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B. Technische Grundlagen
Nachstehend werden also zunächst die wichtigsten Grundbegriffe sowie die technischen Hintergründe des Phänomens „Cloud Computing“ skizziert. Diese technisch-empirische Befundaufnahme soll einen präzisen Zugang zu den spezifischen rechtlichen Problemen beim strafprozessualen Zugriff auf in der Cloud gespeicherte Daten ermöglichen.
I. Definition und grundlegende Charakteristika
In einer knappen Definition20 lässt sich Cloud Computing als Möglichkeit zur Nutzung von IT-Infrastruktur, die über ein Netzwerk (i.d.R. das Internet) zur Verfügung gestellt wird, beschreiben, wobei vom Anbieter je nach Bedarf z.B. Speicherplatz, Rechenleistung oder Software bereitgestellt werden kann.21 Der Kunde nutzt also den Zugang zum Internet, um die von einem anderen zur Verfügung gestellte Soft- und Hardware zu verwenden.22 Es lassen sich insbesondere fünf charakteristische Merkmale von Cloud Computing ausmachen:23
1. Ressource-Pooling
Zunächst ist das Konzept des sog, Ressource-Pooling zu nennen. Damit ist das Zusammenfassen („Poolen“) bestimmter physischer Ressourcen, z.B. von Rechenleistung, Speicherkapazität oder Netzwerkbandbreite gemeint, wodurch ein zentral abrufbarer Vorrat entsteht, der bedarfsorientiert auf die einzelnen Nutzer verteilt wird.24 Die Verteilung erfolgt auf der Basis sog. Virtualisierungen, das bedeutet, dass durch die Einführung einer logischen Abstraktionsebene von der tatsächlich vorhandenen Hardware abstrahiert wird.25 Es werden also logische Ressourcen auf physische Ressourcen abgebildet, wobei der Benutzer einer logischen Ressource in der Anwendung keinen Unterschied im Vergleich zur Verwendung der physischen Ressource selbst erkennen kann.26 Wer Cloud Computing-Leistungen in Anspruch nimmt, erhält also virtuell seine eigene (physische) Struktur, „ein Stück Hardware, Betriebssystem und Software für sich selbst“,27 während er sich tatsächlich mit einer Vielzahl anderer Nutzer dieselben Ressourcen teilt. Diese Technik der Virtualisierung ist für die Funktionsweise des Cloud Computing von großer Bedeutung (vgl. auch unten).28
Der Parallelbegriff im Bereich der Datenhaltung zum auf physische Ressourcen bezogenen Begriff der Virtualisierung ist das sog. Konzept der Mandantenfähigkeit, der Multi-Tenancy. Dabei wird von physischen Datenbeständen abstrahiert und mit lediglich logisch separierten Einheiten gearbeitet, weshalb nur eine einzige Software-Basis für alle Nutzer zum Einsatz kommt.29
2. Rapid Elasticity
Ein weiteres zentrales Funktionsmerkmal von Cloud Computing-Systemen ist die sog. „rapid Elasticity“ (im Deutschen inzwischen meist als „unverzügliche Elastizität“ übersetzt). Diese hat zur Folge, dass das System extrem flexibel auf wechselnde Belastungen reagieren kann, was für den Nutzer den Eindruck erweckt, er könne über praktisch unbegrenzte Ressourcen verfügen.30 Dieses Phänomen der scheinbaren Unerschöpflichkeit wird auch als „infinite Scalability“ bezeichnet.31 Die Vorteile lassen sich z.B. anhand eines Konzertveranstalters veranschaulichen, der Tickets online anbietet.32 Arbeitet dieser mit einer Cloud Plattform, spielt es keine Rolle, ob gerade Karten für den Auftritt eher unbekannter Bands oder eines internationalen Weltstars im Angebot sind. Selbst wenn es im letztgenannten Fall zu einem plötzlichen und sprunghaften Anstieg der Zugriffe kommt, verhindert die rapid Elasticity, dass die Server „in die Knie gehen“ und die Seite für Nutzer nicht mehr verfügbar ist.
