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1. Gesetzesvorbehalt und Eingriffsnorm
a) Allgemeiner Eingriffsvorbehalt und Wesentlichkeitskriterium

Es darf heute als weitgehend unbestritten gelten, dass strafprozessuale Zwangsmaßnahmen maßgeblich dadurch gekennzeichnet sind, dass sie in Grundrechte des Beschuldigten eingreifen.189 Somit entspricht es zu Recht der allgemeinen Auffassung, dass das verfassungsrechtlich verankerte Prinzip des allgemeinen Gesetzesvorbehalts im Strafprozessrecht uneingeschränkt anwendbar ist190 Es kann sich insofern um Eingriffe in spezielle Grundrechte handeln, wie etwa Art. 10 GG191, Art. 12 Abs. 1 GG192, Art. 13 Abs. 1 GG193 oder Art. 14 Abs. 1 GG. Darüber hinaus kann es zu Eingriffen in das aus dem Rechtsstaatsprinzip194 folgende Recht auf ein faires Verfahren („fair-trial-Grundsatz“) oder in das allgemeine Persönlichkeitsrecht kommen.195

Besondere Bedeutung kommt hierbei der heimlichen Aufzeichnung von Daten und anderen Überwachungsmaßnahmen zu, die namentlich mit Blick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seinen unterschiedlichen Ausprägungen – sowie unter dem Gesichtspunkt der die Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG196 – zu würdigen ist. Hier hat sich inzwischen in der verfassungsrechtlichen Doktrin ein Verständnis durchgesetzt, wonach weniger der auf Befehl und Zwang beruhende unmittelbare und finale Eingriff in eine geschützte Rechtsposition entscheidend für die Charakterisierung als Grundrechtseingriff ist; ein solcher liegt vielmehr bei jedem staatlichen Handeln vor, das in zurechenbarer Weise dem Einzelnen ein grundrechtlich geschütztes Verhalten ganz oder teilweise unmöglich macht (sog. moderner Eingriffsbegriff).197 Gerade mit Blick auf den Bereich moderner Technologien enthält die Strafprozessordnung heute eine Vielzahl an Eingriffsmaßnahmen, was die Bedeutung des modernen Eingriffsbegriffs in diesem Zusammenhang erheblich erhöht.198 Darüber hinaus hat das BVerfG speziell bei tief in die Privatsphäre des Betroffenen eingreifenden Überwachungs- und Ermittlungsmaßnahmen im Zusammenhang mit elektronischer Datenverarbeitung die besondere Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes betont.199

Nach klassischem Verständnis ist eine gesetzliche Grundlage für jedes staatliche Handeln erforderlich, durch das in grundrechtliche Freiheiten des Bürgers eingegriffen wird.200 Dieser Gesetzesvorbehalt fußt einerseits auf rechtsstaatlichem, andererseits auf demokratietheoretischem Fundament.201 Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt er deshalb, weil er die Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit staatlichen Handelns garantiert, die nicht gegeben wäre, wenn die Exekutive über Art und Umfang zulässiger Eingriffe frei disponieren könnte. Die Relevanz unterschiedlicher Auffassungen zum Gesetzesvorbehalt abhängig von der Natur der öffentlichen Maße wird insbesondere im Strafprozess relevant, da Ermittlungshandlungen häufig Realhandlungen darstellen. Dem gegenüberüber fordert die Lehre des Totalvorbehalts eine gesetzliche Grundlage für jegliches hoheitliches Handeln.202 Die Absehbarkeit kann insbesondere nur dann gewährleistet werden, wenn die Normen klar und verständlich sind, so dass an dieser Stelle erkennbar ist, wie im Strafverfahren Gesetzesvorbehalt und Bestimmtheitsgrundsatz ineinandergreifen.203

