Kitabı oku: «GRABESDUNKEL STEHT DER WALD», sayfa 4

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»Jetzt doch noch nicht, du Idiot!«, entfuhr es Cora, denn noch immer bestand die Telefonverbindung zu Markus’ unbekanntem Gesprächspartner, der alles mithören konnte, was geschah.

Sascha packte Markus von hinten, bevor dieser überhaupt in der Lage war, in irgendeiner Form auf den eindringenden Hünen zu reagieren, und legte seine behandschuhten Hände um dessen Hals.

Markus ließ das Handy fallen, hob die Arme und zerrte reflexartig an den Pranken, die ihm Stahlklammern gleich die Luft abschnürten. Doch es ähnelte dem Versuch, mit einer Barriere aus Papier einen Sattelschlepper aufzuhalten, und war daher von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Markus war zwar lediglich zehn Zentimeter kleiner als Sascha und alles andere als ein Schwächling, da er sich auf dem Crosstrainer fit hielt und Judo betrieb. Doch gegen den muskelbepackten Hünen, der wie aus dem Nichts hinter ihm aufgetaucht war, hatte er aufgrund seiner ungünstigen Position dennoch keine Chance.

Da Sascha den anderen Mann komplett überrumpelt und von hinten angegriffen hatte, kam Markus gar nicht dazu, seine Judogriffe anzuwenden. Außerdem führte das abrupte Abschneiden der Luftzufuhr vermutlich dazu, dass er in Panik verfiel und keinen vernünftigen Gedanken mehr fassen konnte.

Cora sah, dass Markus’ Füße gar nicht mehr den Boden berührten, sondern in der Luft hingen, während er damit zappelte wie ein außer Kontrolle geratener, durchgeknallter Hampelmann. Falls die Bewegungen allerdings nicht unkontrolliert, sondern gezielt erfolgten, um seinem heimtückischen Angreifer einen Tritt vors Schienbein oder in den Schritt zu verpassen, so gelang ihm das nicht, da dieser hinter ihm stand, dank seiner langen Arme ausreichend Abstand hielt und somit nahezu unerreichbar war.

Cora hatte es Sascha unzählige Male eingebläut, sich auf keinen Fall auf einen Zweikampf mit Markus einzulassen, sondern ihn hinterrücks anzugreifen und rasch zu töten. Deshalb erfüllte es sie jetzt mit Genugtuung, dass er ihre Anweisungen so genau befolgt hatte.

Sie hatte zwar gedacht, der Anblick, wie ihr Ehemann ermordet wurde, würde ihr etwas ausmachen, doch nun stellte sie erstaunt fest, dass es sie überhaupt nicht berührte. Der Mann, der im Griff des schwarz gekleideten Hünen zappelte, und dessen Bewegungen immer mehr erlahmten, hätte genauso gut ein wildfremder Mensch sein können. Aber vielleicht spielte es ja auch eine Rolle, dass sie wusste, dass Markus gar nicht sterben, sondern wie durch ein Wunder überleben würde.

Das Zappeln der Füße wurde schwächer und erstarb schließlich vollends. Sie zuckten und streckten sich noch ein paarmal, dieses Mal wirklich unkontrolliert, dann erschlaffte der Körper und rührte sich nicht mehr.

Cora beugte sich unwillkürlich nach vorn, als könnte sie die Szene dadurch besser sehen, während sie höchst konzentriert verfolgte, was weiterhin geschah.

Jetzt!, dachte sie. Jetzt ist der Moment, wo Sascha die Sache vergeigt, nachdem er bislang alles richtig gemacht hat.

Dadurch, dass es keinen Ton gab, hatte die Aufnahme etwas Gespenstisches und Unnatürliches an sich. Dennoch hatte sich Cora dank ihrer lebhaften Fantasie das Schnaufen, Grunzen und erfolglose Japsen nach Luft gut hinzudenken können. Doch nun, nachdem Markus’ Körper erschlafft war und leblos wirkte, musste Ruhe eingekehrt sein, die vermutlich lediglich durch Saschas heftiges Schnaufen unterbrochen wurde.

Cora sah Markus’ Handy am Boden liegen und fragte sich, was die Person am anderen Ende der Verbindung von den Geräuschen gehalten hatte. Oder hatte sie schon längst aufgelegt, weil sie gedacht hatte, Markus wollte sie nur verarschen, schließlich hatten sie sich noch kurz zuvor heftig gestritten?

