Kitabı oku: «Politikwissenschaft», sayfa 6

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Gleichheit und Freiheit

Auch Rousseau geht daher davon aus, dass man die Logik legitimer Staatsgründung nur verstehen kann, wenn man an dem Punkt einsetzt, an dem die Individuen sich zu einem Gemeinwesen zusammenschließen. An dem Punkt, an dem die vereinzelten Menschen untergehen würden, wenn sie ihre Kräfte nicht friedlich vereinigen, kommt es zum Zusammenschluss. Obwohl bereits in dieser frühen Phase widersprüchliche Interessen existieren, kann eine Vereinigung entstehen, weil das gemeinsame Interesse am Überleben alle anderen deutlich überwiegt. Die zentrale Frage aber ist, wie ein Gemeinwesen begründet werden kann, in dem die Menschen frei bleiben und nicht zu Sklaven werden.

Vertragsziel

»Finde eine Form des Zusammenschlusses, die mit ihrer ganzen gemeinsamen Kraft die Person und das Vermögen jedes einzelnen Mitglieds verteidigt und schützt und durch die doch jeder, indem er sich mit allen vereinigt, nur sich selbst gehorcht und genauso frei bleibt wie zuvor.« (Rousseau (1762) 1977: CS I/6).

Vertragsinhalt – Volkssouveränität

Diese Formulierung des Problems scheint die Quadratur des Kreises zu verlangen. Gefragt ist nach einer Vereinigung, die zugleich individuelle Freiheit garantiert. Kann Herrschaft ohne Zwang konstruiert werden, sodass sie mit vollkommener Freiheit harmoniert und letztlich mit ihr identisch wird? Rousseau argumentiert, dass dies nur möglich ist, wenn die Übertragung der politischen Rechte nicht – wie bei Hobbes oder Locke – an einen Souverän erfolgt oder an politische Institutionen. Er vertritt eine radikale Fassung der Lehre von der Volkssouveränität, wenn er verlangt, dass die sich mit dem Vertrag konstituierende souveräne Macht immer und jederzeit in dem sich vereinigenden Volk bleiben muss. Das ist aber nur möglich, wenn die Übertragung der Rechte nicht an Dritte stattfindet, sondern wechselseitig zwischen den Vertragspartnern.

»Schließlich gibt sich jeder, da er sich allen gibt, niemandem, und da kein Mitglied existiert, über das man nicht das gleiche Recht erwirbt, das man ihm über sich einräumt, gewinnt man den Gegenwert für alles, was man aufgibt, und mehr Kraft, um zu bewahren, was man hat. […] Gemeinsam stellen wir alle; jeder von uns seine Person und seine ganze Kraft unter die oberste Richtschnur des Gemeinwillens; und wir nehmen als Körper, jedes Glied als untrennbaren Teil des Ganzen auf. Dieser Akt des Zusammenschlusses schafft augenblicklich anstelle der Einzelperson jedes Vertragspartners eine sittliche Gesamtkörperschaft, […], die durch eben diesen Akt ihre Einheit, ihr gemeinschaftliches Ich, ihr Leben und ihren Willen erhält.« (Rousseau (1762) 1977: CS I/7).

Logik des Vertrages

Die Logik des Vertrages beinhaltet zwei wesentliche Annahmen. Die erste Annahme ist, dass sich vollkommene Wechselseitigkeit (Reziprozität) der Rechtsübertragung herstellen lässt. Das bedeutet, dass ich zwar auf meine Rechte verzichte, aber im Gegenzug die Rechte aller anderen übertragen bekomme. Ich gehöre in gewissem Sinn ihnen und sie gehören mir. Die zweite Annahme setzt voraus, dass nach so einer radikalen wechselseitigen Übereignung eine Gemeinschaft entsteht, die in hohem Maß ein Individuum mit besonderen Qualitäten darstellt. Das meint die Wendung von der »sittlichen Gesamtkörperschaft«.

Zusammenfassung

Struktur des Gesellschaftsvertrags

● Die Individuen schließen einen Vertrag, in dem sie sich wechselseitig ihre politischen Rechte übertragen.

● Die Gesamtheit aller politischen Rechte bleibt beim Volk als Ganzem (Volkssouveränität).

● Es entsteht eine unteilbare politische Einheit als sittlicher Gesamtkörper.

