Kitabı oku: «Omega erforderlich», sayfa 3
Kapitel 4
Roland saß draußen auf einer Bank, atmete den grünen Duft von Gras und wachsenden Blumen ein. Es war fast Sommer, und Sommer hatte nie so gerochen, bis er in die Stadt kam.
Er konnte etwas Bitteres in seinem Mund schmecken und Fieber in seine Knochen kriechen spüren, ein schlimmer werdender Schmerz in seinem Bauch. Er wusste nicht, was mit ihm geschah, aber er glaubte nicht, dass er lange genug leben würde, um viele Bewerber abzuweisen.
„Mr. Lea?“
Roland öffnete die Augen und sah Susan auf ihn zukommen. Er konnte sie riechen, was gut war, weil seine Sicht immer schlechter wurde, nicht mehr nur wenn er versuchte zu lesen. Das hatte er bisher niemandem erzählt. Er wollte nicht, dass die Hebammen nachstocherten und Fragen stellten oder dass irgendjemand wusste, was mit ihm passierte, solange er es noch verheimlichen konnte.
Susan lächelte, stellte er fest, als sie sich auf das Ende der Bank setzte. Aus einem Reflex heraus lächelte er zurück, hielt dabei jedoch den Mund geschlossen, um die Chancen zu reduzieren, dass sie an seinem Atem roch, wie krank er war.
„Ich habe wunderbare Neuigkeiten, Roland“, sagte Susan.
Roland konnte spüren, wie gern sie ihn bei diesen Worten berührt hätte, um die Freude zu teilen. Roland verbarg die Hände – die immer kalt waren, sogar in der Frühsommersonne – noch entschlossener unter seinen Armen.
Susans Lächeln verblasste langsam, aber sie fuhr fort. „Ms Dawson von der Agentur ist wegen Ihnen hier. Mit einem Alpha! Er freut sich schon sehr, Sie kennenzulernen; sie sagte, er kann es kaum erwarten. Ich weiß, das ist ziemlich ungewöhnlich, aber wenn Sie ihn treffen wollen, könnte das etwas wirklich Wundervolles für Sie werden.“
Roland wandte den Kopf ab und atmete ein paarmal schnell und scharf ein, ohne dass sie sein Gesicht sehen konnte.
Nun, er hatte gewusst, dass er einige Mal Nein sagen musste, und ein Alpha, der sich so freute, ihn kennenzulernen, war vermutlich jemand, zu dem er definitiv Nein sagen wollte.
Obwohl es wahrscheinlich niemand war, zu dem er leicht Nein sagen konnte.
„Werden Sie mich begleiten?“ Vorsichtig sah Roland zu Susan hinüber.
Susans Ausdruck schmolz dahin, nur für einen Moment, und sie streckte die Hand nach ihm aus, zog sie aber zurück, ohne ihn zu berühren. „Natürlich, Roland. Wir werden Sie nicht mit ihm verbinden, ohne ihn zuvor gesehen zu haben. Möchten Sie, dass Ms Dawson mit ihm hier herauskommt oder in eines der Wohnzimmer geht?“
„Hier“, sagte Roland sofort. Es musste nicht sein, dass Susan mitbekam, wie lange er brauchte, um hineinzukommen, und er musste sich nicht in einem engen Raum aufhalten, in dem der Geruch nicht verfliegen konnte. Mit einem Alpha, der ihn wollte.
„Dann warte kurz.“ Susan tippte auf etwas auf ihrem Telefon.
Roland atmete ein und aus und konzentrierte sich darauf, seinen Kopf genau gerade zu halten – weder seine Kehle noch seinen Nacken zu entblößen – während er den Weg beobachtete, auf dem Susan gekommen war. Es dauerte weniger als eine Minute, bis er zwei verschwommene Gestalten wahrnahm. Eine war schlank und mittelgroß, was mit seiner Erinnerung an Ms Dawson von der Agentur übereinstimmte; die andere, groß und breit, mit dunklem Haar, musste der Alpha sein. Es brauchte ein paar Sekunden mehr, bis er erkannte, dass der Alpha einen Anzug trug, was einige seiner halb ausgegorenen Erwartungen erschütterte. Er wusste nicht, ob er in den letzten acht Jahren von einem Alpha gefickt worden war, der sogar einen Anzug besaß.
