Kitabı oku: «Maltesische Märchen Gedichte und Rätsel», sayfa 2

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S c h e m s c h (»Sonne«; sch wie im Deutschen) und

S b u l i d - d e h e b (wie man in der konventionellen

Orthographie des Maltes. schreiben würde; Bedeutung:

»Goldähre«, wie wir auch in dem betr., dem

VII. Märchen, übersetzen).

Die Namen P e z z o l a t o , B o c c i a ,

E r f e s c h , Q a m a r , D i a m a n t i n a , L e i l a

nebst K e i l a , S c h e m s c h und S b u l i d -

d e h e b sind natürlich reine Phantasienamen bezw.

Agnomina.

9 Die Namen haben in diesem Gebrauche fast immer

die Formen S é p p i und M á r i (od. M á r ü i ).

10 In Nordafrika wird ein dem Rufenden unbekannter

Mann (wenn er augenscheinlich Muslim ist) meistens

mit dem Namen Mh.

ámmed angerufen, – vielleicht

auch sonst im Orient.

11 Wir sehen hier davon ab, dass wir oben S. VI Z. 1

die Erzählung Nr. XXX (um die es sich hier handelt)

als auf ein wahres Vorkommnis zurückgehend bezeichnet

haben; wir haben diese Charakterisierung der

Erzählung a.a.O. auch nicht als die einzig mögliche

hingestellt.

12 J o h n K o c h , Die Siebenschläferlegende, ihr

Ursprung und ihre Verbreitung. Leipzig 1883.

13 F o r m e l h a f t e S c h l ü s s e i m V o l k s -

m ä r c h e n von R o b e r t P e t s c h . Berlin, Weidmann'sche

Buchhandlung 1900. – Vgl. dazu Literar.

Centralblatt, 1901, Sp. 81 f.

14 Von den Gedichten sind die Nummern 1–26 von

der S. IX, Anna. 1 erwähnten, Mischdialekt sprechen-

den Frau und die Nummern 27–30 von einem gleichfalls

Mischdialekt redenden alten Soldaten überliefert

worden; Nr. 31–34 stammten aus Dingli, Nr. 35 und

36 aus Balzan, Nr. 37–39 aus Città Vecchia und Nr.

40–45 aus Musta. – Vgl. Maltes. Studien, S. 2.

15 S. meine »Tunisischen Märchen und Gedichte«,

Leipzig (J.C. Hinrichs'sche Buchhandlung) 1893;

speziell Band II, S. 143 ff.

Kapitel 1

A. Märchen.

I. Kugelchen.

Es war einmal ein Mann, der Holzhacker war. Er

hatte eine Frau und zehn Jungen; der älteste war zehn,

der jüngste fünf Jahre alt. Die Leute waren sehr arm,

und da sie diese Jungen hatten, konnten niemals alle

satt zu essen bekommen. Der jüngste war eigentlich

ein ganz winziges Stückchen Mensch; und weil er, als

er geboren wurde, wie eine Kugel aussah, nannten sie

ihn »Kugelchen«. So klein er aber war, ein so

schlechter Kerl war er; weil er aber den schlechten

Kerl nicht zeigte, hielt ihn jedermann für einfältig.

In einem Jahre nun trat eine so grosse Hungersnot

ein, dass der Mann einst, als die Jungen schliefen, mit

seiner Frau übereinkam, die Jungen in den Wald zu

schaffen, damit diese dort verloren gingen und sie sie

so loswürden. Doch die Mutter wollte es nicht haben,

denn sie hatte die Jungen sehr lieb; doch als sie einsah,

dass es besser sei, die Jungen nicht leiden zu

sehen, liess sie ihrem Manne schliesslich seinen Willen.

Unser Kugelchen aber war, als er hörte, dass die

Eltern von ihren Jungen sprachen, ganz, ganz leise

aus seinem Bette gestiegen und hatte sich unter dem

Sitzbänkchen seiner Mutter versteckt und so alles ver-

nommen, was ihm am nächsten Morgen bevorstehen

sollte. Was tat er nun? Er stand zeitig auf, begab sich

ans Ufer des Meeres, füllte seine Taschen ganz mit

kleinen Kieselsteinen an und kehrte wieder nach

Hause zurück. Als es Morgen geworden war und man

aufgebrochen war, sagte Kugelchen seinen Brüdern

nichts von dem, was er gehört hatte; und nun ging es

in einen grossen Wald. Der Mann begann seine Holzhackerarbeit,

und die Jungen sammelten Thymian. Als

die Eltern sahen, dass die Jungen ihren Sinn bloss auf

ihre Beschäftigung gerichtet hielten, machten sie sich

ganz leise davon und liessen die Kinder im Walde allein.