Volonté générale – volonté de tous

Die Vorstellung eines aus vollkommener Reziprozität (Wechselseitigkeit) hervorgegangenen neuen politischen Gesamtkörpers wirkt sich vehement auf das Verhältnis des Individuums zur Gemeinschaft aus. Wenn nämlich wirklich ein gemeinsamer Körper entsteht, so kann laut Rousseau davon ausgegangen werden, dass eben dieser Körper keinen seiner Teile verletzten oder ihm schaden will. Oder mit anderen Worten: da ich mit meiner Person durch den Gesellschaftsvertrag aus einem Menschen zu einem Bürger geworden bin, muss sich der Teil von mir, der in die Übereignung eingegangen ist, immer in Harmonie mit dem Gemeinwesen befinden. Dieses Konzept der vollkommenen Identität der Willen, das den Kern der identitären Demokratietheorie ausmacht, löst Herrschaft tendenziell auf. Weil er diese Identität für denkbar hält, glaubt Rousseau auch, dass es in der politischen Vereinigung einen gemeinsamen und damit wirklich am Gemeinwohl orientierten Willen (volonté générale) geben muss, der sich von allen anderen Willen unterscheidet, die noch in diesem Gemeinwesen existieren mögen.

Dieser Gemeinwille unterscheidet noch von dem bloß addierten Willen der vereinzelten Gemeinschaftsmitglieder substanziell. Der Wille aller (volonté de tous) ist, auch wenn alle möglichen individuellen Sonderinteressen in ihn Eingang gefunden haben, noch kein gemeinsamer Wille, sondern nur das Resultat der verschiedenen Sonderwillen (volonté particulière). Der Willensteil der einzelnen Mitglieder der Gemeinschaft, der in den Willen aller eingeht, ist nicht der Wille eines Bürgers, sondern eines mehr oder weniger unpolitischen Egoisten. Deshalb zielt auch der Wille aller nicht notwendig auf das allgemeine Wohl. Er kann selbst bei größtmöglicher Übereinstimmung der einzelnen Menschen gegen die sittliche Substanz der Gemeinschaft gerichtet sein. Nur wenn der Wille aller auf das Gemeinwohl abzielt und damit die gemeinschaftliche Tugend der Bürger tatsächlich Wirkung entfaltet, handelt es sich wirklich um den allgemeinen Willen.

Volonte particuliere

Rousseau beschreibt die Möglichkeit des Widerstreits von Gemeinwillen (volonté générale) und Sonderwillen (volonté particulière) im einzelnen Menschen. Er geht davon aus, dass jeder Mensch einen Sonderwillen haben kann, der dem Gemeinwillen, den er als Bürger hat, widerspricht. Sein Sonderinteresse kann ihn dazu führen, dass er zwar seine Rechte als Staatsbürger in Anspruch nimmt, aber die Pflichten eines Bürgers nicht erfüllen will. Weil dies möglich ist, gibt es in diesem Fall eine stillschweigende Übereinkunft aller, dass die anderen den Abweichler vom Gemeinwillen zur Gefolgschaft zwingen dürfen. Rousseau meint, dass das »[…] nichts anders heißt, als dass man ihn zwingt, frei zu sein, […]« (Rousseau (1762) 1977: CS I/7).

Zwang zur Freiheit

Mit dem Zwang zur Freiheit ist gemeint, dass der Betreffende gezwungen werden soll, dem Gemeinwillen, den er als Bürger hat, zu folgen und nicht seinem jeweiligen Sonderwillen. Er wird gezwungen das zu tun, was er von sich aus tun sollte: der bürgerlichen Existenz den Vorzug gegenüber der privaten zu geben. Gegen diesen Zwang ist kein Einspruch denkbar, weil Rousseau davon ausgeht, dass im Gemeinwillen des souveränen Volkes das Sollen mit dem Sein zusammenfällt. Allein die Existenz des souveränen Volkes garantiert, dass es alles, was es sein soll, auch schon ist.

