Kitabı oku: «Die jüdischen Salons im alten Berlin», sayfa 5

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3 Die männlichen Intellektuellen


Friedrich Schlegel

Die intellektuelle Metropole Berlin

1785 kam der einundzwanzigjährige Friedrich Gentz nach Berlin, um Karriere in der preußischen Verwaltung zu machen. Sein Vater, ein angesehener Staatsbeamter, war in Breslau Verwalter einer Münzprägerei; seine Mutter stammte aus einer führenden Berliner Hugenottenfamilie. Ihr Sohn Friedrich hatte Jura an der Universität in Frankfurt an der Oder studiert und seine Studien in Königsberg fortgesetzt. Die Stelle, die den jungen Gentz nach Berlin zog, war die eines Privatsekretärs, mit zweihundert Talern Jahreslohn. Sein Gehalt und seine gesellschaftliche Position sollten sich im Laufe des Jahres verbessern, denn allmählich bahnte sich Gentz einen Weg in die wichtigsten Kreise der feinsten Berliner Gesellschaft. Glücklicherweise hatte er einige einflußreiche Gönner. Immanuel Kant, Gentz’ Lehrer in Königsberg, verhalf ihm zu einer Korrektorenstelle, die sein mageres Einkommen aufbesserte. 1788 riet Christian Garve, ein vielgelesener Breslauer Autor und Freund der Familie Gentz, seinem Freund Wilhelm von Humboldt, den jungen Gentz in Berlin aufzusuchen. Die beiden verstanden sich sofort blendend. Hinzu stieß Humboldts Freund, der Diplomat Gustav von Brinkmann. Schon im nächsten Jahrzehnt hatte Gentz den Sprung in die Berliner Gesellschaft geschafft. Er vergnügte sich in den jüdischen Salons, verbrachte viele Stunden mit seinem Freund Prinz Louis Ferdinand im Café „Stadt Paris“, saß oft am Spieltisch und ging in die eleganten Berliner Bordelle. Ein solches Leben kostete viel Geld, und Gentz, der geheiratet hatte und noch immer weniger als 800 Taler im Jahr verdiente, verschuldete sich hoch. Sein Gehalt besserte er mit Honoraren aus Veröffentlichungen auf, denn er war inzwischen ein eifriger Autor von antinapoleonischen politischen Abhandlungen geworden. Schließlich stellte er seine Talente als Publizist in den Dienst der österreichischen Monarchie, die ihm dafür mit einem schönen Titel und einem ausreichenden Gehalt dankte.

Im Jahre 1800 kam Friedrich Buchholz, ein zweiunddreißigj ähriger Lehrer aus der Provinz, in Berlin an. Buchholz, 1768 als Sohn eines Pfarrers in Altruppin geboren, wollte dem gesellschaftlichen Stand seines Vaters entkommen, doch das Leben machte es ihm nicht leicht. Er schrieb sich an der Universität in Halle ein, aber die Armut zwang den damals einundzwanzigjährigen zur Aufgabe des Studiums. Daraufhin ließ sich Buchholz in Brandenburg nieder, wo er zwölf Jahre lang adlige Studenten an der örtlichen Ritterakademie unterrichtete. Dafür erhielt er zweihundert Taler im Jahr, nicht genug, um seine Familie zu ernähren. Er haßte seine Arbeit, fand die Studenten arrogant. 1800 gab er seine Lehrerstelle auf und zog mit seiner großen Familie nach Berlin in der Hoffnung, dort Beamter zu werden. Buchholz wollte seine Chancen verbessern und widmete sein erstes Buch (1800 veröffentlicht) dem Generaladjutanten des Königs, Herrn von Köckritz. Aber trotz dieser unterwürfigen Geste hatte Buchholz wenig Glück bei seiner Stellensuche und mußte seine Familie als freier Journalist und Herausgeber ernähren. Er klagte, daß er das Leben eines „obskuren Wesens“ führe. Er habe nur wenig Interesse, mit den Reichen und Berühmten freundschaftlich zu verkehren, die nur die eine Frage an gelehrte Gäste stellen würden: ob er schon „hier oder dort gespeist habe“. Gleichzeitig machten es ihm die materiellen Umstände offensichtlich schwer, auf die Fürsprache der Einflußreichen gänzlich zu verzichten, wie die Widmung seines Buches an den Generaladjutanten zeigt. Aber trotz aller seiner Anstrengungen erhielt Buchholz nie eine Beamtenstelle. Obwohl ihm seine Schriften weder Vermögen noch Ruhm einbrachten, noch Zutritt zur feinen Gesellschaft verschafften, schrieb Buchholz weiter. Als er 1848 starb, hatte er über ein Dutzend Bücher geschrieben und viele wichtige, wenn auch kurzlebige Zeitungen herausgegeben.