Damit ist gewährleistet, dass die Grenzen der dem Zugriff des Staates entzogenen Freiheitsausübungsbefugnisse des Bürgers durch abstrakte Gesetze geregelt werden. Zugleich verwirklicht der Gesetzesvorbehalt auch einen demokratischen Grundsatz, indem sichergestellt wird, dass allein der unmittelbar vom Volk legitimierte Gesetzgeber die Grenzen der Freiheitsausübung – und die damit korrespondierenden Grenzen der Zugriffsbefugnisse staatlicher Organe – festlegt. Der demokratische Gedanke wird insbesondere dadurch verwirklicht, dass der Umfang und die erlaubte Intensität der Grundrechtseingriffe in den grundlegenden Aspekten im parlamentarischen Verfahren öffentlich unter Mitwirkung auch der nicht die Regierung tragenden Abgeordneten diskutiert wird.204

Vor dem Hintergrund der soeben skizzierten, aus den fundamentalen Staatsprinzipien des Grundgesetzes abgeleiteten Überlegungen hat das Bundesverfassungsgericht die sog. Wesentlichkeitstheorie entwickelt, die besagt, dass der demokratisch legitimierte Gesetzgeber zwar nicht alle, wohl aber alle wesentlichen grundrechtsrelevanten Entscheidungen selbst zu treffen hat.205 Die Systematik der Wesentlichkeitstheorie weist insofern Parallelen zur Ermächtigungsregelung des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG auf, wo grundrechtssensible Bereiche betroffen sind. Wesentlich sind entsprechende Entscheidungen insofern jedenfalls dann, wenn sie für die Verwirklichung von Grundrechten erheblich sind.206 Damit ist nach zutreffender Auffassung indes – jedenfalls für den Bereich der strafprozessualen Eingriffsnormen – keine Einschränkung des klassischen Eingriffsvorbehalts verbunden.207 Insbesondere darf der Gesetzgeber nicht die wesentlichen Entscheidungen der fachgerichtlichen Rechtsprechung überlassen.208 Es bleibt vielmehr dabei, dass jeder Eingriff im herkömmlichen Sinne einer gesetzlichen Grundlage bedarf, mit anderen Worten also eine im vorstehenden Sinne „wesentliche“ Regelung darstellt. Die Wesentlichkeitstheorie ergänzt und erweitert den klassischen Eingriffsvorbehalt lediglich dahingehend, dass neben Grundrechtseingriffen in diesem Sinne auch andere grundrechtsrelevante Entscheidungen unmittelbar vom Gesetzgeber zu treffen sein können.

Diesbezüglich ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass die Schwellentheorie, wonach erst ab einer relevanten, verifizierbaren Eingriffsintensität ein beachtlicher Grundrechtseingriff vorliegt, auch im Strafverfahren anwendbar bleibt, um die Ermittlungspraxis nicht zu überfordern oder zu blockieren.209 Allerdings sind solche Betrachtungen nur im Rahmen von unerheblichen Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht anzuerkennen.210 Eine solche Unerheblichkeit kann sich etwa bei der Spurensuche ergeben wenn diese nicht innerhalb der besonders geschützten räumlichen Sphäre erfolgt,211 oder bei Erkundigungen, die zwar der Erhebung von personenbezogenen Daten dienen, aber insoweit einen Bagatellbereich von Art. 2 Abs. 1 GG darstellen.212 Nach anderer Ansicht ist die Frage einer Bagatellbeeinträchtigung kein Aspekt der Eingriffshandlung, sondern die Intensität auf dogmatisch-struktureller Grundlage stets eine Frage der Rechtfertigungsebene, so dass der Gesetzesvorbehalt auch in diesen Fällen nicht umgangen werden kann.213 Besondere Relevanz für aktuelle Entwicklungen sind in diesem Zusammenhang sog. „Internet-Streifen“, in deren Rahmen auf nicht zugangsgeschützte Daten zugegriffen wird.214 Weil in der hier untersuchten Fallgestaltung ein solcher Bagatellbereich regelmäßig deutlich überschritten wird, bedarf es jedoch keiner näheren Auseinandersetzung mit der Frage, ob er überhaupt anzuerkennen ist.