Natürlich hatte er nicht sonderlich viel über die Alphas gewusst, die ihn in den vergangenen acht Jahren gefickt hatten. Eine schreckliche Sekunde lang fragte er sich, ob das einer von ihnen war, aber dann fing Roland seinen Geruch ein. Er war ihm völlig unbekannt, abgesehen von den Basisnoten aus Werwolf und männlich und Alpha. Er konnte nicht sagen, ob er diesen Geruch mochte oder hasste, aber er kannte ihn nicht.
Der Ausdruck des Alphas war, als er näherkam, ebenso unbekannt: Er wirkte entschlossen, beinahe beunruhigt, und sein Blick wich nicht von Rolands Gesicht.
Er blieb auf dem Weg stehen, weit genug entfernt, dass er nicht über Roland aufragte. Roland kam der Gedanke, dass er vielleicht aufstehen sollte oder so.
Er blieb sitzen.
„Roland, Sie erinnern sich an Ms Dawson“, sagte Susan, „und das ist Beau Jeffries, der Alpha, der sich unbedingt treffen wollte. Mr. Jeffries, Mr. Lea.“
Beau Jeffries verneigte sich tatsächlich leicht, wobei er die Hände an den Seiten behielt. Sein Blick war nach wie vor auf Roland gerichtet.
„Hallo, Mr. Lea. Ich freue mich, Sie kennenzulernen. Wie geht es Ihnen heute?“
Mr. Jeffries Stimme war tief und warm, angenehm zu hören, allerdings war die Frage nicht ganz so angenehm. Rolands Herz begann schneller zu schlagen.
Er weiß es.
Roland hatte der Agentur meistens die Wahrheit gesagt, und es war auch nicht so, als fühlte er sich nicht offensichtlich unwohl, von seinem rasierten Kopf bis hin zu der Tatsache, dass er sich in einem Omega-Refugium befand. Er konnte nicht anders, als nach oben zu fassen und seinen Schal fester um den Hals zu wickeln, während er Mr. Jeffries zunickte.
„Gut, danke. Ähm. Ihnen?“
Mr. Jeffries lächelte leicht, sein Blick wandte sich noch immer nicht von Roland ab, und etwas Warmes blühte in seiner Magengrube auf. Oh nein. Er sollte diesen Alpha nicht mögen. Er sollte es endlich besser wissen, als sich wieder in einen zu verlieben.
„Mir geht es gut“, sagte Mr. Jeffries. „Allerdings bin ich nervös, weil ich dabei bin, einem Fremden einen Heiratsantrag zu machen, und ich mir nicht sicher bin, ob er an dem, was ich bieten kann, interessiert sein wird. Und ich möchte wirklich sehr, dass er Ja sagt.“
Roland blinzelte und musterte Mr. Jeffries von oben bis unten. Er schien perfekt zu passen und ziemlich wohlhabend zu sein. Seine Hände sahen weich und sauber aus, passend zu dem schönen Anzug, und er hatte nicht die Härte, die Roland seit Langem bei Werwölfen kannte, die auf der Straße lebten oder arbeiteten. Wie konnte er daran zweifeln, dass irgendein Omega ihn haben wollte?
„Wissen Sie“, Mr. Jeffries kam einen Schritt näher und ging in die Hocke, sodass er zu Roland aufsah, der noch immer auf der Bank saß. „Ich habe gerade die Medizinschule abgeschlossen.“
Dann besaß er wohl mehr als einen Anzug und hatte absolut keinen Grund, sich mit einem gebrochenen Wesen wie Roland abzugeben.
Aber er hatte von Heirat gesprochen, und das vor Zeugen.
Heirat war menschlich, legal. Man bekam dabei ordentliche Papiere und alles. Roland wartete immer noch darauf, ob die Briefe, die die Unterkunft in seinem Namen abgeschickt hatte, seine Identität genügend bestätigten, um ihm eine Kopie seiner Geburtsurkunde zu verschaffen. In den letzten Jahren hatte niemand auch nur angeboten, ihn mit in den Mietvertrag aufzunehmen, wenn er an einem Ort lebte, der schön genug war, um Papierkram zu erfordern.
„Was, äh?“ Roland schluckte hart und versuchte zu überlegen, wie man mit jemandem wie Mr. Jeffries redete. Ein Arzt. „Welches … Spezialgebiet?“
Dr. Jeffries Lächeln wurde breiter. „Eigentlich ist das der schwierigste Teil. Ich möchte Menschen behandeln, keine Werwölfe. Ich denke, dass ich – natürlich mit der Erlaubnis der Patienten – als Diagnostiker viel Gutes tun kann.“
Er fragte Roland nicht, ob er verstand, was das Wort bedeutete. Er wartete auf Rolands Reaktion und Roland wusste, dass er sie nicht verstecken konnte.