Als letztere merkten, dass sie allein waren, begannen

sie laut zu weinen; doch Kugelchen wusste,

welchen Weg er einzuschlagen hatte, um nach Hause

zu gelangen; denn während er mitmarschierte, hatte er

auf dem Wege immer einen Kiesel nach dem anderen

hingepflanzt, – vom Aufbruche von daheim an bis zur

Ankunft im Walde. Nachdem er also seine Brüder

eine Zeitlang hatte weinen lassen, sprach er zu ihnen:

»Höret, Brüder! Martert euch nicht! Mutter und Vater

haben uns hier gelassen; aber ich werde euch wieder

nach Hause führen. Geht nur hinter mir her!« Seine

Brüder machten es denn auch so: sie folgten ihm, und

einen Kiesel nach dem andern fand er auf dem Wege;

und so gelangten sie nach Hause.

Unterdessen hatte, während der Mann und die Frau

nach Hause gekommen waren, ihr Arbeitsherr zu

ihnen geschickt und ihnen die Arbeit für ein Jahr bezahlt.

Als sie sich nun im Besitze so vielen Geldes

sahen, wurde die Frau, weil sie ihre Jungen im Walde

gelassen hatten, so bös, dass sie laut zu weinen anfing.

Ihr Mann verlor die Geduld, nahm einen Knüttel

und rannte hinter ihr her, um sie durchzuprügeln.

Doch sie begann nur umsomehr zu weinen und zu

schreien: »Wer weiss, was aus unseren Kindern geworden

ist?« Die Jungen, die noch – frisch angekommen,

wie sie waren – hinter der Tür standen, hörten

die Worte ihrer Mutter und riefen mit einer Stimme:

»Hier sind wir! Hier sind wir!« Da lief die Mutter

schleunigst herbei und öffnete ihnen und brachte

ihnen zu essen; und die Jungen assen tüchtig. Der

Vater freute sich wirklich, als er seine Jungen wieder

bei sich versammelt sah; aber diese Freude dauerte

nur so lange, als Geld da war.

Als man das Geld bis auf den letzten Centime verausgabt

hatte, kam wieder die Not, und wieder verständigten

sich die Eltern, die Jungen in den Wald zu

verschleppen. Damit diese aber nicht wieder den

Heimweg finden könnten, mussten sie sie weiter, als

das erstemal, wegführen. Kugelchen, der schlechte

Kerl, merkte, dass die Eltern wieder etwas gegen ihn

und seine Brüder planten, und bekam auch alles richtig

zu hören, wie das erstemal. Als er aber am näch-

sten Morgen frühzeitig aufstand, um Kiesel zu sammeln,

konnte er nicht aus dem Hause, weil die Tür mit

dem Querbalken verrammelt war und er nicht Kraft

hatte, letzteren zu beseitigen. Trotzdem wurde er nicht

bestürzt. Was tat er? Als die Mutter jedem der Jungen

sein Stückchen Brot gab, hob er sich das seinige auf

und ass es nicht; und als sie fortgingen, zerteilte Kugelchen

sein Brot in lauter kleine Stückchen, die er

einzeln zu Boden fallen liess. Man gelangte in den

Wald und begann zu arbeiten, und als es den Eltern

gut schien, liessen sie die Kinder, wie vordem, allein

und gingen fort. Die Brüder Kugelchens nahmen die

Sache diesmal nicht sehr schwer, weil sie dachten,

Kugelchen werde sie auch diesmal nach Hause bringen;

doch als dieser die Brotstückchen zusammensuchen

wollte, konnte er sie nicht wiederfinden, denn

die Vögel waren gekommen und hatten sie gefressen.

Man guckte hierhin, man guckte dahin: die Jungen gerieten

nur um so tiefer in den Wald! Nun begann es

noch zu regnen, und sie wurden nass zum Ausringen.

Unser Kugelchen aber – anstatt den Mut zu verlieren

– stieg jetzt auf einen Baum, spähte nach allen

Richtungen aus und entdeckte endlich in weiter Ferne

einen ganz winzigen Lichtschein; doch als er vom

Baume heruntergeklettert war, sah er ihn nicht mehr.

Nachdem die Jungen lange im Finstern umhergewandert

waren, fanden sie einen Weg und kamen aus dem

Walde heraus; jetzt sah Kugelchen auch den Lichtschein

wieder. Sie gelangten nach der Behausung

(von der der Lichtschein ausging) und klopften an die

Haustür, worauf ihnen eine Frau öffnete.

Kugelchen teilte ihr mit, dass sie sich im Walde

verirrt hätten, und bat sie, sie für die Nacht zu beherbergen.