Sascha senkte seine mächtigen, langen Arme und ließ den schlaffen Körper zu Boden sinken, wo er reglos liegenblieb. Cora konnte natürlich nicht erkennen, ob noch immer Leben in Markus’ leblos wirkender Gestalt steckte, doch es musste der Fall sein, schließlich hatte er überlebt. Doch Sascha schien überzeugt zu sein, dass er den Ehemann seiner Geliebten getötet hatte.

Er bückte sich und hob das Handy auf, das Markus aus der Hand gefallen war. Er hob es ans Ohr und lauschte, schien jedoch nichts zu hören, denn er zuckte die Achseln, schaltete das Gerät aus und steckte es ein. Dann sah er sich um.

Cora hatte ihn angewiesen, alles so zu lassen, wie er es vorgefunden hatte. Er sollte lediglich die Lichter löschen, wenn er ging, und anschließend Markus’ Leiche verschwinden lassen. Um alles andere hatte sich Cora nach ihrer Rückkehr gekümmert, um es so aussehen zu lassen, als hätte ihr Mann das Haus aus freien Stücken und auf seinen eigenen Beinen verlassen. So hatte sie seine Schlüssel, seine Brieftasche und ein paar Kleidungsstücke verschwinden lassen. Sie hatte sich zwar gewundert, wo Markus’ Handy geblieben war, war allerdings davon ausgegangen, dass Markus es in der Hosentasche gehabt hatte, als Sascha ihn umgebracht hatte, und es dann mit der Leiche im Wald verscharrt worden war. Nun wusste sie wenigstens, was mit dem Handy geschehen war.

Doch wer war am anderen Ende der Leitung gewesen? Und was hatte der Gesprächspartner von dem, was passiert war, mitbekommen?

Cora nahm sich vor, Sascha nach dem Handy zu fragen. Wenn er klug gewesen war, hatte er es entsorgt oder gemeinsam mit Markus im Wald vergraben. Doch da Sascha ihrer Meinung nach dafür nicht clever genug war und ohne ausdrückliche Anweisung gern das Verkehrte tat, bestand auch die Möglichkeit, dass er das Handy noch immer besaß. Wenn ja, dann wäre das ausnahmsweise ein Glücksfall, weil Cora so unter Umständen feststellen konnte, mit wem Markus zuletzt telefoniert hatte.

Doch das war momentan zweitrangig. Wichtiger war die Frage, warum Sascha versagt hatte und Markus noch immer am Leben war. Cora hatte sich von den Videoaufnahmen die Antwort auf diese Frage erhofft, war aber nicht unbedingt schlauer als zuvor.

Markus’ regloser Körper wirkte auf den Aufnahmen zwar tatsächlich wie tot, doch da er nun in Regensburg aufgetaucht war, musste er zwangsläufig noch immer am Leben gewesen sein. Und Sascha hatte schlichtweg zu früh aufgehört, ihn zu erwürgen, und sich täuschen lassen.

Stümper!

Cora beschloss, ein ernstes Wörtchen mit Sascha zu reden, wenn sie in Kürze mit ihm sprach. Denn durch seinen Fehler hatte er ihren ausgeklügelten Plan torpediert und scheitern lassen. Markus war noch immer da, und mit Ausnahme der Tatsache, dass er das Gedächtnis verloren hatte, hatte sie durch die Aktion rein gar nichts gewonnen.

Sie beobachtete, was damals weiter in Markus’ Arbeitszimmer geschehen war.

Sascha bückte sich, hob den schlaffen Körper ihres Mannes hoch, als handelte es sich um ein Leichtgewicht, und wuchtete ihn sich über die linke Schulter. Dann trat er mit seiner Last aus dem Bild und schaltete wie angewiesen das Licht aus, als er das Arbeitszimmer verließ.

Wenigstens tut er, was ich ihm gesagt habe.

Erneut merkte sich Cora die angezeigte Zeit, stoppte das Video und wechselte die Speicherkarte. Dann startete sie das andere Video um dieselbe Uhrzeit, zu der Sascha das Arbeitszimmer verlassen hatte.

Zuerst geschah nichts. Dann wurde es etwas dunkler, weil Sascha die Lichter im Haus löschte, bis nur noch die Lampe im Eingangsbereich brannte. Schließlich kam Sascha ins Bild, den reglosen Körper noch immer geschultert. Ohne sich noch einmal umzusehen, öffnete er die Tür, löschte das Licht und marschierte aus dem Haus, um den vermeintlichen Leichnam in den Ebersberger Forst zu transportieren.

