Kitabı oku: «Wenn Schuldgefühle zur Qual werden», sayfa 2

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Wie erzeugen wir uns als Erwachsene Schuldgefühle?

Nun könnte man meinen: „Wenn wir erst einmal erwachsen sind, dann wird alles anders. Dann bestimmen wir unsere Regeln und Prinzipien selbst und können tun und lassen, was wir wollen.“ Doch leider verläuft der menschliche Lernprozess nicht so. Haben wir erst einmal Regeln und Wertmaßstäbe in unserem Geiste installiert, dann können wir sie nicht einfach löschen. Sie sind erstens so automatisiert, dass wir deren Einfluss häufig gar nicht mehr wahrnehmen. Wir haben nur den Eindruck, dass wir uns gar nicht anders verhalten können, „dass sich das einfach so schickt und gehört“, „dass man das eben so tut“, „dass man halt so reagiert.“ Und zweitens sind wir so an die Befolgung der Regeln gewöhnt, dass wir bei Zuwiderhandlung erst einmal den Eindruck gewinnen, „Unrechtes“ oder „Gefährliches“ zu tun. Dieses Gefühl, etwas Falsches zu tun, erschwert uns dann das Erlernen neuer Verhaltensweisen. So sinnvoll es gewöhnlich ist, auf seine Gefühle zu hören, leiten sie uns an diesem Punkt leider in die Irre. Um uns neue Regeln anzueignen, müssen wir lernen, für eine kurze Zeit nicht auf unser Gefühle zu hören (siehe hierzu 3.3: Die fünf Phasen des Umlernens).

Das ABC der Schuldgefühle

Auch wenn es Ihnen bisher so erzählt wurde und Sie es bisher geglaubt haben: Schuldgefühle sind nicht die logische Folge eines Fehlverhaltens. Unsere Schuldgefühle erzeugen wir uns als Kinder – dann wenn wir uns die Regeln und Vorschriften der Erwachsenen bereits zueigen gemacht haben – und als Erwachsene selbst. Wir selbst sind verantwortlich für sie. Sie brechen nicht über uns herein, sondern sind das Ergebnis negativer Selbstgespräche, die wir führen, wenn wir glauben, an etwas schuld zu sein. Sowohl die Selbstgespräche als auch die Schuldgefühle sind uns manchmal überhaupt nicht mehr bewusst. Wir fühlen uns lediglich depressiv, gereizt, angespannt oder bemerken nur körperliche Beschwerden. Schuldgefühle entstehen wie alle Gefühle nach dem ABC der Gefühle.

Das ABC der Gefühle

A Situation:

Es passiert etwas.

B Selbstgespräch/Bewertung:

Wir bewerten diese Situation als positiv, neutral oder negativ für uns.

C Gefühle und Verhalten:

Wir fühlen und verhalten uns entsprechend unserer Bewertung.

Schuldgefühle entstehen nicht dadurch, dass wir etwas „Schlimmes“ gesagt oder getan haben oder tun werden (A: die Situation). Schuldgefühle entstehen, weil wir uns in Gedanken sagen, dass wir etwas „Schlimmes“ gesagt oder getan haben, was wir nicht hätten sagen oder tun dürfen, und dass wir, weil wir es dennoch tun oder getan haben, schlechte und minderwertige Menschen sind (B: unsere Bewertung). Auch andere können uns keine Schuldgefühle machen, wenn wir es nicht zulassen. Wenn ein anderer uns einen versteckten oder direkten Vorwurf macht und wir uns schuldig fühlen, dann einzig und allein deshalb, weil wir dem anderen beipflichten. Wir sagen uns innerlich: „Er hat recht. Ich hätte das nicht tun oder sagen sollen. Das war nicht recht von mir.“