Als die Frau hörte, was die Jungen wollten,

begann sie laut zu jammern und sprach zu ihnen:

»Wehe euch! Ihr wisst also nicht, wohin ihr gelangt

seid? Mein Mann ist ein Zauberer und Kinderfresser!

« »Aber,« begann Kugelchen wieder, »was sollen

wir tun? Wenn du uns hier nicht übernachten lässt,

fressen uns sicher die wilden Tiere heute Nacht draussen

im Walde auf! Lass uns hinein. Vielleicht frisst

uns dein Gemahl nicht auf!« Da die Frau ein sehr

gutes Herz hatte, überlegte sie sich die Sache und

wurde schliesslich der Ansicht, dass sie die Jungen

vielleicht verstecken könne; so liess sie sie denn ein

und nahm sie mit in die Küche, damit sie sich wärmen

könnten. Über dem Feuer kochte eine ganze Kuh, um

dem Zauberer zum Mahle zu dienen.

Plötzlich hörten die Jungen, während sie zusammen

dasassen, das Tor erdröhnen: puff! puff! Das war

der Zauberer! Die Frau versteckte die Jungen unter

dem Bette und öffnete die Tür. Der Zauberer fragte,

ob das Essen fertig sei, denn er war hungrig; zugleich

begann er herumzuschnüffeln. »Was für ein Geruch

nach Menschen ist nur hier?« sprach er zu seiner

Frau. »Es kann sein, du riechst das Blut der Kuh!«

»Nein! Nein! Was für ein Geruch nach Menschen ist

hier?« beharrte er und erhob sich von seinem Bette,

um gradaus auf das andere loszugehen und die Jungen,

halbtot vor Furcht, dort zu finden! Da wurde er

sehr böse über die Frau und sagte ihr, wenn er sie

nicht auch auffrässe (so geschähe dies bloss deshalb

nicht), weil sie nicht zart genug sei! Dann äusserte er:

»Wie passend mir die Jungen gekommen sind! Denn

morgen will ich drei anderen Zauberern ein Frühstück

geben und wusste eigentlich gar nicht, was ich ihnen

zu essen vorsetzen sollte!« Und damit holte der Zauberer

die Jungen, indem er sie an den Beinen anpackte,

einen nach dem andern hervor. Die Knaben warfen

sich auf die Kniee und baten den Zauberer um Gnade;

doch er wollte nichts hören, denn er hatte ein sehr hartes

Herz. Er holte sich ein Messer und begann es auf

einem Steine zu wetzen; und er machte sich daran,

einen der Jungen zu packen und ihn abzuschlachten,

als seine Frau sprach: »Ist's nicht besser, du lässt sie

bis morgen am Leben? Für heute Nacht hast du ja

eine Menge zu essen da! Was meinst du?« »Du hast

recht!« versetzte ihr der Zauberer. »Gib ihnen zu

essen, damit sie nicht etwa bis morgen dürr werden;

und dann kannst du sie zu Bett bringen!« Die Frau

freute sich über diese Worte und brachte den Jungen

etwas zu essen.

Der Zauberer hatte nun zehn Töchter, die sehr

hübsch waren, denn sie assen stets rohes Fleisch; aber

Zähne hatten sie wie die der Hunde. Auch waren sie

sehr grausam; denn wenn sie irgendwo einen Jungen

oder ein Mädchen sahen, so wollten sie diese beissen

und ihnen das Blut aussaugen. Diese Mädchen schliefen

zusammen in einem Bette; doch befand sich in der

Kammer, in der sie schliefen, noch ein Bett, und in

diesem leerstehenden brachte die Frau des Zauberers

jene Knaben unter. Kugelchen hatte bemerkt, dass die

Mädchen des Zauberers eine goldene Krone auf dem

Kopfe trugen, und da er Angst bekam, der Zauberer

möchte ihn und seine Brüder vielleicht doch in der

Nacht töten, erhob er sich ganz leise, nahm die Mützen

seiner Brüder nebst der eigenen her, begab sich

zum anderen Bette, nahm den Mädchen die Kronen

ab, setzte ihnen die Jungenmützen auf – während er

und seine Brüder die Kronen erhielten – und legte

sich wieder schlafen.

