Kitabı oku: «Hüter meines Herzens», sayfa 4

Yazı tipi:

Sie senkte den Blick auf ihren Teller und hob ihren Burger mit zitternden Händen.

Sie musste aufhören, so zu denken. Da sah man doch gleich, was es mit ihr machte. Sie konnte nicht einmal in seiner Nähe sein, ohne ihn wiederhaben zu wollen. Sie hatte sich gesagt, diese Gefühle seien tot, aber offenbar hatten sie nur Winterschlaf gehalten. Und drohten bei der leisesten Hoffnung auf Wärme wieder ans Licht zu kommen.

„Immer noch ein Mann des Gebets, wie ich sehe.“ Sie freute sich, dass ihre Stimme stark und gleichgültig klang.

„Das hat mich durchgetragen.“ Er biss in seinen Burger, und Josephine schwieg.

Warum hatte sie das nur wieder gesagt? Sie wollte nicht über den Glauben reden. Das war eine der verwirrenden Facetten ihres Lebens. Die emotionale Bekehrung, als sie noch ein Kind war, die Abwesenheit Gottes, als sie ihn am meisten gebraucht hätte, ihr widersprüchliches Bedürfnis nach Vergebung und Buße. Sie konnte dem Ganzen keinen Sinn abgewinnen. Also hatte sie aufgehört, es zu versuchen.

Als sie frisch in die Stadt gezogen war, hatten ihre leisen Beichten bei Pastor Jack ihr kurzzeitig Trost geschenkt. Doch als ihr klar wurde, dass der lutherische Pfarrer ein guter Freund von Noah war, hatte sie aufgehört, sich mit ihm zu treffen. Soweit sie wusste, hatte er sowohl ihre Treffen als auch ihre Geheimnisse für sich behalten.

Sie aßen schweigend. Die Mahlzeit zog sich, bis Josephine kurz vorm Verrücktwerden war.

Zu guter Letzt stand Noah auf und trug seinen Teller zur Spüle. „Ich werde mal nach dem Wetter schauen.“ Er verschwand im Zimmer nebenan.

Josephine aß zu Ende und ließ sich dann beim Abwaschen Zeit. Als sie das Wohnzimmer betrat, entdeckte sie Noah, der auf seinen Laptop starrte. Das Leuchten des Monitors hob seine Gesichtszüge rau hervor.

Sie hielt an der Schwelle an, zögerte, das zu kleine Zimmer mit seinem knisternden Feuer und der vertrauten Couch zu betreten. Der Raum wirkte gemütlich im sanften Licht, mit dem steingefassten offenen Kamin und den Deckenbalken. Ein großer Flickenteppich lag auf dem Holzfußboden und lud die Gäste dazu ein, ihre Schuhe abzustreifen.

Noah, der stirnrunzelnd den Monitor betrachtete, schien ihre Ankunft nicht zu bemerken.

Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust. „Was sagt denn die Wettervorhersage?“

Sein Blick huschte zu ihr, dann wieder zurück auf den Bildschirm. „Das gleiche Wetter wie jetzt, und das für die nächsten paar Stunden. Eigentlich hätte die Temperatur über dem Gefrierpunkt bleiben sollen, aber es ist zu erwarten, dass sie jetzt doch eine ganze Weile grenzwertig bleiben wird.“

„Mehr Graupel und Schneeregen.“

„Anscheinend.“

Sie verlagerte das Gewicht auf ihren Füßen. Es sah aus, als würde sie die Nacht über hierbleiben müssen. Seinem finsteren Blick nach war Noah noch unglücklicher darüber als sie.

Der kleine Gefallen, den sie sich da ausgedacht hatte – was für ein Schuss in den Ofen. „Ich schätze, da hast du mich bis morgen am Hals.“

Noahs Nasenlöcher weiteten sich, und seine Augen wurden schmaler, obwohl er sie weder ansah noch antwortete.

