Kitabı oku: «Achtsamkeit in Schule und Bildung (E-Book)», sayfa 3

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Rupprecht, S. (2015). Achtsamkeit macht Schule?! Fördert ein Achtsamkeitstraining das Lehrerwohlbefinden und die Unterrichtsqualität? Norderstedt: Grin Verlag.

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ACHTSAMKEIT IN SCHULE UND LEHRERINNEN- UND LEHRERBILDUNG

Susanne Krämer

Lehrpersonen stehen im Spannungsfeld, ein stetig anwachsendes Fachwissen zu vermitteln und dem weitgespannten Beziehungsnetz von Schulleitung, Kolleginnen und Kollegen, Eltern sowie Schülerinnen und Schülern gerecht zu werden. Die vielfältigen Herausforderungen, die sich dadurch ergeben, haben Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden.

Auch die Schülerinnen und Schüler stehen unter steigendem Leistungsdruck. Das ist nicht mit den Ansprüchen einzelner Eltern zu erklären, sondern spiegelt die Anforderungen einer durchökonomisierten Gesellschaft wider. Vor diesem Hintergrund wird die Schaffung einer lernförderlichen Atmosphäre zur Grundvoraussetzung des Bildungsprozesses. Achtsamkeitsprogramme bieten sowohl für Lehrpersonen als auch für Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit der Stressreduktion (z. B. Chiesa & Serreti, 2009), Emotionsregulation (Flook et al., 2013) und erhöhen die Konzentrationsfähigkeit (Hölzel et al. 2007). Durch den nichtwertenden Fokus auf den Augenblick in allen seinen Aspekten steigt die Empathiefähigkeit (Dekeyser et al., 2008) und das schafft die Basis von Beziehungskompetenz.

Ausgehend von einer Darstellung der aktuellen Problemlage werden die wichtigsten Forschungsergebnisse im schulischen Kontext und die bestehenden Programme für LehrerInnen und Schülerinnen und Schüler vorgestellt. Insbesondere sollen Wirkfaktoren von Achtsamkeit für den eigenen Unterricht erläutert werden, um eine sehr konkrete Vorstellung des Transfers in den schulischen Alltag zu erhalten, denn Bildung braucht Bilder, um sich wieder den ursprünglichen Aspekten des Bildungsauftrages anzunähern. Eng damit verbunden ist die Frage nach den Zielen schulischer Bildung und den Bedingungen, um diese realisieren zu können.

Aspekte einer lernförderlichen Atmosphäre

«Wir können die Probleme von heute nicht mit den Antworten von gestern lösen», schreibt Jesper Juul. «Wir verfügen über ein umfangreiches wissenschaftliches, organisatorisches und politisches Wissen und Erfahrungen, die es uns möglich machen, viele der von Menschen selbst verursachten Probleme zu beschreiben und zu lösen. Allerdings wird uns das nicht gelingen, wenn wir dafür dieselben Werkzeuge und Bezugssysteme verwenden, mit denen wir die Probleme geschaffen haben» (Juul 2012, S. 47). Doch welche Basis braucht es, damit jener Raum geschaffen wird, der neue Antworten auf die Bedürfnisse unserer Gesellschaft geben kann? Und wie kann Schule zu einem Ort werden, der es ermöglicht, anknüpfend an das bestehende Wissen Kompetenzen zu vermitteln, die zu kreativen Lösungen über die «Antworten von gestern» hinaus führen können? Was kann die Haltung der Achtsamkeit im schulischen Kontext bewirken?

Antworten sind im Rückbezug auf den Ursprungsgedanken von Schule im Abgleich mit Aspekten der gegenwärtigen Situation an den Schulen zu finden.