Gegen Mitternacht erhob sich der Zauberer und begann

zu überlegen, ob es nicht besser sei, die Knaben

sogleich zu töten, damit sie bis zum Morgen ordentlich

ausbluten könnten. Er stieg also aus dem Bette,

nahm ein grosses Messer zur Hand, begab sich nach

der Kammer, in der die Jungen schliefen und tastete in

der Dunkelheit umher. Er gelangte an das Bett, in

dem die zehn Knaben schliefen, und bekam die Kronen

zu fassen; da rief er: »Bravo! Was wollte ich jetzt

mit eigenen Händen anrichten! Ich wollte meine Kinder

töten!« Nun trat er an das andere Bett, bekam die

Mützen zu fühlen und schlachtete deren Trägerinnen

allesamt ab, – eine nach der anderen; dann legte er

sich wieder schlafen. Als ihn die zehn Jungen schnarchen

hörten, schlichen sie sich ganz leise in den Garten

hinunter, öffneten das Tor und flohen davon. Als

der Zauberer am nächsten Morgen erwachte, rief er

seine Frau herbei und sprach zu ihr: »Geh! Mach' mir

jetzt die zehn Jungen zurecht, denn ich habe sie schon

in der Nacht geschlachtet!« Die Frau stieg ins Obergemach

und erblickte ihre zehn Töchter tot, – ihre

Köpfe hingen über den Rand des Bettes und die Kehlen

schauten aufgeschnitten heraus! Der Zauberer,

dem es vorkam, als ob seine Frau nicht schnell genug

wieder herunterkäme, stieg nun auch hinauf – und

was sah er? Er sah seine Frau ohnmächtig am Boden

liegen und alle seine Kinder tot! Sein Gesicht verlor

alle Farbe; er geriet in die höchste Wut; er schleuderte

ein Fass Wasser seiner Frau ins Gesicht und sprach

zu ihr, als sie wieder auf den Füssen stand: »Gib mir

die Siebenmeilenstiefel!« Das waren ein Paar Stiefel,

mittels deren er mit jedem Schritte sieben Meilen zurücklegte.

Er zog sie an und eilte den Knaben nach,

um sie einzuholen.

Die Knaben sahen es aus der Ferne, wie der Zauberer

von einem Berge auf den anderen sprang und im

Begriffe war, sie einzuholen; damit er sie nicht fände,

versteckten sich Kugelchen und seine Brüder unter

einer Felsplatte. Da der Zauberer sehr müde war,

ruhte er sich hernach auf dieser selben Platte aus und

schlief ein und begann zu schnarchen. Die Jungen

kamen nun wieder hervor und bekamen einen schönen

Schreck, als sie den Zauberer mit dem Messer in der

Hand daliegen sahen, – bereit, sie zu töten. Aber Kugelchen

wurde lange nicht so bestürzt wie seine Brüder;

vielmehr gebot er ihnen, schleunigst unter der

Platte hervorzukommen; und da sie nicht so sehr weit

vom Hause ihrer Mutter entfernt waren, gelangten sie

rasch nach Hause. Währenddem näherte sich Kugelchen

vorsichtig dem Zauberer, zog ihm die Stiefel aus

und zog sie selber hurtig an, denn diese Stiefel waren

eben auch zauberisch und passten deshalb jedem.

Unser Kugelchen begab sich nun gradaus nach dem

Hause des Zauberers, wo er die Frau neben den

Leichnamen ihrer Töchter weinend vorfand. »Höre!«

redete er sie an; »dein Mann befindet sich in grosser

Gefahr: Räuber haben ihn festgenommen und haben

geschworen, sie müssten ihn töten, wenn du ihnen

nicht sein ganzes Geld ausliefertest! Als sie ihm

schon den Dolch auf die Brust setzten, sah er mich

und bat mich, dich von der Lage, in der er sich befän-

de, in Kenntnis zu setzen, und trug mir auf, dir zu

sagen, du solltest soviel Münzen und Silberstücke, als

du besässest, zusammensuchen und mir übergeben,

damit du ihn vom Tode befreiest; und damit du mir

leichter Glauben schenkest, gab er mir seine Stiefel, –

auch, damit ich rascher hierherkäme.« Die Frau

glaubte alles, was ihr Kugelchen mitteilte, übergab

ihm alles, was sie im Hause hatte, und Kugelchen

begab sich mit dem ganzen Gelde, das er von ihr erhalten,

zu seinen Eltern, die ihn sehr willkommen hiessen.

Gerade zu dieser Zeit war der König jenes Landes

in grosser Not; denn er wusste gar nicht, was aus seinen

Soldaten geworden sei, die in den Krieg gezogen

waren. Unser Kugelchen begab sich zu ihm und erbot

sich, ihm Kunde von den Soldaten binnen zwölf Stunden

zukommen zu lassen. Der König hiess das willkommen,

und Kugelchen bekam richtig heraus, wo

sich die Truppen befanden, worauf er zum Könige zurückkehrte

und ihm meldete, dass seine Truppen den

Krieg gewonnen hätten. Nachdem Kugelchen noch

lange Zeit im Palaste des Königs geweilt, um Briefe

an andere Fürstlichkeiten zur Beförderung zu erhalten,

begab er sich nach Hause und schenkte seinen

Angehörigen Reichtümer in Menge; und so wurden

seine Angehörigen durch seine Kraft zu reichen Leuten.