Er weiß es, er weiß es, er weiß es.
Roland kämpfte darum, seine Sprache wiederzufinden. Er konnte den Blick nicht von Dr. Jeffries Augen nehmen. Sie waren fast schwarz, aber nicht vollkommen. Gerade noch war die kaffeebraune Iris um das dunkle Zentrum herum zu erkennen. „Und Sie glauben, sie erlauben das, wenn Sie verheiratet sind?“
Dr. Jeffries schüttelte den Kopf, bedacht und ernst. „Nun, nein, ich glaube nicht, dass mir das bei den Patienten helfen wird. Aber ich brauche noch drei Jahre Praxiserfahrung – mein Praktikum – und dieses Programm verlangt, dass ich verheiratet bin. Ich will mich nicht dazu zwingen lassen, aber Ms Dawson schlug vor, dass ich mir jemanden suche, dem ich helfen kann, während er mir ebenfalls hilft, jemand, der einen sicheren Platz zum Leben braucht und der bereit ist, von Chicago wegzuziehen. Es wäre nicht für immer. Ich würde einer Scheidung zustimmen, damit derjenige nach einer gewissen Zeit wieder gehen kann. Wir hätten einen Ehevertrag. Und als mir Ms Dawson Ihr Profil gezeigt hat, wusste ich, dass ich Sie kennenlernen muss.“
Rolands Herz schlug so schnell, dass es wehtat, und er konnte kaum sämtliche Konsequenzen von Dr. Jeffries Worten erfassen, da nur eine einzige durch seinen Kopf donnerte.
Er weiß es, er weiß es, er weiß es.
Roland stemmte sich auf die Füße, ohne darüber nachzudenken, was er tat. Dr. Jeffries stand ebenfalls auf und machte einen Schritt zurück, damit Roland ihm nicht zu nahe kommen musste, wenn er um die Bank herum und über den Rasen davongehen wollte. Er hielt seine Arme um seine Mitte herum geschlungen und den Blick zu Boden gerichtet und ging, so schnell er konnte. Für einen Moment konnte er nichts anderes, als die Leichtigkeit in seinem Kopf zu fühlen, konnte nichts anderes als den Donner seines Herzens hören.
Auf der anderen Seite des großen, schattigen Baumes, der in der Mitte des Hofes wuchs, blieb er stehen, lehnte sich mit dem Rücken gegen den Baum und bedeckte sein Gesicht mit den Händen. Er rang nach Luft, versuchte nachzudenken, sich vorzustellen, was das bedeutete, warum Dr. Jeffries wirklich hier war, was er tat, wenn er es tatsächlich wusste.
„Mr. Lea?“
Dr. Jeffries Stimme ertönte von der anderen Seite des Baumes. Roland drückte seine Hände auf jeder Seite flach gegen die Rinde und beugte sich vorsichtig vor, um über seine Schulter zu spähen.
Dr. Jeffries stand ihm gegenüber, zum Großteil verdeckt vom Baum.
Susan und Ms Dawson waren lediglich verschwommene Schatten bei der Bank.
Gut, er brauchte in dieser Situation wirklich keinen Aufpasser.
„Es tut mir leid“, sagte Dr. Jeffries leise. „Ich wollte Sie nicht erschrecken oder in Verlegenheit bringen, ich meinte jedes Wort so, wie ich es sagte. Mein Angebot ist absolut aufrichtig. Aber ich mache mir auch große Sorgen um Sie. Nehmen Sie Suppressiva?“
Rolands Kiefer klappte nach unten, er lehnte sich gegen den Baum und kniff die Augen zusammen.
Was hatten die Beruhigungsmittel damit zu tun? Er sollte jetzt sowieso nicht läufig sein.
„Hat sich Ihr Gesundheitszustand verbessert, seit Sie ins Schutzgebiet gekommen sind?“, fragte Dr. Jeffries leise und in einem auffordernden Tonfall. „Oder hat er sich weiter verschlechtert, obwohl Sie keinen Wolfsbann mehr nehmen und einen sicheren Platz zum Schlafen und genug zu essen haben?“
Rolands Finger gruben sich in die Rinde, aber er antwortete nicht. Vielleicht musste er auch gar nicht.