Das Wort «Schule» geht etymologisch auf den altgriechischen Begriff σχολή (scholé) zurück, welcher «Musse» bedeutet. Die Musse, das Innehalten (altgriechisch: échein), um den Dingen wirklich auf den Grund zu gehen (Konrad 2007, S. 18), stellt eine der Grundvoraussetzungen (die in der heutigen Lernpsychologie wiederentdeckt werden) für das Lernen als kreatives Verknüpfen von Informationen dar. Es braucht eine druck- und angstfreie Atmosphäre, die Raum zum Neudenken und Entwickeln bietet, oder wie der Neurologe Gerald Hüther (2011, S. 128) es formuliert: «Kreativität, so scheint es, ist eine Leistung, die nicht dadurch erreicht werden kann, dass man sein Denkorgan besonders anstrengt, um ein bestimmtes Problem zu lösen. Vielmehr kommen uns die wirklich kreativen Einfälle wohl eher ausgerechnet dann, wenn es uns gelingt, unser Gehirn ohne Druck und ohne gezielte Anstrengung zu benutzen.» Ein Nobelpreisträger der Physik wurde in einem Interview gefragt, ob er benennen könne, warum gerade er die bahnbrechenden Erkenntnisse hatte und nicht andere, ebenfalls exzellente KollegenInnen aus seinem Team. Er erwiderte, dass es vielleicht einfach daran gelegen habe, dass er sich neben der intensiven Forschungsarbeit den Freiraum gegeben habe, jedes Wochenende tauchen zu gehen. Diese Auszeit würden sich viele der KollegenInnen nicht nehmen. Und seine besten Ideen seien ihm gekommen, wenn er nicht in der direkten Auseinandersetzung mit der Thematik steckte, sondern einen Abstand dazu hatte.

Der Begriff der Bildung wurde im Mittelalter vom Philosophen und Theologen Meister Eckhardt (1260−1311) eingeführt, der als dessen Ziel das Erlernen von Gelassenheit sah (vgl. Bechthold-Hengelhaupt 1990). Der mittelhochdeutsche Begriff «gelāʒen» bedeutet gottergeben im Sinne von «das Schicksal annehmend», aber auch sich niederlassen (Wahrig, 1986), welches an das Niederlassen im Moment, in der Meditation erinnert.

Gelassenheit, die aus Akzeptanz resultiert, ist aber nicht zu verwechseln mit Gleichgültigkeit, die ein Nichtagieren impliziert. Im Sichniederlassen im Moment und Akzeptieren, dass es jetzt genau so ist, wie es ist, und nicht so, wie ich es mir wünschen würde, liegt die Basis, die adäquates Handeln ermöglichen kann. «Komme ich in eine Klasse und ziehe dort ganz nach Plan meinen Unterricht durch, ohne überhaupt zu beachten, dass die SchülerIinnen vollkommen desinteressiert und unruhig sind, kann ich mir zwar vorgaukeln, dass ich eine gute Stunde gehalten habe, aber mit der Realität hat das nichts zu tun. Die SchülerInnen werden vom Inhalt der Stunde kaum etwas abspeichern. Nehme ich die Situation von Anfang an wahr und akzeptiere den momentanen Zustand der Schülerinnen und Schüler als ‹nicht in der Lage, weiteren Stoff aufzunehmen›, dann werde ich in der Lage sein, genau mit dieser Situation umzugehen, eine aktivierende Methode an den Beginn zu stellen, eine kurze Bewegungseinheit oder auch eine Achtsamkeitsübung» (Krämer, 2019, S. 27).

Neben der Musse und Gelassenheit gilt es eine dritte Qualität zu berücksichtigen. 1890 benannte der amerikanische Psychologe William James in seinem Werk «Principles of Psychology», die Schulung einer fokussierten Aufmerksamkeit als weitere Grundvoraussetzung von Lernen: «Das Vermögen, eine wandernde Aufmerksamkeit willentlich zurückzubringen, wieder und immer wieder, ist die eigentliche Wurzel von Urteilskraft, Charakter und Wille. Eine Erziehung, die das Vermögen ausbildet, wäre die Erziehung par exellence. Doch ist es leichter, dieses Ideal zu definieren, als praktische Anleitungen zu seiner Verwirklichung zu geben» (1910, S. 424).