3. On Demand self-service
In engem Zusammenhang mit dem Phänomen der rapid Elasticity steht der sog. „on demand self-service“, was mit „bedarfsorientierter Selbstbedienung“ übersetzt werden kann. Dieses Konzept ermöglicht es dem Nutzer eines Cloud-Dienstes, jederzeit und ohne die Einschaltung von Mitarbeitern des Anbieters praktisch vollautomatisiert („automatic computing“) die erforderliche Menge an Ressourcen anzupassen, wodurch der Anbieter zugleich Personal einspart und so attraktive Preise zur Verfügung stellen kann.33 Zusätzliche Leistungen, z.B. Serverzeit oder Speicherplatz, können vom Nutzer in der Situation einer kurzfristig eintretenden Bedarfserhöhung regelmäßig online gebucht und sodann vom Anbieter meist innerhalb weniger Minuten oder gar Sekunden bereitgestellt werden.34 Diese Automatisierung ist zwingend erforderlich, um die schnelle und flexible Nutzbarkeit der Cloud-Angebote zu realisieren, wodurch deren Attraktivität erheblich gesteigert wird, da Erhöhungen der Leistungsfähigkeit für den Nutzer anderenfalls zumeist mit Installationen oder gar Hardwarezukäufen verbunden sind.35
4. Broad network-access
Die jederzeitige flexible Nutzung von Cloud-Diensten erfordert weiterhin einen umfassenden Netzwerkzugriff („broad network-access“).36 Das besagt im Kern nichts anderes, als dass die angebotenen Leistungen für den Nutzer standardmäßig über das Internet verfügbar sein sollten.37 Dadurch wird insbesondere die dezentrale Nutzung über unterschiedliche Endgeräte gewährleistet, von herkömmlichen Rechnern über Notebooks, Tablets und sogar Smartphones, sofern eine hinreichend große Bandbreite zur Verfügung steht.38
5. Measured service
Als fünftes funktionelles Merkmal des Cloud Computing kann die nutzungsbezogene Zahlung angesehen werden, was die Messung des Nutzungsvolumens erfordert, (engl. „measured service“).39 Die Notwendigkeit einer Messung, die je nach Art der genutzten Ressourcen unterschiedlich abläuft, folgt letztlich aus den vier zuvor dargestellten Prinzipien.40 Ein transparentes und einsichtiges Kontrollverfahren dient sowohl den Interessen des Anbieters als auch des Nutzers (vgl. etwa die Internetseite trust.salesforce.com).41
20 Vgl. zu den Definitionsschwierigkeiten im Einzelnen Dalby, Grundlagen, S. 149f. 21 Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 20; vgl. außerdem den Nachw. zu der – in der Sache ähnlichen, jedoch etwas ausführlicheren – Definition des Branchenverbandes BITKOM bei Schorer, in: Hilber, Handbuch, C/1, Rn. 7. 22 Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. ix: „Cloud Computing is using the Internet to access someone else’s software running on someone else’s hardware in someone else’s data center“. 23 Nach Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 21 sowie Schorer, in: Hilber, Handbuch, C/1, Rn. 8 m.w.N. 24 Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 22. 25 Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 18; vgl. zur Virtualisierung in Cloud-Systemen auch Meir-Huber, Cloud Computing, S. 13. 26 Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 17; auch Metzger/Reitz u.a., Cloud Computing, S. 15f. 27 Metzger/Reitz u.a., Cloud Computing, S. 3f. 28 Meir-Huber, Cloud Computing, S. 22. 29 Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 22; zur Mandantenfähigkeit auch Metzger/Reitz u.a., Cloud Computing, S. 14. 30 Metzger/Reitz u.a., Cloud Computing, S. 14; Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 23. 31 Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 23. 32 Angelehnt an Meir-Huber, Cloud Computing, S. 12f. 33 Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 23f. 34 Metzger/Reitz u.a., Cloud Computing, S. 13 mit einem Beispiel. 35 Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 23f. 36 Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 24. 37 Metzger/Reitz u.a., Cloud Computing, S. 13. 38 Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 24. 39 Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 24; Metzger/Reitz u.a., Cloud Computing, S. 15. 40 Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 24 41 Metzger/Reitz u.a., Cloud Computing, S. 15.
