Kitabı oku: «Omega erforderlich», sayfa 6
„Sieht gut aus“, sagte Beau. „Wir können sie kürzen, es gibt eine Näherei ein paar Blocks weiter unten, die schnell arbeiten.“
„Oh nein, ich kann doch einfach …“ Rory stellte seine Einkaufstasche wieder ab und schlurfte zum Tisch. Er wollte seine Füße nicht richtig heben, um nicht zu stolpern.
„Na, dann lass sie mich für dich umschlagen“, meinte Beau und winkte Rory auf einen der beiden Stühle. Er setzte sich, beäugte die Schale Haferflocken, die für ihn hingestellt worden war, und dann kniete sich Beau neben seine Füße und schlug rasch die Säume der Jeans um.
„Wir könnten dir vielleicht Hosenträger besorgen“, schlug Beau vor und lächelte zu ihm auf. „Das würde das Ganze ziemlich hip machen, hm? Und vielleicht Flanellhemden?“
Rory wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Er konnte sich nicht genau als Person vorstellen, von der plausibel behauptet werden konnte, ein Hipster zu sein, sondern viel eher schlecht sitzende Kleidung zu tragen, weil er obdachlos war, aber er wollte Beau nicht widersprechen oder riskieren, diese fröhliche, freundliche Stimmung zu vermiesen.
Beau schien sowieso keine Antwort zu erwarten. Er kehrte zu seinem Platz zurück und sagte: „Ich hoffe, dir machen die Haferflocken nichts aus? Ich dachte, die wären für deinen Magen nicht zu schwer. Das ist Sojamilch, weil ich nicht – hast du irgendwelche Allergien? Ich hätte das früher fragen sollen.“
Rory öffnete und schloss den Mund ein paar Mal und sagte dann: „Mein Mund und meine Ohren fühlen sich komisch an, wenn ich Bananen esse.“
„Oh, das“, Beau wedelte mit dem Finger vage zu Rory, aber er schien mit der Geste nicht schimpfen zu wollen. Seine Augen waren auf die Haferflocken gerichtet, während er einen Löffel braunen Zucker und Walnüsse darüber streute. „Ich habe von solchen Allergien gehört. Das kommt von einem Protein, auf das dein Körper reagiert, keine echte Lebensmittelempfindlichkeit.“
Rory biss sich auf die Lippe und verteilte über seinen Haferflocken ebenfalls einen Löffel braunen Zucker, dann ein paar Walnüsse, die er nacheinander hineinlegte. „Das mit deinen Ohren kommt von den Eustachischen Drüsen“, fügte Beau an. „Sie verlaufen bis in den Hals, wo sie gereizt werden können. Fühlt sich das vielleicht irgendwie kratzig an? Wie auch immer – keine Bananen, ich habe verstanden.“
Rory blickte auf, während er den Zucker in die Haferflocken rührte und versuchte, die Walnüsse gleichmäßig zu verteilen. Beau schob sich gerade einen großen Löffel voll Haferflocken in den Mund. „Aber … du sagtest, es ist keine echte Allergie.“
Beau zuckte kauend die Schultern. Er nickte zu Rorys Schale und schob ihm die Tüte mit den Walnüssen zu. Rory streute noch ein paar über sein Essen, rührte um und probierte vorsichtig.
„Ich meine, wenn du sie so sehr magst, verspreche ich dir, dich aus sicherer Entfernung mit einem EpiPen zu überwachen“, sagte Beau. „Aber irgendwie hat es sich angehört, als wäre es nicht unbedingt lustig, sie zu essen, wenn sie deinen Mund zum Jucken bringen.“
„Sie, ähm“, Rory starrte in seine Haferflocken und zuckte steif mit den Schultern. „Sie … manchmal will ich einfach Obst, verstehst du?“
„Ja, das ist ein Vitamindefizit – oh, hey, ich habe Vitamine.“ Beau ging und holte eine strahlend bunte Flasche vom Schrank und zeigte sie Rory, während er sich wieder setzte. Rory konnte Fred Feuerstein auf dem Etikett erkennen, wenn auch nicht die Worte, die drum herum standen, aber es war klar, dass das für Kinder gedacht war.