Auf unsere Schlussfolgerungen kommt es an

Die Gedanken (B), etwas falsch gemacht zu haben, alleine erklären nicht vollständig, weshalb wir Schuldgefühle haben und es uns so schlecht geht. Was ist denn nur so Schlimmes dabei, etwas versäumt oder falsch gemacht zu haben? Was ist so schlimm daran, etwas nicht zu tun, was man tun müsste? Was in aller Welt bewirkt, dass in uns dieses nagende Gefühl entsteht und wir nur schwer aufhören können, uns immer wieder Vorwürfe zu machen? Die Erklärung ist, dass wir in unseren Selbstgesprächen (B) aus unserem Vorwurf noch eine Schlussfolgerung ableiten: „Wir hätten uns nicht so verhalten sollen, und da wir es dennoch getan haben, müssen wir uns verurteilen. Wenn man so etwas tut, dann ist man ein schlechter, ablehnenswerter Mensch.“ Es ist diese vernichtende Schlussfolgerung, die uns solche Probleme macht. Wir müssen also unser Modell davon, wie Schuldgefühle entstehen, noch ergänzen:

A Situation:

Wir tun, sagen, denken oder fühlen etwas.

B Selbstgespräch/Bewertung:

Wir bewerten unser Tun, unsere Gedanken, unsere Worte oder unsere Gefühle als falsch: „Ich hätte das nicht tun/sagen/denken/fühlen dürfen.“ oder „Ich sollte so etwas nicht tun, sagen, denken, oder fühlen.“

… und weil wir etwas getan, gesagt, gedacht oder gefühlt haben, das wir verurteilen, folgern wir daraus:

„Ich bin ein schlechter, ablehnenswerter Mensch.“

C Gefühle und Verhalten:

Wir fühlen uns schuldig, bekommen körperliche Symptome und verhalten uns in einer bestimmten Art und Weise. Dieses Schema trifft auf alle Schuldgefühle und auf alle Menschen zu. Abhängig von der Kultur, der Religion und der Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen unterscheiden wir uns nur darin, was wir als gut und schlecht, richtig und falsch ansehen. Die Regeln und Normen, nach denen wir unser Leben gestalten, sind unterschiedlich. Gemeinsam ist uns: Wenn wir unser Verhalten und gleichzeitig uns als Menschen verurteilen, werden wir Schuldgefühle verspüren.

Vielleicht mögen Sie nun einwenden: „Gibt es denn nicht Verhaltensweisen, wegen derer man einfach Schuldgefühle bekommen muss? Situationen, in denen man quasi keine Einflussmöglichkeiten auf seine Gefühle hat?“ Dann möchte ich an dieser Stelle nur kurz auf Ihren Einwand eingehen. In Kapitel 3.1 werden wir uns noch eingehender damit beschäftigen.

Wir haben immer Einflussmöglichkeiten auf unsere Gefühle. Dennoch gibt es sicher Situationen, in denen Sie im Augenblick einfach Schuldgefühle bekommen müssen – weil Sie dort vehement Ihren moralischen Vorstellungen zuwiderhandeln. Sie sind der Meinung, dass dies ein besonders schwerer Verstoss sei, den Sie sich nicht durchgehen lassen können, sondern mit Selbstverurteilung bestrafen müssen. Sie ganz persönlich müssen dann in dieser Situation im Augenblick mit Schuldgefühlen reagieren. Wenn Sie es für richtig und angemessen finden, sich deshalb Schuldgefühle zu machen, dann ist das ja auch in Ordnung. Für die Zukunft können Sie jedoch entscheiden, ob Sie sich weiterhin so behandeln wollen oder nicht. Sie können zu jedem Zeitpunkt entscheiden, Ihre Schuldgefühle aufzugeben und sich zu verzeihen – wann immer Sie glauben, sich genügend Schuldgefühle gemacht zu haben, und wann immer Sie nicht mehr unter ihnen leiden möchten.

Auch den Einwand: „Ist es denn nicht ganz normal, sich Schuldgefühle zu machen?“, höre ich oft von meinen Klienten. Ich antworte dann darauf immer: „Ja, es ist ganz normal, sich Schuldgefühle zu machen, wenn wir unter „normal“ vestehen, dass sich die meisten Menschen Schuldgefühle machen.“ „Normal“ heißt jedoch nicht, dass diese Denkweise gesund und hilfreich für Sie ist.

Was Sie beachten sollten

Sich Schuldgefühle zu machen, bedeutet also immer, sich als Mensch für sein Handeln zu verurteilen. Würden wir lediglich unser Handeln als falsch bewerten, unseren Wert als Mensch also nicht in Frage stellen, dann hätten wir keine Schuldgefühle. Wir hätten dann lediglich das Bewusstsein, etwas Falsches getan zu haben, würden unser Handeln bedauern, uns aber nicht zerfleischen. Wir würden uns lediglich für unser Verhalten und seine Folgen verantwortlich fühlen.