II. Abgrenzung zu ähnlichen Technologien
Bereits in den 1960er Jahren wurden Konzepte entwickelt, mit denen höhere Anforderungen an die Leistungsfähigkeit von Rechnern nicht mehr ausschließlich durch die Konstruktion immer leistungsstärkerer einzelner („Super“-)Rechner, sondern durch die (sowohl effizientere als auch flexiblere) Zusammenschaltung mehrerer Rechner bewältigt werden sollten.42 Diese Vorläufer des Cloud Computing und die Unterschiede zur heute verwendeten Technologie werden nachfolgend dargestellt, um auf diesem Wege die Besonderheiten der hier in Rede stehenden Technologie deutlicher herauszuarbeiten.
1. Verteilte Systeme: Cluster- und Grid-Computing
Sowohl beim sog. „Cluster-“ als auch beim „Grid-Computing“ werden zunächst mehrere Rechner zu sog. „Knoten“ verbunden, um dann wiederum mehrere dieser „Knoten“ zu einem Gesamtsystem zu verbinden. Der zentrale Unterschied zwischen „Cluster-“ und „Grid-Computing“ besteht insoweit darin, dass ersteres auf der Zusammenschaltung mehrerer identischer Knoten besteht, die an einem Ort über ein Hochgeschwindigkeitsnetzwerk verbunden werden, während bei letzterem die einzelnen „Knoten“ hinsichtlich Hardware, Software sowie im Hinblick auf die Anbindung an das „Grid“ differieren.43 „Grid-Computing“ wird typischerweise für einen sehr begrenzten und klar spezifizierten Anwenderkreis verwendet, z.B. in der Wissenschaft oder im Pharma-Segment.44 Der Zugriff erfolgt insoweit meist eher über ein organisationseigenes Intranet als über das Internet.45
Eine entscheidende Weiterentwicklung bei Cloud-Systemen gegenüber den Vorläufern besteht in der erheblich höheren Dynamik und Flexibilität. Während in Grid- und Cluster-Systemen die verfügbaren Ressourcen meist im Vorfeld verteilt werden, erfolgt bei Cloud-Systemen eine bedarfsorientierte Bereitstellung, weshalb nur Cloud-Systeme auf sich verändernden Ressourcenbedarf adäquat reagieren können.46 Außerdem ist der Grad der Virtualisierung bei Cloud Computing deutlich höher, wo ausschließlich mit virtuellen Ressourcen gearbeitet wird.47 Letztlich dürfte der Hauptgrund für den „Siegeszug“ der Cloud-Technologie nicht zuletzt in ihrer Ausrichtung an Wirtschaftlichkeitsaspekten liegen, die bei Grid- und Cluster-Verfahren nicht bzw. nur in geringerem Maße gegeben ist.48
2. IT-Outsourcing
Cloud Computing steht im Kontext des seit den 1980er-Jahren zunehmend verbreiteten Konzepts des sog. IT-Outsourcing, das vor allem für die Vielzahl der Unternehmen relevant wird, für die IT zwar wichtig ist, jedoch nicht zu ihren eigenen Kernkompetenzen zählt.49 Die Cloud-Technologie in ihrer heutigen Form ist jedoch eine deutliche Modifikation bzw. Weiterentwicklung klassischer Outsourcing-Konzepte.50 So ermöglicht die für Cloud Computing charakteristische vollständige Entkopplung von Kundenstandort und Rechenzentrum eine wesentlich höhere Flexibilität aufgrund der Verteilbarkeit der ausgelagerten Dienste auf unterschiedliche Standorte.51 Zudem sinkt die Abhängigkeit des Kunden vom Anbieter, da er jederzeit auf unterschiedliche Cloud-Dienste von unterschiedlichen Anbietern zugreifen kann und sich im Regelfall nicht langfristig an einen Dienstleister binden muss.52 Das hat allerdings auch zur Folge, dass der Kunde keine individuelle Anpassung der angebotenen Dienste durch den Anbieter erwarten kann, sondern dass er diese regelmäßig selbst vornehmen muss.53
3. Das Application-Service-Provider-Modell