Regierung und Repräsentation

Das Volk verfügt nur als Ganzes über den Gemeinwillen und kann deshalb auch nicht vertreten werden. Wer Repräsentanten schafft – egal ob Abgeordnete oder Regierungen – der schafft mit diesen Institutionen bloß einen Nährboden für das Wachstum von Sonderinteressen. Der Gemeinwille lässt sich nicht durch gewählte oder wie auch immer bestellte Repräsentanten vertreten. Er ist unverfälscht nur im versammelten Volk und das, was Mandatsträger welcher Art auch immer vertreten, ist bestenfalls sein Schatten. Daher soll es kein Parlament geben. Eine Regierung darf nur in dem Sinn existieren, dass von ihr die Beschlüsse des Volkes ausgeführt werden. Sie hat keine wirkliche politische Funktion und tritt nur in Aktion, um zwischen dem Volk als Souverän und dem Volk als Untertanen zu vermitteln. Das meint, dass die Regierung die Gesetzesbeschlüsse des in der Legislative versammelten Volkes umsetzt, wenn die Mitglieder der Versammlung wieder in ihre Privatsphäre zurückgekehrt sind. Die Bürger haben die Rolle gewechselt und sind vom souveränen Volk zum Volk als Untertanen geworden, das nun die vorher selbst gegebenen Gesetze befolgen soll. Wenn das Volk erneut seine Rolle als souveräner Gesetzgeber übernimmt, erlischt jede Macht der Regierung.

Zusammenfassung

Rousseaus Gemeinwesen

● Die vertraglich gegründete Gemeinschaft verfügt über einen Gemeinwillen (volonté générale), dem die Sonderwillen der vereinzelten Mitglieder (volonté particulière) und deren Addition im Willen aller (volonté de tous) gegenüber stehen.

● Nur der gemeine Wille zielt auf das Allgemeinwohl. Alle anderen Willen sind Abweichungen von dieser Orientierung.

● Jeder abweichende Wille wird zur Übereinstimmung mit dem Gemeinwillen gezwungen, weil nur so der wirkliche bürgerliche Wille des Einzelnen zum Ausdruck kommt (d. h. dass er der bürgerlichen Existenz den Vorzug vor seiner privaten Existenz gibt).

● Der Träger der Souveränität ist das in der Legislative versammelte Volk, dessen gemeiner Wille nicht vertreten werden kann.

● Die Repräsentation des Gemeinwillens in einem Parlament ist unmöglich und die Regierung ausschließlich Vollzugsorgan der Volksbeschlüsse.

Notwendigkeit eines Gesetzgebers

Rousseau erkennt, dass ein solches Gemeinwesen nur unter zahlreichen anspruchsvollen Bedingungen existieren kann. Es setzt eine extrem hohe sittliche und intellektuelle Reife der Bevölkerung voraus. Angesichts der Problematik, dass ein Volk, bevor es sich auf diese Weise zusammenschließt, eigentlich im Kern immer schon das sein müsste, was die Verfassung des Gesellschaftsvertrags erst aus ihm machen könnte, sieht Rousseau, dass die Einrichtung eines guten Gemeinwesens einen qualitativen Sprung in der Entwicklung verlangt. So wie Kinder der Erziehung und des Erziehers bedürfen, damit sie sich zu brauchbaren Gliedern der Gesellschaft entwickeln, so braucht das gesamte Gemeinwesen einen Gesetzgeber, der die Einrichtung der grundlegenden Gesetze des Gemeinwesens lenkt.

Der Gesetzgeber (législateur) kommt wie ein antiker Gesetzgeber oder Streitschlichter (Lykurg, Solon usw.) gegebenenfalls von außen, ist ein Fremder ohne Besitz in der Republik, weise und erfahren. Er darf bei seiner gesetzgeberischen Arbeit über außergewöhnliche Mittel verfügen, die bis hin zur Manipulation reichen. Allerdings ist seine Macht in einem Punkt beschränkt: Er soll zwar sicherstellen, dass die Gesetze dem mehr oder weniger blinden Gemeinwillen entsprechen, soll aber zugleich wirklich nur die Stimme dieses Willens sein. Er verfasst die Gesetze, schlägt sie dem Volk vor, belehrt es und lässt notfalls die Götter reden. Abstimmen und damit dem Gesetz Gültigkeit geben kann nur das Volk.