„Ich glaube nicht, dass die Hebamme Ihnen etwas verschrieben hat“, fuhr Dr. Jeffries leise fort. „Und das kann sehr gefährlich sein, Mr. Lea. Es ist nicht mein Spezialgebiet, aber nach dem, an was ich mich erinnere, was in meinem Rudel passiert ist, als ich jung war und was ich bei Ihnen sehe und rieche … Es gibt einen Grund, warum Hebammen vorsichtig damit sind, sie zu verschreiben. Grundsätzlich ist es Gift. Eine der Hebammen, die ich kannte, hatte die Theorie aufgestellt, dass sie die Hitze stoppen, indem sie dafür sorgen, dass man krank genug ist, um sich nicht fortpflanzen zu können. Sie sind Gift, sorgfältig auf einen bestimmten Patienten abgestimmt. Aber wenn man es von sich aus nimmt, und wenn man es über eine lange Zeit nimmt …“
„Ich brauche es“, flüsterte Roland. „Ich kann nicht … Ich will nicht. Ich will nicht.“
Er konnte sich nicht einmal vorstellen, noch mehr zu diesem netten, Anzug tragenden Alpha mit seinen weichen Händen zu sagen und seine Schande zuzugeben. Er konnte nur wiederholen: „Ich brauche sie. Ich will nicht.“
„Wenn Sie jetzt damit aufhören würden, wären Sie immer noch weit davon entfernt, in Hitze zu geraten“, sagte Dr. Jeffries, immer noch leise, immer noch dort stehend, wo Roland ihn nicht sehen oder riechen musste, wo nicht die Gefahr einer Berührung bestand. „Und sommerliche Läufigkeit ist selten, obwohl Ihr Zyklus wahrscheinlich für eine Weile unregelmäßig sein wird, wenn Sie lange Zeit Suppressiva eingenommen haben. Aber die Alternative ist, dass Sie immer kränker und kränker werden, Mr. Lea. Bitte, auch wenn Sie mir in keiner anderen Hinsicht vertrauen möchten, nehmen Sie sie bitte nicht mehr, nur für ein paar Tage, eine Woche, so lange Sie es aushalten. Sie sind hier in Sicherheit, auch wenn Sie …“
Rolands Knie gaben bei dem bloßen Gedanken daran nach, dass dieses Fieber seinen Körper überschwemmte, ihm den Verstand raubte, ihm die Kontrolle stahl und ihn ohne zusammenhängende Erinnerungen an das zurückließ, was ihm angetan worden war, während die Hitze in ihm wütete.
„Ich kann nicht.“ Es war nur ein Flüstern, das größtenteils in dem Geräusch unterging, mit dem er an dem Baum herunterrutschte und sich an der Wurzel zusammenkauerte, die Knie bis zur Brust hochgezogen.
„Bitte.“ Dem Klang seiner Stimme nach kniete auch Dr. Jeffries und bekam wahrscheinlich Grasflecken auf seinem hübschen Anzug. „Mr. Lea – Roland – ich möchte niemandem davon erzählen müssen, aber ich bin Arzt. Ich kann dich nicht einfach sterben lassen, ohne dir zu helfen. Wenn du mit mir kommst, werde ich sicherstellen, dass du während der Hitze einen sicheren Platz hast, mit Türen, die du vor mir versperren kannst, alles, was du brauchst. Ich würde dich niemals zwingen, niemals …“
Sogar durch sein eigenes Grauen konnte Roland in Dr. Jeffries’ Stimme die raue Kante der Verzweiflung hören. Er meinte es wirklich so. Er hatte all das getan, seinen Anzug angezogen und war zum Schutzgebiet gekommen, weil er zu wissen glaubte, warum Roland krank war und dass er damit aufhören musste.
Eine plötzliche Erinnerung an seine Mutter blitzte in Rolands Gedanken auf, die verzweifelte Aufrichtigkeit in ihrer Stimme. Ich habe es versucht, Baby, ich schwöre, ich habe sie gefragt, ich habe sie angebettelt, aber sie haben ‚Auf keinen Fall‘ gesagt.