1.4Welche Selbstgespräche führen zu unseren Schuldgefühlen?

Unsere Selbstgespräche, das heißt Bewertungen von dem, was wir tun oder sagen, laufen meist automatisch ab. Deshalb mag es sein, dass Sie jetzt einwenden: „Ich führe keine inneren Selbstgespräche. Meine Schuldgefühle sind da, weil ich mich falsch verhalten habe, und nicht weil ich etwas denke.“ Ich möchte Ihnen recht geben, dass Sie es im Augenblick so erleben, als ob Sie nichts denken. Doch ist es so, dass unser Gehirn in jedem Augenblick unseres bewussten Erlebens die jeweilige Situation automatisch einschätzt. Es prüft, ob sie gefährlich für uns ist oder nicht, ob wir uns richtig verhalten oder nicht. An diesem automatischen Ablauf können wir überhaupt nicht rütteln, wir haben diesbezüglich keine Wahlmöglichkeit. Unser Gehirn ist einfach so konstruiert. Es läuft wie ein Roboter, der seine einmal einprogrammierten Aufgaben ausführt. Unser Gehirn-Programm besteht aus unseren eigenen gespeicherten Erfahrungen und Schlussfolgerungen, aus Erfahrungen, die wir uns angelesen oder von unseren Bezugspersonen abgeschaut haben, und dem, was unsere Eltern und Bezugspersonen uns direkt beigebracht und wir ihnen geglaubt haben. Leider sind wir es nicht gewohnt, auf unsere Gedanken zu achten. Und deshalb erscheint es uns so, als ob Situationen und andere Menschen unsere Gefühle unmittelbar auslösen könnten und wir ihnen hilflos ausgeliefert seien. Prüfen Sie nun einfach einmal nach, ob Ihnen einige der folgenden Gedanken vertraut vorkommen:

•Ich hätte das nicht tun dürfen.

•Ich hätte das nicht sagen dürfen.

•Wie konnte ich nur … Ich hätte mich anders verhalten müssen.

•So ein Fehler hätte mir nicht passieren dürfen.

•Ich hätte das vorher wissen müssen.

•Ich hätte nicht so sorglos sein dürfen.

•Ich hätte mich mehr um sie kümmern müssen.

•Ich hätte daran denken müssen, dass …

•Ich hätte mich nicht so gehenlassen dürfen.

•Ich hätte mehr für meine Kinder dasein müssen.

•Ich hätte nicht so egoistisch sein dürfen.

•Ich hätte meinen Eltern nicht so viele Sorgen machen dürfen.

•Ich hätte nicht lügen dürfen.

•Ich hätte nicht aus der Haut fahren dürfen.

•Ich hätte nicht so faul die Zeit vergammeln sollen.

•Ich hätte ihn nicht kränken dürfen.

•Ich müsste mehr auf meine Gesundheit achten.

•Ich sollte nicht so häufig Überstunden machen. Meine Familie kommt zu kurz.

•Ich müsste mich mehr um meine Eltern kümmern.

•Ich sollte mehr Rücksicht auf meine Mutter nehmen.

•Ich müsste mehr für notleidende Menschen tun.

•Ich dürfte nicht so egoistisch sein.

Vor jeden dieser Vorwürfe müssen wir noch die Bewertung schreiben: „Das war/ist falsch von mir.“ Hinter jede Äußerung müssen wir noch unsere Schlussfolgerung ergänzen: „Und da ich dies nicht tue/getan habe, bin ich ein schlechter Mensch.“, „Und da ich dies tue, getan habe, bin ich ein schlechter Mensch.“ Sind Ihnen einige der Vorwürfe vertraut? Dann sind Sie bereits Ihren Selbstgesprächen auf der Spur. Sie sind schon die ersten Schritte auf dem Weg der Veränderung gegangen. Wenn nicht, benötigen Sie noch etwas Training in der Selbstbeobachtung Ihrer Gedanken. Fest steht, dass Sie, wann immer Sie sich gefühlsmäßig schlecht fühlen, auch etwas Negatives gedacht haben müssen. Sofern Sie keine körperliche Erkrankung oder Erkrankung des Gehirns haben, kann Ihr Körper nicht eigenmächtig Gefühle erzeugen. Er benötigt hierzu den Auftrag durch Ihr Denken. Bitte bleiben Sie am Ball und suchen Sie wie ein Detektiv nach Ihren automatisch ablaufenden Bewertungen. Es lohnt sich, den Selbstgesprächen auf die Spur zu kommen. Ihre Selbstgespräche bieten Ihnen die Chance, Ihre Gefühle zu beeinflussen.