Beau öffnete die Flasche, schüttelte zwei Tabletten heraus und warf sie sich in den Mund. „Willst du? Zwei für Erwachsene, und sie haben eine ‚Lycane Formel‘, deshalb schmecken sie nicht allzu scheußlich und behaupten, wenigstens eine recht gute Nahrungsergänzung für uns zu sein.“
„Sie behaupten es?“ Rory streckte die Hand aus. Beau hatte sie genommen, und es waren Feuerstein-Vitamine. Was konnte es also schaden? Beau schüttelte zwei Vitaminpillen in Rorys Hand – nicht die kleinen, harten Tabletten, die er erwartet hatte, sondern weiche Gummidinger.
Er kaute darauf herum, und Beau hatte recht, sie schmeckten nicht allzu übel, nicht wie … er verjagte diesen Gedanken. Gerade jetzt musste er sich nicht an diese Dinge erinnern. Er musste auf seinen Alpha hören.
„Mm, also, Vitamine“, sagte Beau und machte mit einer Hand eine wippende Geste. „Bei ihnen ist das anders geregelt als bei richtigen Medikamenten, deshalb lässt sich schwer sagen, was tatsächlich drin ist, sie werden nicht mal auf besondere Wirksamkeit geprüft. Aber ein Präparat wie das hier richtet wohl kaum Schaden an und hilft vielleicht sogar, wenn du in letzter Zeit wenig Obst und Gemüse gegessen hast. Magst du Orangen? Beeren?“
Rory war ein wenig schwindelig über den unerwarteten Verlauf, den diese Unterhaltung genommen hatte. Schließlich sagte er: „Orangen, ja. Beeren … sind so teuer.“
Bananen waren billig, weswegen er sie aß, obwohl er sich ab und zu schon gefragt hatte, ob seine Kehle danach eines Tages nicht einfach zuschwellen würde. Und Bananen schmeckten immer ziemlich genau nach Banane.
„Yeah, und die Beeren, die man in den normalen Lebensmittelläden bekommt, sind Müll, zumindest elf Monate im Jahr“, stimmte Beau abwesend zu, auch wenn Rory das nie zu sagen gewagt hätte. „Wir können schauen, ob wir Bessere bekommen – dieses Wochenende ist Bauernmarkt oder so was. Wenn wir nach Rochester kommen, gibt es vielleicht ein ‚Pflück es dir selbst‘-Gebiet. Ich muss nachsehen, ob es in der Nähe eventuell einen Gemeinschaftsgarten gibt, aber ich weiß nicht, ob man mitten in der Saison beitreten kann.“
„Oh“, machte Rory schwach. Das alles klang nach mehr Mühe, als er von irgendwem erwarten würde, nur um ein paar Himbeeren zu bekommen, die es wert waren, gegessen zu werden, aber … Beau würde Arzt werden. Ärzte hatten üblicherweise gute Sachen. Erwartete Beau, dass Rory lokale Produkte einkaufte? Für ihn kochte? Sich um ein schickes Haus wie aus einem Magazin kümmerte?
Beau hatte für ihn gekocht. Rory hatte drei Tage geschlafen und Beau hatte sich um ihn gekümmert, als er nutzlos, hilflos war.
Rory schob sich hastig einen weiteren Löffel voll Haferflocken in den Mund, und nachdem er geschluckt hatte, sagte er: „Danke für das Frühstück. Es ist sehr gut.“
Beau lächelte. „Es ist schwer, Haferflocken zu vermasseln. Ich meine, ich schätze, ich hätte sie leichter anbrennen lassen können als Suppe vom Lieferservice, aber ich dachte, ich sollte eine Grenze ziehen und dich nicht neun Mal hintereinander mit Suppe füttern.“
Rory leckte sich über die Lippen, die Erinnerung des Geschmacks kam in ihm auf – salzige, fettige Brühe und leckere Karotten. „Hühnersuppe mit Nudeln?“
Beau grinste. „Ich hatte das Gefühl, du wärst manchmal wach gewesen. Ja, ziemlich gutes Zeug.“
Rory sah auf seine Haferflocken hinab und nahm noch einen kleinen Bissen. Er war immer noch hungrig, aber auch … alles andere.
„Danke“, sagte er wieder leise. „Ich kümmere mich um den Abwasch.“
„Okay“, erwiderte Beau, ohne den kleinsten Hinweis darauf, ob das die richtige Antwort war oder ob es überhaupt eine richtige Antwort gab. „Wenn du dich dafür fit genug fühlst. Wenn nicht, ist es auch nicht schlimm. Ich bin es gewöhnt, mich um mich selbst zu kümmern, und zwei brauchen nicht viel mehr Geschirr als einer.“
„Ich würde aber gern“, sagte Rory mit dünner Stimme. Am anderen Ende des Tisches nickte Beau nur, als wäre das alles, was man dazu machen konnte. Beau nahm sich noch mehr Haferflocken, diesmal mit einem Schuss Sojamilch, Honig und Zimt. Rory dagegen schob sich immer kleinere Bissen in den Mund.
