Kitabı oku: «Kaiserkrieger 13: Flammen über Persien», sayfa 4
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»Jawed.«
»Metellus.« Klang schwach, etwas gewollt männlich, nur ohne die notwendige Puste. Metellus schüttelte den Kopf. Persischer Mannesstolz. Es gab wirklich Momente, da sollte es das Recht eines jeden sein, einfach nur zu jammern. Er sah auf den verletzten Mann hinab, der in einer hoffentlich bequemen Position auf seinem Lager gebettet die Umgebung mit immer wieder leicht zufallenden Augen betrachtete.
»Du fragst nicht, wie es mir geht, Zenturio«, sagte der Pāygān-sālār.
»Es geht dir richtig dreckig, das sehe ich dir an, mein Freund.«
Jawed zwang sich ein Lächeln ab, es war keine besonders überzeugende Vorstellung. Metellus suchte seine Sorge um den Mann zu verbergen. Der alte Medicus hatte getan, was er konnte, und das war angesichts der Umstände durchaus beachtlich. Der Römer machte niemandem einen Vorwurf, höchstens dem Schicksal, und das zeigte sich, wie immer, eher unbeeindruckt.
»Wie ist die Lage?«, rang sich der Perser ab.
»Keine weiteren Angriffe. Aber wir haben jemanden aufgegabelt.«
»Ein Gefangener?«
»Ich bin mir nicht sicher. Er sagt, er wäre ein Überläufer. Er hat sich uns als Jin vorgestellt.«
»Er sagt, er wäre ein … was?«
Der Perser war einen Moment gar nicht mehr so schwach, sein Erstaunen hatte dem geschwächten Leib erkennbar Energie zugeführt.
Jaweds Unglaube war nachvollziehbar. Die Krieger aus Baekye sprachen ein Idiom, das niemand in Rom oder Persien verstand. Es gab welche im Reich der Chinesen, die es gut beherrschten, doch es war mindestens so kompliziert und schwer zu lernen wie das Chinesische selbst. Aufgrund der Präsenz der Zeitenwanderer aus dem westlichen Afrika, die aus eigenen historischen Gründen des Englischen mächtig waren, hatte sich diese Sprache, die in dieser Epoche im Grunde noch gar nicht existierte, als Lingua franca durchgesetzt. Es gab natürlich sowohl Römer, die Chinesisch lernten, als auch Chinesen, die sich Latein oder Griechisch aneigneten. Aber ihre Zahl war begrenzt und manche taten dies eher aus Neugierde oder aus einem intellektuellen Verständnis heraus, wenige waren Soldaten oder Staatsbeamte. Kenntnisse des Persischen waren weiter verbreitet, waren Rom und sein großer Nachbar doch seit langer Zeit in zeitweise herzhafter Feindschaft verbunden, eine Gegnerschaft, die erst in den letzten Jahren zu einer ernsthaften Freundschaft geworden war. Nichts fokussierte Emotionen mehr als ein gemeinsamer Feind, der einem an den Kragen wollte.
Aber Baekye-Krieger, die etwas anderes als ihre eigene, komplexe Sprache beherrschten? Natürlich musste es sie geben. Aber sie waren zumindest an dieser Front noch keinem begegnet.
Irgendwie machte dieser Gedanke Jawed sofort misstrauisch. Metellus sah es ihm an und er empfand ähnlich. Deserteure gab es nicht, wenn es um Baekye ging, zumindest keine lebenden. Und dann noch welche, die sich verständlich machen konnten? Das war beinahe unmöglich. Und doch war es geschehen.
Oder war es …?
»Ein Spion«, kam Jawed zu dem Schluss, zu dem auch sein römischer Kamerad sofort gelangt war. »Er spricht Englisch?«
»Persisch.«
»Ein Spion.«
»Wenn, dann ein sehr verzweifelter. Als wir ihn schließlich ergriffen, zitterte er vor Angst und hatte sich völlig eingenässt.«
»Ein gut vorbereiteter Spion. Einer, der sein Metier beherrscht und alles tut, um überzeugend zu wirken. Wir sollten höchste Vorsicht gelten lassen.«
Jawed schien die Diskussion noch mehr zu beleben. Die letzten Sätze sprach er sehr kraftvoll aus. Gegnerische Spionage weckte offenbar seine Lebensgeister. Er versuchte sogar, sich aufzurichten, wurde daran aber von Metellus mit sanftem Nachdruck gehindert.