„Hast du ein Gästezimmer?“

„Nein.“

Sie war am Hauptschlafzimmer vorbeigekommen, wo ein Doppelbett fast den ganzen Raum ausfüllte. Aber ihr war auch die schmale Treppe am Ende des Flurs aufgefallen. „Was ist oben?“

„Das ist noch nicht fertig.“

Oh. Na ja, sie würde auf gar keinen Fall sein Bett benutzen. „Dann nehme ich die Couch.“

Im Kamin verrutschte ein Holzscheit. Funken stoben auf.

Eine Ader pulsierte in Noahs Stirn. „Du kannst das Bett haben.“

„Es macht mir nichts aus, auf dem Sofa zu schlafen.“

Er durchbohrte sie mit einem harten Blick.

Die Intensität ließ sie zurückweichen, aber sie fand noch ein bisschen Mumm in der Stimme. „Na gut.“

„Na gut.“

Ihr Blick flog zur Uhr auf dem Kaminsims. Es war zu früh, um ins Bett zu gehen. Viel zu früh, aber das war eben Pech. Hier, wo sie keinen Moment länger erwünscht war, würde sie auch keinen Moment länger bleiben.

Dann schaute sie wieder zu Noah und entdeckte den Packen Papiere auf dem Tisch neben ihm, aufgeschlagen auf der letzten Seite, die Linie über seinem Namen immer noch leer.

„Immerhin wirst du jetzt Zeit haben, dir das durchzulesen“, versuchte sie es.

Seine Augen blickten in ihre. Seine Lippen kniffen sich zu einer schmalen Linie zusammen.

„Ich … ich glaube, ich geh dann mal schlafen.“ Als er nicht darauf antwortete, wandte sie sich zum Flur. „Gute Nacht“, sagte sie, aber auch darauf reagierte er nicht.

Beim Betreten des Schlafzimmers sah sie sich um. Das Bett war nicht gemacht, hier und da lagen ein paar Kleidungsstücke, aber im Großen und Ganzen war es aufgeräumt. Die blaue Steppdecke und die grauen Laken erkannte sie nicht wieder, aber das Betthaupt und der Nachttisch aus Eichenholz hatten schon ihr Zuhause in der Katydid Lane geziert.

Sie schlüpfte aus der Jeans, ließ die kleine Lampe auf dem Nachttisch an und schlüpfte unter die Decke. Was sollte sie die nächsten paar Stunden machen? Ein prüfender Blick offenbarte ein Taschenbuch, das aufgeschlagen auf dem Nachttisch lag – eine Biografie des American-Football-Stars Tony Dungy. Nicht gerade das, was sie sonst las, aber einem geschenkten Gaul und so weiter. Sie nahm sie zur Hand, machte ein Eselsohr in die aufgeschlagene Seite und begann bei Kapitel Eins.

Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als ihre Augen schwer wurden. Gerade als sie das Buch auf das Nachtschränkchen legte, klopfte es an die Tür.

Sie zog die Decke hoch. Ihr blöder Puls raste. „Komm rein.“

Die Tür öffnete sich, und Noah erschien. Er sah noch ausgezehrter aus als vor ein paar Stunden. „Deine Kleider …“ Er trat ein und legte den kleinen Stapel auf den Nachttisch, darauf bedacht, ordentlich Abstand zwischen ihnen beiden zu halten.

Unter der Decke zog sie ihre Knie an. „Danke.“

„Ich brauche noch ein paar Sachen für morgen früh. Und ich habe dir nichts gegeben, worin du schlafen kannst.“ Er ging quer durchs Zimmer zu der großen Eichenkommode in der Ecke. Die Schublade knarzte, als er sie öffnete. Er zog ein blaues T-Shirt und eine Jogginghose heraus, die er ihr hinwarf.

„Danke.“

Er nahm noch einige weitere Dinge aus der Schublade und eilte nach draußen. „Gute Nacht.“

„Nacht.“

Die Tür war beinahe zu, als er das Licht ausmachte.

