steckt der Koch mit unserem Essen? Wenn morgen früh der verfluchte Regen aufhört, gehen wir ankerauf.“

„Wir warten darauf“, sagte der Stückmeister. „Wir geben’s dem Seewolf, wie?“

Der Kapitän nickte. Seit sie in dieses Fahrwasser geraten waren, dachte er an die zahlreichen Buchten, die Untiefen und Sandbänke. Das Versteck war für seine „Ghost“ nicht ungefährlich – so wie für jedes andere Schiff dieser Art. Nur die flachgehenden Fischerboote manövrierten hier gefahrlos. Er tröstete sich damit, daß bei gutem Licht alles einfacher sein würde.

„Ja“, sagte er und lehnte sich im knarrenden Decksstuhl zurück. „Wir bringen das zu einem guten Ende, was wir in Surat angefangen haben. Verlaß dich drauf. Und jetzt schick uns den langweiligen Küchenmeister.“

„Aye, Sir.“

Der Stückmeister stapfte aus der Kammer hinaus ins nasse Dunkel und enterte auf die Kuhl ab. Ein lauter Stimmenwechsel war zu hören. Kurze Zeit später schleppten zwei Mann im Schutz eines Fetzens Leinwand die Schalen und Schüsseln in die Kapitänskammer.

Als Ruthland roch und sah, was der Koch zubereitet hatte, vergaß er vorübergehend seine schlechte Laune. Seine Worte waren undeutlich, weil er auf dem Fleisch herumkaute.

„Mit dem Proviant haben wir keine Schwierigkeiten. Eigentlich wollte ich hier im Wald nach Früchten suchen lassen. Aber daraus wird wohl nichts bei dem ständigen Regen.“

„Vergiß es. Wir haben genug in der Proviantlast.“ Lefray grinste in sich hinein. „Wenn wir mit unserem Vorhaben fertig sind, können wir noch nach Pilzen suchen.“

Es war ohnehin eine blöde Idee, zwischen den Bäumen und Sträuchern herumzukriechen und nach Beeren und Früchten zu suchen. Aber immer redete der Alte davon. Er selbst ging bestenfalls ein Dutzend Schritte weit in den Wald, lehnte sich gegen den Baumstamm und brüllte Befehle in alle Richtungen. Hugh kannte das zur Genüge.

„Ich übernehme die nächste Wache“, sagte er, als er satt war. „In der Nacht wird es wohl keinen Ärger geben.“

„Was weiß ich! Schon gut.“

Ruthlands Gesichtsausdruck ließ erkennen, daß er nachdachte. Er plante schon für den nächsten Morgen. Hugh Lefray war zufrieden darüber, denn bisher war ihnen fast alles geglückt, wenn es Ruthland genügend lange und gut vorbereitet hatte.

Bis auf die Sache in Surat. Da war mehr fehlgeschlagen, als sie vorausgesehen hatten.

Es regnete ununterbrochen bis drei Stunden nach Mitternacht.

Die Blätter der Baumkronen schüttelten sich, der Wind rauschte und gurgelte rund um die „Ghost“ im Dschungel. In die winzige Bucht hinter dem Geländevorsprung drangen nur die Ausläufer von Wellen, die sich über den trockenfallenden Sandbänken und dem Wall aus Treibgut brachen.

An den Baumstämmen rann das Wasser in breiten Rinnsalen hinunter. Die Wachen, die an Deck der Karavelle unter den Segeln und den ausgespannten Persenningen saßen und standen, hörten nichts anderes als die Geräusche des Monsunregens und des Windes.

Die „Ghost“ gierte, und die Festmacher, die zum Land geführt und an Deck wieder an den Klampen belegt waren, scheuerten an den Uferbäumen. Die Crew schlief ruhig, ebenso der Kapitän, doch durch seine Träume spukten die Schebecke und der Seewolf.

Die Menge des Wassers, das aus den schweren Wolken fiel, ließ von Stunde zu Stunde nach. Vereinzelt blinkten durch die Regenschleier undeutlich die Sterne. Schließlich tropfte Wasser nur noch von den Baumkronen. Pugh, der Schiffszimmermann, trat unter der triefenden Leinwand hervor und ging langsam am Steuerbordschanzkleid entlang.

Coughlan rief ihn an. „Alles ruhig? Alles in Ordnung?“ fragte er und schob den Kopf unter den Planken des Achterdecks hervor.

„Der verdammte Regen läßt nach“, erwiderte Pugh. „Endlich.“

Die Kerle blieben unter den Wanten stehen und starrten nach oben. Die wenigen Sterne wurden deutlicher und heller, an anderen Stellen rissen die Wolkenbänke auseinander.

„Der Alte will am Morgen ankerauf gehen?“

„Ja. Hat er gesagt. Wir werfen beim ersten Licht die Leihen los.“ Pugh wischte mit dem Ärmel über sein Gesicht. „Das Versteck ist gut, wie?“

„Hier könnten wir einen Monat lang liegen, und niemand würde uns entdecken, nur vielleicht die Fischer“, erwiderte Coughlan.

„Keiner will so lange warten“, brummte Pugh. „Wir wollen den Seewolf schnappen.“

„Wir müssen ihn finden. Oder er findet uns!“

Coughlan grinste in der Dunkelheit. Über dem Schiff strahlten jetzt die Sterne. An wenigen Stellen trockneten die Planken auf und färbten sich heller als die Umgebung. Auch mitten in der Nacht hatte die feuchte Wärme nicht nachgelassen. Zwischen dem Wasser und dem festen Ufer raschelten unsichtbare kleine Tiere.

„Wahrscheinlich sucht uns Killigrew ganz woanders. Aber in ein paar Stunden sind wir klüger.“ Pugh nickte, drehte sich um und ging vorsichtig hinüber zur anderen Seite der Karavelle.

Je länger die Männer auf die Morgendämmerung warteten, desto unruhiger wurden sie. Immer wieder starrten sie über das schwarze Wasser, als erwarteten sie, daß von dort ein riesiges Enterkommando lautlos nahte.

Die Schritte der Posten blieben leise. Wieder schüttelten sich die Bäume unter einer Bö. Tropfen prasselten auf die Planken hinunter. Das laute Schnarchen unter Deck riß plötzlich ab, es polterte dumpf, dann war wieder Ruhe.

Noch höchstens vier Stunden, bis die Sonnenstrahlen auch in diesen Winkel drangen.

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1962 s. 21 illüstrasyon
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