»Er ist in Gewahrsam und wird bewacht. Aber ich gebe ihm zu essen und ich habe ihn frisch eingekleidet. Es ist nicht an uns zu entscheiden, was mit ihm geschehen soll. Ich habe ans Hauptquartier telegrafiert. Sobald Weisung kommt, werden wir entsprechend handeln.«
»Weisung«, stieß Jawed aus. »Sie werden ihm auf den Leim gehen, weil sie unbedingt einen Erfolg haben wollen, etwas, das ihnen etwas in die Hand gibt, eine Erkenntnis, die ihnen hilft. Wenn dieser komische Marschall tatsächlich jemanden geschickt hat, der sein Handwerk versteht, wird er mit den Trotteln leichtes Spiel haben. Und wir, hier an der Grenze, werden das im Zweifelsfall ausbaden müssen, oder?«
Metellus wollte seinem persischen Kameraden so gerne widersprechen, doch leider brachte er nur ein Schulterzucken zustande. Jaweds Einstellung, bei aller Pflichterfüllung und militärischer Disziplin, war vom gesunden Zynismus eines Grenzsoldaten geprägt. Wer sollte es ihm übel nehmen?
»Sobald ich Nachricht habe, melde ich mich bei dir. Sie wird gewiss nicht lange auf sich warten lassen. Die Sache ist zu heiß, um …«
Metellus wurde vom Auftritt eines Soldaten unterbrochen. Er hielt ihm ein Pergament hin, das dieser dankend entgegennahm und betrachtete.
»Wenn man vom Teufel spricht!«
»Antwort auf deine Nachricht?«
»In der Tat. Ich bin mir nicht sicher, ob dir das gefallen wird.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob mir hier überhaupt noch etwas gefällt. Lies vor, Römer. Dein Persisch beleidigt meine Ohren, aber lies!«
»Darf ich es zusammenfassen?«
Jawed machte eine müde Handbewegung.
»Wir sind abberufen nach Persepolis. Du, ich, der Überläufer.«
»Der Spion.«
»Der Spion. Du sollst dich im Militärhospital behandeln lassen und bekommst Erholungsurlaub. Ich soll den Spion überbringen und bei den Verhören als offizieller Vertreter des römischen Generalstabs anwesend sein. Wir sollen los, sobald du reisetauglich bist.«
Jawed starrte Metellus an. Es gab Leute, die würden sich jetzt freuen. Allein das neuartige und von den Römern auch erst sehr zögerlich angenommene Konzept des »Erholungsurlaubs« löste normalerweise eher Glücksgefühle aus. Außerdem: weg von der Front, ab in die Hauptstadt, die ihre Reize hatte. Jawed stammte aus einer angesehenen Familie, er erzählte hin und wieder von ihrem Haus in Persepolis und dem Garten und dem Fischteich. Metellus stellte sich alles ganz angenehm vor. Aber Jawed gehörte nicht zu jenen, die jede Gelegenheit wahrnahmen, sich lästiger Pflichten zu entledigen. Alles andere als das.
»Meinen Posten aufgeben?«
»Vorübergehend, da bin ich mir sicher. Verwundet im Kampf. Dafür gibt es einen Orden.«
»Das war keine Leistung. Ich stand aus Versehen einer Kugel im Weg.«
Jawed war auch da etwas eigen. Er war jederzeit bereit, tapfere Untergebene auszuzeichnen und sie für herausragende Pflichterfüllung zu belohnen – aber er zog es vor, ihnen dafür etwas zu geben, mit dem sie auch etwas anfangen konnten. Einen freien Tag; frischen Wein oder Bier für einen netten Abend unter Kameraden; Befreiung vom Wachdienst: Es gab einige Möglichkeiten, einer treuen Seele etwas Gutes zu tun. Aber irgendeinen Orden? Das war wieder so eine römische Idee. Für die meisten gab es nicht einmal eine Geldprämie, die Jawed noch als Anerkennung akzeptiert hätte. Und er selbst strebte nicht nach Gefälligkeiten. Wenn man ihm etwas Gutes tun wollte, dann würde man ihn befördern, ihm mehr Verantwortung geben und weitere Möglichkeiten, Kugeln im Weg zu sein. Denn wenn er eines ernst nahm, dann war es sein Beruf und Metellus hatte davor den allergrößten Respekt.