Wie sieht es nun, unter Betrachtung einigen Daten aus der Schweiz, mit diesen drei Voraussetzungen in der gegenwärtigen Situation an den Schulen aus?

Situation von Schülerinnen und Schülern und Lehrpersonen

Die Internationale HBSC-Studie (2014) befragte Schweizer Jugendliche im Alter von 11−15 Jahren, wie stark sie den Stress durch die Arbeit in der Schule einschätzen. Die Studie wird seit 1998 alle 4 Jahre durchgeführt und dabei konnte ein kontinuierlicher Anstieg des Levels beobachtet werden (Eichenberger et al., 2017).


Abbildung 2: Stress durch die Arbeit für die Schule

Quelle: http://www.suchtschweiz.ch

Dabei bezeichneten sich bei der zuletzt 2014 durchgeführten Befragung 12−22 Prozent als «einigermassen gestresst» und 6−12 Prozent als «sehr gestresst».

Diese Ergebnisse werden in der Juvenir-Studie der Jacobs Foundation (2015) bestätigt, die zuletzt 2014 die 15- bis 21-Jährigen befragte: «Insgesamt ist Stress also für knapp die Hälfte (46 Prozent) der jungen Frauen und Männer in der Schweiz in den Jugendjahren prägend. Nur 14 Prozent der Befragten geben an, sich nie oder selten gestresst zu fühlen» (Ebd., S. 8). Gefragt nach den Hauptbelastungen liegt die Schule klar an erster Stelle, sogar vor den «Anforderungen» von verschiedenen Seiten. Interessant ist hierbei auch die Aufteilung nach Geschlechtern, wobei die Mädchen deutlich stärker belastet sind (66 Prozent weiblich, 45 Prozent männlich). Die Folge von permanenten Stresserfahrungen sind psychische oder psychosomatische Erkrankungen. Nun der Blick nach Deutschland: Fast jedes zweite Kind zeigt Symptome von Schulstress wie Kopf- oder Magenschmerzen, Schlafstörungen, fast jede/-r dritte Schüler/-in leidet unter depressiven Stimmungen, wie eine Befragung von 11- bis 18-Jährigen der DAK (2011) zeigt. Hierbei ist der Anteil der männlichen (29 Prozent) und weiblichen Betroffenen (29 Prozent) ausgeglichen.

Ein weiteres besorgniserregendes Feld sind die Zahlen des Verdrängungskonsums durch die gesellschaftlich anerkannte Droge Nr. 1: des Alkohols. Laut einer DAK-Studie (2010) liegt das Einstiegsalter bei 11 Jahren, wobei die Jungen tendenziell höhere Werte zeigen als die Mädchen. Geben 10 Prozent der 12-jährigen Jungen an, wöchentlich zu trinken, sind es mit 15 Jahren schon 44 Prozent und ab 16 Jahren 70 Prozent. Dabei berichten 50 Prozent, sich an «monatlichen Rauschtrinken» zu beteiligen. Entgegen häufiger Vorurteile ist der Anteil in beiden Kategorien an Gymnasien höher als an Haupt- und Realschulen. «Ein Risikofaktor dafür ist offenbar der erlebte Schulstress», erklärt Projektmanagerin Silke Rupprecht von der Leuphana Universität Lüneburg. An Gymnasien geben 46 Prozent der regelmässigen Alkoholkonsumenten an, dass sie unter einem «hohen Leistungsdruck» stehen (DAK 2010).

Gefragt nach den Gründen für den Stress geben die Schülerinnen und Schüler neben dem äusseren Grund «Zeitdruck» (41 Prozent) hauptsächlich ihren «eigenen inneren Druck» (40 Prozent) an: «‹Auch unter Druck möchte ich alles gut machen› (41 Prozent)» (Juvenir, 2015). Dagegen fällt der Druck durch die Erwartungshaltung der Eltern relativ gering aus (16 Prozent). Das ist ein immer häufiger zu beobachtendes Phänomen. Der Hamburger Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie, Michael Schulte Markwort beschreibt in seinem Buch «Burnout-Kids», wie immer mehr Eltern «hochgradig besorgt und ratlos» einem Leistungsdruck gegenüberstehen, den sie selbst nicht explizit setzen (2015, S. 11).