Sie schoss aufrecht in die Höhe. „Mach das nicht.“

Noahs Schatten hielt auf der Schwelle inne.

Ihr Herz kratzte innen über ihre Brust, als wäre es zerbrochenes Glas, und sie konnte sich gerade noch bremsen, aus dem Bett zu krabbeln. „Ich … ich meine … bitte lass es an. Bitte.“ Sie hasste die Panik in ihrer Stimme.

Die Lampe ging wieder an. Das goldene Licht offenbarte sie roh und ungeschützt. Vor Noah. Hitze stieg ihr in die Wangen, als sie die Augen von ihm abwandte. Sie bemühte sich, gleichmäßig zu atmen und die Decke ganz ruhig in Ordnung zu bringen, als wäre sie gerade nicht völlig durchgedreht.

„Danke.“ Ihr ganzer Körper stand unter Strom. Sie ließ sich in die Kissen sinken, versuchte, beiläufig zu tun, und schloss die Augen. Das Klopfen ihres Herzens erschütterte die Matratze. „Gute Nacht.“

Es kam ihr vor, als stünde er noch volle zehn Minuten in der Tür. Das Gewicht seines Blicks lastete auf ihr. Endlich schloss sich die Tür, und ein tiefer Seufzer entwich ihrem Körper.

KAPITEL 7

Cartersville, Georgia Vor sechzehn Jahren

Ihre Mutter starb in dem Sommer, in dem Josephine zwölf Jahre alt wurde. Es geschah am 6. Juli. Das Datum konnte sie sich leicht merken, weil Josephine am Tag vorher ihre erste Blutung hatte und das Mama gerne erzählen wollte. Die sprach aber nicht mit ihr, weil sich Josephine zu Shelby Greens Party anlässlich des 4. Juli mit blauem Lidschatten geschminkt hatte, was Ärger bedeutete.

Der Unfall auf der 985 tötete ihre Mutter augenblicklich. Die nächsten paar Tage vergingen in einem nebelhaften Durcheinander. Hauptsächlich bemühte sich Josephine darum, ihrem Stiefvater aus dem Weg zu gehen.

Eddie war nett, meistens. Er schaffte es, Mom aus trüben Stimmungen zu locken, und führte sie an Freitagabenden ins Eiscafé aus. Aber manchmal trank er Bier, und dann war er nicht mehr so nett. Er guckte dann oft grimmig und fuhr sie an. Nachdem ihre Mom gestorben war, bekam sie reichlich vom hässlichen Eddie zu sehen.

Die Samstagabende wurden zu Pokerabenden in ihrem Trailer – etwas, das Mama immer verboten hatte. Josephine mochte Eddies Freunde nicht. Sie waren laut, kauten mit offenem Mund und füllten die Bude mit Zigarettenrauch. Also blieb sie in ihrem Zimmer, hörte Radio oder telefonierte mit Shelby.

„Jo!“, rief Eddie sie. „Warum ist das Geschirr noch nicht abgewaschen?“ Seine Stimme war laut, und er lallte, aber sie wollte ihn nicht provozieren, indem sie ihn ignorierte. Er würde sie nur vor seinen Freunden bloßstellen.

„Ich komme!“ Sie war schon fürs Bett umgezogen und trug ihre schwarzen Shorts und dazu ihr pinkes Lieblingshemd mit den Schmetterlingen darauf.

Dreck und Krümel klebten an ihren Füßen, als sie den Flur entlangtapste. Sie musste dringend fegen, aber weil sie Hausaufgaben machen und das Abendessen auf den Tisch bringen musste, schien irgendwie nie Zeit dafür.

In der Küche schlüpfte sie leise am Tisch vorbei zum Spülbecken, in dem sich das schmutzige Geschirr der letzten Tage stapelte.