Er war hungrig, oder war es gewesen, und Beau hatte das hier für ihn gemacht, es ihm serviert, ihm die guten Dinge hingestellt, die er hinzufügen konnte, doch sein Magen schmerzte und er begann die ganze Wirbelsäule hinab zu schwitzen, während er mit jedem Bissen kämpfte. Seine Schale war nicht mal annähernd leer.
„Rory?“
Rory sah scharf auf und war sich sicher, dass die Dinge nun doch so laufen würden, wie er befürchtete.
„Vielleicht habe ich dir mehr gegeben, als du derzeit bereit bist anzunehmen“, sagte Beau sanft. „Du hast während der letzten drei Tage kaum feste Nahrung zu dir genommen, dein Magen kommt wahrscheinlich mit einer großen Schüssel Haferflocken noch nicht klar. Es ist in Ordnung, wenn du nicht aufessen kannst oder willst.“
Rory zog den Kopf ein, seine Augen prickelten vor Dankbarkeit und Verwirrung, die tiefer ging als das Schwindelgefühl. Beau blieb weiterhin nett und Rory war zwischen Ärger auf sich selbst, weil er vergessen hatte, dass Beau ein guter Kerl war, und der Unfähigkeit zu glauben, dass irgendein Alpha wirklich nett sein konnte, hin und her gerissen.
„Wirf es ruhig weg, wenn du willst“, sagte Beau, und Rory hielt den Atem am, um über den freundlichen Ton nicht anzufangen zu weinen. „Haferflocken sind billig, es ist eine Menge da. Wir können noch welche machen. Du kannst es mit ihnen – oder etwas anderem – später noch einmal probieren.“
Rory nickte und nutzte die Gelegenheit, um sich abzuwenden. Er stand vorsichtig vom Tisch auf, um nicht wieder dieses Schwindelgefühl zu bekommen, aber sein Kopf blieb klar. Es waren nur ein paar Schritte bis zur Spüle und ein kurzer forschender Blick ergab, dass es einen Müllzerkleinerer gab, sodass er die Haferflocken in den Abfluss spülen konnte, anstatt sie in den Mülleimer zu werfen, wo der Geruch bleiben und ihn an seinen Misserfolg mit dem Essen erinnern würde.
Anstatt sie in den Kühlschrank zu stellen und sich immer wieder zum Essen zu zwingen, während sie mit jedem Mal weniger appetitlich, aber nicht verschwendet wurden.
Er kratzte die Schüssel sauber, ließ den Zerkleinerer laufen, dann schrubbte er seine Schale und den Löffel sauber.
Während er das tat, kam Beau zurück und löffelte die letzten Haferflocken aus dem Topf in seine eigene Schüssel, anschließend stellte er den Topf und den Holzlöffel in die Spüle. Rory bedankte sich murmelnd und wusch auch dieses Geschirr ab.
Er versuchte, den Schmerz in seinen Händen und Armen während der Arbeit zu ignorieren, und stützte dazu die Ellbogen gegen den Rand des Waschbeckens. Er beugte sich tiefer und tiefer und versank in den Versuch, jeden noch so kleinen Haferflockenrest aus dem Topf zu waschen, dann spülte er jede Spur von Seife ab, und dann …
Dann lag Beaus Arm um ihn herum, der tropfende Topf wurde ihm aus der Hand genommen und auf die Theke gestellt. Beau sagte: „Lass mir auch noch etwas zu tun übrig, Baby. Ich werde es abtrocknen, und du setzt dich eine Minute hin.“
Rory nickte – er würde den Teufel tun und ‚Nein‘ zu seinem Alpha sagen. Er drehte sich um, um sich auf einen Stuhl am Tisch zu setzen, doch Beau dirigierte ihn entschlossen zurück ins Bett. Er wimmerte leise in Beaus Griff, zwar wehrte er sich nicht, doch ihm gefiel die Idee trotzdem nicht. Aus den Laken konnte er seinen eigenen kranken Geruch aufsteigen riechen.
„Okay“, sagte Beau. „Hier, setz dich einfach eine Minute hin.“
Rorys Beine streckten sich unter ihm aus, er saß am Fußende des Bettes, die Ellbogen auf die Knie gestützt, das Gesicht in den Händen verborgen.