Probleme der identitären Demokratie

Die von Rousseau beschriebene wechselseitige Übertragung der Rechte und die Vereinnahmung der Individuen in das Gemeinwesen löst nur scheinbar das Problem der Herrschaft. Es wird zwar kein dritter neben den Vertragsschließenden zur Herrschaft ermächtigt, was scheinbar den Missbrauch der Macht unmöglich macht. Gleichzeitig ist es aber aus der Perspektive des Einzelnen gleichgültig, ob ihn einer oder viele andere mit dem Anspruch das Gemeinwohl zu vertreten, zur Freiheit zwingen wollen. Solch einem Zwang wohnt eine totalitäre Tendenz inne, die zeigt, dass demokratische Einrichtungen und Konzepte unbedingt die Ergänzung durch rechtsstaatliche Mechanismen brauchen. Das ist der Sinn der Absicherung individueller Rechte durch Grundrechte, die nicht zur Disposition stehen dürfen, weil kein Gemeinwohl der Republik dies rechtfertigen könnte.

Ein weiterer Kritikpunkt hebt auf die Problematik der Ermittlung des Gemeinwillens ab. Dieser mag zwar theoretisch als Ausdruck der sittlichen Gesamtkörperschaft, beschreibbar sein, dadurch wird aber auch deutlich, dass es sich bei diesem Willen eher um eine metaphysische (also hinter der erfahrbaren Welt liegende) und nicht empirisch fassbare Realität handelt. Mit den gängigen demokratischen Mechanismen des Streites und der politischen Auseinandersetzung um die richtige Entscheidung, die dann durch Abstimmungen beendet werden, ist er nicht zu ermitteln. In solchen Institutionen sieht Rousseau eher ein Anzeichen für die Spaltung des Gemeinwillens.

Zusammenfassung

Die Zwiespältigkeit von Rousseaus Gesellschaftsvertrag

● Der Zwang zur Freiheit, der einen abweichenden Willen zur Übereinstimmung mit dem Gemeinwillen bringen soll, birgt totalitäre Gefahren. Da der Gemeinwille als Ausdruck der sittlichen Dimension des Gemeinwesens institutionell oder auf dem Weg von Verfahren nicht ermittelbar ist, bleibt er als Realität unscharf und kann ideologisch missbraucht werden.

● Die Gründung der Republik, die Gesetzgebung und die Rolle der Bürger setzen ein Maß an Tugend und Einsatz voraus, das nicht von allen Bürgern erwartet werden kann. Um diese Lücke zu füllen, führt Rousseau die problematische Person des Gesetzgebers ein.

● Jedoch: ganz ohne einen am Gemeinwohl orientierten Willen der Bürger ist ein Staatswesen nicht lebensfähig und dauernd von Korruption und Missbrauch durch Sonderinteressen gefährdet.

● Rousseau formuliert die radikale Theorie der Volkssouveränität und wird damit zum Ausgangspunkt zahlreicher demokratischer Theoriekonzepte.


2.3.5Die Bedeutung der Vertragstheorie in der Moderne

Staat und Vertrag

Der Überblick über drei der wichtigsten Vertragstheorien hat gezeigt, welche besondere Leistung dieser Theorietyp angesichts des sich entwickelnden Staates der Moderne erbringen konnte. Er bindet politische Herrschaft, die im modernen Staat immer stärker in die Sphäre der Gesellschaft und damit auch des Bürgers eingreift, an Zustimmung. Das Individuum, das auch in seiner eigenen Wahrnehmung zum wichtigsten Akteur der Wirtschaft, Politik und Religion geworden ist, verlangt einerseits von dem sich konstituierenden Staat mehr an Leistungen in Bezug auf die Gewährung von Sicherheit und Schutz. Zugleich soll der Staat sich aber nicht gegen die Individuen wenden, die ihn zu ihrem Schutz berufen haben. Er soll nicht das Instrument in den Händen weniger werden. Gleichzeitig haben vor dem Hintergrund der Erfahrungen schrecklicher religiöser Kriege religiöse Legitimationsmuster an Bedeutung verloren.

Der Vertrag als das klassische Modell der bedingten Übergabe von Rechten eignet sich hervorragend für die Konstruktion von legitimer Herrschaft. Er ist nach beiden Seiten offen für die Modellierung von Bindung und dient daher gleichzeitig zur Zähmung des Staates und des Individuums. Dem Individuum kann am Beispiel der Vertragsschließung demonstriert werden, dass es aus guten Gründen auf seine Freiheit verzichtet, zugleich kann der Staat auf bestimmte Leistungen verpflichtet werden.