Nun wusste Cora, was in jener Nacht hier im Haus geschehen war und vermutlich schiefgegangen war. Um noch mehr zu erfahren und zu hören, was danach passiert war, war es unumgänglich, dass sie die Funkstille, die sie selbst angeordnet hatte, brach und mit Sascha Kontakt aufnahm. Schließlich gab es, sofern die Polizei sie nicht hereinlegen wollte, gar keinen Mord und daher auch keinen Grund, dass Sascha und sie sich weiterhin voneinander fernhielten. Ganz im Gegenteil, es bestand nämlich enormer Klärungsbedarf. Dennoch wollte sie weiterhin vorsichtig sein, falls die Polizei sie tatsächlich in die Falle locken wollte, und Sascha nicht von hier oder mit ihrem Handy, sondern von einem öffentlichen Telefon aus anrufen.

VIERTES KAPITEL

1

Cora benutzte dieselbe Telefonkarte, mit der sie Sascha bereits vor drei Monaten angerufen hatte, als sie nach dem Wochenendbesuch bei ihren Eltern, der ihr lediglich ein Alibi verschaffen sollte, auf dem Weg zurück nach Hause gewesen war.

Sie hatte sich eilig Jacke, Handtasche und Schlüssel geschnappt und war dann in ihrem Porsche-Cabriolet über den Isarring in südöstliche Richtung gefahren. Es war zwar sonnig, andererseits aber zu kühl, um oben ohne zu fahren, deshalb ließ sie das Verdeck geschlossen. Während der Fahrt sah sie sich immer wieder nach Verfolgern um, konnte aber niemanden entdecken. In der Nähe der Arabella-Klinik und des HVB-Towers stellte sie den Wagen in einer öffentlichen Tiefgarage ab und ging zu einer Telefonsäule auf der anderen Straßenseite. Während sie Saschas Handynummer eintippte, die sie noch immer auswendig kannte, obwohl sie sie drei Monate lang nicht gebraucht hatte, behielt sie ihre Umgebung aufmerksam im Blick, konnte jedoch nichts entdecken, das einen verdächtigen Eindruck erweckte. Entweder waren ihre Beschatter so gut, dass Cora sie nicht entdeckte, oder sie litt unter Verfolgungswahn.

»Winkler.«

Cora freute sich, als sie Saschas Stimme hörte. Sie merkte erst jetzt, wie sehr sie ihn oder vielleicht auch nur den Sex mit ihm in den letzten neunzig Tagen vermisst hatte. Ein angenehmes Gefühl der Wärme breitete sich in ihrem Unterleib aus. Allerdings wurden ihre Freude und ihr sexuelles Verlangen sofort gedämpft, als ihr wieder bewusst wurde, warum sie ihn anrief.

»Ich bin’s«, sagte sie nur und rechnete damit, dass er ihre Stimme erkannte. Verfolgungswahn hin oder her, es schadete schließlich nicht, wenn sie weiterhin vorsichtig war.

»Co…?«

»Keine Namen, Idiot!«, unterbrach sie ihn unwirsch, während sie voller Argwohn einen Mann beobachtete, der auf der anderen Straßenseite stehengeblieben war, eine Zigarette rauchte und in sein Handy sprach. Oder der nur so tat, als führte er ein Telefonat. Er war jung, groß und kräftig und konnte durchaus ein Polizist in Zivil sein.

Sie konnte hören, dass Sascha am anderen Ende der Verbindung Luft holte, um etwas zu sagen, dann aber unvermittelt wieder innehielt, als erinnerte er sich jäh an ihre Ermahnung, keine Namen zu nennen.

»Warum rufst du an?«, fragte er schließlich, nachdem er erneut wie ein Ertrinkender nach Luft geschnappt hatte. »Ich dachte, wir sollten sechs Monate lang keinen Kontakt zueinander haben.« Er sprach leise, weil er vermutlich nicht allein war und die anderen nichts hören sollten.

»Es gibt eine Planänderung.«

Der Mann mit dem Handy auf der anderen Straßenseite beendete sein Telefonat und warf die Kippe auf den Boden, bevor er sich abwandte und zum Eingang des Bürogebäudes marschierte. Nach einem Blick in die Runde, der sie beruhigte, konzentrierte sich Cora wieder verstärkt auf ihr eigenes Telefonat.

Sie hörte Stimmen im Hintergrund und nahm an, dass Sascha im Fitnesscenter bei der Arbeit war.