Ein anderer Ansatz, um den Eingriffscharakter abzulehnen, liegt in der hoheitlichen Vorgehensweise zur Informationserlangung. Nach einer Formulierung in der Rechtsprechung ist eine „passive Informationserlangung ohne Eingriffscharakter“215 möglich. Dies bedeutet etwa, dass ein passives Verhalten von verdeckt ermittelnden Beamten und V-Leuten, die sich in einem gewissen Umfeld bewegen und dort Informationen lediglich wahrnehmen, ohne gesetzliche Ermächtigungsgrundlage zulässig sein kann. Entscheidendes Kriterium ist insofern die Aktivität, auf der die staatliche Informationserlangung beruht.216 Auch dieser Aspekt ist vorliegend indes zu vernachlässigen, da hier nur der aktive Zugriff auf Daten im Wege strafprozessualer Zwangsmaßnahmen in Rede steht.

Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung sind insbesondere die Herausforderungen für strafprozessuale Ermittlungen angesichts neuer Technologien. Von großer Bedeutung ist deshalb die Frage, inwieweit eine existierende strafprozessuale Eingriffsnorm einer „zeitgemäßen“ Auslegung zugänglich ist,217 sofern Umstände auftreten, die bei Abfassung der Norm nicht bekannt waren und letztlich nicht bekannt sein konnten. Insofern ist zunächst zu untersuchen, ob bzw. in welchem Umfang die aus dem materiellen Strafrecht geläufigen Grundsätze des Art. 103 Abs. 2 GG/§ 1 StGB auch für das Strafprozessrecht Geltung beanspruchen können.

b) Analogieverbot und Bestimmtheitsgebot im Verfahrensrecht

Das sog. Gesetzlichkeitsprinzip des § 1 StGB, das in Art. 103 Abs. 2 GG mit Verfassungsrang ausgestattet ist, wird nach herkömmlichem Verständnis in vier unterschiedliche Ausprägungen unterteilt: das Verbot unbestimmter Strafgesetze, das Rückwirkungsverbot, das Verbot strafbegründenden oder strafschärfenden Gewohnheitsrechts sowie das Analogieverbot. Andere Autoren lehnen diese Unterteilung konstruktiv ab und fassen das Gesetzlichkeitsprinzip insgesamt als einen qualifizierten Gesetzesvorbehalt auf.218 Es sprechen jedoch beachtliche Gründe dagegen, Art. 103 Abs. 2 GG im Strafverfahrensrecht unmittelbar anzuwenden.219 Selbst wenn der Wortlaut eine gegenteilige Auslegung wohl zuließe, streitet nicht zuletzt die historische Entstehung des Gesetzlichkeitsprinzips gegen seine Übertragung auf das Verfahrensrecht.220

Hintergrund des in Art. 103 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich verankerten Grundsatzes ist insbesondere die generalpräventive Funktion des materiellen Strafrechts, für die es im Bereich des Prozessrechts keine unmittelbare Entsprechung gibt. Insbesondere der Begriff der „Strafe“, welcher als „missbilligende hoheitliche Reaktion auf ein schuldhaftes Verhalten“221 aufgefasst wird, zeigt, dass es sich bei materiellem Strafrecht um eine hoheitliche „Missbilligung“ menschlichen Verhaltens handelt, so dass der Strafe ein unmittelbarer, wertender Zugriff auf das Persönlichkeitsrechts des Bürgers zu Grunde liegt, verstärkt durch den Begriff der Schuld,222 wodurch sich das materielle Strafrecht erheblich von anderen hoheitlichen Eingriffen unterscheidet und daher die besondere Regelung des Art. 103 Abs. 2 GG nicht auf andere Eingriffssysteme außerhalb des materiellen Strafrechts anzuwenden ist. Aus diesem Grund ist Art. 103 Abs. 2 GG auch nicht lediglich eine Bestätigung der allgemeinen Eingriffslehren, sondern bezieht sich stringent auf die einzigartige Besonderheit des materiellen Strafrechts innerhalb der allgemeinen hoheitlichen Eingriffsbefugnisse.223