Kritik des Vertragsmodells

Natürlich hat die Vertragstheorie früh Kritiker auf den Plan gerufen, die ihr vorwerfen, dass der Vertrag ein leeres Konstrukt darstellt. Er ist, so argumentiert etwa David Hume (1711 – 1776), in keinem Fall ein historisches Ereignis und als Argumentation eher irreführend. Herrschaft mag historisch auf allen möglichen Mechanismen (Gewalt, effiziente Verwaltung usw.) aufbauen – sicher aber nicht auf der freien Zustimmung der Beherrschten. Ein anderer Kritiker, Jeremy Bentham (1748 – 1832), hebt in seinem »Fragment on Government« (1789) darauf ab, dass man das faktische Interessenkalkül der Bürger in Betracht ziehen muss, wenn man den Staat an ihre Zustimmung binden will. Die Gründe, die den Vertragsabschluss herbeiführen, sind durch den Vertrag nicht erledigt: die Nutzenerwägungen der Beherrschten gegenüber den Herrschern bleibt in Geltung und der fiktive Vertrag ist eigentlich nur eine Scheinlegitimation. Die Menschen gehorchen, solange die Herrschaft mehr nutzt als schadet, und sie rebellieren, wenn das Gegenteil der Fall ist. Ein imaginärer Vertrag ändert an diesem Tatbestand nichts.

Abb. 11 |

Die Attraktivität der Vertragstheorie – zwischen Staat und Individuum


Wenn man so will, hat diese radikale Kritik das Moment der individuellen Zustimmung der Menschen zur Herrschaft, das den Kern des Vertrages und die Begründung für seinen Abschluss ausmacht, isoliert. Sie löst die Zustimmung vom Vertrag und macht sie zu einem dauernden Erfordernis, während die Vertragstheorie mit der Fiktion des Vertrages eine dauernde Infragestellung der Herrschaft gerade vermeiden wollte. Letztlich geht es jeder dieser Theorien um die Rückführung der Regierungs- und Gesetzgebungsgewalt auf die einzelnen Menschen. Sie demonstrieren entweder, dass es im Interesse des Menschen sein kann, einer absoluten Gewalt zuzustimmen, oder sie zeigen, dass keiner seine Rechtlosigkeit wollen kann, oder sie rekonstruieren aus den vereinzelten Individuen eine unteilbare Nation.

Lernkontrollfragen


1Welches Menschenbild legt Thomas Hobbes seinem Naturzustand zugrunde und was hat das mit seinem Vertragsmodell zu tun?
2Warum schließen die Menschen einen Vertrag zur Errichtung des Leviathan und welche Beziehung entsteht daraus zwischen dem Souverän und den Untertanen?
3Wie leben die Menschen im Naturzustand bei John Locke und warum und wie verlassen sie diesen Zustand?
4Was erfahren wir von Locke über die Formen des Regierungswechsels und ihre Rechtmäßigkeit?
5Wie verbindet Jean-Jacques Rousseau im Gesellschaftsvertrag Freiheit, Gleichheit und politische Herrschaft?
6Was ist der Unterschied zwischen dem Gemeinwillen und dem Willen aller bei Rousseau und was folgt daraus für die Rechtmäßigkeit von Repräsentation?

Literatur

Originalwerke

Textkritische Paperback-Ausgaben des Originaltextes mit zahlreichen Zusatzinformationen

Hobbes, Thomas (1991), Leviathan (Erstausgabe 1651), hrsg. von Richard Tuck, Cambridge.

Locke, John (1988), Two Treatises of Government (Erstausgabe 1689), hrsg. von Peter Laslett, Cambridge.

Rousseau, Jean-Jacques (1993), Du Contrat Social (Erstausgabe 1762), hrsg. von Robert Derathé, Paris.

Weber, Max (1980), Typen der Herrschaft, in: Wirtschaft und Gesellschaft (= Kap. 3, Buch 1, Erstauflage 1922), 5. Auflage, Tübingen.

Deutsche Übersetzungen mit Einleitung bzw. Erläuterungen

Hobbes, Thomas (1984), Der Leviathan (Erstausgabe 1651), übers. von Walter Euchner, hrsg. von Iring Fetcher, Frankfurt/Main.

Locke, John (1977), Zwei Abhandlungen über die Regierung (Erstausgabe 1689), übers. u. hrsg. von Walter Euchner, Frankfurt/Main.

Rousseau, Jean-Jacques (1977), Der Gesellschaftsvertrag (Erstausgabe 1762), übers. u. hrsg. von Hans Brockard, Stuttgart.