Es ist unsere Gesellschaft, die einen immanenten Leistungsdruck vorgibt, so dass die Schülerinnen und Schüler den Druck bereits internalisiert haben und der «innere Antreiber» die Führung übernimmt. Die Beschleunigung der Gesellschaft – wie sie u. a. Hartmut von Rosa (2011) beschreibt – führt zu immer mehr Ängsten, den Anforderungen nicht standhalten zu können, aus dem sich immer schneller drehenden System «zu fliegen». Ebenfalls in der Juvenir-Studie (2015) geben 40 Prozent der Befragten an, Angst um ihre berufliche Zukunft zu haben. Die Auswirkungen spüren Lehrpersonen in ihrem täglichen Umfeld. So berichtet die Schulleiterin eines Leipziger Gymnasiums in einem Interview: «Ich erlebe jetzt oft Kinder, die weinen, wenn sie eine Zwei haben, traurig sind, denken, dass sie nichts können, und man denkt, wie kann man den Kindern irgendwie helfen, dass sie da nicht solchen Druck haben» (in Krämer 2019, S. 111). Und sie ergänzt mit derselben Schlussfolgerung, dass sie Kinder sieht, «die gar nicht wissen, wie man sich einfach mal hinsetzt und relaxt. Aber ich kenne das, ich kann das ja auch nicht! Aber dass das Kinder schon nicht wissen, fand ich total verrückt. Ich denke schon, dass dieses Verhalten mit der Schnelllebigkeit der Gesellschaft zu tun hat, dass die Eltern auch gestresster sind, und dies auf Ihre Kinder ganz leicht übertragen.»

Wie ein ironischer Kommentar dazu wirkt ein Zitat Jean Pauls: «Es hat keinen Sinn, die Kinder zu erziehen, sie machen einem doch alles nach.»

Aus diesen Aussagen ergibt sich eine Forderung an die Lehrerschaft, denn wie können Kinder und Jugendliche gesundheitsförderndes und selbstfürsorgliches Verhalten lernen, wenn nicht durch das Beobachten der Personen, die nach dem Elternhaus die größte Wirkung auf ihre Psyche haben: ihre Lehrpersonen. Das Erlernen dieser grundsätzlichen sozialen Kompetenzen erfolgt, wie es die Hirnforschung bestätigt hat, durch Beobachtung und Nachahmung und nicht durch einen theoretischen Diskurs (vgl. Bauer, 2010, S. 6−9). Ralph Waldo Emerson bringt es auf den Punkt: «What you are speaks so loudly that I can’t hear what you say you are» (2017). Daher ist es spannend, sich zu den benannten Aspekten das LehrerInnenverhalten anzuschauen, denn wie es schon Einstein sagte: «Es gibt keine andere vernünftige Erziehung, als Vorbild zu sein.»

Um nicht das breite Feld der Lehrerinnen- und Lehrergesundheit komplett aufzurollen, hier nur einige ausgewählte Zahlen. In der Schweizer Nationalfondstudie (Kunz et al., 2015) der Fachhochschule Nordwestschweiz gab jeder fünfte Pädagoge an, «ständig überfordert» zu sein, jeder dritte gab an, einmal im Monat an «depressiven Stimmungen zu leiden» und wird als Burnout-gefährdet eingestuft. Verschiedene Gründe werden in der Studie für die hohe Belastung der Lehrpersonen verantwortlich gemacht: eine hohe Arbeitsmenge, Konflikte mit Eltern, schwierige Schülerinnen und Schülern und der sogenannte «Präsentismus» (das Weiterarbeiten im Krankheitsfall).