Wie es der Zufall wollte, standen Gentz und Buchholz in unterschiedlichen politischen Lagern: Buchholz verteidigte Napoleon, Gentz opponierte gegen ihn. Aber ihre politischen Standpunkte, ihre Herkunft und ihre Erfahrungen auf dem Stellenmarkt in Berlin sind für uns hier nicht wichtig. Wichtig ist die Tatsache, daß Männer, denen lediglich die Hoffnung auf einen Posten im Staatsdienst und auf intellektuelle Anerkennung gemeinsam war, Berlin zur Stadt wählten, wo sie ihre Träume verwirklichen wollten. Wer waren diese Männer und wie erging es ihnen, als sie nach Berlin kamen? Wenn wir das wissen, können wir uns der Frage zuwenden, welche Männer in die jüdischen Salons strömten und – was noch wichtiger ist – warum sie es taten.

Die Männer, deren Geschichte hier nacherzählt wird, wählten Berlin, um dort Karriere als Intellektuelle zu machen, zu einer Zeit, als das Geistesleben in Deutschland eine neue Blütezeit erlebte und die Möglichkeit für sozialen Aufstieg bot. Während Deutschlands politische Uneinigkeit und überkommene Gesellschaftstruktur Verzweiflung auslöste, spendete die Literatur Trost. Lessing, Mendelssohn, Schiller, Fichte, Herder, Kant, die Gebrüder Schlegel und Humboldt schrieben wichtige Bücher, die Europas Geistesgeschichte veränderten. Ihre Bücher wurden von einer rasch anwachsenden Öffentlichkeit immer häufiger gekauft, wodurch viele deutsche Intellektuelle in die Lage versetzt wurden, erniedrigende Posten am Hof oder im Staatsdienst abzulehnen. Darüber hinaus versammelten sich Autoren und Leser in Lese- und Debattiergesellschaften, wo sich eine öffentliche Meinung ohne Rücksicht auf Fürsten, Staatsbeamte, Wissenschaftsakademie, Universitäten und Verleger formulieren konnte.

Die Statistik zeigt, wie schnell sich das Geistesleben in Deutschland während der letzten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts ausbreitete. Die Zahl der Autoren verdreifachte sich von knapp unter 3000 im Jahr 1760 auf über 10000 im Jahre 1800. Die Anzahl der Zeitschriften und Buchveröffentlichungen verdoppelte sich; die Zahl der Buchhandlungen stieg von 101 auf 473. Weniger Bücher wurden in Latein geschrieben, und die theologischen und gelehrten Themen wurden seltener. Romane kamen in Mode. Allein zwischen 1780 und 1790 wurden jährlich dreihundert Romane veröffentlicht. Diese Expansion der lesenden Öffentlichkeit wurde zur literarischen Revolution erklärt.

Mit Statistiken allein ist dieser Revolution nicht beizukommen, denn während der letzten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts verbesserte sich auch der Status der intellektuellen Institutionen und der publizierenden Intellektuellen beträchtlich. Zum ersten Mal in der deutschen Geschichte genossen die Literaten gesellschaftliches Ansehen. Neue Universitäten wie zum Beispiel in Göttingen zogen adlige Studenten an, die wiederum das Prestige der dort lehrenden Professoren hoben. Intellektuelle, die als Lehrer und Pfarrer in der beruflichen Hierarchie niedriger standen, erwarben ein neues Selbstbewußtsein in ihrem Beruf. Wie die Professoren entwickelten sie Ausbildungspläne, Qualifikationsrichtlinien und Gehaltsregelungen für ihre Berufe. Die soziale Zusammensetzung der intellektuellen Kreise veränderte sich ebenfalls gewaltig, weil immer mehr Eltern aus der Unter- und unteren Mittelschicht es sich leisten konnten, ihre Söhne die soziale Stufenleiter erklimmen zu lassen. Stipendien für örtliche Lateinschulen und Universitäten sowie Aushilfsstellen als Hofmeister oder Lehrer konnten einen begabten Sohn über Wasser halten, bis er einen „Ruf“ von einer staatlichen oder akademischen Einrichtung erhielt.