Sekundärliteratur

Kersting, Wolfgang (1994), Die politische Philosophie des Gesellschaftsvertrags, Darmstadt. Umfassende Darstellung der Geschichte und Systematik des Vertragsdenkens in der politischen Philosophie.

Kersting, Wolfgang (Hrsg.) (2003), Die Republik der Tugend, Baden-Baden.

Sammlung von Beiträgen über den Zusammenhang von Rousseaus Kulturkritik, seiner Pädagogik und seinem politischen Denken.

Euchner, Walter (1979), Naturrecht und Politik bei John Locke, Frankfurt/Main.

Untersuchung zum naturrechtlichen Fundament von Lockes Denken, die den Zusammenhang von Toleranzforderung, Naturrecht und Politik darstellt.

Euchner, Walter (1996), John Locke zur Einführung, Hamburg.

Gut lesbare Einführung in das gesamte Werk, die sich hervorragend als Einstieg in Lockes gesamtes philosophisches und politisches Denken eignet.

Fetscher, Iring (1975), Rousseaus politische Philosophie, Frankfurt/Main.

Fetcher bringt die Systematik von Rousseaus Denken in Beziehung zur Französischen Revolution und macht damit dessen Wirkung für die gesamte revolutionäre Tradition Europas deutlich.

Starbonski, Jean (1993), Rousseau. Eine Welt von Widerständen, Frankfurt/Main.

Starbonski zeigt systematisch den Zusammenhang von Kulturtheorie und Autobiographie bei Rousseau und macht die typisch widersprüchliche Struktur seines Denkens zwischen Individualität und Gemeinschaft deutlich.

Weiß, Ulrich (1980), Das philosophische System von Thomas Hobbes, Stuttgart/Bad-Cannstatt.

Weiß arbeitet die Bedeutung der Maschine als Leitidee für das Verständnis des modernen Staates bei Hobbes heraus.

Willms, Bernard (1987), Das Reich des Leviathan, München u.a.

Werkanalyse vor dem historischen Hintergrund und unter Betonung der Selbstständigkeit des Politischen in Hobbes' Denken.


Parlamentarische Repräsentation und Gewaltenteilung


2.4.1Frühe Institutionen der Repräsentation

Der Körper des Königs

Politische Repräsentation bedeutet, dass ein Vertreter verbindliche Entscheidungen für die von ihm repräsentierte Gruppe treffen darf und dass sein Handeln ihr zugerechnet wird. Lange vor der Herausbildung moderner Staaten waren Monarchen Repräsentanten des Staates. Ihre Person war Garantie staatlicher Einheit, ihre feudale Prachtentfaltung diente der Selbstinszenierung des Reiches und hatte einen stark sakralen Charakter. Das mittelalterliche politische Denken fasste das Phänomen der Repräsentation mit der Begrifflichkeit von den zwei Körpern des Königs. Wie Jesus Christus, der über einen sichtbaren menschlichen Körper verfügte und zugleich eine göttliche Realität besaß, so sollte der König zwei Körper haben: einen natürlichen menschlichen und einen zweiten »korporativen Leib« (Kantorowitz 1990: 33). Dieser zweite Körper war als legaler Körper und als fiskalischer Körper identisch mit dem »Reichskörper«. Als legaler Körper garantierte er die Fortdauer des Rechts und als fiskalischer die Kontinuität der Treue- und Abgabenverpflichtung über den Tod des sterblichen Leibes des Königs hinaus. Daraus ergab sich die Konstruktion, dass der unsterbliche und überindividuelle Körper des Staates im sterblichen des Monarchen repräsentiert wurde. Der real regierende König war Vertreter des ganzen Reiches und daher in gewisser Hinsicht selbst unsterblich.

Feudale Repräsentation

Bereits im Mittelalter gibt es immer wieder Auseinandersetzungen darum, wer denn nun das Reich wirklich repräsentieren durfte. Diese Frage wurde vor allem deswegen wichtig, weil selbst sehr starke Monarchen in vielen Fällen auf die Mithilfe ihrer Untertanen bei der Durchführung der Regierungsgeschäfte angewiesen waren. Königliche Macht reichte so weit, wie die Befehle des Königs befolgt wurden, und basierte nicht zuletzt auch auf den Informationen, die er über die politischen Probleme im Reichsgebiet erhielt. Als praktikable Einrichtung zur Kommunikation von Problemen und der Verkündung von Entscheidungen etablierten sich Institutionen, in denen der Adel, die Abgesandten der Teilgebiete des Reiches und der Monarch mit seinen Beratern Politik für das Staatswesen formulierten. Dabei sprachen die Adeligen für ihr Land und die Vertreter für ihre Kommunitäten (Gemeinden und Landkreise). Diese Repräsentanten waren nicht von den Beherrschten gewählt und es dauerte mehrere hundert Jahre bis sich die Verfahren der freien und geheimen Wahl etablierten.