Schon diese Studie macht deutlich, dass von Seiten der Lehrpersonen eher das Vorleben des in der Gesellschaft herrschenden Drucks stattfindet und eine Neuorientierung nur durch die Bewusstseins- und Verhaltensänderung der einzelnen Lehrpersonen möglich ist, dass dazu aber ebenso das System hinterfragt und umstrukturiert werden sollte, um die nötigen Freiräume zu ermöglichen. Sich diese Freiräume zu erobern, kann die Haltung der Achtsamkeit unterstützen.

Achtsamkeitsprogramme für Lehrpersonen und deren Auswirkung

Es lag nahe, hier das besterforschte säkulare Achtsamkeitsprogramm «Mindfulness-Based Stress Reduction» (MBSR) zu nutzen, das in den 1970er-Jahren von Dr. Jon Kabat-Zinn an der University of Massachusetts entwickelt wurde und seither in über 100 Studien u. a. Effekte wie Stressreduktion und erhöhtes Wohlbefinden zeigte (ausführliche Zusammenstellung von Wirkungen auf www.achtsamleben.at/forschung).

In einer jüngst erschienenen Studie aus dem Freiburger «Musse»-Projekt konnten durch die Implementierung von MBSR-Kursen für 49 Lehrerinnen und Lehrer zwar keine unmittelbaren Effekte auf ihre Gesundheit nachgewiesen (Gouda, 2017), aber subtile Veränderungen auf Prozessebene festgestellt werden, welche die Bewältigungsressourcen, Lebenszufriedenheit und die sozial-emotionalen Kompetenzen von Lehrkräften unterstützen. Zu ähnlichen Ergebnissen kam bereits eine Studie von Silke Rupprecht. Es entstand weniger Resignation bei Misserfolgen, wodurch Angst, Stressgefühle und Depression abnahmen. Durch die verstärkte Präsenz im Körper stieg die Entspannungs- und Erholungsfähigkeit an, wodurch Wohlbefinden, Ruhe und Ausgeglichenheit zunahmen (Rupprecht, 2015).

Ausgehend vom MBSR-Programm wurden zahlreiche inhaltlich und strukturell auf den Schulkontext abgestimmte Programme entwickelt und empirisch überprüft.

Betrachten wir nun genauer, welche Auswirkungen diese Forschungsergebnisse auf die Handlungsspielräume der Lehrpersonen haben.

Mithilfe der achtsamen Haltung wird die Entwicklung der kognitiven Flexibilität (Kashdan & Rottenberg, 2010) gefördert, ebenjener Fähigkeit, die im Unterricht die Basis eines situationsadäquaten Vermittelns darstellt. Sich spontan von einer festgelegten Struktur zu lösen, um auf die Bedürfnisse und Nachfragen der Schülerinnen und Schüler zu reagieren und zu einer flexiblen Neugestaltung des Lerninhalts zu kommen, wird auf diese Weise unterstützt. «Wenn ich mich auf eines verlassen kann», beschreibt ein Kollege, «dann darauf, dass immer alles anders läuft als geplant.» Je grösser die kognitive Flexibilität, desto leichter sind situationsadäquate Veränderungen in Struktur oder Vermittlungswegen möglich (in Krämer, 2019, S. 32).

Durch die Förderung der Selbstreflexion (Farb et al., 2007) können Achtsamkeitsprogramme Lehrkräften dabei helfen, die «Tendenz zu emotionaler Impulsivität (als Reaktion auf Schülerverhalten) zu überwinden, welche zu emotionaler Erschöpfung und Burnout führt» (Chang, 2013, Jennings & Greenberg, 2009) und so «die Zyklen negativer Impulsivität zu durchbrechen» (Safran & Segal, 1990 In: Jennings, 2017, S. 52−54). Das kurze Innehalten der durch Achtsamkeit entwickelten Impulsdistanz führt zu der Fähigkeit, selbstbestimmt zu agieren und sich «mit effektiven Problemlösungsstrategien zu beschäftigen» (ebd.). Wie stark sich die Fähigkeit der Emotionsregulation auf das tägliche Unterrichtsgeschehen auswirkt, wird durch die Relation zur Beziehungsfähigkeit klar: «Die Qualität der Lehrer-Schüler-Beziehung hängt zum Teil davon ab, wie die Lehrperson negative Emotionen ausdrücken bzw. steuern kann» (George & Solomon, 1996). Und welche Relevanz die Beziehung auf das Classroom-Management hat, wird in einer Metastudie von Marzano et al. (2003) deutlich: «Lehrpersonen, deren Beziehungen zu SuS eine hohe Qualität aufweisen, haben 31 % weniger auffälliges Verhalten in ihren Klassen.»