Aber wenn sich auch die Zahl der Intellektuellen vergrößerte, ihr gesellschaftliches Ansehen wuchs und einige von ihnen auf der Bühne des Geistesleben Erfolg hatten, so scheiterten viele bei dem Versuch, ihrer Herkunftsschicht dadurch zu entkommen, daß sie Kopfarbeiter wurden. Zeitgenossen malten das Phantom eines akademischen Proletariats an die Wand, und manche Historiker sprechen von einem allgemeinen Überangebot an Intellektuellen. Doch die Zahl der Intellektuellen war von Stadt zu Stadt verschieden, weil jede deutsche Stadt ihnen andere Berufsperspektiven bot. Abbildung 1* zeigt die Verteilung der Intellektuellen in den wichtigsten deutschen Städten im Jahre 1806, zu einer Zeit, als die Bevölkerungszahl der Handelsstädte sank oder nur geringfügig anstieg, während die Hofstädte aufblühten. Diese Entwicklung beeinflußte die Intellektuellen bei der Wahl ihres Wohnortes. Um viele Intellektuelle an sich zu binden, mußte eine Stadt vielfältige Einrichtungen besitzen, von denen jene Löhne, Tantiemen oder Jahresgehälter beziehen konnten. Handelsstädte schnitten in diesem Wettbewerb schlecht ab, so zum Beispiel Frankfurt am Main und Hamburg, die zwar wichtige Verlagszentren waren, aber eben nur über diese Art von Institutionen für Intellektuelle verfügten. Aber auch eine Universitätsstadt wie Göttingen mußte noch andere adäquate Stellen für Gebildete bereithalten, wenn sie eine intellektuelle Hochburg werden und Intellektuelle aus der Provinz heranlocken wollte. Dies gelang Leipzig, dem Mittelpunkt des gesamten deutschen Verlagswesens im 18. Jahrhundert und Sitz einer Universität. Im Wettbewerb der deutschen Städte um intellektuellen Ruhm war Berlin, bis 1810 ohne Universität und bis 1780 ohne eine bedeutendes Verlagswesen, ein Spätling. Unterstützung vom Hof zu erhalten war schwer. Die preußischen Junker auf ihren ländlichen Gütern und die preußischen Könige hielten nichts von Kulturförderung. Friedrich Wilhelm I. (1713–1740) war ein Pfennigfuchser, und sein Sohn, Friedrich der Große, der Millionen von Talern für Architektur, Kunst und Musik ausgab, verspürte nur Abscheu für Intellektuelle, die in deutscher Sprache schrieben. Selbstverständlich finanzierte der preußische Staat einige Institutionen für Intellektuelle. Denn sogar preußische Könige meinten, daß ein gewisser intellektueller Glanz für den Aufbau eines dynamischen Staates notwendig sei.

Dennoch war Berlin im Jahr 1806 die Stadt mit den meisten Intellektuellen in Deutschland. Welche Institutionen gab es in Berlin, an denen Intellektuelle eine Anstellung finden konnten, wie sahen ihre gesellschaftlichen Aufstiegsmöglichkeiten aus? Oder bestand ein institutionelles Vakuum, das die Salons ausfüllten? Hatten Berlins Intellektuelle gemeinsame, von ähnlichen Mobilitätsmustern herrührende soziale Bedürfnisse, die nur durch die Salons gestillt werden konnten?

Sozialer Aufstieg

Diese Fragen lassen sich beantworten, weil Berlins Intellektuelle Dokumente hinterlassen haben, aus denen wir ihre beruflichen Karrieren rekonstruieren können. Schon allein die Existenz dieser Quellen sagt etwas aus über die Arbeitsbedingungen der Intellektuellen. Da Deutschland keine intellektuelle Hauptstadt hatte und die Einrichtungen, in denen Intellektuelle ihr Geld verdienten, so breitgefächert waren, bestand unter den Intellektuellen ein Bedarf nach biographischen Lexika, mit deren Hilfe sie ihre unbekannten Kollegen in fernen Städten ausfindig machen konnten. Gleich den Büchern über die wichtigen Persönlichkeiten am Hof schössen diese Lexika im 18. Jahrhundert aus dem Boden, denn Höflinge wie Intellektuelle waren zwar geographisch weit verstreut, aber sehr standesbewußt. Es gab biographische Lexika über Intellektuelle für jeden Geschmack: das mehrbändige, ausführliche Lexikon »Das gelehrte Teutschland« von Hamberger und Meusel; andere boten nur eine Auswahl und waren von Autoren geschrieben, die es vorzogen, anonym zu bleiben, weil sie viele Kollegen beleidigten; manche widmeten sich schwerpunktmäßig den Intellektuellen in akademischen Berufen; oder die von Abbé Denina herausgegebenen, französisch geschriebenen Lexika über die höfischen Intellektuellen. Ich habe außerdem Biographien, Memoiren, Briefe und Literaturgeschichten untersucht, um zusätzliche Informationen über die Intellektuellen zu bekommen. Aus diesen Quellen ließen sich die Namen von 386 männlichen Intellektuellen gewinnen, die zwischen 1780 und 1806, der Blütezeit der Salons, mindestens zwei Jahre lang in Berlin gelebt hatten.