Darüber hinaus dient das strafrechtliche Analogieverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG dazu, zu gewährleisten, dass der Gesetzgeber die Entscheidung zu treffen hat, ob und mit welchem Umfang ein bestimmtes Rechtsgut mit den Mitteln des Strafrechts zu verteidigen ist.224 Rechtsanwender dürfen diese Entscheidungen nicht ignorieren oder korrigierend eingreifen.225 Der Vorschrift kommt daher eine freiheitsgewährleistende und kompetenzwahrende Doppelfunktion zugute, welche ihrerseits – strukturell durchaus parallel zum verfassungstheoretischen Hintergrund der bereits skizzierten Wesentlichkeitstheorie – die Aspekte aus Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip berücksichtigen und ihre Gültigkeit im materiellen Strafrecht gewährleisten. Insofern bezieht sich die Vorschrift nur auf die materiellen Voraussetzungen der Strafbarkeit und der Strafandrohung,226 so dass sich direkt aus Art. 103 Abs. 2 GG nach vorzugswürdiger Auffassung keine Konsequenzen für die Reichweite strafprozessualer Eingriffsnormen herleiten lassen.

Indes wäre es mehr als voreilig, wenn man daraus schließen würde, eine praeter legem stattfindende Anwendung solcher Eingriffsnormen im Wege der Analogie sei ohne weiteres zulässig.227 Denn auch wenn das für das materielle Strafrecht konzipierte Analogieverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG nicht unmittelbar zur Anwendung gelangt, ist doch in der Ausformung der Konsequenzen, die sich aus dem Gesetzlichkeitsprinzip ergeben, namentlich mit Blick auf das Erfordernis der gesetzlichen Bestimmtheit von Strafgesetzen, die nicht durch analoge oder gewohnheitsrechtlicher Strafbegründung umgangen werden dürfen,228 im Ergebnis weitgehend übereinstimmt mit den Anforderungen, die sich aus den allgemeinen Grundsätzen zum Gesetzesvorbehalt ergeben. Denn die Zulassung der analogen Anwendung strafprozessualer Eingriffsnormen hätte die Missachtung sowohl der rechtsstaatlichen als auch der demokratietheoretischen Komponente des Gesetzesvorbehalts zur Folge,229 da unter diesen Umständen die gebildeten Regeln nicht auf einer parlamentarischen Entscheidung beruhen würden, sondern auf derjenigen des Rechtsanwenders. Diese Einschätzung ist nachfolgend näher zu begründen:

Die analoge Anwendung strafprozessualer Eingriffsnormen stellt einen Verstoß gegen die rechtsstaatliche Komponente des Gesetzesvorbehalts dar, weil die allgemeinen Grundsätze zur Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit des staatlichen Eingriffshandelns in Grundrechte nicht gewährleistet wären, könnten die Exekutivorgane oder die Judikative außerhalb des Anwendungsbereichs der gesetzlichen Regelungen in die Rechtspositionen der Betroffenen eingreifen. Die demokratietheoretische Komponente wäre betroffen, weil es im Falle der analogen Anwendung von Eingriffsnormen nicht der vom Volk legitimierte Gesetzgeber wäre, der darüber entscheidet, unter welchen Voraussetzungen die Einschränkung von Grundrechten zulässig ist, sondern allein die Strafverfolgungsbehörden bzw. der Ermittlungsrichter. Damit folgt, unbeschadet der Nichtanwendbarkeit von Art. 103 Abs. 2 GG im Verfahrensrecht, aus dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Prinzip des Gesetzesvorbehalts ein Verbot der analogen Anwendung strafprozessualer Ermächtigungsnormen.230 Einer entsprechenden Anwendung von Regeln, die für den Betroffenen günstig sind und daher nicht in Grundrechte eingreifen, ist insofern allerdings dogmatisch zulässig.231