Ergänzender Faktor für die Beziehungsfähigkeit ist neben der Emotionsregulation auch die sich entwickelnde Präsenz, die der Gymnasiallehrer Max Althammer beschreibt: «In den zwei Jahren, in denen ich jetzt Achtsamkeit an der Schule praktiziere, konnte ich beobachten, wie sehr sich die Beziehungen (zu Kollegen, Eltern und Schülern) verbessern, und meine Erklärung dafür ist ziemlich einfach. Jeder Mensch will wahrgenommen werden und jeder Mensch will als der, der er ist, wertgeschätzt werden. Achtsamkeit ermöglicht es mir im Unterricht nicht nur, mich mit mir selbst zu verbinden, sondern auch jeden einzelnen Schüler in den Blick zu nehmen und zumindest einen kurzen Moment wirklich wahrzunehmen. Das spüren die Schüler. Und das führt dann dazu, dass sich ein höheres Mass an Vertrauen bildet. Auf diese Lehrer-Schüler-Beziehung des gegenseitigen Vertrauens und der Wertschätzung lässt sich dann auch ein guter, produktiver Unterricht gestalten» (Althammer, 2016).

Ebenjene Auswirkungen auf die Beziehungsfähigkeit sind entscheidende Faktoren für die Lehrerinnen- und Lehrergesundheit. Joachim Bauer benennt im Freiburger Modell die Beziehungsarbeit als einen der drei Bestandteile des «magischen Dreiecks» der Lehrerinnen- und Lehrergesundheit (neben der Identität und sozialen/kollegialen Unterstützung). «Da fortgesetzt gestörte Beziehungsabläufe den Menschen krank werden lassen, kommt in Berufen, in denen das Beziehungsgeschehen eine herausgehobene Rolle spielt, vorbeugenden Massnahmen gegen psychosomatische Erkrankungen eine besondere Rolle zu. Dies betrifft in besonderem Masse den Lehrerberuf» (Bauer et al., 2007, S. 4).

In diesem Sinne ist es ganz besonders erfreulich, die ersten veröffentlichten Ergebnisse aus dem NRW-Landesmodellprojekt GIK (Gesundheit − Integration − Konzentration) zu lesen, welches in 21 Solinger Grundschulen stattfand. SchulleiterInnen und LehrerInnen, welche Interesse an den adaptierten mehrwöchigen MBSR-Kursen zeigten, wurden in einem Umfang von 20 h weitergebildet, um sie damit in ihrer «gesundheitlichen und beziehungsrelevanten Selbstkompetenz» zu stärken. Im darauffolgenden nächsten Schritt wurden in einem Team von Lehrpersonen und AusbilderInnen achtsamkeitsbasierte Interventionen für die Kinder ausgewählt, selbst entwickelt und eingeübt und deren Umsetzung im Schulalltag begleitet (Altner et al., 2018). Als Ergebnisse konnten klare Verhaltensveränderungen beobachtet werden, die sich ausgehend von der Selbstwahrnehmung und -regulation insbesondere auf die Kommunikation im Kollegium und mit den Schülerinnen und Schülern ausgewirkt haben: Bedürfnisse und Grenzen werden klarer ausgedrückt. Es wurden gemeinsame Kommunikationsregeln vereinbart, z. B. «ein bewusster Verzicht auf gegenseitiges Abwerten und Klatsch, den Fokus auf das Mitteilen der eigenen Wahrnehmung, Gefühle und Wünsche zu legen, anstatt dem Jammern über Zustände und System-Blaming, wird ein gemeinsames Finden von kreativen Lösungen angestrebt» (Altner et al., 2018, S. 6).