II. Die Prinzessin, welche hundert Jahre schlief

und dann heiratete und zwei Kinder gebar,

namens Sonne und Mond.

Es war einmal ein König und eine Königin; sie hatten

keine Kinder, weswegen sie sehr betrübt waren und

wünschten, sie hätten einen Knaben oder ein Mädchen.

Schliesslich gebar die Königin ein Mädchen

und freute sich so sehr über das Kind, dass sie alle

Zauberinnen ihres Landes zu sich berief und einlud,

zur Taufe des Kindes zu kommen. Nach der Feierlichkeit

nahm man ein Frühstück ein, und alle Zauberinnen

bekamen ein Geschenk vom Könige, – ein goldenes

Behältnis voll silberner Sachen und vielen Perlen.

Als man bei Tische sass, trat noch eine Zauberin herein,

– eine Greisin, die über hundert Jahre alt war und

die man, weil man gemeint hatte, sie sei gestorben,

nicht eingeladen hatte. Der König sandte sofort, ihr

ein goldenes Etui und die übrigen Gegenstände holen

zu lassen, die er den anderen Zauberinnen gegeben

hatte; aber man konnte kein Etui für sie ausfindig machen.

Die Zauberin glaubte nun, dass man ihr das

getan hätte, weil sie nicht schön sei wie die anderen,

und begann laut mit ihren Zähnen zu knirschen und

das Kind mit einem hässlichen Blicke zu betrachten.

Eine andere Zauberin hörte, wie die Alte etwas mur-

melte, und da sie meinte, die Alte könne das Kind

verhexen, versteckte sie sich hinter einem Türvorhange,

um, wenn die alte Zauberin dem Kinde etwas

Böses antäte, bereit zu sein, die Sache für das Kind

abzuändern.

Unterdessen begannen die Zauberinnen vor dem

Kinde vorüberzuziehen, und jede begann der Kleinen

irgend etwas zu wünschen. Zuletzt kam die Alte herbei,

und jedermann sah mit Angst dem entgegen, was

sie sagen würde. Sie begann ihr Haupt hinundherzubewegen

und dabei ihre Lippen verächtlich zu spitzen

und sprach: »Ich sage, dass dieses Mädchen durch

Spindeln Unglück erleiden und sterben wird!« Alle

Anwesenden erschraken über das Grausame in diesem

Wunsche und begannen zu weinen. Auf einmal kam

die Zauberin, die sich hinter dem Türvorhange versteckt

hatte, hervor und rief: »Königin, weine nicht

mehr! Deine Tochter wird nicht sterben! Freilich kann

ich das, was die Alte angerichtet hat, nicht gänzlich

unwirksam machen; aber ich kann der Sache eine andere

Richtung geben. Die Prinzessin wird allerdings

durch Spindeln Unglück haben; aber, statt dass sie

sterbe, wird sie nur schlafen und zwar hundert Jahre

im Schlafe verharren. Nach hundert Jahren wird ein

Prinz kommen, – kommen und sie aufwecken und heiraten.

«

Hierauf liess der König, um seine Tochter vor die-

sem Unheile zu schützen, überall öffentliche Verkündigung

ergehen, des Inhaltes, dass jeder, bei dem daheim

man eine Spindel fände, zum Tode verurteilt

werden solle. – Etwa fünfzehn Jahre waren vorübergegangen,

und das Kind war zu einer Jungfrau herangewachsen.

Einst reiste sie mit ihrer Mutter und ihrem

Vater nach einem Palaste, den sie im Freien hatten,

und das junge Mädchen begann den Palast von oben

bis unten zu durchwandern; denn sie hatte ihn, ausser

an diesem Tage, noch nie betreten. Während sie so

herumwanderte, gelangte sie nach einem sehr hohen

Turme und fand daselbst eine alte Frau, die dasass

und spann, denn sie hatte nichts von der Bekanntmachung

des Königs gehört. Die Prinzessin trat auf sie

zu und fragte sie: »Grossmutter, was ist das?« »Meine

Tochter, das ist eine Spindel!« »Lass sie mich betrachten,

Grossmutter! Willst du?« »Natürlich, meine

Tochter! Sehr gern! Da!« Die Prinzessin streckte ihre

Hand aus, die Spindel zu nehmen; aber, da sie etwas

hastig war, stiess sie mit der Hand an sie, – und sofort

sank sie ohnmächtig zu Boden! Die arme alte Frau

kam fast von Sinnen; sie begann laut um Hilfe zu

rufen, und die Leute kamen herbei, aber vergebens!