Er spürte und hörte Beau sich um ihn herumbewegen, doch er konnte nichts anderes riechen als die Schärfe des Spülmittels an seinen Händen. Dann berührte Beau seine Schulter, drückte ihn nach hinten, bis er auf dem Bett lag. Rory war zu müde, um dagegen anzukämpfen.
Seine Augen gingen auf, als seine Wange das Kissen mit einem frischen, kühlen Bezug berührte, der nach Beau und Waschmittel roch und nur einen Hauch von seinem Geruch trug. Er sah zu, wie Beau seine Beine auf einem frischen Laken richtete, das alte wegzog und aus dem Weg warf, und das neue unter der Matratze feststeckte.
„Hat man dir das im Medizinstudium beigebracht?“
Beau sah zu ihm auf und lächelte leicht. „Nah, aber ich habe ein paar Monate als Pflegehelfer gearbeitet, nachdem ich eine Pause von den Fahrten mit der Ambulanz brauchte.“
Rory runzelte die Stirn und blinzelte zu Beaus Shirt, dem Logo, das er nicht ganz zuordnen konnte. „Ist das …“
Beau kam zu ihm, setzte sich neben ihm auf das Bett und zeichnete mit einem von Rorys Fingern das Zeichen auf seiner Brust nach. „Chicago Fire Department. Während dem College habe ich als Sanitäter gearbeitet, und als ich dann die Prüfungen hatte, als Rettungsassistent.“
Rory ließ seine Augen zufallen und drückte seine Hand gegen Beaus Brust und das weiche, warme T-Shirt. „Ich dachte, das wäre dasselbe.“
„Nein“, entgegnete Beau. Er strich mit der Hand über Rorys kahlen Kopf, und obwohl es sich warm anfühlte, zitterte er. Beau ließ seine Hand in Rorys Nacken liegen. „Ein Rettungsassistent braucht drei Semester mehr und einige Prüfungen. Und dann ein Vorstellungsgespräch, obwohl ich über ein Jahr als Sanitäter bei ihnen gearbeitet hatte.“
Sanitäter, Rettungsassistent, Medizinstudium, Doktor für Menschen. „Du rettest immer Leute, hm?“, murmelte Rory.
„Na, ich versuche es“, erwiderte Beau leise, dann drückte er Rorys Nacken sanft. „Schlaf ein wenig, Baby. Ich wecke dich, wenn es Zeit fürs Mittagessen ist.“
Kapitel 9
Den Rest des Morgens saß Beau nicht neben Rory und starrte ihn an. Er holte ihre Wäsche aus der Reinigung und hängte Rorys Cargohose und sein Button-Down-Hemd neben seinen eigenen Anzügen in den Schrank. Anschließend führte ein sehr höfliches Telefonat mit seinem Makler in Minnesota und füllte dann einige Formulare aus, um sie zu scannen und zurückzusenden. Er erledigte Onlineeinkäufe und markierte viele Dinge, kaufte sie jedoch nicht. Er hatte schon das Haus aussuchen müssen, ohne nach Rorys Meinung zu fragen, da wollte er keine weiteren Entscheidungen für ihn treffen, wenn es auch anders ging. So konnte er nur jeweils vielleicht zehn Minuten von jeder halben Stunde neben ihm sitzen und sein schlafendes Gesicht beobachten.
Er sah schon besser aus: Die richtige Flüssigkeitszufuhr und das Essen, das Beau bisher in ihn hineinbekommen hatte, zeigten Wirkung. Sein Gesicht sah viel weniger hager aus und der gefährliche Anfall von Gelbsucht war kaum noch zu erkennen. Die heftigen Verbrennungen an seinem Hals begannen sich zu verändern, die Blasen verschwanden und das Rot verblasste zu Rosa. Seine Augen waren ebenfalls nicht mehr so farblos, und wann immer er Beau während der Stunde, die er wach gewesen war, angesehen hatte, schien er sich ohne Anstrengung konzentrieren und ihn wirklich sehen zu können.
Beau wusste, dass das – objektiv gesehen – nicht viel war, verglichen mit der Weise, wie Werwölfe normalerweise heilten. Trotzdem war es genug, um ihn sicher sein zu lassen, dass Rory lediglich genug Zeit brauchte, Zeit, Sicherheit und den Verzicht auf die Beruhigungsmittel, um gesund zu werden.