Das sog. Application-Service-Provider-Modell (ASP) ist ein direkter Vorläufer des Cloud Computing in der Variante des Software-as-a-Service (dazu siehe unten). Auch beim ASP werden dem Kunden bedarfsorientiert Softwareanwendungen zur Verfügung gestellt, etwa über einen Terminal-Server-Zugang.54 Der Anbieter stellt die Anwendung i.d.R. über das Internet oder ein privates Datennetz bereit und übernimmt für den Kunden Aufgaben wie Administration, Datensicherung sowie das Einspielen von Upgrades oder Patches.55 Hier unterscheidet sich ASP vom sog. Applikations-Hosting, bei dem ebenfalls eine Software zur Verfügung gestellt wird, der Kunde aber Administration usw. selbst übernimmt.56 Ebenso wie das eigentliche Cloud Computing ist auch das ASP-Modell eine besondere Form des IT-Outsourcing.57 Wenn das ASP-Konzept heute trotz der großen Parallelen zu Cloud Computing (speziell SaaS) als weitgehend durch letzteres überholt anzusehen ist, so liegt das daran, dass bei ASP-Modellen praktisch keine gemeinsame Nutzung physischer Ressourcen stattfindet, sondern für jeden Nutzer eine dezidiert-individuelle Infrastruktur bereitzustellen ist, weshalb die gewünschten Skaleneffekte letztlich oft nicht erreicht werden.58
4. Utility-Computing
Eher eine (in der Rückschau in mancherlei Hinsicht durchaus prophetische) Vision aus den Anfangszeiten des Internets als eine tatsächlich relevante Vorläufertechnologie des Cloud Computing verbirgt sich hinter dem Stichwort „Utility Computing“. Der Informatiker John McCarthy sagte anlässlich eines Vortrags auf dem MIT Centennial 1961 voraus, dass es eines Tages möglich sein werde, Rechnerleistung im Rahmen der öffentlichen Versorgung vergleichbar mit dem Strom- oder dem Telefonnetz zu beziehen.59 Nachdem einige frühe Versuche, diese Vision in die Tat umzusetzen gescheitert waren, nicht zuletzt wegen fehlender Verbreitung des Internets und unzureichender Hardware, wurde sie mit dem Aufkommen von Cloud Computing wieder aufgegriffen und ist heute in mancher Hinsicht bereits Realität.60
42 S. Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 13ff. 43 S. Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 15f. 44 Meir-Huber, Cloud Computing, S. 19; Repschläger/Pannicke u.a., HMD 2010, 6, 7 mit einem Beispiel; Metzger/Reitz u.a., Cloud Computing, S. 24. 45 Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 25. 46 Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 25f. 47 Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 25f. 48 Vgl. dazu Repschläger/Pannicke u.a., HMD 2010, 6, 7; außerdem zur deutlich höheren kommerziellen Bedeutung von Cloud Computing gegenüber der Grid-Technoplogie Meir-Huber, Cloud Computing, S. 19. 49 Vgl. Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 16. 50 Schmidt-Bens, Cloud Computing, S. 2f. 51 Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 26f., die allerdings auch ein Beispiel für Prozesse benennen, die sich nicht für eine Auslagerung in die Cloud eignen. 52 Schmidt-Bens, Cloud Computing, S. 3. 53 Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 27. 54 Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 16f. 55 Metzger/Reitz u.a., Cloud Computing, S. 23. 56 Metzger/Reitz u.a., Cloud Computing, S. 23. 57 Repschläger/Pannicke u.a., HMD 2010, 6, 7; Metzger/Reitz u.a., Cloud Computing, S. 24. 58 Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 17; auch Repschläger/Pannicke u.a., HMD 2010, 6, 7, wonach es sich bei ASP und SaaS um „das gleiche Modell, [...] aber unterschiedliche Entwicklungsstufen und Ausprägungen“ handelt. 59 Vgl. das abgedruckte Originalzitat bei Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 19; ferner Repschläger/Pannicke u.a., HMD 2010, 6; siehe aber auch Schorer, in: Hilber, Handbuch, C/1, Rn. 2, wo das Konzept des Utility-Computing dem kanadischen Forscher und Wissenschaftsminister Douglas Parkhill zugeschrieben wird, wobei dessen Buch erst 1966 erschien. 60 Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 19.