Näherungswerte sind in diesem Zusammenhang aber nicht immer auszuschließen. Die Berufe der Väter sind zum Beispiel entscheidend, um die Mobilität der Intellektuellen zu messen. Wir kennen aber die Berufe nur von den Vätern, deren Söhne damals so berühmt waren, daß ihre Lebensgeschichte für wert befunden wurde, in biographischen Lexika aufgenommen zu werden. Verallgemeinerungen müssen deshalb häufig auf der Grundlage dieser nichtrepräsentativen Untergruppe gezogen werden. Die Berufe der Intellektuellen zu identifizieren und zu klassifizieren war ebenfalls schwierig, denn intellektuelle Arbeit war damals oft Teilzeitarbeit, und somit finden sich für einen Autor oft mehrere Berufsbezeichnungen. In solchen Fällen wurde der Beruf gewählt, der um 1800 vorwiegend ausgeübt wurde. Grobe Gehaltsangaben aus anderen Quellen habe ich benutzt, um die Hauptbeschäftigung der Intellektuellen und einiger ihrer Väter entweder der unteren, mittleren oder oberen Einkommensgruppe zuordnen zu können. Aus welchem Stand die Intellektuellen kamen, war leichter herauszufinden. Ein „von“ wies natürlich auf adlige Herkunft hin. Ob sie Juden waren, erkennt man meist an ihrem Namen; auch werden Juden in den Quellen als solche bezeichnet; alle übrigen werden dort Bürger genannt. Weder die Erhebung in den Adelsstand noch Konversion wurde berücksichtigt, denn sonst wäre diese ganze Untersuchung zwecklos. Nur so ließ sich bestimmen, ob die Untersuchten ihre Position in der Einkommenshierarchie dadurch veränderten, daß sie Intellektuelle wurden. Es ist nicht überraschend, daß die Berliner Intelligenz eine privilegierte Gruppe im Vergleich zur übrigen Berliner Einwohnerschaft war. Abbildung 2 zeigt, daß zur Intelligenz achtmal so viele Adlige gehörten; 15 Prozent der Intelligenz, aber nicht mehr als 2 Prozent der übrigen Stadtbevölkerung, waren adlig. Die jüdische Gemeinde war genauso klein wie der Adelsstand, aber im Gegensatz zu den Adligen stellten die jüdischen Männer kaum mehr als 4 Prozent aller Intellektuellen. Sowohl durch Einkommensverteilung als auch durch Standeszusammensetzung war die Intelligenz priviligiert gegenüber der übrigen Einwohnerschaft Berlins. Dies ergibt sich, wenn man die bezahlten intellektuellen Tätigkeiten nach den folgenden Einkommensgruppen ordnet: Wer mehr als 600 Taler im Jahr verdiente, gehörte zur oberen Einkommensstufe, wer zwischen 150 und 600 Talern verdiente, zur mittleren, und wer unter 150 Talern verdiente, zur unteren Einkommensstufe. Die hauptsächlich ausgeübten Berufe der Intellektuellen in der oberen Einkommensstufe waren die von Staatsbeamten und Professoren, in der mittleren jene von Pfarrern, Lehrern und Autoren; die Intellektuellen mit den niedrigsten Einkommen waren Hofmeister und Studenten. Wie wir aus Abbildung 2 ersehen können, gehörte die Hälfte der Intellektuellen der oberen Einkommensstufe an, über ein Drittel der mittleren und bloß 5 Prozent der unteren. Uns fehlt eine genaue Aufgliederung der damaligen Berliner Sozialstruktur, die hingegen für andere mitteleuropäische Städte existiert. In vergleichbaren Städten gehörten nur 10 Prozent der Gesamteinwohnerschaft der oberen Einkommensschicht an, ein Drittel bis zwei Fünftel der mittleren und mindestens die Hälfte der unteren. Wenn man diese Klassifizierung als Grundlage nimmt, war die Berliner Intelligenz im 18. Jahrhundert fünfmal so oft in der oberen Einkommensschicht, etwas mehr in der mittleren und viel weniger in der unteren vertreten als die Bevölkerung in vergleichbaren deutschen Städten. Obwohl zweifellos viele Berliner Intellektuelle mit ihrem Los unzufrieden waren, war die Intelligenz insgesamt eine relativ privilegierte Gruppe.