„Ist das …“ Seine Stimme war beinahe lautlos und Roland schluckte und begann noch einmal. „Ist das der Grund, warum – wenn sie Gift sind, werden sie nicht – wollten nicht – die Hebamme sagte, ich sei zu jung, als meine Mutter fragte.“
„Ja“, sagte Dr. Jeffries leise. „Ja, in meinem Rudel bekommt es niemand bis nach der Highschool oder bis man eine bestimmte Größe und ein gewisses Gewicht erreicht hat, denke ich. Es ist eine Belastung für den Körper, hemmt das Wachstum, all das.“
Roland atmete zitternd aus. Niemand hatte ihm jemals gesagt, warum. Nicht, dass es geholfen hätte, Bescheid zu wissen, aber bisher hatte ihm noch niemand erklärt, warum. Bis auf diesen Alpha.
Er drückte die Handballen gegen seine Augen und sagte: „Ich kann nicht … Ich kann jetzt im Moment gar nichts entscheiden. Können Sie …“
„Ich komme morgen wieder“, antwortete Dr. Jeffries. „In Ordnung? Ich habe ein paar Wochen Spielraum, ich kann Ihnen etwas Zeit geben. Aber bitte, Mr Lea, denken Sie darüber nach, was ich Ihnen gesagt habe.“
Er würde an nichts anderes denken können, dessen war sich Roland sicher. Und er würde nicht aufhören können darüber nachzudenken, wie sehr er von Dr. Jeffries lieber wieder Roland genannt werden wollte als Mr Lea.
Kapitel 5
Als Beau in sein Apartment zurückkehrte, kam es ihm wie fremdes Gebiet vor. Er hatte bereits für den Umzug gepackt, und jetzt hing alles auf eine völlig neue Art in der Luft.
Roland – Mr Lea, er war immer noch alles außer einem Fremden – hatte nicht Nein gesagt, nur Ich kann gerade nichts entscheiden. War das die Doppeldeutigkeit eines Omegas gewesen, der einen drängenden Alpha beschwichtigen wollte? Würde Beau morgen an der Tür abgewiesen werden?
Oder würde er von etwas Schlimmerem begrüßt werden? Mr Lea war wirklich verzweifelt gewesen, wirklich verängstigt, und er war bereits so schwach.
Beau konnte nichts dagegen tun. Mr Leas Sachbearbeiterin schien aufmerksam und freundlich zu sein, und das Schutzgebiet schien allgemein ein guter Ort zu sein. Sicher bemerkten sie Mr Leas Verzweiflung und sahen in gewissen Abständen nach ihm.
Beau musste nur bereit sein, morgen wiederzukommen, Mr Lea zu zeigen, dass er alles erfüllen wollte, was er versprochen hatte. Er packte seinen Computer und einen Notizblock und setzte sich zwischen die Stapel von Lehrbüchern, um eine Liste mit allem zu erstellen, was er für die Recherche benötigte: verfügbare Häuser in Rochester, Eheverträge, was genau er in Bezug auf Geld und Papierkram brauchte, um so schnell wie möglich zu heiraten, alles, was man über Beruhigungsmittel wissen musste …
Er dachte einen Moment an Adam, seinen ehemaligen Klassenkameraden und Alpha-Kollegen. Adam hatte vorgehabt, sofort nach seinem Abschluss abzureisen, um mit seinem Forschungsprogramm zu beginnen, doch er hatte niemandem gesagt, was oder wo das war. Beau wusste, dass sich Adam für Omega-Gesundheit interessierte – sie hatten sogar einmal über Beruhigungsmittel gesprochen. Adam stimmte der Toxizitätshypothese zu, wurde darüber jedoch auf eine Weise wütend, die Beau davon abhielt, das Thema jemals wieder anzusprechen.
Adam wurde über die meisten Sachen, die Omegas betrafen, wütend. Beau fragte sich schon seit einer Weile, ob er einen Omega-Bruder hatte, den er beschützen wollte, aber er hatte keinen Weg gefunden, danach zu fragen, ohne zu klingen, als wollte er Adams hypothetischen Bruder daten. Das war nicht die Art von Frage, die ein Alpha stellen konnte, ohne einen Kampf auszulösen, und Adam schien sowieso ständig auf einen aus zu sein.
Auf den zweiten Blick war Adam vielleicht genau die falsche Person, die man um Rat wegen dem kranken, verängstigen Omega, den Beau Hals über Kopf heiraten wollte, fragen sollte. Es war sowieso egal. Beau wusste, was mit Roland los war, und Roland war alles, worüber er sich gerade Sorgen machte.
***
Er hatte nicht geschlafen, aber wenigstens geduscht, gegessen und frische Kleider angezogen. Er steckte seinen Laptop in seine Tasche, zusammen mit dem Ordner mit Papieren, die er ausgedruckt hatte, und an dessen Rand er seinen Prüfungs-Glücks-Stift gesteckt hatte.