In der Folge wurde eine ganze Liste an konkreten, kreativen Neuerungen in den einzelnen Kollegien beschlossen, um eine Kultur des entstressenden und gesundheitsfördernden Miteinanders zu entwickeln (nachlesbar auf www.achtsamkeit.com/gik).

Auf das gleichermassen von Lehrpersonen und Schülerinnen und Schülern geäusserte Bedürfnis nach mehr Ruhe wurden ganz konkrete Massnahmen eingeführt:

eine Reduktion der Schulklingel nur zu Unterrichtsbeginn und -ende sowie nach der Hofpause

alle Schulkonferenzen beginnen mit drei Minuten gemeinsamer Stille

ins Lehrerzimmer wurde eine Couch der Stille gestellt

die Lehrpersonen signalisieren einander und den Kindern z. B. durch rote Klötzchen, wenn sie einen Moment für sich brauchen

Lehrpersonen und Schülerinnen und Schüler bitten mit einem Gong im Klassenzimmer einander zur Ruhe

Diese Ergebnisse sind auch relevant, um die oft vorgebrachte Kritik an Achtsamkeitsprogrammen zu entschärfen, dass die akzeptierende Grundhaltung zu einer Duldung von ungerechten Zuständen führt. Diese würden zwar helfen, die eigene Balance wieder zu einem Grad herzustellen, der einen nicht erkranken lässt, aber dadurch das Verharren in unmenschlichen, nicht zumutbaren Verhältnissen ermöglichen. Die Ergebnisse des GIK-Projekts legen nahe, dass die Sensibilität für Missstände und Ungerechtigkeiten und die Fähigkeit, deren Auswirkungen «am eigenen Leibe» zu spüren, steigt, was nicht zum Rückzug, sondern zum bewussten Gestalten der eigenen Umwelt führt. Die Lehrerin und Entwicklerin des Polly-Ananda-Programms Nanine Schulz beobachtet, «dass die Menschen, die sich mit Achtsamkeit beschäftigen, eine andere Form von Wachheit bzw. Bewusstheit gegenüber ihrer Umwelt entwickeln. Achtsamkeit trägt dazu bei, dass wir klarere Entscheidungen treffen, wissen, was zu tun ist und wann wir Stopp sagen müssen. Wenn Achtsamkeit dazu beiträgt, dass wir kraftvoll und voller Energie bleiben können, haben wir die Möglichkeit, uns für unsere und die Rechte der Kinder an der Schule gezielt einzusetzen» (in Krämer, 2019, S. 31).

So ist es sinnvoll, über eine breite Implementierung in die LehrerInnenaus- und -weiterbildung nachzudenken. «Wenn jeder [und jede] angeleitet werden würde, sich selbst mehr zu verstehen, auf Gedanken-Gefühls- und Körperebene, dann würden Konflikte anders ausgetragen werden. Das sollte meiner Meinung nach in der Schule verankert sein und zu einer Art Grundausbildung gehören» (in Krämer, 2019, S. 158), schlägt die MBSR-Ausbilderin und Grundschulpädagogin Karin Krudup vor.

Diese Forderungen sind teilweise bereits umgesetzt, im anglo-amerikanischen Raum ist die Implementierung in Lehrpersonenaus- und -fortbildung mittlerweile weit verbreitet, doch auch im deutschsprachigem Raum entstehen Angebote. Noch sind es einzelne Projekte, die von einer flächendeckenden Verbreitung weit entfernt sind, aber das Interesse, welches Achtsamkeit in der Gesellschaft entgegengebracht wird, ist auch im Bildungssektor angekommen.