Bei den jüdischen und bürgerlichen Intellektuellen entsprach die berufliche Zusammensetzung in etwa jener der Intelligenz. Wie Abbildung 3 zeigt, übte nur die Hälfte der jüdischen und bürgerlichen Intellektuellen Berufe der oberen Einkommensstufen aus und weniger als 10 Prozent solche der unteren; rund zwei Fünftel der jüdischen und bürgerlichen Intellektuellen hatten Berufe in der mittleren Einkommensstufe. Man kann also sagen, daß die Religionszugehörigkeit der Intellektuellen im allgemeinen keine Auswirkung auf ihre gesellschaftliche Position hatte. Neun von zehn adligen Intellektuellen übten Berufe der oberen Einkommensgruppe aus. Daß das unterste Ende der beruflichen Hierarchie der Intellektuellen äußerst gering besetzt ist, resultiert zum Teil aus dem sehr schematischen Klassifizierungsmodell. Da wir keine individuellen Gehaltsangaben besitzen, wurden alle Pfarrer, Lehrer, Schreiber und Autoren der mittleren Einkommensstufe zugeordnet, obwohl sicherlich einige weniger als 150 Taler im Jahr verdienten. Doch ist es unwahrscheinlich, daß mehr als 15 Prozent der Intelligenz zur unteren Einkommensstufe gehörten.

Faszinierend ist die Gegenüberstellung von Intellektuellen, die an der Spitze der Standeshierarchie standen, mit denen an der Spitze der Einkommenshierarchie. Wie bei der Berliner Einwohnerschaft war auch bei der Intelligenz die Einkommenspyramide weit weniger steil als die Standespyramide. Nur 15 Prozent der Intellektuellen waren adlig, aber fast zwei Fünftel hatten Berufe der oberen Einkommensstufe. Die Vermutung liegt nahe, daß die 149 Intellektuellen, die Berufe in der oberen Einkommensstufe ausübten und nicht adlig waren, Schwierigkeiten mit ihrem Status hatten. Als Beamte und Professoren hatten sie viel geleistet und wurden manchmal auch entsprechend entlohnt, aber ohne „von“ blieben ihnen die Türen verschlossen. Doch Statusprobleme, die durch den Neid der Adligen ausgelöst wurden, waren nicht die einzigen Schwierigkeiten. Wenn Intellektuelle es geschafft hatten, in Berlin Fuß zu fassen und die Einkommenshierarchie zu erklimmen, hatten sie sich von ihren Familien und Freunden geographisch und sozial isoliert. Ein Vergleich zwischen den Berufen der Söhne und der Väter zeigt, daß die Hälfte der Intellektuellen in der oberen Einkommensstufe aus kleineren Verhältnissen stammte. Über die Hälfte der Intellektuellen arbeitete in Berufen der oberen Einkommensklasse, während nur zwei Fünftel ihrer Väter ebenso gut bezahlte Stellen hatten. Der tatsächliche soziale Aufstieg von Intellektuellen war zweifellos noch größer. Da wir die Berufe nur von den Vätern kennen, deren Söhne damals schon bekannte Größen waren (ein Drittel der Väter), wissen wir nichts über den Aufstieg der unbekannten Intellektuellen, und vielleicht war gerade ihr Aufstieg rasant. Aber die Mobilität, die hier dargestellt wurde, ist bedeutend. Damit wir sehen, wie dieser soziale Aufstieg verlief, müssen wir die Statistik verlassen und die Berufe der Berliner Intellektuellen unter die Lupe nehmen.