Auf seinem Weg in das Schutzgebiet sah er ein halbes Dutzend Mal auf seine Uhr, um sich daran zu erinnern, dass der Mond immer noch abnahm, dass der Einfluss des Vollmonds vorbei war. Das juckende, unruhige Gefühl, das er hatte, kam nicht vom Mond, es war Mr Lea und dass er wissen wollte, ob er in Sicherheit war, egal ob er Beau nun heiraten wollte oder nicht.
Vorübergehend. Zu ihrem gegenseitigen, legal erklärten Nutzen.
Als er sein Ziel erreicht hatte, war der Drang zur Verwandlung so stark, wie er es nicht mehr gespürt hatte, seit er sein Rudel verlassen musste. Auf der Straße vor dem Schutzgebiet musste er stehen bleiben und einige tiefe Atemzüge machen, um sich unter Kontrolle zu bringen.
Das dauerte allerdings nur so lange, bis er einen Hauch von Mr Leas Geruch in der Luft bemerkte, der kränklich-süß und blutunterlaufen war. Beau rannte die Stufen hinauf, um zu klingeln.
„Ah ja“, sagte der Omega, der die Tür öffnete. Er war fast so groß wie Beau und ausgesprochen männlich. „Mr Leas Besucher? Er wartet im Innenhof auf Sie. Folgen Sie mir.“
Beau zwang sich, einen halben Schritt hinter dem unbekannten Omega zu bleiben, während sie durch die öffentlichen Bereiche des Schutzgebiets zur Tür zum Innenhof gingen.
Als die Tür offen war, interessierte ihn nichts anderes mehr als Roland, der an der Bank auf und ab ging, auf der er am Tag zuvor gesessen hatte. Seine Schritte waren qualvoll langsam und zittrig. Er hielt an, als Beau in den Innenhof kam, sah nervös und mit einem Ausdruck von nicht völligem Erkennen auf seinem Gesicht in Beaus Richtung, als ob die paar Meter zwischen ihnen für ihn zu viel wären, um klar zu sehen.
Als Beau auf ihn zueilte, sah er den Moment, in dem Roland ihn mit Sicherheit erkannte, unmittelbar gefolgt von Roland, der sich umdrehte und entschlossen zu dem Baum ging, bei dem er sich am Tag zuvor versteckt hatte.
Beau passte seine Schrittgeschwindigkeit Rolands an, um den Eindruck zu vermeiden, er wolle ihn jagen. Er folgte ihm lediglich, wohin Roland ihn führte.
Roland saß bereits gegen den Baum gelehnt, als Beau ihn erreichte, und Beau ergriff die Chance und ging um den Baum herum, ehe er sich neben ihn ins Gras setzte und ihn ansah.
Roland hatte die Arme um sich geschlungen, sein Kopf war so weit gesenkt, dass sein Gesicht halb durch den weichen Strickschal, den er trug und der absolut nicht zur Jahreszeit passte, verdeckt wurde.
„Hi“, sagte Beau leise, weil er nicht wusste, wie er anfangen sollte.
Roland umklammerte sich noch fester und murmelte in seinen Schal: „Ich konnte nicht. Ich habe es versucht, aber ich … ich konnte nicht. Es tut mir leid, ich konnte nur nicht … ich konnte sie nicht weglassen. Ich konnte es nicht.“
Beau hielt seine Atmung und seinen Herzschlag gleichmäßig. Er durfte Roland nicht erschrecken. „Du meinst, du hast deine Beruhigungsmittel heute wieder genommen?“
Roland nickte steif. „Ich … ich konnte nicht …“
„Es ist in Ordnung.“ Es war nicht in Ordnung, aber das zu sagen half nicht, wenn Roland ohnehin so verletzt war, und Beau wollte ihm tatsächlich helfen und nicht nur mit seiner Diagnose recht haben. „Daran zu denken ist schon ein guter Anfang. Es heißt, dass Sie mir glauben, was ich Ihnen gestern gesagt habe.“
Roland zuckte die Schultern, dann nickte er ruckartig. „Es ergibt Sinn. Ich habe eine der Tabletten zerbrochen und wusste dann, dass eine Art Eisenhut enthalten ist. Selbst die Spaßmischungen von Eisenhut sind … Ich meine, es steckt giftig in vergiftet.“
Beau versuchte, nicht zu beeindruckt auszusehen, obwohl er nicht erwartet hatte, dass Roland diese Verbindung herstellte. Die meisten Menschen verstanden nicht, dass high zu werden bedeutete, sich selbst auf eine gewisse Weise zu vergiften.