Ihm fiel Rorys herzzerreißendes Flehen, als er das letzte Mal aufgewacht zu sein schien, wieder ein. Ich brauche meine Medizin. Ich kann normal sein. Als Beau ihm das erste Mal erzählt hatte, wie gefährlich die Beruhigungsmittel waren, an dem Tag, als sie sich kennenlernten, hatte er gesagt: Die Hebamme sagte, ich sei zu jung, als meine Mutter danach gefragt hat.
Er war in einem Krankenhaus geboren worden, in einer mittelgroßen Stadt in der Nähe von Milwaukee. Nicht gerade Rudelgebiet – und Beau hatte nie von einem Omega gehört, der in einem Krankenhaus entbunden hatte. Ihre Anatomie war den menschlichen Ärzten zu fremd.
Rorys Mutter war also kein Omega. Aber Rory war einer. Das Einzige, was für Beau in dieser Hinsicht Sinn ergab, war, dass Rory gebissen worden war und sich bei seiner Verwandlung als Omega manifestiert hatte. Das war selten, aber Beau war sich ziemlich sicher, dass er davon schon gehört hatte.
Kein Wunder, dass Rory Beruhigungsmittel wollte; kein Wunder, dass er normal sein wollte. Nach Hause gehen zu einem Leben, zu dem er niemals zurückkehren konnte. Er wollte menschlich sein, ein menschliches Leben leben.
Beau wollte ihm helfen, wenigstens so nahe an die Erfüllung dieses Wunsches heranzukommen, wie er konnte, in welcher Zeit auch immer, bevor Rory beschloss, ihn zu verlassen. Denn wenn Rory kein Omega sein wollte, würde er definitiv nicht mit einem Alpha verheiratet bleiben. Beaus Gegenwart tröstete ihn vielleicht auf einigen widerwilligen, instinktiven Ebenen, aber das konnte nicht sein, was Rory wirklich wollte.
Es war gut, das jetzt schon zu wissen, sagte Beau sich. Er durfte es nur nicht vergessen. Er musste nur dem Drang widerstehen, sich neben ihn zu setzen und zu beobachten, wie das Sonnenlicht über die scharfen Züge von Rorys Gesicht wanderte, sich zu erinnern, dass er heute Morgen mit seinem Omega in den Armen aufgewacht war, der noch süß und friedlich schlief. Für diesen einen Moment hatte er sich Zuhause gefühlt, dass er alles hatte, was er je brauchte. Für diesen einen Moment war er nicht allein.
Das war reiner Instinkt, wiederholte er für sich selbst, und sah sich um, was es noch zu tun gab, während Rory schlief. Für Werwölfe bedeutete Instinkt eine Menge – was aber nicht hieß, dass es jemals genug für jemanden war, der kein Omega sein wollte. Beau musste nur seine eigenen Instinkte unter Kontrolle halten, für Rorys Sicherheit sorgen und ihn gehen lassen, wenn es so weit war.
***
Schlagartig wachte Rory auf, als Beau seinen Namen sagte, stemmte sich auf einen Ellbogen und sah sich um.
Beau versuchte, sein Lächeln nur freundlich zu halten und nicht die Hand nach ihm auszustrecken. „Mittagessen, wie ich sagte. Möchtest du Hühnersuppe? Oder ein Sandwich?“
Rory blinzelte einige Male und fuhr sich schließlich mit der Hand über die Augen. „Ich, äh, Suppe, bitte? Ich kann …“
„Lass dir Zeit“, sagte Beau und ging zum Kühlschrank, um die gekühlte Suppe in einen Kochtopf zu schütten.
Rory stattete dem Bad einen Besuch ab, anschließend setzte er sich auf die Kante eines Stuhls am Küchentisch. Die Suppe musste eigentlich nicht überwacht werden, doch Beau stand am Herd und beobachtete, wie Klumpen erstarrten Fetts in der Brühe schmolzen.
„Als ich ein kleines Kind war“, sagte Rory, dann brach er ab.
Beau starrte weiter in die Suppe, erinnerte sich an die Abstriche, die er früher machen musste, und wie verschieden Rorys Kindheit von seiner eigenen gewesen sein musste. Er gab ein kleines, ermutigendes Geräusch von sich, sah ihn dabei jedoch nicht direkt an, sondern gab ihm den Raum zu entscheiden, ob er reden wollte oder nicht.