»Eine Planänderung? Weshalb?«

»Weil du Mist gebaut hast.«

»Ich soll …« Sascha verstummte. Die Stimmen im Hintergrund wurden leiser, als würde er sich von ihnen entfernen. Dann meldete er sich wieder: »Was meinst du damit? Ich hab doch alles genau so gemacht, wie du es gesagt hast.«

»Bist du dir da auch völlig sicher?«

»Was soll diese Frage, C…?« Er bremste sich gerade noch rechtzeitig, bevor er ihren Namen nannte. »Natürlich bin ich mir sicher. Was soll diese Fragerei? Ist … ist etwas passiert?«

»Das kann man wohl sagen.«

»Was meinst du damit?«

»Das möchte ich nicht am Telefon besprechen«, wiegelte sie ab. »Wir müssen uns sehen!«

»Wann?«

»Sofort!«

»Aber …« Er seufzte schwer, weil er offensichtlich in einem Dilemma steckte. Einerseits musste er im Fitnessstudio arbeiten, andererseits tat er stets, was Cora von ihm verlangte, und hatte nach der dreimonatigen Pause bestimmt Sehnsucht nach ihr. »Okay. Ich seh zu, dass ich mit jemandem tauschen kann. Wo treffen wir uns?«

Cora überlegte. Sie wollte am Telefon ungern einen konkreten Ort nennen, falls sie doch nicht an Paranoia litt und jemand mithörte. Andererseits musste Sascha den Treffpunkt kennen. Schließlich fiel ihr die Lösung ein. »Erinnerst du dich noch, wo wir zum Essen waren, als mein Mann ausnahmsweise mal über Nacht weg war?«

Für eine Weile blieb es still, als würde Sascha konzentriert nachdenken. Cora überlegte bereits, wie sie ihm auf die Sprünge helfen konnte, doch da meldete er sich erneut zu Wort: »Ja, jetzt erinnere ich mich wieder.«

»Gut. Wir treffen uns nämlich dort an der Ecke. Ich komme mit dem Wagen und nehme dich mit. Sagen wir, in einer Viertelstunde. Und sei gefälligst pünktlich, ich habe nämlich keine Lust, auf dich zu warten.«

Cora legte auf, noch ehe er bestätigen oder widersprechen konnte.

2

Sascha wartete bereits auf sie, als Cora den vereinbarten Treffpunkt erreichte. Sie blinkte und hielt einfach am Straßenrand, was den Fahrer direkt hinter ihr dazu veranlasste, auf die Hupe zu drücken.

»Arschloch!«, murmelte Cora, während Sascha die Tür öffnete und einstieg. Sie nutzte die Zeit, um sich aufmerksam umzusehen, konnte jedoch niemanden entdecken, der sich in auffälliger Weise für sie zu interessieren schien.

»Freut mich, dich zu sehen«, sagte Sascha und strahlte sie an. Er wollte sich herüberbeugen, um ihr einen Begrüßungskuss zu geben.

»Schnall dich gefälligst an!«, schnauzte Cora ihn an und trat so kräftig aufs Gaspedal, dass der Wagen einen Satz nach vorn machte und Sascha in den Sitz gepresst wurde.

»Hey«, rief er und sah sie erschrocken an, beeilte sich dann jedoch, ihrer Anweisung Folge zu leisten. Er hantierte umständlich mit dem Gurt herum, bis es ihm endlich gelungen war, ihn im Gurtschloss einrasten zu lassen. »Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?«

Cora gab Gas und schaute in den Rückspiegel. Alle anderen Autos blieben hinter ihr zurück, sodass sie sicher sein konnte, dass niemand sie verfolgte. Nachdem sie abgebogen war, verringerte sie das Tempo wieder und schlängelte sich durch den dichten Verkehr, der sich hier auf zwei Spuren Richtung Osten bewegte.

Sie warf einen raschen Seitenblick auf Sascha, der sie noch immer fragend ansah. Er trug eine hellgraue Jogginghose, schwarze Turnschuhe, ein ärmelloses schwarzes Fitness-Shirt und den Kapuzenpulli, den er auch an dem Abend angehabt hatte, als er Markus umbringen sollte. In Coras Augen sah er wieder mal zum Anbeißen aus, doch dafür war jetzt nicht die richtige Zeit, weil sie miteinander über ernste Dinge reden mussten.

»Ist dir jemand gefolgt?«

Sascha sah sie an, als hätte sie ihn mit der Lösung einer hochkomplizierten Rechenaufgabe beauftragt, die seinen Gedankenapparat komplett überforderte.