»Es sieht nicht so aus, als hätten wir da eine Wahl.«
Jawed wusste das natürlich. Er schaute grimmig drein, aber so richtig fehlte ihm für die Empörung noch die Energie. »Ich bin reisebereit. Lass uns aufbrechen.«
»Du bist völlig verrückt.«
»Ein Wagen. Ich leg mich hinten drauf und lass mich ziehen. Einleitung meines Erholungsurlaubs. Schöne Landschaften, interessante Zwischenstopps, lauschige Herbergen und abwechslungsreiches Essen. Eine interessante und liebenswürdige Reisebegleitung dazu. Alles, was man sich wünschen kann.«
Metellus stieß ein Schnaufen aus.
»Es hat geregnet. Die Straßen sind in einem erbärmlichen Zustand. Und Herbergen sind ziemlich weit entfernt.«
Jawed seufzte und starrte auf die Bettdecke, die seinen Körper umhüllte. Er zupfte an einem Rand, um eine Falte auszugleichen. Er mochte es, wenn die Dinge glatt verliefen. Das war in letzter Zeit leider nur zu selten der Fall.
»Wie lange also?«
»Ich denke, in frühestens fünf Tagen, und das auch nur dann, wenn du eisern Ruhe bewahrst, nicht herumschreist, nicht herumläufst, gut isst und trinkst und jede Aufregung meidest.«
Jawed sah Metellus anklagend an. »Du willst, dass ich vor Langeweile sterbe, damit du in Persepolis all den Ruhm einheimsen kannst.«
Der Römer nickte. »Absolut. Du hast mich ertappt.« Er erhob sich. »Und jetzt ausruhen. Klappe halten. Niemand hört auf deine albernen Befehle, dafür habe ich gesorgt.«
»Meuterei!«, flüsterte Jawed.
»Dies ist kein Schiff.«
»Deserteure!«
»Ich bin immer noch hier und renne nicht weg.«
»Ich geb’s auf«, murmelte der persische Offizier und schloss die Augen.
Die mit diesen Worten verbundene Botschaft kam bei Metellus an, er hatte zu gehen. Er verließ das Gebäude, trat ins Freie und sah sich um. Routine herrschte in dem Grenzfort, nachdem die Aufregung über den Angriff und den Überläufer sich ein wenig gelegt hatte. Jawed mochte recht haben und hinter dem Auftauchen des Mannes einen perfiden Trick der Herren von Baekye vermuten. Andererseits konnte es auch gut sein, dass irgendwann einmal jemand auf der Gegenseite die Schnauze so richtig voll hatte. Das waren keine Dämonen und keine Maschinen, sondern Menschen und sie würden nicht alle wie verzaubert in eine Richtung marschieren, zumindest nicht auf ewig. Es gab immer jene, die anders waren, die Schmerz in sich trugen oder Wut oder einfach nicht mehr ertrugen, was ihnen befohlen wurde. Metellus konnte Jaweds Theorie nicht wegwischen, aber er konnte sich die Optionen offenhalten.
So betrat er kurze Zeit später den Raum, den die Soldaten als provisorische Zelle hergerichtet hatten. Es gab hier kein Gefängnis. Wer sich danebenbenahm, wurde ausgepeitscht, das war in der persischen Armee weiterhin üblich, wenngleich die Legionen von dieser Praxis seit einiger Zeit Abstand nahmen. Metellus mochte es, wie die Perser das regelten: einfach, direkt, effektiv und für alle ein Beispiel. Manchmal hasste er die modernen Zeiten.
Der Überläufer – und der Römer nannte ihn in Gedanken weiterhin so, egal was Jawed über den Mann dachte – saß auf einer Bettstatt, die man ihm in den Raum gestellt hatte. Ein Pisspott stand ebenfalls da; ein Stuhl und ein Tisch fehlten wie auch sonst jede Annehmlichkeit. Der Mann bekam zu essen, und das ausreichend. Er war unverletzt gewesen und er trug Kleidung, die in Ordnung war. Für seine Grundbedürfnisse war gesorgt und bis auf Weiteres sah Metellus keinen Grund, ihn mit Luxus zu belohnen. Das musste er sich verdienen.
Das mussten sie schließlich alle.
Der Mann sah auf. Er wirkte nicht überängstlich, nur sehr vorsichtig. Wer wollte ihm das verübeln? Dann erhob er sich. Er hatte bereits einmal mit Metellus gesprochen, wusste, dass er hier das Sagen hatte. Er war nicht richtig eingeschüchtert, verhielt sich aber respektvoll. Er kannte seinen Platz, zumindest vermittelte er diesen Eindruck recht überzeugend.