Rory zappelte für ein paar Sekunden am Rand von Beaus Sichtfeld herum, dann fuhr er fort. „Als ich sechs oder sieben war, kam ich eines Tages von der Schule heim und fragte meine Mutter, warum wir keine Mikrowelle haben. Jeder hatte eine Mikrowelle, sie waren so schnell. Warum musste sie das Essen auf dem Herd warm machen?“
Beau starrte in die Suppe und bemühte sich, sich seine Verwirrung nicht anmerken zu lassen. Das klang wie …
„Sie versuchte es mir zu erklären, aber ich war stur und schrie, wie unfair das sei, und ich brachte damit auch meine Schwester zum Schreien. Nach einer Weile setzte sie uns beide ins Auto und fuhr mit uns zur Tankstelle. Die hatte eine dieser Mikrowellen für Lebensmittelläden, weißt du?“
Beau zog eine Grimasse und nickte. Er wusste, wie diese Geschichte enden musste, und fragte sich, wie er alles so falsch hatte verstehen können.
„Meine Mutter schaltete sie auf eine Minute und sagte uns, wenn wir beide bei der Mikrowelle stehen bleiben können, ohne die Hände von den Seiten zu nehmen, bis sie fertig ist, können wir direkt zum nächsten Geschäft fahren und eine kaufen.“ Am Rand von Beaus Sichtfeld schüttelte Rory seinen glänzenden Kopf und verzog die Lippen zu einem winzigen Lächeln. „Ich hielt acht Sekunden aus, dann hielt ich mir die Ohren zu. Georgie – sie ist ein Jahr älter als ich und hat immer auf mich aufgepasst – packte meinen Arm und zerrte mich mit ihr nach draußen, meine Mutter war eine halbe Sekunde hinter uns.“
Das spezielle Fingernägel-auf-Schultafel-Kreischen einer Mikrowelle war ebenso ein Gefühl wie ein Geräusch, unhörbar für Menschen, soweit Beau das beurteilen konnte, selbst Hunde schienen sich daran nicht zu stören. Beau hatte mehr als nur einmal bis spät in die Nacht mit Lauren und Adam und den anderen darüber diskutiert, was zur Hölle es tatsächlich war. Das war eine weitere Frage, die irgendwer eines Tages erforschen musste. Können Werwölfe Mikrowellenstrahlung selbst hören oder fühlen, und wenn ja, wie? Um das zu erforschen, müsste man natürlich Werwölfe dazu bringen, sich dem quälenden Geräusch/Gefühl einer Mikrowelle auszusetzen. Aber wahrscheinlich würde es Probleme mit der Ethikkommission geben, noch bevor jemand versuchte, Probanden zu rekrutieren.
„Also du, äh …“ Es war offensichtlich, dass er nicht gebissen worden war, dass seine Mutter und seine Schwester ebenfalls Werwölfe waren. Beau wagte es nicht, in dem Ersten, was Rory freiwillig über seine Vergangenheit erzählt hatte, herumzustochern. „Du bist also nicht in einem Rudel aufgewachsen?“
Rory schüttelte den Kopf. „Ich bin in einem Vorort aufgewachsen. Oder, na ja, Waukesha, das ist eine Art eigene Stadt. Aber ja, mein …“
Beau erinnerte sich an das leise, verlorene Flüstern. Ich will meinen Vater.
„Meine Mutter verließ ihr Rudel, als sie heiratete, und so bekam sie uns alle in einem Krankenhaus“, sagte Rory. „Mein V… ihr Ehemann war menschlich. Meine Schwester und ich sind beide geborene Wölfe, aber unser kleiner Bruder wurde als Mensch geboren.“
Beau konnte nicht anders, als nun doch zu Rory zu sehen. Wenn sein Vater ein Mensch war und seine Mutter kein Omega …
Aber das hatte er nicht gesagt. Er hatte sich korrigiert, als er es beinahe gesagt hätte. Weil der Mann, mit dem er aufgewachsen war, nicht sein Vater sein konnte, biologisch gesehen. Nicht wenn er menschlich und Rory doch ein Omega war.