»Was?«

Cora seufzte, während ihr Blick zwischen den beiden Fahrspuren vor ihnen und dem, was der Innenspiegel ihr zeigte, nervös hin und her pendelte. »Ob du verfolgt wurdest, hab ich gefragt.«

»Verfolgt? Von wem denn?«

»Na, von wem wohl? Von der Polizei vielleicht?«

»Von der Polizei? Wieso sollten die mich verfolgen?«

Cora widerstand dem starken Impuls, ihn zu schlagen. Bei all der Muskelmasse hätte er vermutlich ohnehin nichts gespürt. »Du erinnerst dich schon noch daran, was du vor drei Monaten getan hast, oder?«

»Vor drei Monaten?« Sascha überlegte, und Cora glaubte zu erkennen, wie die aufgrund ständigen Nichtgebrauchs eingerosteten Zahnräder in seinem großen Schädel allmählich anfingen, sich zu drehen. »Ach so«, sagte er dann und schlug sich tatsächlich mit der Fläche seiner rechten Hand gegen die Stirn, obwohl Cora bisher daran gezweifelt hatte, dass irgendjemand so etwas im wirklichen Leben tat. »Natürlich weiß ich das noch. Vor drei Monaten hab ich mich um deinen Mann gekümmert. Wie ich schon am Telefon sagte, hab ich alles genau so getan, wie du es wolltest. Ich hab ihn von hinten angefallen, erwürgt und anschließend im Wald vergraben. Wieso sollte also die Polizei hinter mir her sein? Schließlich ist der Kerl mausetot und kann schlecht wieder aufstehen und zur Polizei marschieren.«

»Und darüber bist du dir auch ganz sicher?«

Sascha warf ihr einen unsicheren Blick zu. »Was soll das, Cora? Du hast mich schon am Telefon gefragt, ob ich sicher bin, dass ich alles so gemacht habe, wie du es mir gesagt hast. Am Telefon wolltest du aber nicht darüber reden und hast stattdessen gesagt, dass wir uns sofort treffen müssen. Und jetzt, wo wir uns getroffen haben, bist du immer noch so komisch. Ich frag dich also noch einmal: Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?«

Cora lachte. Wenn die Geschichte nicht so einen ernsten Hintergrund gehabt hätte, wäre es sogar richtig lustig gewesen. »Ich sag dir, welche Laus mir über die Leber gelaufen ist«, antwortete sie mit ätzender Stimme. »Die Laus ist eins achtzig groß und hört auf den Namen Markus.«

»Markus? So heißt doch dein Mann!« Sascha runzelte die Stirn, wovon er reichlich hatte. Dann lachte er. »Also, wenn wir denselben Markus meinen, und ehrlich gesagt kenne ich gar keinen anderen, dann musst du dir darüber bestimmt keine Sorgen mehr machen. Der Markus, den ich meine, steht nämlich bestimmt nicht mehr auf und trampelt auf deiner Leber herum. Dafür hab ich gesorgt.«

»Ach ja?«

Sascha nickte mit selbstzufriedener Miene.

»Einen Scheißdreck hast du!«, schrie Cora, sodass ihr Beifahrer erschrocken zusammenzuckte. Sie nahm die rechte Hand vom Lenkrad und versetzte ihm einen Fausthieb auf den linken Oberarm, den er vermutlich kaum wahrnahm. Dabei verriss sie das Steuer und kam einem unmittelbar neben ihnen fahrenden Kleinbus bedrohlich nahe. Sofort legte sie die rechte Hand wieder ans Steuer und korrigierte ihren Kurs.

»Drehst du jetzt etwa völlig durch?«, fragte Sascha, musterte sie mit einer Mischung aus Argwohn und Vorsicht und rieb sich dabei den Oberarm. »Was sollte das denn? Was hab ich dir denn getan?«

Cora atmete tief durch und nahm sich vor, die Ruhe zu bewahren und nicht noch einmal die Nerven zu verlieren. Zu leicht könnte sie dabei die Kontrolle über den Wagen verlieren. Sie tippte kurz aufs Gas, mehr brauchte der Wagen nicht, um an dem Kleinbus vorbeizuziehen, und wechselte dann vor ihm auf die linke Spur.