Was man auch mit der Prinzessin begann, – sie blieb

ohnmächtig!

Da erinnerte sich die Königin an das, was ihr die

Zauberin zuletzt gesagt hatte; und weil es nun einmal

bestimmt war, dass das eintreten sollte, bereitete man

für die Prinzessin ein Bett im schönsten Zimmer des

Palastes, zog ihr die schönsten Kleider an, die sie besass,

und legte sie auf das Bett. Wer sie sah, vermeinte,

sie schliefe: denn ihre Lippen waren immer noch

rot, ihr Gesicht war in keiner Weise verändert und sie

atmete leise. Der König ordnete an, dass niemand sie

je berühren dürfe und gebot jedem dieses Zimmer zu

verlassen.

Jene Zauberin nun, welche dem Schicksale der

Prinzessin diese Wendung gegeben hatte, lebte in

einem gewissen Lande, das von jenem Orte zwanzigtausend

Meilen entfernt lag. Sie hatte einen Diener

von kleinem Wüchse, der ein Paar Stiefel besass, mittels

welcher er mit einem Schritte fünfzig Meilen zurücklegen

konnte. Der kleine Kerl brach sogleich auf

und benachrichtigte die Zauberin vom Schicksale der

Prinzessin; und die Zauberin traf in kurzer Zeit in

einem Wagen von Feuer ein; sie kam aus der Luft

herab, und vier Drachen zogen den Wagen fort. Der

König ging, sie zu empfangen, und brachte sie hinein

zu seiner Tochter. Die Zauberin erklärte ihm, dass

alles, was er angeordnet hatte, gut sei; aber, klug wie

sie war, bedachte und erkannte sie, dass die Prinzessin,

wenn sie erwachen würde, sich in diesem alten

Palaste ja ganz verlassen finden müsste. Was tat sie

deshalb? Mit einem Stabe, welchen sie bei sich hatte,

berührte sie alles, was sich in diesem Palaste befand,

abgesehen vom Könige und der Königin, – also:

Damen, Kämmerer, Pagen, Köche, Diener, Kutscher,

Grooms, Rosse, sonstige Tiere und auch eine kleine

Hündin, die auf dem Bette der Prinzessin lag; und

indem die Zauberin diese berührte, schliefen sie in der

Stellung, die sie innehatten, ein: der eine im Sitzen,

der andere im Stehen, der dritte die Treppe hinaufsteigend,

der vierte Musik machend, der fünfte essend.

Auf dem Feuer stand das Essen: das Feuer hielt im

Brennen ein, und das Essen kochte nicht fertig. Der

König und die Königin küssten ihre Tochter, verliessen

die Burg und liessen Anschlagzettel an den

Ecken der Häuser anschlagen: niemand dürfe sich der

Burg nähern. Aber das Verbot war gar nicht nötig,

denn schon nach einer Viertelstunde sprossten in

Menge Nesseln und Dornsträucher empor und wuchsen

höher und höher, bis sie die Burg verhüllten und

von ihr nichts mehr als die Türme sichtbar blieben.

Die Zeit verstrich, – zehn Jahre, zwanzig Jahre, –

der König und die Königin starben; andere kamen; –

sechzig Jahre, achtzig Jahre, – schließlich hundert

Jahre. Eines Tages nun – nach hundert Jahren also –

zog der Sohn des damaligen Königs, der in keiner

Weise mit der Familie jener Prinzessin verwandt war,

auf die Jagd und erblickte jene Türme, die zwischen

Nesseln und Dornen versteckt lagen. Er fragte, was

das für eine Burg sei, und der eine gab ihm dies, der

andere das zur Antwort! Doch niemand konnte ihm

einen genauen Bescheid geben. Zuletzt kam der Prinz

mit einem alten Hirten zusammen, der ihm berichtete:

»Fürst, es ist länger als fünfzig Jahre her, – da hat mir

mein Vater gesagt, dass in jenem Palaste sich eine

Prinzessin befände, die hundert Jahre schlafen müsse

und wieder erwachen werde, wenn ein Prinz zu ihr

käme, welcher sie dann heiraten werde.« Als der Prinz

diese Rede hörte, liess er alle seine Leute hinter sich

und machte sich ans Werk, die Dornen zu durchschneiden,

um ins Schloss zu gelangen.