Rory warf ihm einen Blick zu, nickte langsam, dann senkte er die Augen wieder. „Ich hatte keine Ahnung, bis ich mich mit dreizehn während Vollmondnächten seltsam gefühlt habe. Da waren wir gerade in der Offenbarung. Die Leute fingen an, wirklich zu wissen, dass wir existierten. Ein Kind, das die ersten Hitzen hatte …“
Er hatte seine Familie außer Gefahr bringen müssen, seine Mutter und Schwester, seinen offensichtlichen Nicht-Vater, seinen kleinen Bruder. Alleine unter Menschen leben, die jetzt wussten, dass es Werwölfe gab, in diesen frühen Tagen, als die Vorstellung regierte, dass Werwölfe eine Bedrohung darstellten, die darauf wartete, wie Schläferzellen in Aktion zu treten. Es war nicht einmal definitiv illegal, sie wie Monster zu töten … Sie waren weitaus gefährdeter als ein ganzes Rudel, das zusammenlebte, und Beau wusste ganz genau, wie sehr die Gefahr der Entlarvung die traditionellen Rudel belastet hatte. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass Rory der lebende Beweis dafür war, dass seine Mutter ihren Ehemann betrogen haben musste – aufgedeckt mehr als dreizehn Jahre nach dem Vorfall.
„Meine Mutter hat mich fortgeschickt, um mit ihrem Rudel zu leben, in dem sie aufgewachsen war, weit im Norden“, sagte Rory. „Ich, äh … ich war mit der Highschool noch nicht fertig, als ich einen zehn Jahre älteren Alpha kennenlernte, der mir sagte, dass wir wie Menschen in der Stadt leben können, und ich war so ein idiotisches Kind, also …“
Beau sah in den Topf. Die Suppe sprudelte mittlerweile. Er rührte sie um.
„Ich bin in einem großen Rudel aufgewachsen“, erzählte Beau. „Aber … seltsamerweise hat dort niemand meine Ambitionen unterstützt, also bin ich gegangen, sobald ich achtzehn war, bevor man mich verjagte. Ich verließ den Staat, änderte meinen Namen. Seitdem habe ich kein Wort mehr von ihnen gehört.“
Rory starrte ihn an und sah merkwürdig fassungslos aus. „Also bist du … ich meine, offensichtlich willst du jetzt Beau genannt werden, aber ist das …“
Rorys Spitzname aus Kindertagen war wertvoll für ihn, er mochte den Gedanken eindeutig nicht, dass Beau seiner vorenthalten wurde.
Beau schüttelte den Kopf. „Ich wurde immer Beau gerufen, also ist es in Ordnung. Es war ein Spitzname, als ich ein Kind war, abgeleitet vom Mittelteil meines Namens. John Beaumont. Mein Dad war schon Johnny und sein Vater war Jack. Die Alphas des Rudels, solange ich mich erinnern kann. Niemand konnte sich je erinnern, seinen Vater etwas anderes als Alpha zu genannt zu haben, oder Sir. Und so haben sie mich immer Beau genannt. Es machte keinen Unterschied, es zu ändern, außer dass ich ihren Namen losgeworden bin.“
Er hörte, wie Rory seine Hände über die Schenkel der Jeans rieb, die er trug. Beaus Großtante hatte sie für ihn während seines letzten Jahres auf der Highschool gemacht, als er bereits die Entscheidung, das Rudel zu verlassen, gefällt hatte, und im Rudel gerade noch geduldet wurde, weil er sich auf keine Kämpfe einließ und sich bestrafen ließ.
Er hatte diese Jeans behalten, selbst als er noch fünfzehn Zentimeter größer geworden war und sechzig Pfund zugenommen hatte, weil sie nach Zuhause roch, nach Rudel, und die bekannten Schutzzauber eingestickt waren.
Wenn jemand seine Darstellung von Gleichgültigkeit Bullshit nennen konnte, war es Rory, doch Rory schwieg. Er strich nur mit den Händen gegen Beaus, als Beau die Schüssel mit der erhitzten Suppe abstellte.
Als Beau in die Grundschule ging, war er einmal nach Hause gekommen und hatte seine Mutter gefragt, warum es nirgendwo im Rudelgebiet Mikrowellen gab. Er hatte von einem Klassenkameraden davon gehört, und erfahren, dass sie so viel schneller waren. Sie hatte ihm den Grund nicht gezeigt, sie hatte ihm nur gesagt: Manchmal ist es besser, Dinge langsam zu machen.
Jahre später, als er sechzehn war und sie ihm sagten, er solle geduldig sein, um die Dinge sich entfalten zu lassen, hasste er diesen Rat mehr als alles andere, was ihm jemand aus dem Rudel sagte. Aber jetzt, als er am Tisch saß und zusah, wie Rory mit kleinen, vorsichtigen Bissen aß, dachte er, dass seine Mutter vielleicht doch recht gehabt hatte.
***
Nach dem Mittagessen erledigte Rory erneut den Abwasch und schaffte ihn diesmal komplett. Als er fertig war, sah er müde aus, aber triumphierte, und hatte immer noch ein wenig Farbe im Gesicht.