Wie sie gehofft hatte, waren die vier Männer zu sehr mit ihrem Spiel beschäftigt, um sie zu beachten. Leere braune Flaschen bedeckten den Tisch und die Arbeitsflächen, und Zigarettenrauch lag in der Luft. Im Nebenraum schnurrte die Fenstereinheit der Klimaanlage, vergebens darum bemüht, die Räume zu kühlen.

Über dem Plätschern des Wassers und dem leisen Klackern des Geschirrs, das sie spülte, konnte sie die Männer klar und deutlich verstehen.

„Das war’s“, sagte Eddie, der seine Karten auf den Tisch klatschte. „Ich bin fertig. Feierabend.“

„Es ist doch erst elf.“

„Ja, Eddie. Ich brauche auf jeden Fall noch eine Chance, um mir mein Geld von Shark wiederzuholen. Meg bringt mich um, wenn ich ohne die Miete nach Hause komme.“

„Dann hättest du sie nicht verlieren sollen.“ Wo die anderen Stimmen nuschelten und lallten, war Sharks leise und kontrolliert. Er hatte kleine schwarze Augen, die Josephine an harte Kieselsteine erinnerten, und sein dreckiger Hals war von hervorquellenden Adern durchzogen. Sie glaubte, die anderen hatten ein wenig Angst vor ihm.

„Kommt schon. Noch eine Runde. Lieber lande ich tot im Straßengraben, als ohne das Geld für die Miete nach Hause zu gehen. Sonst nörgelt mir Meg bis nächstes Jahr die Ohren voll.“

„Ich habe nichts mehr“, winselte ihr Stiefvater. „Der hat mir gerade unser Essensgeld abgenommen, und ich bekomme meinen Lohn erst nächsten Freitag.“

„Du musst doch noch irgendwas von Wert hierhaben.“

Josephine schrubbte die Pfanne vom gestrigen Abendessen, während die anderen einen Moment lang schwiegen.

„Ja, okay, dann. Hier gibt’s nichts, auf das ich nicht verzichten könnte. Außer dem Fernseher. Den kriegst du nicht!“

„Dann hat der Gewinner also die freie Wahl.“ Sharks Stimme grollte durchs Zimmer.

„Na, das ist ein Wort. Teil aus.“

Eine Flasche wurde geöffnet, während eine weitere Runde Poker ihren Lauf nahm.

Josephine schrubbte und schrubbte die Pfanne. Sie verabscheute die Sauerei, die Eier hinterließen. Die Pfanne hatte ihre glänzende Oberfläche längst eingebüßt. Sie fragte sich, was sie die Woche über wohl essen würden, falls Eddie diese Runde nicht gewann. Im Schrank waren nur noch ein paar Dosen, und Fleisch hatten sie gar keins mehr.

Vielleicht könnte sie diese Woche bei den Crays babysitten. Sie mochte die Kleinen, aber manchmal vergaßen die Crays, sie zu bezahlen. Dann waren da immer noch die Apfelbäume auf dem Nachbargrundstück. Aber Eddie bekam Äpfel schnell über, und er würde bald vergessen, dass er sie in diesen Schlamassel gebracht hatte.

Sie war mit dem Geschirrstapel fertig, stellte das Wasser ab und nahm sich das Geschirrtuch vom Ofengriff.

„Lasst uns verdoppeln“, sagte Shark. Ein Geräusch, wie etwas über den Tisch geschoben wurde, durchbrach die Stille.

Eddie fluchte.

„Er blufft“, sagte einer.

„Vielleicht“, sagte Shark. „Vielleicht auch nicht.“

„Die Karten hier würde ich nicht mal meinem Hund zu fressen geben.“ Karten wurden auf den Tisch geklatscht. „Ich steige aus.“

„Ich auch. Scheiße, Mann, Shark, du bist echt gnadenlos. Meg wird mich umbringen.“

„Und dann waren’s nur noch zwei.“

„Wie sieht’s aus, Eddie?“, fragte Shark.

Das Schweigen wurde allmählich laut. Das „Plop“ einer weiteren geöffneten Flasche folgte.