Doch erschöpfen sich die Parallelen zwischen Gesetzesvorbehalt im Verfahrensrecht und Gesetzlichkeitsprinzip im materiellen Strafrecht nicht im Verbot belastender Analogien. Auch hinsichtlich der Bestimmtheit einschlägiger Normen gelten für materielles wie für formelles Strafrecht im Ergebnis vergleichbare Grundsätze.232 Im materiellen Strafrecht soll das Verbot unbestimmter Strafgesetze sicherstellen, dass für die Normadressaten klar erkennbar ist, welches Verhalten mit Strafe bewährt ist und welches nicht. In der jüngeren Vergangenheit hat das BVerfG darüber hinaus das materiellrechtliche Bestimmtheitsgebot auch auf die Judikative erstreckt, die insbesondere bei unbestimmten Gesetzen zu einer konkretisierenden und präzisierenden Auslegung angehalten ist.233

Ähnliches gilt aufgrund des Gesetzesvorbehalts in jeglichem Eingriffsverhalten des Staates in Grundrechte und daher auch unweigerlich und insbesondere im Verfahrensrecht mit seinen teilweise erheblichen Eingriffen.234 Für den Bürger soll prinzipiell aufgrund der gesetzlichen Eingriffsnorm vorhersehbar sein, unter welchen Voraussetzungen er mit Beeinträchtigungen seiner subjektiven (Grund-)Rechtspositionen zu rechnen hat.235 Darüber hinaus ist nach der Rechtsprechung anerkannt, dass das materielle Grundrecht auch Maßstäbe für eine Verfahrensgestaltung setzt, welche einen effektiven Grundrechtsschutz ermöglicht.236 Insbesondere bei heimlichen Ermittlungsmethoden, bei denen ein Betroffener im Regelfall allenfalls im Rahmen einer nachträglichen Offenlegung Rechtsschutzmöglichkeiten nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG erfährt, ist dieser Verfahrensschutz von erheblicher Bedeutung. Der Gesetzgeber muss durch eine hinreichend klare und präzise Normgestaltung dafür Sorge tragen, dass insbesondere bei solchen heimlichen Maßnahmen eine effektive und vorbeugende Kontrolle stattfindet.237

2. Konsequenz: Notwendigkeit einer bereichsspezifischen Eingriffsnorm

Anhand der vorstehenden Ausführungen wird deutlich, dass einer analogen Anwendung strafprozessualer Eingriffsnormen unüberwindbare verfassungsrechtliche Hindernisse entgegenstehen. Es hat sich gezeigt, dass, jedenfalls im Bereich durchschnittlich eingriffsintensiver strafprozessualer Zwangsmaßnahmen, allein der Gesetzgeber befugt ist, die Voraussetzungen – jedenfalls alle wesentlichen Voraussetzungen – festzulegen, unter denen ein Eingriff in eine spezifische verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition zulässig ist.238 Dies führt zur Forderung nach hinreichend bestimmten bereichsspezifischen Ermächtigungsgrundlagen, die einer Ausdehnung über den vom Gesetzgeber vorgegebenen Eingriffs- bzw. Regelungsbereich durch Analogiebildung oder Schaffung gewohnheitsrechtlicher Eingriffsgrundlagen hinaus nicht zugänglich sind. Das deckt sich inhaltlich mit den Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil für Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aufgestellt239 und die es auf Eingriffe in die Telekommunikationsfreiheit übertragen hat. Bei diesen müssen demnach „der Anlass, der Zweck und die Grenzen des Eingriffs in der Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden“.240 Für die folgende Untersuchung ist hiernach von folgenden Prämissen auszugehen:

Die in der Strafprozessordnung vorgesehenen Eingriffsgrundlagen dürfen nur innerhalb ihres spezifischen Eingriffsbereichs angewendet werden. Hat der Gesetzgeber in einer Ermächtigungsnorm einen bestimmten Eingriff in ein bestimmtes Grundrecht geregelt und entsprechend die Eingriffsvoraussetzungen hierauf abgestimmt, kann dieselbe Norm nicht – auch nicht innerhalb des möglichen Wortsinnes – den Eingriff in eine andere grundrechtlich geschützte Rechtsposition begründen. Ausnahmen können höchstens dann bestehen, wenn eine sog. Minus-Maßnahme vorliegt, der mögliche Anwendungsbereich der Norm also nicht voll ausgeschöpft wird. Eine solche Erweiterung ist jedoch dann als unzulässig einzustufen, wenn sie sich gegenüber der Eingriffsermächtigung als aliud darstellen, da sonst wieder eine Umgehung besteht.241 Die Entscheidung darüber, ob dieser neuartige Eingriff unter den in der Norm genannten Voraussetzungen zulässig ist, obliegt allein dem Gesetzgeber.

171 Siehe hierzu nur Kudlich, Missbrauchsverbot, S. 160f. sowie ders., in ders./Monitel/Schuhr (Hrsg.), S. 233f., jeweils m.w.N. 172 Zum Folgenden eingehend Wohlers, in: SK-StPO4, vor § 94 Rn. 1ff. m.w.N. 173 Vgl. zu Letzterem vor allem Landau NStZ 2007, 121ff.; allgemein zur Notwendigkeit der Abwägung von Rechten des Beschuldigten und Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege siehe nur BVerfG NJW 2012, 907, 909 mit zahlreichen weiteren Nachw.; frühzeitig krit. gegenüber dem Topos der effektiven Strafrechtspflege Hassemer StV 1982, 275ff.; weiterführend zum Ganzen Kudlich, Missbrauchsverbot, S. 166ff. m.w.N. 174 Siehe nur Kudlich, Missbrauchsverbot, S. 125f. m.w.N. 175 Vgl. hierzu und zum Folgenden statt Aller BVerfGE 46, 214, 222ff.; aus jüngerer Zeit etwa BVerfGE 133, 168, 199 m.w.N. 176 BVerfGE 46, 214, 222. 177 BVerfGE 46, 214, 222f. 178 Wohlers, in: SK-StPO4, vor § 94, Rn. 2; eingehend BVerfGE 133, 168, 200f. mit ausführlichen Nachweisen aus der Rechtsprechung. 179 BVerfGE 57, 250, 274ff. Gercke, in: HK-StPO, vor §§ 94ff. Rn. 3. 180 Vgl. etwa BVerfGE 19, 342, 347. 181 EuGH, Rs. C-199/92P, Hüls, Slg 1999, I-4283 Rn 149; Rs. C-235/92P, Montecatini, Slg 1999, I-4539 Rn 175f. 182 So etwa die Formulierung in Art 48 Abs. 1 GRC. 183 Valerius, in: BeckOK-StPO, Art. 6 EMRK, Rn. 31; van Vormizeele, in: Schwarze/Becker/Bär-Bouyssière-EU-Kommentar, Art. 48 GRC, Rn. 6. 184 Van Vormizeele, in: Schwarze/Becker/Bär-Bouyssière-EU-Kommentar, Art. 48 GRC, Rn 3. 