Es gibt einen Universalschlüssel zu Ihren Schuldgefühlen, den ich Ihnen nun überreichen möchte. Alle Menschen, die sich schuldig fühlen, haben einen gleichartig lautenden Gedankengang:

Wenn Sie Schuldgefühle verspüren, dann werfen Sie sich vor,

•etwas zu tun oder auch nicht zu tun, von dem Sie denken, dass Sie es tun sollten oder nicht tun sollten, zum Beispiel „Ich sollte mich mehr um meine Kinder kümmern.“, „Ich sollte keine Schulden machen.“ oder „Ich sollte weniger Süßigkeiten essen.“

•etwas getan oder gesagt zu haben (aber glauben, nicht hätten tun oder sagen dürfen), zum Beispiel: „Ich hätte ihr nicht sagen sollen, dass mir ihr Geschenk nicht gefällt.“, „Ich hätte meine Eltern nicht belügen sollen.“

•etwas, was Sie versäumt haben, zu tun oder zu sagen (aber glauben, es hätten nicht versäumen zu dürfen) zum Beispiel: „Warum habe ich meinem Vater nicht häufiger gesagt, dass ich ihn liebe. Jetzt ist es zu spät und er ist tot.“

und verurteilen sich dafür.

Was ist nun aber mit den Menschen, die sich scheinbar grundlos oder permanent schuldig fühlen? Wie können wir deren Gefühle mit dem ABC-Schema der Gefühle erklären?

Menschen, die zunächst keine Erklärung für ihre Schuldgefühle finden, stehen häufig in einem Konflikt zwischen zwei unterschiedlichen Bedürfnissen. Sie wollen beispielsweise etwas mit ihren Kindern unternehmen, aber auch Zeit für sich selbst haben. Entscheiden Sie sich für eine Tätigkeit ohne Kinder, fühlen sie sich schuldig, obwohl daran objektiv nichts Verkehrtes zu entdecken ist. Sie sind sich ihrer Forderung nicht bewusst, immer für die Kinder dasein zu müssen. Deshalb glauben sie, sich grundlos schuldig zu fühlen. Menschen, die sich immer schuldig fühlen, werfen sich beispielsweise ein „unverzeihliches Vergehen“ vor. Andere haben in ihrer Kindheit die grundsätzliche Einstellung gewonnen, von Natur aus schlecht zu sein. Sie wurden oder werden auch heute noch in ihrer Familie als das schwarze Schaf angesehen, das an allem schuld ist. Sie laufen quasi mit der Grundeinstellung umher, mit ihnen stimme etwas nicht, sie seien grundsätzlich schlecht und ablehnenswert.

1.5Wer hat Einfluss auf unsere Regeln und Wertvorstellungen?

Schuldgefühle entstehen, weil wir unser Tun anhand bestimmter Wertmaßstäbe als falsch bewerten und uns verurteilen. Bis wir erwachsen sind, haben wir eine Unmenge von Normen, Regeln und Wertmaßstäben in unserem Kopf installiert. Wie ein Roboter reagieren wir in einer bestimmten Situation mit einer ganz bestimmten Bewertung. Es gibt im wesentlichen drei Quellen, aus denen wir unsere Maßstäbe für richtiges und falsches Verhalten beziehen: 1) von den Eltern und nahen Bezugspersonen, später auch von dem Lebenspartner, 2) von der katholischen/evangelischen Kirche oder anderen religiösen Vereinigungen und 3) von der Gesellschaft.