»Jin«, sprach er den Mann an, nicht unfreundlich, aber gewiss nicht leutselig. »Ich habe Nachricht von meinen Vorgesetzten. Wir haben Befehl, Sie in die Hauptstadt zu bringen. Dort werden Sie weiter befragt und man wird über Ihr Schicksal entscheiden.«
»Wer genau wird entscheiden?«
»Die zuständigen Autoritäten.« Metellus hatte nicht die Absicht, die Komplexität der persischen Bürokratie mit dem Mann zu besprechen, und außerdem ging es ihn schlicht nichts an.
»Werde ich sterben?«
»Das ist unwahrscheinlich.« Das konnte der Römer mit einiger Sicherheit sagen. Ob nun Überläufer oder Spion, der Mann namens Jin war zu wertvoll, um ihn achtlos wegzuwerfen. Auch Lügen und Täuschungen hatten ihren Informationswert, wenn ein kluger Mann ihnen lauschte. Außerdem peitschten die Perser nicht nur immer noch ihre eigenen unbotmäßigen Soldaten aus, sie waren auch noch nicht dem römischen Vorbild gefolgt, die Folter als Hilfsmittel bei Verhören abzuschaffen. Metellus mochte es hier.
Das Essen war manchmal ein wenig zu scharf, aber ansonsten hatte er keine weiteren Einwände.
Jin schien erleichtert, vielleicht etwas voreilig.
»Sie könnten Ihre Situation erleichtern, wenn Sie mir jetzt schon ein wenig über sich erzählen – mehr jedenfalls, als Sie bisher preisgegeben haben«, sagte Metellus. Er zeigte auf das Bett. »Ich könnte Ihnen einen Stuhl und einen Tisch bringen lassen. Vielleicht etwas anderes zu essen? Etwas Wein? Ich bin bereit, es Ihnen etwas gemütlicher zu machen. Eine zweite Decke. Die Nächte hier sind doch recht kühl, nicht wahr?«
Jin schien einen Moment mit sich zu hadern, dann schüttelte er den Kopf.
»Nein«, sagte er leise. »Danke für Ihr Angebot. Aber ich muss sicher sein, dass ich mit jemandem rede, der abschließend über mein Schicksal entscheidet oder zu den richtigen Leuten redet. Das ist nicht gegen Sie gerichtet, Römer. Aber dies ist Persien. Ich bin mir sicher, Sie sind hochgeachtet. Aber Sie sind nicht die ausschlaggebende Autorität.«
Er blickte auf, beinahe furchtsam für den Moment, als erwarte er ein wütendes Aufbrausen oder sogar Schläge. Aber Metellus hatte mit keiner anderen Antwort gerechnet und bereits beim ersten Gespräch hatte er den Eindruck gewonnen, dass dieser Jin ein Mann von einiger Intelligenz war. Möglicherweise ein Hinweis darauf, dass Jawed richtiglag. Möglicherweise ein Hinweis darauf, dass es vor allem ein intelligenter Mann wagen würde, dem Zugriff der eigenen Leute zu entfliehen und sich zuzutrauen, in einer fremden Umgebung zu überleben.
»Nein«, sagte Metellus. »Das bin ich nicht. Wer hat Ihnen so genau erklärt, wer im Persischen Reich von Autorität ist oder nicht?«
»Ich bin Offizier. Wir erhalten Berichte, grundsätzliche Einweisungen, vor allem, wenn wir an der Front dienen. Wir sind weder unwissend noch ungebildet.«
Metellus hörte den Trotz in der Stimme Jins und er nickte gemessen. Das, was der Mann sagte, widersprach dem Bild, das er bis jetzt von den Zuständen in Baekye gewonnen hatte. Informationskontrolle und Propaganda waren nach allem, was man hörte, zentrale Bestandteile der Innenpolitik und das galt nicht nur für die normale Bevölkerung, sondern auch und gerade für das Militär. Es war natürlich nicht auszuschließen, dass Offiziere, je nach Rang, über weiter gehende Informationen verfügten, einem nicht ganz so harten Regime unterlagen. Gerade in einer fluiden Kriegssituation war es auch gar nicht zu vermeiden, dass intelligente Menschen in Kontakt mit Erkenntnissen kamen, die man ihnen sonst lieber vorenthalten würde.