»Es geht nicht darum, was du getan hast. Viel wichtiger ist, was du nicht getan hast.«

»Hä?« Wenn das Wort Begriffsstutzigkeit im Wörterbuch durch ein Bild ergänzt worden wäre, dann wäre ein Foto von Sascha die erste Wahl gewesen. »Wie wär’s, wenn du nicht ständig in Rätseln sprichst, sondern mir endlich klipp und klar sagst, was hier eigentlich los ist?«

»Na gut«, sagte Cora und ordnete ihre Gedanken, bevor sie fortfuhr: »Die Ermittlerin der Vermisstenstelle hat mich vorhin angerufen. Sie sagte, in Regensburg sei ein Mann aufgetaucht, auf den Markus’ Beschreibung passt und der haargenau dieselbe Kleidung trägt. Er sei bei einem Ladendiebstahl erwischt worden und etwas verwahrlost, als habe er eine Weile auf der Straße gelebt, ansonsten aber unversehrt. Kannst du mir bis hierhin folgen?«

»Natürlich!« Sascha schenkte ihr einen entrüsteten Blick. »Behandle mich gefälligst nicht immer, als wäre ich total verblödet. Mag schon sein, dass du um einiges intelligenter bist als ich. Aber deshalb bin ich noch lange nicht doof.«

Cora wartete, bis er verstummt war, ging dann aber mit keinem Wort auf seinen Vorwurf ein. Für so einen Blödsinn hatte sie jetzt keine Zeit.

»Die Kommissarin sagte, sie sei zwar überzeugt, dass es sich um Markus handelt, wollte aber meine Meinung hören, bevor sie ihn hierher bringen lässt. Deshalb hat sie mir per Mail ein Foto geschickt. Ich war natürlich skeptisch, schließlich hast du mir damals am Telefon hoch und heilig versichert, dass du ihn umgebracht hast. Kannst du dir also meine Überraschung vorstellen, als ich feststellen musste, dass sie recht hat? Der verwahrloste Mann aus Regensburg ist tatsächlich Markus! Da gibt es gar keinen Zweifel. Ich erkenne meinen Ehemann nämlich, sobald ich ihn sehe, auch wenn er sich in den drei Monaten auf der Straße natürlich ein wenig verändert hat.«

»Das ist absolut unmöglich!«, sagte Sascha und schüttelte zur Bekräftigung seiner Worte heftig den Kopf.

»Und warum ist das unmöglich?« Cora blinkte und bog nach links ab, um zur A 94 zu kommen. Dabei achtete sie automatisch auf alle Fahrzeuge, die ihr folgten.

»Weil er definitiv tot war.«

»Ach ja? Und seit wann bist du der Experte, um zweifelsfrei zu erkennen, ob jemand tot ist oder nicht? Hast du überhaupt schon einmal eine echte Leiche gesehen, oder hast du dein angebliches Fachwissen nur aus dem Fernsehen oder Kino?«

»Ich sage dir, er war tot!«

»Hast du das überprüft?«

»Überprüft?«

»Ja. Hast du dich davon überzeugt, dass es keine Lebenszeichen mehr gab? Hast du beispielsweise die Finger an seine Halsschlagader gehalten, um nach dem Puls zu fühlen? Oder hast du dein Ohr an seine Brust gelegt, um nach seinem Herzschlag zu horchen? Aber vielleicht hast du ja auch einen Spiegel vor seinen Mund gehalten, um zu überprüfen, ob er noch atmet. Sag schon, hast du auch nur irgendetwas davon getan?«

Sie wusste, dass er nichts davon getan hatte, da sie das Video gesehen hatte, doch davon musste er zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nichts wissen.

Sascha war während ihrer Worte immer blasser geworden. Seine Augen zuckten unruhig hin und her, als suchte er nach einem Ausweg, während er nachdachte und möglicherweise den Ablauf jener Nacht noch einmal in Gedanken Revue passieren ließ. Dann schüttelte er den Kopf, sagte jedoch nichts, sondern presste die Lippen aufeinander, als wollte er sich ohne seinen Anwalt nicht mehr zu dieser Sache äußern.

»Was ist?«, fragte Cora und legte die rechte Hand hinter ihr Ohr. »Ich höre gar nichts? Beantworte gefälligst meine Frage, und zwar laut und deutlich. Oder hat es dir etwa die Sprache verschlagen?«

Sascha schluckte deutlich hörbar und räusperte sich, bevor er antwortete: »Nein.«

»Was nein? Nein, mir hat es nicht die Sprache verschlagen? Oder nein, ich habe keine der vor dir genannten Maßnahmen ergriffen, um mich davon zu überzeugen, dass dein Mann wirklich tot ist?«

»Ich hab mich nicht davon überzeugt, dass er tot ist«, sagte Sascha flüsternd. »Aber ich war mir so sicher, dass er …«

»Erspar mir das!«, würgte Cora ihn gnadenlos ab. »Ich hab weder Lust noch Zeit, mir deine Rechtfertigungsgründe anzuhören. Tatsache ist und bleibt nämlich, dass du große Scheiße gebaut hast, weil du ihn nicht lange genug gewürgt hast, bis er wirklich tot war, und dich anschließend nicht einmal davon überzeugt hast, ob er noch lebt. Nur deshalb sitzen wir jetzt bis zum Hals in der Scheiße. Obwohl, ein Gutes hat die Sache immerhin.«