1.Eltern und nahe Bezugspersonen

Die meisten Eltern wünschen sich „brave“ Kinder, die sich nach ihren Vorstellungen verhalten. Außerdem wünschen sie sich, dass aus den Kindern erfolgreiche Erwachsene werden, die anerkannt werden, es zu etwas bringen und sich in die Gesellschaft einfügen. Mittel zur Erziehung sind unter anderem:

a) Belohnung

durch Materielles, durch die Erlaubnis bestimmter Handlungen „Wenn du lieb bist, bekommst du … darfst du …“, durch den Wegfall unangenehmer Konsequenzen „Wenn du lieb bist, brauchst du nicht mehr …“

b) Bestrafung

durch negative Konsequenzen „Wenn du nicht tust, dann kriegst du …“, durch den Wegfall positiver Konsequenzen „Wenn du nicht lieb bist, bekommst du nicht mehr …“

c) Schuldgefühle

„Mami mag dich nicht mehr, wenn du … Du machst mich traurig, wenn du …“, „Du bist schlecht, wenn du nicht … befolgst/machst.“ Das Kind bekommt die Verantwortung für das Wohlergehen der Bezugspersonen auferlegt. Da es gerne gemocht werden möchte, wird es höchstwahrscheinlich alles tun, um brav zu sein, oder sich zumindest schlecht fühlen, wenn es zuwiderhandelt. Das Kind hat noch keine Möglichkeit, die Regeln der Eltern in Frage zu stellen und zu trennen zwischen ihrer Liebe und einem einzelnen Verhalten, was es zeigt. (Wie man dies macht, dazu werden wir später noch kommen). Es lernt, sich als guten Menschen anzusehen, wenn die Eltern es mögen, und als schlechten, wenn die Eltern es ablehnen.

Meine Mutter liebt mich.

Ich fühle mich gut.

Ich fühle micht gut, weil sie mich liebt.

Ich bin gut, weil ich mich gut fühle.

Ich fühle mich gut, weil ich gut bin.

Meine Mutter liebt mich, weil ich gut bin.

Meine Mutter liebt mich nicht.

Ich fühle mich schlecht.

Ich fühle mich schlecht, weil sie mich nicht liebt.

Ich bin schlecht, weil ich mich schlecht fühle.

Ich fühle mich schlecht, weil ich schlecht bin.

Ich bin schlecht, weil sie mich nicht liebt.

Sie liebt mich nicht, weil ich schlecht bin.

aus: Ronald Laing: Knoten, Reinbeck 1972 Rowohlt dnb 25

2.Kirchliche Einrichtungen

Jede kirchliche Einrichtung hat Gebote und Vorschriften erlassen, nach denen die Mitglieder sich verhalten sollen. Sind die Gebote formuliert, um Menschen dabei zu helfen, besser miteinander zusammenzuleben und sich wohlzufühlen, ist nichts dagegen einzuwenden. Doch häufig werden Mitglieder kirchlicher Organisationen sogar seelisch krank, weil sie es nicht schaffen, sich an die Gebote zu halten. Die zehn Gebote beispielsweise sind kaum von einem menschlichen Wesen vollständig immer und überall zu erfüllen. Vielfach sind die Gebote nicht einsichtig oder passen nicht mehr in die heutige Zeit (beispielsweise das Verbot bestimmter Empfängnisverhütungsmethoden oder das Zölibat). Viele gläubige Menschen leben zwar nach den Geboten der Kirche, aber nur weil es Gott von ihnen verlangt – nicht weil sie sie bejahen. – Der Motor, der dahintersteht, ist die Angst vor Bestrafung im diesseitigen oder jenseitigen Leben. Andere leben im Widerspruch zu den Geboten, aber plagen sich mit permanenten Schuldgefühlen herum. Für sie besteht die Gefahr, depressiv zu werden oder eine Suchtmittelabhängigkeit zu entwickeln.

3.Gesellschaft

•Schule

Auch Lehrer sind einflussreiche Vermittler von Schuldgefühlen. Vielleicht erinnern Sie sich auch an solch peinliche Situationen, als Sie an der Tafel die Rechenaufgaben nicht herausbekamen und der Lehrer Ihnen mitteilte: „Das müsstest du aber jetzt wissen.“ Der Hinweis auf die Enttäuschung der Eltern oder die Androhung, die Eltern über schlechte Leistungen oder mangelnde Mitarbeit zu informieren, hat sicher auch bei Ihnen genügt, um Schuldgefühle hervorzurufen. Wie wir mit Fehlern und Misserfolgen umgehen, auch das haben wir in der Schule mitbekommen. Aus der Sicht vieler Lehrer sollen uns Schuldgefühle zum Lernen und konzentrierten Arbeiten motivieren.