Beau grinste und winkte ihn zurück auf den Stuhl am Tisch. „Hier, ich habe etwas für dich. Ich wollte dir das schon früher geben, aber du bist ziemlich heftig zusammengebrochen.“
Rorys Herz legte einen Spurt ein, seine Haltung richtete sich auf, und ein eifriger Ausdruck erschien auf seinem Gesicht, trotzdem gab es noch etwas in ihm, das auf Ärger gefasst war.
Beau machte sich ein geistiges Bild von dem, was Rory nicht über die fehlenden Jahre zwischen Highschool und jetzt erzählt hatte, diesen älteren Alpha, der ihn von den Füßen und direkt in eine Abwärtsspirale gerissen hatte.
Geschenke konnten gefährlich sein. Beau war sehr froh, dass er es nicht eingewickelt oder sogar zurück in die Schachtel gelegt hatte.
Er zog den Stecker aus dem neuen Telefon, das größte, das noch ein Telefon und kein Tablet war, der Bildschirmzoom war bereits voll hochgedreht und alle Eingabehilfen aktiviert, und brachte es ihm, ohne darum einen Wirbel zu machen. „Ich wusste nicht, welche Art Hülle dir gefällt – meine sind immer ziemlich langweilig – aber wir können jederzeit eine besorgen.“
Er legte das bereits geladene Telefon in Rorys Hände.
Rory blinzelte es einen Moment an und sagte dann: „Das ist. Danke, ich … ich werde …“
„Hey, kein Grund, mir zu danken.“ Beau ging in die Hocke, um in Rorys Gesicht aufsehen zu können und ihn nicht zu überragen. „Und wenn du den Bildschirm immer noch nicht gut lesen kannst, kannst du die Sprachbefehle verwenden oder ich kann …“
Rory wischte bereits vorsichtig über den Screen und Beau hielt den Mund und ließ ihn einfach machen. Er hielt bei einem Bildschirm mit nur zwei Icons darauf an, die jeweils fast ein Sechstel des Screens einnahmen.
„Das ist Susan“, sagte Rory, nachdem er eine Sekunde lang auf den Bildschirm gestarrt hatte. „Und das bist du.“
„Ja.“ Beau holte sein eigenes Handy heraus und wedelte damit herum. „Ich habe jedes Mal ein Beweisfoto geschickt, dass du noch lebst, wenn Susan eines wollte. Aber jetzt kannst du das übernehmen, wenn du dazu bereit bist. Sie möchte wirklich mit dir reden und sicherstellen, dass alles in Ordnung ist. Ich kann spazieren gehen, wenn du etwas Privatsphäre brauchst.“
Rory schüttelte den Kopf, ohne von dem Handy aufzusehen. Er blinzelte schnell, aber Beau sah, wie sich Tränen in seinen Augen sammelten. „Könntest du … ich glaube nicht, dass ich … nicht gerade jetzt?“
„Okay“, erwiderte Beau leise und legte eine Hand auf Rorys Knie. „Ist schon gut. Wenn du bereit bist, möchte sie wirklich gern deine Stimme hören. Aber du kannst dein Telefon verwenden, wie immer du möchtest. Du kannst dein eigenes Passwort eingeben, jemanden anrufen, irgendwas runterladen. Es gehört dir. Nur dir.“
Rorys Kiefer spannte sich an – hatte er das zuvor schon gehört oder wollte er Beaus Beschwichtigungen nicht hören, nicht wissen, was er dachte? – aber nach einem Augenblick schluckte er und sagte: „Danke, Beau.“
„Kein Problem.“ Beau drückte sein Knie. „Nun, das kommt jetzt wahrscheinlich ziemlich plötzlich, wir haben vorher nicht so viel darüber gesprochen, aber … erinnerst du dich, dass ich bald ein Aufenthaltsprogramm anfange? In Minnesota?“
Rory blinzelte auf das Handy hinunter, sein Griff darum wurde fester, dann holte er tief Luft, hob den Kopf und sah Beau an, während er nickte. „Dann ziehen wir um?“ Er schaute sich um, sein Blick wanderte über die Kartons, ehe er wieder zu Beau sah. „Heute?“
Beau stieß den Atem aus und verbot sich daran zu denken, wie viele plötzliche und chaotische Adressenwechsel Rory in den Jahren hinter sich hatte, in denen Beau sich in seinem kleinen Apartment verkrochen hatte.