»Offizier, ja?«
»Ich sage nichts mehr.«
»Ich bin auch Offizier. Wir können ehrlich miteinander reden. Ich mache Ihnen ein Angebot: Sie stellen mir zwei Fragen, die ich aufrichtig beantworte, und dafür darf ich eine aufrichtige Antwort von Ihnen erwarten. Ein Handel, zu Ihren Gunsten.«
Jin lächelte und schüttelte den Kopf. »Zu meinen Ungunsten. Denn das Wissen, das Sie mir anbieten, ist für mich bedeutungslos. Ich bin weit weg von zu Hause, habe die Bande dorthin durchschnitten. Alles, was ich Ihnen mitteile, ist hingegen voller Bedeutung. Das ist nichts, was wir abzählen können, Römer. Information wird nicht allein durch seine Menge relevant, sondern vor allem durch seine Qualität und in wessen Händen sie liegt.«
Das waren kluge Worte, wie Metellus fand, und erneut wurde er an Jaweds Misstrauen erinnert. Sprach so ein normaler, fahnenflüchtiger Offizier, der auf eine neue Heimat hoffte? Andererseits, würde sich ein Spion so eine Blöße geben und differenziert über ein Thema sprechen, das sein Schicksal beeinflussen würde? Oder war das wiederum gerade eine bewusste Strategie? Metellus fasste sich unwillkürlich an den Kopf. Wenn dies wiederum eine Vorgehensweise war, um ihn zu verwirren, so hatte Jin damit Erfolg. Metellus war für diese Art von Scharaden nicht qualifiziert, er dachte nicht wie ein Spion. Er war darauf aus, die Schädel seiner Feinde einzuschlagen, und bedurfte eigentlich nur einer klaren Anweisung, in welche Richtung er dafür rennen musste.
Das änderte natürlich nichts daran, dass er furchtbar neugierig war.
»Sie können gut Persisch.«
»Ich spreche auch jene Sprache, die man Englisch nennt.«
Den Satz hatte er bereits in dieser gesprochen. Metellus, der ebenfalls des Englischen mächtig war, wie alle Offiziere es auf der Akademie zu lernen hatten, war nicht richtig überrascht.
»Ich bin beeindruckt«, sagte er.
»Es gehörte zu meiner Ausbildung.«
»Können alle Offiziere aus Baekye so gut Englisch?«
»Nein. Können alle Offizier aus Rom diese Sprache?«
»Nein, obwohl wir sie auf der Akademie lernen müssen. Aber was man nicht benutzt, das rostet ein.«
»Sie sind eine Ausnahme.«
»Ich hatte immer eine Schwäche für Sprachen.«
Das war nicht gelogen, Metellus konnte Sprachen schnell und leicht lernen, es gehörte neben brutaler Raserei auf dem Schlachtfeld zu seinen hervorstechenden Fähigkeiten. Darüber hinaus aber gab es überall verteilt im Imperium – dem römischen wie dem persischen – Offiziere, deren Sprachausbildung besonders intensiv gewesen war. Denn alle rechneten damit, dass die scheinbar endlose Abfolge an aus der Zukunft eintreffenden Zeitenwanderern nicht plötzlich abbrechen werde. Entweder man entdeckte neue, die man bisher nicht identifiziert hatte, oder sie tauchten noch auf. Es war sinnvoll, überall jene zu positionieren, die möglicherweise mit diesen Leuten würden kommunizieren können, jedenfalls potenziell besser als der normale Legionär.
Möglicherweise dachten die Herren von Baekye genauso. Möglicherweise war Jin aber auch ein gut ausgebildeter Spion. Metellus bekam wirklich Kopfschmerzen.
Jin lächelte den Römer an.
»Sie machen sich zu viele Gedanken. Ich bin ein Überläufer. Ja, ich habe wichtige Informationen, und ja, ich will etwas zum Tausch. Asyl. Ein Haus. Diener. Geld. Ich will ein gutes Leben. Ich bin kein Verräter, weil ich den Geliebten Marschall aus ganzem Herzen hasse. Ich gehörte zu den Offizieren seiner Armee, und war man loyal, ging es einem im Vergleich zu allen anderen recht gut. Aber ich will mehr, ich will nicht darauf warten, und wenn ich einer Sache müde wurde, dann dieses Krieges. Immer nur töten, töten, töten. Ich kann das Blut an meinen Händen sehen und riechen, egal wie oft ich sie wasche. Davon habe ich genug. Also habe ich einen Entschluss gefasst. Ist meine Motivation für Sie sehr verwerflich, Römer?«
»Ich bin in keiner Position, Ihre Motivation zu beurteilen, vor allem, weil ich nicht weiß, ob Sie mich belügen.«
»Gut, das stimmt. Ich kann Ihnen ja alles Mögliche erzählen. Ich respektiere Ihre Einstellung. Aber nehmen wir an, ich würde die Wahrheit sprechen. Wäre das schlecht?«
Metellus überlegte einen Moment, ob und wie er auf diese Frage antworten sollte. Jin langweilte sich vielleicht und genoss das Gespräch oder er versuchte, in seinen Kopf zu kommen, in ihm den Gedanken zu säen, dass dieser Mann aus Baekye ehrlich sei und dass man ihm zuhören solle. Es gab nur eine Methode, um aus dem Dilemma zu entkommen. Nein, korrigierte er sich: Es gab eigentlich zwei. Da eine der beiden darin bestand, Jin in diesem Moment die Kehle zu durchschneiden, musste er sie aus übergeordneter Verantwortung heraus leider verwerfen. Blieb die zweite.