Man nennt diese frühen beratenden Versammlungen Parlamente nach »parlior«, dem mittellateinischen Wort für Sprechen. Aus der ursprünglich vom König erzwungenen Vertretung im Parlament wurde ein Recht, dass die politisch aktive Bevölkerung auch deswegen forderte, weil politische Entscheidungen immer tiefer in eine Vielzahl von Lebensbereichen eingriffen. Politische Mitwirkung als ein Mittel der monarchischen Regierung wandelte ihren Charakter und wurde zur Mitbestimmung und Kontrolle der exekutiven Gewalt. Aber auch Macht, die von gewählten Abgeordneten ausgeübt wird, kann missbraucht werden. Deshalb treten zusammen mit der Etablierung von parlamentarischer Mitbestimmung institutionelle Mechanismen, die alle Gewalt im Staat durch wechselseitige Kontrolle hemmen sollen, in den Vordergrund. Die Forderung nach Gewaltenteilung ergänzt die nach parlamentarischer Mitregierung.

Zusammenfassung

Wandel parlamentarischer Repräsentation

Die ursprünglich im Monarchen und seinem »Staatskörper« realisierte Repräsentation des Reiches wird aus praktischen Gründen durch eine Repräsentation der Kommunitäten (Gemeinde und Landkreise) ergänzt. Parlamente als zentrale Institutionen der Beratung, Rechtsprechung und Gesetzgebung verändern dann aber ihren Charakter als Herrschaftsmittel der Krone und werden zu Orten der politischen Mitbestimmung durch die Bevölkerung. Zur Partizipation tritt die Idee der Gewaltenteilung als Sicherungsmechanismus gegen den Missbrauch der Macht.


2.4.2Nation und Repräsentation

Revolution: Kampf um Repräsentation

Eine der großen Auseinandersetzungen um die Repräsentation des Volkes mündete in die Französische Revolution von 1789. Die französischen Generalstände waren seit mehr als hundert Jahren (1614) nicht mehr zusammengetreten. In einer ziemlich verzweifelten finanziellen Situation entschließt sich Ludwig XVI. 1788, die sein Reich repräsentierenden Stände einzuberufen. Die Repräsentation der Bürger – des sogenannten Dritten Standes neben dem Adel und dem Klerus – hatte vergleichsweise wenige politische Rechte. In dieser Situation verlangen die Vertreter dieses Dritten Standes die Gleichberechtigung mit den beiden anderen Ständen. Abbé Sieyes (1748 –1836), einer der Delegierten, wird ein hervorragender Advokat dieser Forderung. In seiner Schrift »Was ist der Dritte Stand?« (»Qu’est-ce que le Tiers État?«, Januar 1789) diskutiert er die Frage, wer der eigentliche Repräsentant der französischen Nation ist. Er geht dabei von der Theorie Rousseaus (→ vgl. Kapitel 2.3.4) aus und argumentiert, dass sich die Nation aus den Willen der einzelnen Gesellschaftsmitglieder in einem Akt der Vereinigung gebildet hat.

Gesellschaft der Aktionäre

Moderne Gesellschaften gleichen allerdings Aktiengesellschaften, deren Aktionäre in einer arbeitsteiligen Produktionssituation leben und die sich weder fachlich noch moralisch besonders für die Führung der politischen Geschäfte eignen. Aus der politischen Mitbestimmung können diese Menschen aber, weil sie als Aktionäre gefragt werden müssen und einen Anteil der Nation bilden, nicht ausgeschlossen werden. Sie sind den Gesetzen unterworfen, die aus dem gemeinsamen Willen ausfließen und haben daher unverzichtbare bürgerliche Rechte. In einer solchen Situation ist aus praktischen und aus normativen Gründen die Wahl von Vertretern eine hervorragende Lösung. Das ist die Geburtsstunde der Regierung durch Vollmacht (gouvernement exercé par procuration).