Doch zu seiner Verwunderung begannen die Dornen

sich von selbst zu trennen und liessen ihn durch,

um sich, als er durch sie hindurchgegangen war, hinter

ihm wieder zusammenzutun. Er betrat den Palast

und erschrak heftig. Er sah hierhin und dahin: da

lagen Menschen und Tiere auf den Erdboden gestreckt,

wie tot! Dort sass einer noch am Tische, mit

einem Weinglase, das zur Hälfte leer war, in der

Hand! Der Prinz betrat dann den Schlossplatz und erblickte,

als er die Marmortreppe hinaufstieg, in der

Hauptwache die Soldaten, in einer Reihe stehend, mit

den Musketen in ihren Händen. Dann betrat der Prinz

den Prachtsaal und sah Leute dasitzen oder dastehen;

wieder andere sahen aus, als ob sie tanzten. Er erblickte

eine Dame vor einem offenen Klavier, die aus-

sah, als ob sie spielte; eine andere Dame schien,

neben ihr stehend, zu singen, – aber alle Personen

schnarchten, was sie konnten!

Schliesslich bemerkte der Prinz ein ziemlich dunkles

Zimmer; er ging hinein und sah auf einem Bette

eine Jungfrau liegen, gar schön, von etwa fünfzehn

Jahren, mit allerschönsten Gewändern angetan, – ein

Engelsgesicht! Leise trat er an sie heran; da aber die

Zeit gekommen war, dass sie wieder erwachen sollte,

so wurde sie munter; und sie blickte nach ihm mit

einem liebessüssen Blick und sprach zu ihm: »Fürst!

Wie lange hast du gesäumt zu kommen! Wie lange

habe ich dich erwartet!« Als der Prinz sie so zu ihm

sprechen horte, gewann er sie gar lieb, denn sie gefiel

ihm so sehr. So unterhielten sie sich denn etwa vier

Stunden lang in einem fort, ohne dass sie die Zeit gewahrwurden.

Unterdessen waren alle im Palast aufgewacht:

der Koch kochte das Essen fertig, die Wache

marschierte weiter, die Diener liefen die Treppe hinauf

und hinab, der Kutscher spannte die Karosse an, –

kurz und gut, jeder führte das zu Ende, womit er hundert

Jahre vorher beschäftigt gewesen war, als er in

Schlaf versank. Aber da die Leute hundert Jahre lang

nichts gegessen hatten, so waren sie nahe daran, Hungers

zu sterben.

Schliesslich öffnete der Haushofmeister die Türe

und meldete den Wartenden, dass die Tafel angerich-

tet sei, – und jedermann ging essen. Nach dem Mahle

traute der Priester des zum Schlosse gehörigen Dorfes

die beiden jungen Leute. Am nächsten Tage verliess

der Prinz am frühen Morgen die Prinzessin, um sich

nach dem Palast seines Vaters zu begeben, denn es

waren ihm eine Menge Bedenken aufgestiegen.

Als er zum Könige gelangte, fragte ihn dieser, was

ihm geschehen sei, und der Prinz erwiderte, er habe

sich auf der Jagd verirrt und in einer Höhle übernachtet.

Der König, der ein sehr gutmütiger Mann war,

glaubte ihm; seiner Mutter aber begann, als sie nachher

sah, dass ihr Sohn täglich auf die Jagd zu gehen

begann, ein schlechter Gedanke aus ihrem Hirn zu

entspringen. Indessen führte der Prinz sein Leben

volle zwei Jahre auf diese Art und Weise fort, und in

dieser Zeit wurden ihm zwei Kinder geboren; das ältere

(ein Mädchen) nannten sie »Sonne« und das jüngere

(einen Knaben) nannten sie »Mond«, denn die

Beiden waren sehr schön. Der Prinz getraute sich niemals,

das Geheimnis seines Herzens seiner Mutter anzuvertrauen;

denn seine Mutter besass, obwohl Königin,

ein sehr hartes Herz, und wenn sie einen Knaben

oder ein Mädchen sah, so wollte sie diese auffressen;

der Prinz aber hatte Angst, dass, wenn er seiner Mutter

erzähle, er sei verheiratet und habe Kinder, sie sie

ihm auffressen möchte. Als dann zwei Jahre hernach

der König gestorben war und dieser Prinz König an

seiner Statt geworden war, – da wurde die Prinzessin

Königin und zog in die Stadt in den Königspalast ein,

und die Bewohner der Residenz empfingen sie sehr

wohl.

Nach einiger Zeit entstand ein Krieg zwischen diesem

König und einem anderen, und der junge Fürst

musste abreisen und mit seinen Soldaten ausziehen;

und weil seine Frau noch zu jung war, liess er die

Herrschaft in den Händen seiner Mutter. Der König

hatte voraussichtlich vier Monate im Felde zu bleiben:

als er nun fort war, schickte seine Mutter seine

Frau und deren Kinder in eine Wüste, wo sie niemanden

zu Gesicht bekamen.