III. Service-Modelle
Cloud-Services werden in unterschiedlichen Modellen angeboten, die üblicherweise in die drei Kategorien SaaS, PaaS und IaaS unterteilt sind.61 Teilweise wird die Kombination der Modelle auch als Everythingas-a-Service (EaaS) bezeichnet.62
1. Software-as-a-Service (SaaS)
Das bislang wohl am weitesten verbreitete Modell zur Bereitstellung von Cloud-Anwendungen läuft unter der Bezeichnung „Software-as-a-Service (SaaS)“.63 Hier stellt der Provider eine Software zur Verfügung, die vom Endkunden über einen Webbrowser benutzt, jedoch hinsichtlich Wartung, Aktualisierung, Fehlerbeseitigung usw. ausschließlich vom (Cloud-) Provider betrieben wird.64 Der Nutzer kann somit von unterschiedlichen (auch mobilen) Endgeräten aus jederzeit auf seine Anwendungen (Dokumente) zugreifen, ohne dass die entsprechende Software auf den Endgeräten noch installiert sein muss.65 Unter die Rubrik „SaaS“ fallen z.B. klassische Webmail-Dienste wie „Web.de“ oder „Microsoft Hotmail“ sowie etwa SalesForce CRM oder Google Docs.66 SaaS bietet eine breite Palette von Einsatzmöglichkeiten und ist deshalb sowohl für kommerzielle (Business) als auch für private Nutzer von großem Interesse.67 Google bietet z.B. Tabellenkalkulations-, Textverarbeitungs- und Präsentationssoftware via SaaS an, was für Firmenkunden besonders interessant sein kann.68
Herkömmliche Webmail-Dienste bilden i.Ü. den ersten – bislang nicht immer als solchen benannten – Berührungspunkt zwischen Cloud Computing (in Form von SaaS) und strafprozessualen Ermittlungen, da die Möglichkeiten des Zugriffs von Ermittlern auf in Webmail-Accounts gespeicherte E-Mails Gegenstand einer breiten Diskussion in Rechtsprechung und Schrifttum ist (dazu näher siehe unten). Sofern zunehmend Firmen dazu übergehen sollten, Teile ihrer betriebsbezogenen Unterlagen (z.B. Buchhaltung) über SaaS-Anwendungen zu verwalten,69 können vergleichbare Probleme zukünftig auch vermehrt in Wirtschaftsstrafverfahren auftreten, wenn die Ermittler bei Durchsuchungen in den Firmengebäuden auf der dort vorgefundenen Hardware keine Daten finden.
2. Platform-as-a-Service (PaaS)
Unter dem Schlagwort „Platform-as-a-Service (PaaS)“ versteht man die Bereitstellung einer Entwickler-Plattform, auf der die Nutzer – es wird sich regelmäßig um Web-Entwickler handeln – eigene Programme kreieren und hosten können.70 Geläufige Beispiele hierfür sind die „Google App Engine“ oder „Microsoft Windows Azure“. Solche Anwendungen stellen dem Benutzer eine vollständige Entwicklungsumgebung für Programmierarbeiten zur Verfügung.71 PaaS-Angebote sind die Basis für die Entwicklung von SaaS-Anwendungen, die bei Nutzung von PaaS-Technologien produziert werden können, ohne dass der Entwickler eigene IT-Kapazitäten vorhalten muss.72 Der PaaS-Anbieter legt zur Ermöglichung einer umfassenden Automatisierung regelmäßig bestimmte Rahmenbedingungen fest, etwa die Programmiersprache und verwendbare Bibliotheken, während der Kunde im Übrigen seine Programme nach eigenem Belieben gestalten kann.73 Häufig liegen bereits einzelne Komponenten einer Entwicklung als vom Anbieter bereitgestellte Dienste vor.74
3. Infrastructure-as-a-Service (IaaS)