»Was ist eine Nation? Eine Körperschaft von Gesellschaftern, die unter einem gemeinschaftlichen Gesetz leben und durch die selbe gesetzgebende Versammlung repräsentiert werden.« (Sieyes 1981: 124).

Repräsentation von Interessen

Eine gemeinsame Repräsentation wird hier zum Definitionskriterium der Nation. Die Bürger des über den Mechanismus der Repräsentation errichteten Staates geben jedoch ihre ihnen ursprünglich als Menschen zustehenden Rechte keineswegs an die Repräsentanten ab. Auch wenn sie die politischen Entscheidungen besser nicht selber treffen, so sind sie es in jedem Fall, die die Ergebnisse der Politik zu beurteilen haben. Sie sind dazu berechtigt, weil sie im eigentlichen Sinn des Wortes selbst die Nation sind und alle Gewalt innerhalb des Staates aus ihrer ursprünglichen Vereinigung ausfließt. Damit ist der Kampf um die richtige Repräsentation eröffnet und er ist gleichzeitig mit der grundsätzlichen Frage verbunden, wer ein Recht darauf hat, dass seine Interessen repräsentiert werden.

Sieyes argumentiert, dass nicht alle Interessen relevant für eine nationale Repräsentation sein können, und weist darauf hin, dass insbesondere die Vertretung des Reichs durch Stände zu einer extremen Verzerrung der Interessenlage geführt hat. Die ideale nationale Repräsentation wirkt wie ein Filter und es werden nur die wirklich allgemeinen Interessen repräsentiert und nicht die vom Allgemeinwohl abweichenden Sonderinteressen. Man kann nämlich, so der Abbé, drei Gruppen von Interessen isolieren.

1 die Interessen, die man vollkommen individuell nur für sich hat. Sie sind eigentlich politisch vollkommen irrelevant und auch vollkommen ungefährlich, weil sie einen Menschen gegenüber dem Rest des ganzen Volkes isolieren und daher ihre nationale Repräsentation absurd wäre;

2 die Interessen, die man mit allen anderen gemeinsam hat. Sie sind ebenfalls unproblematisch. Schließt ein vollkommen individuelles Interesse die Repräsentation aus, so fordert ein allgemeines sie geradezu. Das, was alle an Interessen miteinander teilen, soll der alleinige Gegenstand der Repräsentation und der Bemühungen der Repräsentanten sein. Rousseaus identitäres Konzept der Demokratie wird hier in ein Konzept identitärer Repräsentation umgeformt.

3 die Interessen, die Gruppenbildung zulassen. Sie sind gefährlich für das Allgemeinwohl, denn sie können sich machtvoll neben dem allgemeinen Interesse organisieren und die Entscheidungsfindung verhängnisvoll zu ihrem Vorteil beeinflussen. Daher soll es keine Repräsentation partikularer Gruppeninteressen geben und ihre Organisation soll unterbunden werden.

Zusammenfassung

Identitäre Theorie parlamentarischer Regierung

Die zentralen Grundsätze der identitären Theorie parlamentarischer Regierung sind:

● Nur und ausschließlich das allgemeine Interesse, das auf das Gemeinwohl zielt, soll repräsentiert werden. Es kann nur durch gewählte Parlamentarier vertreten werden, die ihren Wählern Rechenschaft schulden.

● Alle vom allgemeinen Interesse abweichenden Interessen sollen nicht vertreten werden.


2.4.3Pluralismustheorie

Interessenpluralismus

Gegen diese Position bezieht ein pluralismustheoretischer Ansatz Stellung und bringt die notwendige Vielfalt der organisierten Interessen in einer komplexen Demokratie ins Spiel. Die Argumentation differenziert zwischen einem hypothetischen allgemeinen Willen, der allerdings sehr schwer festgestellt werden kann, und einem empirischen Mehrheitswillen, der sich über die Verfahren von Abstimmung und Wahl feststellen lässt. Ernst Fraenkel (1898 – 1975), einer der wichtigsten Vertreter der neopluralistischen Theorie, verweist darauf, dass moderne Gesellschaften vielgestaltig sind und die offensichtlich bestehende Vielzahl von Interessen eigentlich nur diktatorisch auf einen angeblich immer schon bestehenden Gemeinwillen reduziert werden kann (Fraenkel (1964) 1991).

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