»Was denn?«

»Wenn Markus gar nicht tot ist, dann kann die Polizei auch nicht wegen Mordes hinter uns her sein, oder?«

»Stimmt. Aber wenn er ihnen nun erzählt hat, was passiert ist. Hast du deshalb gefragt, ob mir jemand gefolgt ist?«

»Nein.« Cora blinkte und lenkte den Wagen auf die Zufahrt zur A 94 in Richtung Parsdorf. Von den Autos, die ihr folgten, war ihr zuvor noch keins aufgefallen.

»Warum dann?«

»Weil es auch sein kann, dass uns die Polizei nur eine Falle stellen will. Außerdem kann ihnen Markus nichts erzählt haben, weil er angeblich das Gedächtnis verloren hat.«

»Er kann sich an nichts erinnern?«

»Ja. Das ist nun mal so, wenn man das Gedächtnis verloren hat.«

»Das ist doch gut, oder?«, sagte Sascha und lächelte wieder voller Zuversicht.

Manchmal wünschte sich Cora beinahe, sie hätte seinen IQ, denn dann würde sie sich vermutlich nicht so viele Gedanken machen müssen und hätte entschieden weniger Sorgen und Kummer. Das Leben könnte so schön und unkompliziert sein.

Sie sah in den Rückspiegel und bemerkte einen schwarzen BMW X5, der drei Wagenlängen hinter ihr auf der anderen Spur fuhr. Sie fragte sich, ob sie denselben Wagen nicht erst vor fünf Minuten schon einmal gesehen hatte. Allerdings hatte sie nicht auf das Nummernschild geachtet und war sich daher auch alles andere als sicher. Im Übrigen musste es nicht unbedingt etwas zu bedeuten haben, wenn sie denselben Wagen öfter sah, weil die Leute in den anderen Autos alle in dieselbe Richtung wie sie wollten. Sie gab Gas, bis sich auf der anderen Spur eine Lücke auftat, die sie benutzen konnte, um die Fahrzeuge vor ihr zu überholen. Der BMW blieb, wo er war, und machte keine Anstalten, ihr zu folgen, sodass sie erleichtert aufatmete.

»Verlorene Erinnerungen können auch irgendwann wieder zurückkommen«, beantwortete sie mit einiger Verspätung Saschas Frage.

Sein Lächeln verblasste langsam, während er nickte und sich dabei umsah. Zum ersten Mal seit Beginn der Fahrt schien er ihre Umgebung bewusst wahrzunehmen. Vielleicht hatte er bereits eine Ahnung, wohin sie unterwegs waren, dennoch fragte er: »Wohin fahren wir eigentlich?«

»In den Ebersberger Forst.«

»Und was machen wir dort?«

»Du wirst mir die Stelle zeigen, an der du Markus vergraben hast.«

»Warum? Glaubst du etwa nicht, dass ich ihn dort verscharrt habe, weil ich dachte, ich hätte ihn erwürgt?«

»Doch, das glaube ich dir sogar.«

Sie erzählte ihm natürlich nichts von den Videos, die ihr gezeigt hatten, dass er die Wahrheit sagte und sich wirklich bemüht hatte, alles so auszuführen, wie sie es von ihm verlangt hatte. Die Enthüllung, dass sie handfeste Beweise für seine Tat besaß, hob sie sich für einen geeigneteren Zeitpunkt auf. Außerdem hatte sie ihm nie wirklich misstraut und geglaubt, er triebe ein falsches Spiel mit ihr. Ihr war zwar für den Bruchteil eines Augenblicks der flüchtige Gedanke gekommen, Sascha könnte Markus ihren Mordplan verraten haben, um auf diese Weise eine Menge Geld herauszuschlagen, und die beiden könnten anschließend den Mord nur vorgetäuscht haben. Doch dafür war Sascha ihrer Meinung nach nicht clever genug. Außerdem war er ihr geradezu hörig und würde daher auch nichts tun, was ihr schaden könnte.