Bei „Infrastructure-as-a-Servie (IaaS)“ stellt der Anbieter (virtuelle) Hardware oder Infrastrukturdienstleistungen bereit, also vor allem Speicherplatz, Rechnerkapazität oder Netzwerkbandbreite.75 Anders als bei PaaS ist der Kunde bei IaaS-Modellen vollständig für die Installation und Nutzung des Betriebssystems sowie etwaiger Anwendungskomponenten verantwortlich, während der Cloud-Anbieter ausschließlich die Hardware/die Infrastruktur zur Verfügung stellt.76 IaaS-Anwendungen bieten dem Nutzer lediglich das „Rohmaterial“, während er vollständig frei über die softwaretechnische Nutzung entscheiden kann.77 Die erforderlichen Ressourcen lassen sich je nach Bedarf des Nutzers in ihrem Volumen flexibel anpassen.78 Durch eine gezielte Lastverteilung, das sog. „Load Balancing“, stellt der Anbieter sicher, dass für jeden Kunden die erworbenen Leistungen stets verfügbar sind.79 Alternativ kann der Kunde aber auch dezidiert für ihn bereitgestellte Ressourcen in Anspruch nehmen, was allerdings regelmäßig mit höheren Kosten verbunden ist.80 Das typische Anwendungsbeispiel aus dem Bereich des IaaS ist die Bereitstellung von Rechenleistung („Compute“), was im Begriff „Cloud Computing“ zum Ausdruck kommt.81 Ein bekanntes Beispiel für IaaS sind die Amazon Web Services.82
61 Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 3, 28; vgl. zu gelegentlich gebrauchten weiteren Kategorien Terplan/Voigt, Cloud, S. 27f.; außerdem Schorer, in: Hilber, Handbuch, C/1, Rn. 24 und 27f. 62 Dalby, Grundlagen, S. 155. 63 Laut einer Studie von PWC nutzen zwei Drittel aller dort befragten Unternehmen SaaS-Anwendungen, s. Vehlow/Golkowsky, Cloud Computing. 64 Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 28. 65 Metzger/Reitz u.a., Cloud Computing, S. 21; Schorer, in: Hilber, Handbuch, C/1, Rn. 24; vertiefend Meir-Huber, Cloud Computing, S. 46ff. 66 Zu diesen und weiteren Beispielen Schmidt-Bens, Cloud Computing, S. 16; Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 28; Metzger/Reitz u.a., Cloud Computing, S. 22; Dalby, Grundlagen, S. 166ff. 67 Meir-Huber, Cloud Computing, S. 47. 68 Schorer, in: Hilber, Handbuch, C/1, Rn. 26. 69 Vgl. zu Bürosoftware als SaaS auch Schorer, in: Hilber, Handbuch, C/1, Rn. 54 und 61. 70 Näher Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 29. 71 Schmidt-Bens, Cloud Computing, S. 17; Metzger/Reitz u.a., Cloud Computing, S. 21. 72 Repschläger/Pannicke u.a., HMD 2010, 6, 10; Schorer, in: Hilber, Handbuch, C/1, Rn. 23. 73 Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 29. 74 Metzger/Reitz u.a., Cloud Computing, S. 21. 75 Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 30; Schmidt-Bens, Cloud Computing, S. 17; Metzger/Reitz u.a., Cloud Computing, S. 21; Schorer, in: Hilber, Handbuch, C/1, Rn. 22. 76 Schmidt-Bens, Cloud Computing, S. 17. 77 Meir-Huber, Cloud Computing, S. 42 spricht von der „untersten Schicht“. 78 Vgl. Repschläger/Pannicke u.a., HMD 2010, 6, 9. 79 Meir-Huber, Cloud Computing, S. 42. 80 Schorer, in: Hilber, Handbuch, C/1, Rn. 22. 81 Vossen/Haselmann u.a., Cloud-Computing, S. 30. 82 Siehe hierzu etwa Schmidt-Bens, Cloud Computing, S. 17f.; siehe auch Schorer, in: Hilber, Handbuch, C/1, Rn. 22 a.E.