„Zeit, die Jungs von den Männern zu unterscheiden“, sagte Eddie.

Josephine stellte die abgetrocknete Pfanne ab und begann mit den Gläsern.

„Schöne Hand“, sagte Shark. Kunstpause. Dann: „Fast so schön wie die hier.“

Hinter ihr wurde geächzt, dann gelacht.

„Saukerl, elender …“, fluchte Eddie. „Du hast die übelste Glückssträhne, die ich je gesehen habe.“

„Danke für das nette Spiel, Ladys“, sagte Shark.

Josephine stellte die letzten Gläser weg und begann, die leeren Flaschen abzuräumen. Eddie mochte keine Unordnung, und sie wollte nicht, dass morgen die ganze Wohnung nach Bier stank. Es würde schon schlimm genug nach Rauch riechen.

„Was nimmste denn, Shark?“

„Ja, Mann, was?“

„Haltet’s Maul, ihr Verlierer“, sagte Eddie. „Ich werd Meg sagen, was du überse gesacht hast, dann wernwer sehen, wer sich über das Pech annerer Leute lustich macht.“

Sharks Stuhl knarzte, als er sich mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht zurücklehnte.

Josephine griff nach der Flasche, die ihm am nächsten stand, und ihre Blicke trafen sich. Seine dunklen Augen hielten sie einen langen, lähmenden Moment lang in ihrem Bann, bevor sie über ihren Körper glitten.

Schauder über Schauder fuhren ihr über Arm und Rücken und stellten ihr die Haare auf. Sie riss ihren Blick los und wünschte sich, ihr Schlafanzug würde sie besser bedecken.

„Du hast gesagt, er darf sich was aussuchen. Was nimmste, Shark?“

Die Flaschen klackerten, als Josephine sie an ihre Brust drückte und sich vom Tisch abwandte.

„Oh, ich hab da schon was im Auge.“ Seine Stimme kratzte in seiner Kehle.

„Nicht mein Fernseher! Ihr habt’s alle gehört, Jungs. Ich hab gesagt, der is‘ tabu.“

„Den willer gar nicht! Hast du seinen mal gesehen?“

Josephine ließ die Flaschen in den Mülleimer fallen und huschte zurück in ihr Zimmer. Immerhin war das Spiel vorbei. Bald würden sie weg sein. Sie schloss ihre Tür und knipste das Licht aus. Dann schlüpfte sie unter die Decke und rollte sich zusammen.

Das Fenster war offen. Ein heißer Luftzug bewegte ganz leicht die Gardinen. Nur ein schmaler Lichtstreifen unter der Tür schwächte die Dunkelheit ab.

Sie wünschte, sie könnte das Bild von Sharks Knopfaugen aus ihrem Gedächtnis löschen. Mama hatte gesagt, sie sei „früh dran“. Sie sagte das, als wäre es etwas Gutes, aber Josephine mochte die Art nicht, wie die Jungs sie neuerdings anschauten. Und noch viel weniger mochte sie die Art, wie Shark sie anglotzte.

Sie wandte sich von der Tür ab und schloss die Augen. Fast war sie weggedämmert, als jemand die Tür öffnete und der Lichtschein aus dem Flur ihre Augen dazu brachte, aufzugehen. Dann breitete sich erneut Dunkelheit in ihrem Zimmer aus, und ihre Tür fiel ins Schloss.

Ihre Ohren spitzten sich. Sie spürte eine Gegenwart im Zimmer. Still lag sie auf ihrer Matratze, die Augen in der erstickenden Dunkelheit weit aufgerissen. Der Klang von Schritten auf dem Teppich ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Flink, so flink, rollte sie zur Seite. Ihr Herz donnerte gegen ihre Rippen. Ein schwarzer Schatten türmte sich über ihr auf. Kalte Angst durchfuhr sie. In ihrer Kehle zog sich ein Schrei zusammen, doch eine harte Hand legte sich auf ihren Mund und brachte sie zum Schweigen.