Er drehte sich um und ging. Ohne ein weiteres Wort, ohne einen Blick zurück. Vielleicht war das ein Sieg für Jin, vielleicht auch nicht. Es war im Grunde egal. Metellus’ Neugierde war nicht befriedigt worden, vielleicht war diese Absicht auch zu naiv gewesen.
Draußen angekommen, atmete er tief ein. Er war für diese Art von Arbeit nicht geschaffen, dieses Fechten mit Worten, mit offensichtlichen und implizierten Aussagen, mit Andeutungen, tieferem Sinn, Täuschungen, dem Vagen, dem Verschleierten, dem Unausgesprochenen. Er mochte es, wenn die Menschen sagten, was sie meinten, und meinten, was sie sagten. Damit konnte er umgehen. Er konnte für etwas sein, gegen etwas oder es war ihm egal. Aber dieses Schweben in einem ständigen Zustand der Ungewissheit darüber, was nun war und was nicht, das ging ihm gehörig gegen den Strich. Er war Soldat. Er war ein intelligenter Mann, bei aller Bescheidenheit. Er wusste, wie wichtig gute Informationen waren, wie entscheidend für jeden Kriegsverlauf. Aber er war offenbar nicht die geeignete Person, solche Informationen zu erlangen, ohne dabei dem Gesprächspartner die Nägel aus den Fingern zu reißen.
Das war gut. Es half, die eigenen Begrenzungen zu verstehen.
Es half ihm auch einzusehen, dass er niemals Wunschdenken und Realität miteinander verwechseln durfte. Er wollte, dass Jin ein genuiner Überläufer war, jemand, der ihnen richtig half und dem Gegner dadurch mächtig eins reinwürgte. Er wollte es mit jeder Faser seines Körpers.
Aber es konnte durchaus sein, dass die Wahrheit sich nicht an seinem Wollen orientierte.
»Zenturio. Wir haben den Wagen für den Gefangenen vorbereitet.« Metellus war dankbar für die Abwechslung und er war verwundert. Dafür war es doch noch viel zu früh!
Er folgte dem Soldaten, der ihn zu den Stallungen führte, bescheiden, wie sie waren. Einer der Transportwagen war umgebaut worden, mit einer überdachten Sitzbank aus stabilem Holz, fest miteinander verschraubt, und der Möglichkeit, einen Gefangenen an eingelassenen Eisenringen anzuketten. Auch sonst bot der Wagen ausreichend Platz, vor allem konnte sich jemand auf die hinterste Bank legen, wenn es nötig sein sollte. Es war so ziemlich das Komfortabelste, was sie aufweisen konnten, um zur Bahnstrecke zu gelangen und von dort aus einen Zug zu nehmen, der ihre Reisegeschwindigkeit und den Komfort noch einmal erhöhen würde.
»Das ist ja lobenswert, aber Pāygān-sālār Jawed ist noch nicht in der Lage zu reisen«, sagte Metellus zu dem Mann, den sie als Kutscher auserkoren hatten.
»Er sagte mir gerade, ich solle den Wagen bereit machen«, erwiderte der etwas ratlos wirkende Soldat. Metellus beherrschte sich. Vor einem Untergebenen zu zeigen, dass er eine Entscheidung des Kommandanten für blödsinnig und ihn selbst für einen leichtsinnigen Idioten hielt, würde die Autorität untergraben und ein schlechtes Licht auf den Römer werfen.
»Danke, ich rede mit ihm. Gewiss ein Missverständnis.« Er nickte dem Soldaten zu, der sich verneigte und die Sache auf sich beruhen ließ.
Metellus wandte sich ab. Es war wohl notwendig, das Krankenlager ein zweites Mal aufzusuchen.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.