Berufe

Knapp ein Drittel der 386 Berliner Intellektuellen arbeiteten in intellektuellen Institutionen der Stadt. Diese Entwicklung war verhältnismäßig neu. Seit langem konnten sich Intellektuelle in Deutschland ihren Lebensunterhalt als Beamte oder in Berufen mit weniger Prestige, wie Pfarrer, Schreiber, Kaufmann, verdienen, wobei wahrscheinlich Universitätsausbildung eine Voraussetzung war, um diese Stellen zu bekommen. Als der allgemeine Lebensstandard und die Bildungsmöglichkeiten stiegen und das Lesepublikum zunahm, entstanden neue Berufe für Intellektuelle, in denen intellektuelle Arbeit als solche bezahlt wurde. Wie attraktiv diese Arbeiten waren, hing von der sozialen Herkunft der Intellektuellen ab. Äußerst selten boten diese Institutionen gute Verdienstmöglichkeiten. Lehrer, Hofmeister, freie Journalisten und Buchhändler verdienten selten mehr als 600 Taler im Jahr. Professoren, die am besten bezahlten und angesehensten Beschäftigten innerhalb der Bildungseinrichtungen, bezogen ein etwas höheres Gehalt. Wie Abbildung 4 zeigt, fanden nur wenige Adlige eine Anstellung in diesen Institutionen. Da diese Einrichtungen neu waren, könnte man vermuten, daß Intellektuelle aus Außenseiterkreisen leichtere Einstiegschancen hatten. Aber das war nicht der Fall, zumindest nicht für jüdische Intellektuelle. Abbildung 5 zeigt, daß der Professoren-Beruf den höchsten Anteil intellektueller Aufsteiger hatte. Fast zwei Drittel der Professoren (von denen wir die Berufe der Väter kennen) hatten Väter aus mittleren oder sogar unteren Einkommensstufen. Es gab 52 Professoren in Berlin, von denen fast die Hälfte in einer intellektuellen Institution der Stadt arbeitete.

Natürlich stellt sich die Frage, wieso so viele Professoren in Berlin, das keine Universität besaß, lebten. Zum Teil läßt sich dieses Phänomen damit erklären, daß Deutschlands Intellektuelle eine geographisch sehr mobile Gruppe waren. Professoren von anderen Universitäten statteten Berlin in diesen sechsundzwanzig Jahren ausgedehnte Besuche ab, weshalb sie in den biographischen Lexika auftauchen. Wichtiger noch ist, daß der Titel Professor nicht mit Universitätsprofessor gleichgesetzt werden darf. Professoren gab es an den beiden königlichen Akademien, an den Ritterakademien oder an Gymnasien. Auch konnte der Professorentitel – wie im Fall von Markus Herz – den Intellektuellen von der Krone verliehen werden, weil sie Privatvorlesungen in ihren eigenen Häusern hielten. Die Anzahl und Vielfalt solcher Vorlesungen war beeindruckend. Im Jahr 1786 wurden 21 Privatvorlesungen angeboten. A. W. Schlegel las 1804 über Ästhetik; Johann Gottlieb Fichte hielt im Winter 1806 seine berühmten Vorlesungen, in denen er einem preußischen Patriotismus das Wort redete. Einige Vorlesungen wurden von Mitgliedern der königlichen Familie besucht sowie von gebildeten nichtjüdischen Damen und jüdischen Herren. Für einige Vorlesungsreihen mußte man ein ein Abonnement kaufen, für andere eine Eintrittskarte. Wenn zu viele Hörer kamen, wurde die Vorlesung in größere Privathäuser verlegt, manchmal sogar in den Hörsaal der Akademie der Wissenschaften.

Wenn ein Intellektueller in die königliche Akademie gewählt wurde, konnte diese mächtige Institution dem Glücklichen enormes geistiges und gesellschaftliches Prestige verleihen. Gerade weil Akademiker von so großem Ruhm umgeben waren und die Monarchie uneingeschränkte Kontrolle über sie hatte, war die Berufungspolitik der königlichen Akademie Anlaß für Skandale und Intrigen. Bis 1786 wurden Akademiker häufig aus Frankreich importiert, und Veröffentlichungen waren in französisch geschrieben. Friedrich der Große hatte die deutsche Sprache nie richtig beherrscht, und er war davon überzeugt, daß Deutsch keine adäquate Literatur- und Wissenschaftssprache sein könnte. Das zeigt auch das Beispiel von Moses Mendelssohn, der 1763 den Preis für die beste Abhandlung vor Immanuel Kant gewann. Friedrich der Große, der den Umgang mit nichtjüdischen deutschen Intellektuellen vermied, hatte erst recht Probleme mit den jüdischen Intellektuellen. So legte er Widerspruch gegen die Wahl Moses Mendelssohns zum Mitglied der Akademie ein, obwohl Mendelssohn in zwei unabhängigen Wahlgängen einstimmig von den Akademiemitgliedern gewählt worden war. Es half auch nichts, daß berühmte Geistesgrößen sich beim König beschwerten. Mendelssohn mußte sich mit einer nachträglichen Einladung auf das Potsdamer Schloß begnügen. Das zeitgenössische Bild von Daniel Chodowiecki – Moses Mendelssohn, der glaubte, vom König persönlich empfangen zu werden, übergibt einem hünenhaften Wachtposten sein Einladungsschreiben – stellt die schwierige Position von Mendelssohn treffend dar. Aufgrund des Prestiges der königlichen Akademie der Wissenschaften und ihrer Erfolge bei der Förderung wichtiger Forschungsprojekte in den Naturwissenschaften fragten sich prominente Zeitgenossen, ob es überhaupt Sinn hätte, die dahinsiechenden preußischen Universitäten zu beleben. Weitere Konkurrenten der Universitäten waren unabhängige Ausbildungszentren wie das Collegium Medico-Chirurgium, die führende medizinische Schule in Deutschland, deren Studenten und Professoren die modernste technische Ausrüstung zur Verfügung stand.