KAPITEL 8

Sweetbriar Ranch Gegenwart

Noah setzte sich auf der Couch auf und reckte sich. Seine schmerzenden Muskeln dehnten sich qualvoll. Sein Sofa war nicht dafür gemacht, dass man darauf schlief, so viel hatte er in der letzten Nacht gelernt.

Nicht, dass er viel geschlafen hätte. Stundenlang hatte er im Dunkeln gelegen und sich den Kopf zerbrochen, während er darauf wartete, dass endlich die Sonne aufging. Irgendwann so gegen fünf hatte das Prasseln des Eisregens an der Fensterscheibe aufgehört. Mit ein bisschen Glück würde nicht nur die Sonne am Himmel, sondern auch die Temperatur am Thermometer steigen und das Eis schmelzen.

Jetzt, wo ein bisschen Tageslicht still und leise durch die Vorhänge drang, konnte er nachsehen, was draußen vor sich ging, und sich dann um die Pferde kümmern.

Er sprang vom Sofa auf und schob die Gardinen beiseite. Eine dünne Schneedecke bedeckte die Hügel, die Bäume, seinen Wagen. Nein.

Nein, nein, nein.

Immer noch fiel in einem steilen Winkel Schnee, der hin und wieder von einer Windbö gehässig durchgewirbelt wurde.

Du machst wohl Witze. Er ließ die Vorhänge wieder fallen und schlug mit dem Handballen gegen den Fensterrahmen.

Er schnappte sich seinen Laptop, nahm ihn mit aufs Sofa und öffnete die Seite mit dem Wetterbericht. Die Kaltfront hatte sich weiter nach Süden ausgebreitet als vorhergesagt. Ungläubig schaute er auf die Prognose für den heutigen Tag.

Zwölf Zentimeter Neuschnee bis Sonnenuntergang.

Ihm blieb die Luft weg. Josephine würde noch mindestens eine Nacht mehr in seinem Haus festsitzen. Er erlaubte es sich nicht, daran zu denken, wie lange die Schneepflüge brauchten, um die Bergstraßen zu räumen.

Er rieb sich mit der Hand übers Kinn, dann massierte er seinen Nacken, wo sich jede Menge Anspannung gesammelt hatte.

Echt jetzt, Gott? Hast du das hier wirklich im Griff?

Shadow, der seine Anspannung spürte, kam rüber und stupste seine freie Hand an. Noah kraulte ihm die Ohren.

Sein Blick blieb an den Scheidungspapieren hängen, die auf dem Beistelltisch lagen. Über die wollte er jetzt nicht einmal nachdenken.

Er klappte seinen Laptop zu und stand auf. Die Pferde mussten versorgt werden, und er brauchte etwas, das ihn von Josephine ablenkte. Von der Tatsache, dass sie ihm Zimmer nebenan schlief, in seinem Bett.

Wenige Minuten später duckte er sich aus seinem Auto in die Scheune. Gut, dass er die Pferde am Vorabend hereingeholt hatte. Wie es aussah, würden sie heute auch drinbleiben müssen.

Im Stall heulte der Wind. Kismet wieherte laut, hoch und zitternd. Seit seiner Ankunft war er draußen auf der Weide gewesen. Noah wusste, dass die letzte Nacht für ihn schwer gewesen sein musste. Er hätte sich mehr Zeit für das Pferd nehmen sollen, aber er war von Josephine abgelenkt gewesen.

„Hey, Kumpel.“ Langsam ging er auf die Box zu. „Alles gut. Alles wird gut.“ Er streckte ihm die Hand hin, doch das Pferd wich zurück.

Noah griff in seine Manteltasche, wo er Zuckerwürfel aufbewahrte. Es brauchte einige Minuten guten Zuredens, aber nach einer Weile kam Kismet Schritt für Schritt auf ihn zu und nahm sie aus seiner Hand.