•Gesetze

Unser Staat hat für alle Lebensbereiche Gesetzesvorschriften formuliert: zur Ehe, zur Kindererziehung, zum Umweltschutz, zum Straßenverkehr, zum Umgang mit anderen Menschen, zur Anwendung von Gewalt in der Partnerschaft, zum Schwangerschaftsabbruch, zur Homosexualität, zur Abgabepflicht für Steuern, zur Meldepflicht, zur Eigentumswahrung, zum Verhalten am Arbeitsplatz usw. Für das Zusammenleben in einer Gesellschaft sind Gesetze notwendig und erforderlich. Sie sind die Grundlage, nach der sich alle Mitglieder der Gesellschaft orientieren sollen. Der Staat versucht, uns durch die Androhung von Strafen zur Einhaltung seiner Gesetze zu bewegen. Verhalten wir uns wider die Gesetze, so müssen wir mit Konsequenzen rechnen, die von finanziellen Strafen, bis hin zu vorübergehendem oder lebenslänglichem Freiheitsentzug reichen. Daneben erwartet der Staat auch, dass wir die Schuld einsehen, Reue zeigen und uns bessern. Die Gesetze des Staates sind nicht unumstößlich, sondern werden immer einmal wieder neuformuliert, das heißt was zu manchen Zeiten als Fehlverhalten verurteilt wurde, kann zu anderen Zeiten als angemessen und richtig definiert werden (zum Beispiel Scheidung, Homosexualtiät, Zusammenleben vor der Ehe).

•Werbung/Medien

Ein immer gewichtigerer Verursacher von Schuldgefühlen ist die Werbung. Sie ist quasi auf unsere Empfänglichkeit für Schuldgefühle angewiesen. Nicht immer setzt die Werbung so offen auf Schuldgefühle wie bei der Lenorwerbung und dem sprechenden schlechten Gewissen. Es genügen dafür auch subtile Andeutungen. Wer will denn keine gute Mutter sein, keine attraktive Ehefrau? Wer will denn andere durch seinen Mundgeruch belästigen, schuld an dem frühen Herztod seines Partners sein, weil er nicht die gesunde Margarine zum Frühstück serviert, oder aber durch das falsche Waschmittel Allergien bei den Kindern erzeugen? Wer will seine Kinder in Lebensgefahr bringen, weil er noch keinen Airback für sein Auto hat, oder den Kindern kein Spiel in eigenem Garten ermöglichen? Überhaupt – so will es uns die Werbung weismachen – brauchen Kinder Markenprodukte und das Beste vom Besten, um glücklich zu sein. Selbst unser Hund oder unsere Katze scheint in der Lage zu sein, Schuldgefühle zu erzeugen, weil wir nicht eines der köstlichen Katzen- oder Hundefutter in den Napf streuen. Die Werbung suggeriert uns, dass wir unsere Schuldgefühle vermeiden können, wenn wir nur die entsprechenden Produkte kaufen. Dann werden wir von unserer Umwelt gemocht werden und uns selbst auch glücklich fühlen.

•Kulturelle Normen

Jede Gesellschaft entwickelt ihre eigenen Vorstellungen davon, was in ihr als normal angesehen wird. Beispielsweise gibt es Vorstellungen, ob Frauen berufstätig sein dürfen, ob Männer und Frauen fremdgehen dürfen, ob ein Mann mehrere Frauen haben darf, wie sich Männer und Frauen kleiden, wie und wie lange um einen Toten trauert, ob Frauen Kinder bekommen sollen, ob sich Partner trennen, in der Öffentlichkeit küssen dürfen usw. In der Gesellschaft gibt es darüber hinaus wieder einzelne Gruppierungen, die ihre eigenen Normen entwickeln. Die Gruppen der Rocker, Punker, Rechstradikalen, der Autonomen, der Vegetarier, der Tierschützer, der Umweltschützer – sie alle haben für sich spezielle Normen formuliert. Und wenn eines der Mitglieder diesen zuwiderhandelt, obwohl es diese Normen für richtig hält, wird es höchstwahrscheinlich Schuldgefühle entwickeln.