„Sie haben recht“, sagte Beau leise. „Eisenhut tut niemandem einen Gefallen. Sie sehen …“
Er sah schlimmer aus, mehr als Beau von einem Tag auf den anderen befürchtet hatte. Vermutlich war es die Angst, aber auch seine Haut hatte einen stärkeren Gelbstich als am Tag zuvor. Beaus Alpha-Instinkte, die auf dem Weg hierher ziellos geflattert hatten, konzentrierten sich jetzt perfekt: Alles, was er im Leben wollte, war, Roland in seine Arme zu nehmen, ihn zu halten und das hier irgendwie besser werden zu lassen.
„Würden Sie …“ Roland sah ihn zum ersten Mal an, er hob sein Gesicht zwar nicht aus dem Schal, sondern sah durch seine Wimpern zu Beau auf. „Wenn ich mit Ihnen käme, würden Sie sie mich weiter nehmen lassen?“
Es war verlockend, einfach weich zu werden, doch Beau erwiderte ein hartes: „Nein.“
Roland sah aus, als wäre das die Antwort, die er erwartet hatte. Er nickte leicht, sah aber immer noch nicht auf.
„Ich würde Sie aber auch niemals zwingen, eine Hitze mit mir zu verbringen“, sagte Beau und lehnte sich dabei ein wenig nach vorn. „Und sobald Sie sich erholt haben, würde ich eine Hebamme suchen, die Ihnen hilft, eine sichere Dosis oder ein besseres Medikament zu finden, damit Sie keine Hitzen mehr bekommen, wenn Sie das nicht wollen. Ich schwöre dir, Roland, ich werde niemals etwas davon erzwingen. Niemals.“
„Ich kann nicht.“ Roland senkte den Blick wieder und lockerte einen Arm aus der Umklammerung, in der er sich selbst hielt, um seinen Unterbauch zu berühren, eine Geste, die von Schmerz erzählte. „Ich bin innerlich kaputt. Deshalb kann ich nie … egal, wie viele Hitzen, egal was, ich werde nie Kinder haben können. Aber wenn Sie mich nur für eine gewisse Zeit wollen, ist das vielleicht sogar besser?“
Einen Augenblick lang konnte Beau nicht antworten und erstickte beinahe an der Trauer um den Verlust, von dem Rolands verkrampfte Finger sprachen, und an der Wut über jeden, der ihn so verletzt hatte. Kaputt, sagte er, und Beau konnte das Echo seiner schmerzhaften Erinnerungen in seiner Stimme hören. Das war keine bloße theoretische Diagnose.
„Das ändert nichts an meiner Meinung“, brachte Beau schließlich ruhig heraus. „Ich würde dir gerne helfen. Ich möchte, dass du mich heiratest.“
„Du willst mich wirklich heiraten?“ Rolands Blick wanderte wieder nach oben. „Mit Papieren und so, und Trauzeugen? Und dem – Ehevertrag, sagtest du? Richtig?“
„Ja“, antwortete Beau, warf seine Tasche auf den Boden und öffnete sie. „Ja, ich habe einen ausgedruckt, du kannst ihn dir ansehen.“
Er zog die Unterlagen aus der Tasche und hielt sie Roland hin, aber Roland behielt seine Hände, wo sie waren, und vergrub sein Gesicht tiefer im Schal. „Ich kann nicht, äh …“
Beau begann jedes Mal, wenn Roland ‚Ich kann nicht‘ sagte, Schmerzen zu empfinden. Seine Hand stockte, dann legte er die Papiere zwischen sie. Rolands Augen folgten ihnen, ehe er sie wieder hob, um Beau anzusehen.
„Es ist wie – Gift, kann das die Sicht beeinträchtigen? Denn mit Eisenhut verschwamm sie manchmal oder alles hatte Lichtschleier, oder …“
Er hatte Beau aus einer Entfernung von fünf Metern nicht wirklich erkennen können. Er konnte die Worte des Vertrags nicht lesen.