„Gut gemacht, mein Feiner.“

In einer der nächsten Boxen wieherte Rango, der sehnsüchtig auf sein Futter wartete. Ein paar der anderen Pferde folgten seinem Beispiel. „Ja, ist ja gut, ist ja gut. Ich weiß, dass ihr alle Hunger habt. Ihr kommt doch alle dran.“

Nachdem er Kismet beruhigt hatte, begann Noah, die Pferde zu füttern. Kismets Ration fügte er etwas Baldrian hinzu, weil er den ganzen Tag im Stall stehen musste. Er nahm sich für jedes Pferd ein wenig Zeit, schenkte ihnen Aufmerksamkeit und striegelte ein paar auf dem Putzplatz.

Draußen heulte der Wind, pfiff unter den Dachvorsprüngen. Er dachte an Josephine, die in seinem Bett zusammengerollt lag, wo ihr Haar möglicherweise das Kopfkissen beduftete. Sie würde über die Wetterlage auch nicht glücklicher sein als er. Vielleicht schlief sie ja bis mittags.

Mit langen, langsamen Bürstenstrichen arbeitete er sich zu Diggers Kruppe vor. Das Pferd entspannte sich mit einem Seufzen.

Noahs Gedanken wanderten zu Josephine zurück. Er erinnerte sich an ihre Panik vom Vorabend. Im selben Moment, in dem er den Lichtschalter betätigte, war ihm sein Fehler bewusst geworden. Sie hatte sich schon immer vor der Dunkelheit gefürchtet. Irgend so eine Kindheitsgeschichte, nahm er an. Solange er bei ihr war, war es ihr immer gutgegangen. Aber in dem Moment, wo sie allein im Dunkeln war, bekam sie Panik. Er wehrte die Beschützergefühle ab, die in ihm hochkamen, wie er sie auch am Vorabend abgewehrt hatte. Nicht seine Verantwortung.

Er beendete seine Arbeit mit den Pferden und fuhr zurück zum Haus. Es schneite immer noch. Hin und wieder behinderten Wind und Helligkeit seine Sicht so sehr, dass er nicht mehr weiterfahren konnte. Der Himmel war so hell geworden, wie er es an einem Tag wie diesem und angesichts des grauen Abgrunds über ihnen werden konnte. Wenn er doch nur den ganzen Tag im Stall bleiben könnte.

Das Haus war still, als er mit Feuerholz in den Armen eintrat. Er legte seine Winterausrüstung ab und schürte nachdenklich das Feuer. Wie sollte er noch einen ganzen Tag und eine ganze Nacht allein mit Josephine verbringen? Nur in ihrer Nähe zu sein brachte seine Gedanken durcheinander. Schwere Vorahnung schwoll in ihm an, bis sich seine Lungen wie eingepfercht anfühlten.

Er hörte ein Geräusch im Flur. Also war Dornröschen aufgestanden. Und dabei war es noch nicht einmal neun Uhr. Wenige Minuten später sprang die Dusche an.

Das letzte Holzscheit warf er energischer als nötig in den Kamin. Dann kümmerte er sich ums Frühstück. Er schaute in den Kühlschrank und entdeckte einen Eierkarton. Rühreier, Salz, Pfeffer, ein bisschen Käse. Viel zu mühelos fiel ihm ein, wie sie ihre Frühstückseier am liebsten aß.

Kurze Zeit später ging er zum Bad, um Josephine zu sagen, dass das Frühstück fertig war. Die Tür öffnete sich gerade, als er die Hand zum Klopfen hob. Dampf quoll ihm entgegen, und Josephine sprang erschrocken zurück.

Ihr Haar war trocken und kräuselte sich um ihr Gesicht. Ihre sahneweiße Haut ungeschminkt. In anderen Worten, sie war wunderschön.