185 EGMR NJW 2011, 1789f.; BVerfGE 74, 358, 371; BGH NJW 1975, 1829, 1831; van Vormizeele, in: Schwarze/Becker/Bär-Bouyssière-EU-Kommentar, Art. 48, GRC Rn. 3 186 Wohlers, in: SK-StPO4, vor § 94, Rn. 9 m.w.N. 187 BVerfGE 82, 106, 115; 188 Vgl. hierzu Kudlich, Missbrauchsverbot, S. 128ff.; knapp auch bereits Meinicke, Zugriff, S. 33ff. 189 Grundlegend Amelung, Rechtsschutz, S. 15f.; Amelung, JZ 1987, 737, 745; ferner etwa Roxin/Schünemann u.a., Strafverfahrensrecht, § 29, Rn. 3; Böckenförde, Ermittlung, S. 113f.; Menges, in: Löwe/Rosenberg-StPO, vor § 94, Rn. 1; weitere Nachw. bei Kudlich, Missbrauchsverbot, S. 118. 190 Statt vieler Roxin/Schünemann u.a., Strafverfahrensrecht, § 2, Rn. 4. 191 Vgl. etwa BGH StV 2001, 214ff. 192 BVerfG NJW 2000, 3557ff. („Fall Theissen“). 193 Vgl. für einen solchen Fall etwa BVerfGE 42, 212ff. 194 Vgl. im Zusammenhang mit § 99 StPO BVerfGE 57, 250, 270ff. 195 Vgl. nur BGHSt 34, 39ff. (unzulässige Tonbandaufnahmen). 196 BVerfGE 100, 313, 364. 197 Siehe nur di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 2 Rn. 60 m.w.N.. 198 Vgl. Menges, in: Löwe/Rosenberg-StPO, vor §§ 94 Rn. 1ff. 199 Zuletzt BVerfG NJW 2016, 1781, 1784 m.w.N. aus der verfassungsgerichtlichen Rspr. 200 Siehe nur Bethge/Weber-Dürler, Grundrechtseingriff, S. 40; Wohlers, in: SK-StPO, vor § 94, Rn. 14 – jew. m.w.N.; Kudlich, Missbrauchsverbot, S. 129; zur Entstehung der Lehre vom Gesetzesvorbehalt Rogall, ZStW 1991, 907, 913ff.; zur weitergehenden sog. Lehre vom Totalvorbehalt, nach der eine gesetzliche Grundlage für jegliches hoheitliches Handeln gefordert ist, siehe Menges, in: Löwe/Rosenberg-StPO, vor §§ 94 Rn. 1 201 Vgl. die kurze Zusf. bei Böckenförde, Ermittlung, S. 123f. m.w.N; BVerfGE 133, 277, 336f. 202 Vgl. zur Gesamtdarstellung 203 Vgl. hierzu aus der Rechtsprechung des BVerfG BVerfGE 133, 277, 336f.; BVerfGE 110, 33, 53ff.; BVerfGE 120, 378, 407f., – alle m.w.N. 204 BVerfGE 133, 277, 336f. 205 St. Rspr., vgl. etwa BVerfGE 34, 165, 192f.; 40, 237, 249; 45, 400, 417f.; 61, 260, 275; zusf. hierzu Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 83 Rn. 33, nach dessen Einschätzung die „überkommene Formel der ‚Wesentlichkeitstheorie‘ [...] mehr eine heuristische Wegweisung als eine trennscharfe Grenze für den Gesetzesvorbehalt“ ist. 206 Vgl. hierzu BVerfGE 49, 89, 126f. 207 Wohlers, in: SK-StPO4, vor § 94, Rn. 17 m.w.N.; sehr deutlich Böckenförde, Ermittlung S. 120f. 208 BVerfGE 88, 103, 115ff. 209 Vgl. Menges, in: Löwe/Rosenberg-StPO, vor § 94, Rn. 32 m.w.N. 210 Etwa BGH NStZ 1996, 450ff. für den Einsatz eines verdeckten Ermittlers (zw.). 211 BVerfG NJW 1996 ,771ff. 212 BGSt 38, 214, 227. 