Berliner Professoren arbeiteten auch an Ritterakademien und Gymnasien. Die Ritterakademien waren nur eine vorübergehende Erscheinung im Bildungssystem. Die beiden Ritterakademien in Berlin wurden 1765 und 1791 gegründet. Als sich die Krise in der Landwirtschaft verschärfte, benötigten immer mehr junge preußische Adlige eine gründliche Ausbildung, um im harten Wettbewerb um Beamtenposten bestehen zu können. Weder die Erziehungsinhalte noch die Zusammensetzung der Schüler an den weiterführenden öffentlichen Schulen hielten die adligen Eltern für angemessen. An den Ritterakademien konnten die Adligen reiten und duellieren sowie die Umgangsformen der feinen Gesellschaft lernen, neben einer gründlichen intellektuellen Ausbildung. Es waren die ersten Schulen, die moderne Sprachen, Rhetorik und Geschichte lehrten, Fächer, die man an den meisten Universitäten nicht belegen konnte, weil diese am mittelalterlichen Lehrplan festhielten. Der allmähliche Niedergang der Ritterakademien im frühen 19. Jahrhundert resultierte unter anderem aus ihrer Unfähigkeit, sich das Monopol auf moderne Fächer zu sichern. Angeführt von Göttingen, nahmen die deutschen Universitäten die neuen Fächer in ihren Lehrplan auf. Dies sowie der Druck auf viele junge Adlige, sich durch eine Universitätsausbildung auf die hohen Beamtenposten vorzubereiten, waren für den Rückgang der jungen adligen Klientel an den Ritterakademien verantwortlich.

Die Tatsache, daß vielen Gymnasiallehrern der Professorentitel verliehen wurde, weist bereits auf den hohen Stellenwert dieser Schulen im 18. Jahrhundert in der Hierarchie der intellektuellen Institutionen hin. Einige Gymnasien sollen ein höheres Niveau gehabt haben als manche Universitäten. Erst später, in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, wurde eine klare Trennungslinie zwischen diesen beiden Lehranstalten gezogen. Damals setzten sich die Universitätsreformer, allen voran Wilhelm von Humboldt, mit ihrer Ansicht durch, daß am Gymnasium ausschließlich Knaben unterrichtet werden sollten; die moderne Universität dagegen sollte Forschung, wie sie von der Akademie der Wissenschaft und den berufsbildenden Einrichtungen angeboten wurde, mit einem modernen Lehrplan verbinden, der an den ursprünglich in den Ritterakademien entworfenen anschloß. Im frühen 19. Jahrhundert hatten die Reformer sich durchgesetzt: Forschung wurde zur Hauptaufgabe der Universitätsprofessoren, und wer sich als Professor in Preußen qualifizieren wollte, wer Berufung und spätere Beförderung anstrebte, der mußte nun Publikationen vorweisen. Der Ruf zum Universitätsprofessor wurde preußischen Professoren als Anerkennung für Forschung und Publikationstätigkeit zuteil. Die direkte Bezahlung der Professoren durch die Studenten machte einen erheblichen Teil ihres Einkommens aus. Die Stelle eines Universitätsprofessors bot einen weiteren, entscheidenden Vorteil: Der Status der adligen Studenten, die vermehrt in die Universitäten drängten, übertrug sich auf ihre weniger hochgeborenen Lehrer.