»Warum fahren wir dann dorthin?«

»Aus mehreren Gründen«, sagte Cora und beobachtete den Verkehr hinter ihnen. Den X5, der ihr zuvor aufgefallen war, konnte sie zum Glück nicht mehr entdecken. Also war es nur falscher Alarm gewesen. »Zum einen müssen wir uns unbedingt davon überzeugen, ob das Grab im Wald tatsächlich leer ist. Wie schon gesagt, besteht durchaus die Möglichkeit, dass die Polizei uns in eine Falle locken will, indem sie einfach nur behauptet, Markus sei plötzlich wieder aufgetaucht.«

»Und was ist mit dem Foto, das sie dir geschickt haben?«

»Fotos können manipuliert sein. Und die Polizei verfügt höchstwahrscheinlich über die technischen Möglichkeiten, ein Foto so zu verändern, dass sogar ich damit getäuscht werde.«

»Aber was würden sie damit erreichen wollen?«

»Dass wir die Nerven verlieren und Fehler machen.«

»Zum Beispiel?«

»Indem wir beispielsweise die vereinbarte Funkstille brechen, uns treffen und gemeinsam zu dem Ort fahren, an dem du Markus vergraben hast. Falls wir tatsächlich verfolgt werden sollten, dann würden wir die Polizei damit nämlich direkt zur Leiche führen. Und sobald die Polizei erst einmal die Leiche hätte, würden wir beide schnurstracks ins Gefängnis wandern.«

Sascha wurde erneut blass. Er sah sich hektisch nach allen Seiten um und musterte die anderen Verkehrsteilnehmer in ihren Fahrzeugen misstrauisch. »Aber wieso tun wir dann genau das, wenn es nur eine Falle der Polizei ist?«

»Weil ich schon die ganze Fahrt über darauf achte, ob wir möglicherweise verfolgt werden, und bislang nichts davon feststellen konnte. Ich gehe deshalb mittlerweile gar nicht mehr davon aus, dass die Ermittlerin uns in eine Falle locken will, sondern glaube im Gegenteil, dass sie die Wahrheit gesagt hat und in Regensburg tatsächlich jemand aufgetaucht ist, der meinem Mann zum Verwechseln ähnlich sieht. Deshalb müssen wir uns ja unbedingt davon überzeugen, ob das Grab leer ist. Denn wenn Markus tatsächlich tot ist und noch immer dort begraben liegt, dann kann der andere Mann nur ein Betrüger sein, auch wenn er komischerweise wie Markus aussieht und dieselben Klamotten trägt.«

Sascha schüttelte verwirrt den Kopf, das Gesicht ein einziges großes Fragezeichen. »Ich verstehe langsam gar nichts mehr. Ist Markus jetzt eigentlich tot oder nicht? Und ist der Typ in Regensburg der echte Markus oder nur ein Betrüger?«

»Ich weiß es auch nicht«, sagte Cora und seufzte. »Im Augenblick ist eigentlich noch alles offen und damit auch alles möglich. Aber sobald wir erst einmal am Grab stehen, werden wir wissen, was hier gespielt wird.«

3

Sie fuhren auf einem schmalen, extrem holprigen Weg in Schrittgeschwindigkeit durch den Wald. Cora bereute es mittlerweile, mit dem Porsche gekommen zu sein. Der Wagen war definitiv nicht die beste Wahl für einen Ausflug in den unzugänglichsten Bereich dieses Waldstücks. Sie fürchtete ernsthaft, sich den Unterboden zu ruinieren oder den Lack zu zerkratzen. Außerdem war das Auto für das, was sie vorhatten, ohnehin zu auffällig. Wenn sie jemandem begegneten, würde der sich bestimmt auch in einem Jahr noch lebhaft daran erinnern, dass er ein weißes Porsche-Cabrio im Wald gesehen hatte. Saschas Auto, ein dunkelblauer, sichtlich in die Jahre gekommener Opel Astra, wäre für dieses Abenteuer wesentlich besser geeignet gewesen. Doch es war zu spät, um jetzt noch umzukehren und das Auto zu wechseln. Außerdem war ihnen bislang noch niemand begegnet, und wenn sie Glück hatten, würde das auch so bleiben.

Nachdem sie die A 94 bei der Ausfahrt Forstinning verlassen hatten und hinter Schwaberwegen in den Ebersberger Forst gefahren waren, hatte Sascha sie tiefer und tiefer in den Wald gelotst. Schon bald verließen sie die Staatsstraße 2080 und folgten einem Waldweg. Sie bogen mehrmals ab, bis Cora das Gefühl hatte, komplett die Orientierung verloren zu haben, und die Wege immer schmaler und schlechter wurden, sodass sie um ihr schönes Auto fürchtete. Irgendwann, nachdem Sascha eine Weile gar nichts mehr gesagt hatte, hegte sie sogar die Befürchtung, sie könnten sich verirrt haben, doch da deutete er plötzlich auf die Gabelung vor ihnen und wies sie an, die rechte Abzweigung zu nehmen.

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