213 Gerke, in: HK-StPO, vor §§ 94ff., Rn. 10. 214 Kudlich, JA 2000, 227; Graf, DRiZ 1999, 281. 215 BVerfG NStZ 2000, 489, 490. 216 Zum Ganzen: Menges, in: Löwe/Rosenberg-StPO, vor § 94, Rn. 47. 217 Zum Ganzen schon Gusy, StV 1998, 526. 218 Vgl. zu beiden Modellen Kuhlen, in: FS-Otto, S. 89ff. m.w.N. 219 Ausführlich Bär, Zugriff, S. 88ff.; i. Erg. Ebenso und m.w.N. auch zur Gegenansicht Böckenförde, Ermittlung, S. 116ff.; ferner Kudlich, Missbrauchsverbot, S. 139f.; ders., in: ders./Montiel/Schuhr (Hrsg.), S. 233, 239ff. 220 Zusf. und m.w.N. Krey, ZStW 1989, 838, 854; siehe außerdem Kudlich, in: ders./Montiel/Schuhr (Hrsg.), S. 233, 241f.; a.A. etwa Jahn, in: Kudlich/Montiel/Schuhr (Hrsg.), S. 223, 225ff.. insbesondere S. 230f. m.w.N. 221 BVerfGE 26, 186, 204; BVerfGE 45, 346, 351. 222 BVerfGE 20, 323, 331, BVerfGE 25, 269, 285. 223 Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig-GG, Art. 103 Abs. 2 GG, Rn. 163ff. m.w.N. 224 BVerfGE 71, 108, 116; BVerfGE 92, 1, 19; BVerfGE 126, 170, 197. 225 BVerfGE 64, 389, 393; BVerfGE 126, 170,197. 226 BGH NStZ 2014, 392, Rn. 23. 227 Knappe Zusf. hierzu bei Kudlich, GA 2011, 193, 194f.; vertiefend ders., Missbrauchsverbot, S. 141ff. 228 BVerfGE 71, 108, 115; BVerfGE 82, 236, 269; BVerfGE 92, 1, 12; BVerfGE 126, 170, 197f. 229 Überzeugend zum Ganzen Wohlers, in: SK-StPO, vor § 94, Rn. 21ff., insb. Rn. 27; ferner Schäfer, in: Löwe/Rosenberg-StPO, vor § 94, Rn. 22f. – jew. m.w.N. 230 Deutlich Krey, ZStW 1989, 838, 854ff.; i. Erg. ebenso Wohlers, in: SK-StPO, § 161, Rn. 8 a.E. m.w.N. (Fn. 11); Bär, Handbuch, S. 18ff. 231 BGH NStZ 2001, 604, 606. 232 Zu den Anforderungen an die Bestimmtheit strafprozessualer Eingriffsnormen eingehend und m.w.N. Wohlers, in: SK-StPO, vor § 94, Rn. 22ff. 233 Vgl. hierzu BVerfGE 92, 1, 12ff.; BVerfGE 126, 170, 195ff. 234 Kudlich, in: ders./Montiel/Schuhr (Hrsg.), S. 233, 246: Der Gesetzesvorbehalt gilt im Strafverfahrensrecht „in besonderem Maße“. 235 Wohlers, in: SK-StPO, vor § 94, Rn. 23. 236 BVerfGE 65, 1, 44ff. 237 Vgl. BVerfG NJW 2016, 1781, 1786. 238 Siehe auch Kudlich, in: ders./Montiel/Schuhr (Hrsg.), S. 233, 247f. 239 BVerfG NJW 1984, 419, 422. 240 BVerfG NJW 2004, 2213, 2215a. E; näher zur Bedeutung dieser Rechtsprechung im Zusammenhang mit Art. 10 GG Durner, in: Maunz/Dürig-GG, Art. 10, Rn. 136ff. 241 Vgl. Menges, in: Löwe/Rosenberg-StPO, vor § 94, Rn. 32ff. m.w.N.

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Hacim:
311 s. 2 illüstrasyon
ISBN:
9783800593156
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