Nicht allen Intellektuellen im Lehrbereich erging es so gut wie den Professoren. Der Lehrerberuf an Grund- und weiterführenden Schulen war unpopulär, da ohne intellektuelle Herausforderung und finanziellen Vorteil. Über die Berufe ihrer Väter und ihre Auf- oder Abstiegsmuster gibt es nur wenig Informationen, da sie in den biographischen Lexika mangels Bekanntheit nicht verzeichnet sind. Sicher ist jedoch (siehe Abbildung 6), daß Lehrer nicht jünger waren als der Durchschnittsintellektuelle. Deshalb ist es unwahrscheinlich, daß der Lehrerberuf ein Sprungbrett für viele Berliner Intellektuelle gewesen ist, die höher hinaus wollten.

Hofmeister waren für gewöhnlich in einer vorteilhafteren Position, obwohl sie schlechter verdienten. Da sie jung waren – 1800 waren zwei Drittel der Hofmeister unter 30 Jahren (siehe Abbildung 7) –, war ihre Armut wahrscheinlich nur vorübergehend. Der Hofmeister war eine für das 18. Jahrhundert typische Figur gewesen, die nun allmählich verschwand. Adlige oder reiche bürgerliche Familien stellten Hofmeister ein, weil sie ihre Kinder nicht mit den Schülern an öffentlichen Schulen zusammenbringen wollten. Einige Hofmeister gaben auch gegen Bezahlung stundenweise Unterricht, z. B. Schülern, die sich auf das Gymnasium vorbereiteten, oder verheirateten bildungsbeflissenen jungen Frauen. Manche Hofmeister lebten in den Häusern ihrer Arbeitgeber und überwachten die Erziehung der Söhne, manchmal auch der Töchter, für einen Lohn, der nur geringfügig über dem Lohn der Dienerschaft lag. Die Hofmeister klagten oft darüber, daß ihnen nicht mehr Respekt entgegengebracht wurde als den Dienern. Doch erwies sich ihre Stellung manchmal als Schlüsselposition, wenn ihre Arbeitgeber sie empfahlen. Manche Hofmeister hatten dank ihrer Stellung Beziehungen zu Berliner Intellektuellen und waren für die Entstehung der Salons von entscheidender Bedeutung. Zu den Treffen bei berühmten, bürgerlichen Intellektuellen nahmen sie ihre jungen adligen Schüler mit, wo diese mit den neuesten Ideen vertraut wurden. Ihre Eltern, besonders die Mütter, sehnten sich oft selbst nach diesen Verbindungen. Die Abkapselung der Adligen vom städtischen Leben und der öffentlichen Erziehung hatte zur Folge, daß Adlige, die geistige Anregung suchten, sich häufig einige soziale Stufen tiefer begeben mußten. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß es fähigen Hofmeistern zu verdanken war, daß adlige Familien Zugang zu einem ihnen fremden gesellschaftlichen Terrain fanden.

Viele Professoren, Lehrer und Hofmeister waren darauf angewiesen, ihr Gehalt durch Honorare aus Veröffentlichungen aufzubessern. Andererseits lebten bloß 24 Intellektuelle, also 7 Prozent der Berliner Intelligenz, ausschließlich von ihrer Arbeit auf dem literarischen Markt (siehe Abbildung 8) als freie Schriftsteller, Journalisten, Herausgeber, Verleger und Buchhändler. Zum ersten Mal gelang es einer kleinen Gruppe von Intellektuellen, als freischaffende Autoren zu überleben. Aber es war schwierig. Ab 1770 beklagten sich die Autoren darüber, daß die Verleger und Buchhändler zu hohe Gewinne erzielten, daß die Buchhändler 30 bis 40 Prozent am Buch verdienten, während sich Kaufleute in anderen Branchen mit 10 Prozent zufrieden gaben. So planten einige Autoren Eigenverlage, doch waren diese Projekte wegen Kapitalmangel zum Scheitern verurteilt. Freie Schriftsteller mußten mit Übersetzungen und redaktionellen Arbeiten ihre Honorare aufbessern, um ihre Familien ernähren zu können; ihre Frauen und älteren Kinder mußten als Abschreiber mitverdienen. Abbildung 5 zeigt, daß zwei Drittel dieser freischaffenden Intellektuellen Väter mit niedrigem Einkommen hatten. Abbildung 6 zeigt, daß sie die zweitjüngste Berufsgruppe innerhalb der Intelligenz stellten. Man kann also davon ausgehen, daß einige dieser freischaffenden Intellektuellen aufgestiegen und Professoren und Beamte geworden sind.

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