Sie drückte sich eine Hand auf die Brust. „Du hast mich erschreckt.“

„Frühstück ist fertig.“

„Ich hatte vor, mir beim Bäcker was zu holen.“ Sie ging vorsichtig an ihm vorbei, und er machte ihr Platz. „Bist du so weit? Ich muss nur eben meine Schuhe anziehen.“

Offensichtlich hatte sie noch nicht aus dem Fenster geschaut. Das Schlafzimmerfenster war alt, einfach verglast und daher mit einer undurchsichtigen Plastikfolie überzogen. Das Bad hatte noch nicht mal ein Fenster.

„Noah? Ich habe Termine heute. Je früher ich zurückkomme, desto besser.“

Er sammelte seine Sinne und räusperte sich. „Das mit den Schuhen kannst du dir schenken.“

Sie betrachtete ihn lange. „Und warum?“

Es laut auszusprechen machte es irgendwie wirklicher. Er presste die Lippen zusammen und nickte Richtung Wohnzimmerfenster.

Nach einem langen, prüfenden Blick ging sie zum Fenster hinüber und griff nach den Vorhängen.

Als sie sie öffnete, entfuhr ihrer Kehle ein leises Quietschen.

Jetzt sah es noch schlimmer aus als vorher – und das wollte etwas heißen. Ein weißes Meer. Er konnte kaum über die Veranda hinausschauen.

Ihre Finger umklammerten den Vorhangstoff, während sie hinausstarrte. Ihre Schultern hoben und senkten sich.

Er gab ihr Zeit, das sacken zu lassen. Er hätte sowieso nicht gewusst, was er sagen sollte.

Einen Moment später drehte sie sich um, brach auf dem Sofa zusammen und starrte ihn böse an. „Es hieß doch, es sollte nicht schneien.“

„Na, hat es aber.“

Ihre Augen blitzten. „Vielen Dank auch, Einstein.“

Er hob seine Hände. „Hey, das ist nicht meine Schuld. Ich war’s nicht, der beschlossen hat, ohne jede Vorwarnung hereinzuplatzen.“

„Ich wollte nur helfen.“

Zornig starrte sie ihn durch den Raum hindurch an. Er starrte ebenso zornig zurück.

Als wäre das seine Schuld. Wenn sie die Scheidung beim ersten Durchgang zum Abschluss gebracht hätte, wie sie es versprochen hatte, wäre das nicht passiert. Und er war nicht derjenige, der planlos über den Berg gelatscht kam, ohne wenigstens vorher anzurufen.

Sie verschränkte die Arme. Sie trug wieder den weißen Pulli vom Vortag. „Wie lange wird es dauern, bis es aufhört? Ich habe ein Geschäft, um das ich mich kümmern muss.“

„Da wirst du vielleicht eine Vertretung anrufen müssen. Es soll noch eine ganze Weile nicht aufklaren.“

Ihr rasender Blick prallte auf seinen. „Wie lange?“

Er betrachtete über ihre Schulter die winterliche Szene draußen. Gerade in diesem Moment frischte der Wind auf und pfiff im Kamin. Das Feuer knisterte, und ein Scheit rutschte tiefer in die Flammen.

„Den ganzen Tag.“

Ihre Lippen öffneten sich, und ihre Schultern sanken etwas in sich zusammen, als ihr Atem aus dem Körper wich. „Veräppelst du mich?“

„Leider nein.“

„Ich habe heute eine Wagenladung Dinge zu erledigen. Nicht nur die Termine. Ich habe dieses Wochenende eine große Veranstaltung im Salon. Dafür muss ich noch eine ganze Menge planen.“

„Ich weiß auch nicht, was ich dir jetzt sagen soll.“

„Sag mir, dass du Witze machst.“

Er presste die Lippen zusammen. Glaubte sie, ihm gefiel das? Das hier war sein schlimmster Albtraum.

„In der Küche ist Rührei, falls du Hunger hast.“

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Yaş sınırı:
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Litres'teki yayın tarihi:
22 aralık 2023
Hacim:
324 s. 7 illüstrasyon
ISBN:
9783961400454
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