Einst rief die alte Königin ihren Haushofmeister zu

sich und befahl ihm: »Morgen früh töte mir Sonne!

Ich will sie zu Mittag essen. Und wenn du nicht tust,

was ich dir sage, befehle ich meinen Leuten, dich zu

töten!« Nun hatte der Mann diese Kinder aber sehr

lieb. Was tat er also? Er nahm Sonne mit zu seiner

Frau und bat sie, das Kind zu verstecken; er selbst

nahm ein Lämmchen, schlachtete es und bereitete eine

Brühe von ihm, damit die alte Königin diese genösse.

Die Brühe schmeckte ihr so, dass sie am andern Tage

Mond essen wollte. Der Haushofmeister machte es

wie vorher: er versteckte Mond bei seiner Frau, nahm

ein Lämmchen her und tötete es, und die Königin verzehrte

es. Als etwa acht Tage vorüber waren, wollte

die Königin auch die Frau ihres Sohnes essen. Wieder

berief sie den Haushofmeister zu sich, dem sie sagte,

dass sie am nächsten Tage die junge Königin zu Mittag

verzehren wolle.

Der Mann begab sich zur jungen Königin und teilte

ihr mit, dass die alte Königin sie verzehren wolle; die

erstere aber wurde gar nicht bestürzt, sondern sagte

ihm, dass es besser für sie sei, wenn sie auch stürbe,

denn alsdann würde sie ja ihre Kinder wiederfinden.

Nun hielt es der Haushofmeister nicht länger aus; und

als er ihr dann gesagt hatte, dass ihre Kinder nicht tot

seien, da empfand die junge Königin gar grosse Freude

und wünschte die Kleinen zu sehen. Der Mann

nahm die junge Königin mit heim und gebot seiner

Frau, sie gleichfalls zu verstecken. Dann nahm er eine

Kuh her, schlachtete sie, verarbeitete sie zu Gedämpftem,

– und die alte Königin äusserte hernach, dass die

Mutter ihr noch weit besser als ihre Kinder geschmeckt

hätte. Und das böse Herz hielt sich bereit,

dem Sohne, wenn er aus dem Kriege zurückkäme, zu

sagen, die Katzen hätten ihm Frau und Kinder aufgefressen!

Als die alte Königin einst in der Nacht spazieren

ging, hörte sie die Stimme Monds, der gerade weinte,

weil seine Mutter ihn gehauen hatte, denn er war unartig

gewesen. Sobald die alte Königin die Stimme

der anderen Königin und ihrer Kinder erkannte, wurde

sie sofort gewahr, dass man sie getäuscht hatte; und

sie wurde höchst aufgebracht und schwur, sich zu rächen.

Am folgenden Morgen befahl sie mit lauter

Stimme, die allen Leuten Schrecken einflösste, man

solle auf die Mitte des Schlossplatzes einen grossen,

grossen, grossen Tonbehälter schaffen; dann liess sie

diesen von ihren Leuten mit giftigen Schlangen und

zahlreichen anderen hässlichen Tieren anfüllen, und

befahl schliesslich, dass der Haushofmeister, seine

Frau, die junge Königin und deren Kinder hineingeworfen

würden, damit jene Tiere sie auffrässen.

Als alle diese Personen auf dem Platze dasassen

und in Tränen und mit den Händen auf dem Rücken

gefesselt erwarteten, dass man sie in den Behälter

werfe, – da vernahm man die Musik der Trompeten,

und der König kam zu Pferde auf den Platz geritten:

der Krieg war eher beendigt worden, und die Mutter

hatte ihren Sohn so früh nicht erwartet! Er begann sogleich

zu fragen, warum seiner Frau und allen den anderen

Leuten die Hände gebunden seien, und warum

sich dort ein grosser Behälter voll Tiere befände. Niemand

hatte den Mut, es ihm zu sagen. Aber plötzlich

wurde seine Mutter so verdüstert darüber, dass sie

sich nicht rächen konnte, dass Wahnsinn bei ihr ausbrach

und sie selber in den Behälter sprang; und – ehe

ich es euch sage – hatten sie auch schon die Tiere aufgefressen

und bloss ein Büschel Haare übriggelassen!

Dem König ging es zwar nahe, dass seine Mutter gestorben

war; aber da ihr Herz so böse gewesen war,

tröstete er sich bald und lebte glücklich mit seiner

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Türler ve etiketler
Yaş sınırı:
0+
Hacim:
170 s. 1 illüstrasyon
ISBN:
9783742750839
Yayıncı:
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