„Ja“, sagte Beau und schluckte, um den Hauch von Härte aus seiner Stimme zu wischen. „Ja. Verschwommene Sicht ist ein Symptom von … verschiedenen Arten der Vergiftung.“
Aber auch von verschiedenen Arten von Organversagen, von dem er sich ziemlich sicher war, dass Roland kurz davor stand. Es konnte blitzschnell passieren, und Beau hatte kein Recht, irgendetwas zu tun, um zu helfen, wenn er Roland nicht überreden konnte, ihm dieses Recht zu geben.
Roland bewegte sich und zog etwas unter seinem Hemd hervor – einen versiegelten Umschlag. Er legte ihn auf die Papiere und sagte: „Kannst du …? Ich glaube, das ist etwas, auf das ich gewartet habe.“
Beau hob den Umschlag auf und bemerkte, dass er vom Staat Wisconsin, dem Gesundheitsministerium war. Er riss den Umschlag vorsichtig auf und zog eine Geburtsurkunde heraus.
Roland Michael Lea. Großer Mond am Himmel, er war erst vierundzwanzig Jahre alt. Beau hätte geschätzt, dass er zehn Jahre älter sei. Er war in einem Krankenhaus in einer Stadt in Wisconsin geboren worden, deren Name Beau nichts sagte, was nur bedeutete, dass es nicht Milwaukee oder Madison war.
„Deine Geburtsurkunde“, sagte Beau und legte sie vorsichtig auf den Entwurf des Ehevertrags. „Es hat ein Siegel in der Ecke und alles, du kannst es fühlen. Jetzt ist alles in Ordnung und legal.“
„Also kann ich heiraten, oder?“, fragte Roland leise und streckte die Hand aus, um mit seinen Fingern über das Dokument zu streichen, bis er das erhabene Siegel fand. „Scheint fast wie ein Zeichen. Wenn du es wirklich ernst gemeint hast, es so zu machen. Richtig und legal.“
„Ich schwöre es“, erwiderte Beau. „Ich schwöre es dir, Roland.“
„Und es gibt nur dich und mich, richtig? Du wirst mich nicht teilen, weil ich dir gehöre. Das ist die legale Weise.“
„Ja“, stieß Beau erstickt aus, während er die Wut einmal mehr unterdrückte. „Ja, ich würde dich nie …“
„Okay“, unterbrach ihn Roland. Vielleicht war es nicht mehr, als dass Roland Beaus Proteste nicht mehr hören wollte, aber er zog seinen Schal herunter und neigte den Kopf zur Seite, entblößte seine Kehle.
Sie war bedeckt mit hässlichen, rotglänzenden Verbrennungen, die wahrscheinlich auf Silber zurückzuführen waren. Jemand hatte ihm für eine verdammt lange Zeit ein Halsband angelegt, um ihn daran zu hindern, sich zu verwandeln oder sich zu wehren, aber es gab kein Anzeichen für einen Paarungsbiss. Und jetzt bot er sich Beau an. Er vertraute ihm oder war einfach zu schwach, um sich zu widersetzen.
„Roland“, sagte Beau hilflos und streckte die Hand aus. Er berührte die gesamte Haut unter Rolands Kiefer mit den Fingern, dann glitten sie nach hinten in Rolands Nacken, wo er seine Hand flach auf Rolands Haut legen konnte. „Ich – ich werde dich nicht beißen, nicht … Noch nicht. Das ist Teil des Vertrags, eigentlich werden wir keine derartige Bindung eingehen. Auf diese Weise …“
Rolands Augen waren geschlossen, seine Stimme ruhig, fast verträumt, als er sagte: „Meine Familie nannte mich Rory, als ich …“ Er schluckte und fuhr fort: „Könntest du auch. Wenn du willst. Wenn ich für eine Weile dir gehöre.“
Als ich eine Familie hatte, hatte er das nicht gesagt? Aber er musste jeden verloren haben, der sich wirklich um ihn gekümmert hatte, um so hier zu landen.
„Du gehörst mir“, erwiderte Beau und rutschte auf dem Gras näher, bis er Roland, Rory, in seine Arme ziehen konnte. Der Omega fühlte sich so zerbrechlich, so schrecklich anschmiegsam an. Beau legte den Schal um seinen Hals und rieb mit der Nase über die nackte Kopfhaut, wobei er sich auf die schnellen, zittrigen Bewegungen von Rorys Atmung konzentrierte. „So lange du mir gehören willst, Rory, wirst du es auch. Und du solltest mich Beau nennen.“
Rory nickte gegen seine Schulter und murmelte gehorsam: „Okay. Beau.“