Dazu nun eine Auswahl der bestehenden Programme:


Achtsamkeit für Lehrerinnen und Lehrer Träger/Ort AutorInnen
SMART: Management and Relaxation Techniques in Education University of BC/Vancouver Margaret Cullen u. a.
CARE: Cultivating Awareness and Resilience in Education Stress Garrison Institute/New York Patricia Jennings u. a.
MBWE: Mindfulness-Based Wellness Education University of Toronto Patricia Poulin u.a
AiSchu: Achtsamkeit in der Schule, Persönlichkeit und Präsenz Schulamt Frankfurt/M. AKiJu/Berlin Vera Kaltwasser
GAMMA MultiplikatorInnen-Schulung: Gesundheit, Achtsamkeit und Mitgefühl im menschenbezogenen Arbeiten Universität Duisburg-Essen Nils Altner
Wache Schule: Mit Achtsamkeit zu Ruhe und Präsenz (im Aufbau) Universität Leipzig Susanne Krämer
DAS-Training: Dialog und Achtsamkeit (vgl. S. 231 f. in diesem Buch) PH Luzern Detlev Vogel

Tabelle 1: Achtsamkeitsprogramme für Lehrpersonen

Betrachten wir nun genauer, welche Inhalte diese Programme vermitteln. Strukturell ist häufig ein Dreischritt festzustellen:

der Aufbau einer eigenen Achtsamkeitspraxis

die Integration in das eigene professionelle Handeln

und darauf aufbauend die Weitervermittlung an Schülerinnen und Schüler.

In der ersten Phase findet die Vermittlung der meditativen Basisübungen (Atemmeditation, Bodyscan, Gehmeditation und/oder eine Form der Bewegungsmeditation) statt, welche auch aus dem MBSR-Programm bekannt sind. Hinzu wird oft ein Schwerpunkt auf die «Übung zur Entwicklung von Mitgefühl» (Metta-Meditation / pali, «liebende Güte») gesetzt, da die wohlwollende, fürsorgliche Haltung sich selbst und anderen gegenüber sowohl als Resilienz- wie auch als Beziehungsfaktor im schulischen Kontext eine entscheidende Rolle spielt. Hinzu kommen Übungssequenzen im Alltag: eine Alltagstätigkeit mit Achtsamkeit verrichten (Hausarbeit, Essen, Radfahren, Treppensteigen …). Auch wird ein kurzes Innehalten über den gesamten Tagesablauf als Pausenstruktur – nach dem stressreduzierenden «Sägezahnprinzip» (vgl. Harrer 2013, S. 132) – oft mit im Alltag wiederkehrenden Remindern verbunden (rote Ampeln, Wartezeiten an Haltestellen, Hochfahren des Computers etc.). Diese Erinnerungsfunktion wird in manchen Programmen auch durch den Einsatz von Apps oder ein gegenseitiges «Peer»-Innehalten per SMS-Kommunikation übernommen.

Hinzu können selbstreflexive (Beobachtungs-)aufgaben ergänzt werden:

Sinn und Ausrichtung der eigenen Entwicklung zu hinterfragen, stellt nach dem israelischen Medizinsoziologen Aaron Antonovsky (1923−1994) einen wichtigen Parameter in der Stressbewältigung dar (in Esch 2013).

Reflektieren der Lernbiografie ermöglicht durch das Bewusstwerden der eigenen Prägungen die von Heinrich Dauber (2016) als gesundheitsförderlich beschriebene «Distanz zur eigenen Lernbiografie».

Ethische Leitlinien für das eigene professionelle Handeln zu formulieren, um anstelle des von aussen gesetzten Rahmens der spirituellen Traditionen eine selbstentwickelte, richtungsweisende Unterstützung zu geben.

In der zweiten Phase findet die Integration in den schulischen Kontext statt, wobei der Aufbau einer achtsamen Kommunikation oft eine Brücke von der kontemplativen Praxis zum Handeln bildet. Übungsformate sind der achtsame Dialog (vgl. Einsichts-Dialog, Kramer, 2009), Elemente der gewaltfreien Kommunikation (Rosenberg, 2016) oder nichtwertender Kommunikation (Lohmann, 2013).

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