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[23]2 Akteure der Globalisierung
Transnationale Unternehmen
Grenzüberschreitende Handels- und Dienstleistungsaktivitäten werden von Unternehmen durchgeführt, die heute üblicherweise als transnationale Unternehmen (transnational corporations, TNC) bezeichnet werden. Der Begriff TNC wurde zuerst von Bartlett und Ghoshal (1989)8 definiert, die hierunter „ein kontextgesteuertes Netz von geographisch verteilten Unternehmenseinheiten, das flexibel transnationale Integrationsanforderungen (economies of scale) mit nationalen Differenzierungsnotwendigkeiten (responsiveness) verbinden soll“9, verstehen. Damit verbunden ist die Notwendigkeit, dass das Management neben allgemeinen Managementkompetenzen auch über internationales und interkulturelles Managementwissen verfügt. Auch wenn grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass das Außenhandelspotenzial von Unternehmen mit dem Spezialisierungsgrad und damit auch mit der Größe des Unternehmens steigt, zählen heute auch viele kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) hierzu, von denen insbesondere die Hidden Champions, die unbekannten Weltmarktführer besonders hervorzuheben sind.10 Abnehmer der ex- und importierten Produkte und Dienstleistungen sind Unternehmen und Privatpersonen.
Nach UNCTAD-Schätzungen gab es im Jahre 2008 weltweit über 80.000 TNCs, mit über 800.000 Tochtergesellschaften, die weltweit etwa 45 Mio Mitarbeiter außerhalb ihres Heimatstandortes hatten. Insgesamt stiegen diese Werte in dem 15-Jahreszeitraum zwischen 1993 und 2008 im Schnitt um etwa 7% p.a. Allerdings wuchs das im Ausland investierte Kapital der 100 größten TNCs pro Jahr um 11%, während die Anzahl der im Ausland beschäftigten Personen um [24]nur um 3% pro Jahr zunahm, ein deutliches Anzeichen dafür, dass die Globalisierung kapitalbestimmt ist und die Auswirkungen auf die Arbeitsmärkte begrenzt sind. Laut UNCTAD entfallen auf die TNCs etwa ein Drittel der weltweiten Güter- und Dienstleistungsexporte sowie etwa 4% der weltweit Beschäftigten.
Abbildung 1/2: Transnationale Unternehmen – Entwicklungsdaten11
Beispiele 1/1
Die BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH ist eine weltweit tätige Unternehmensgruppe mit 42 Fabriken in 13 Ländern; zusammen mit einem globalen Netz von Vertriebs- und Kundendienstgesellschaften sind mehr als 70 Gesellschaften in 49 Ländern mit über 45.000 Mitarbeitern für die BSH tätig (www.bsh-group.de).
Die Linde Group verfügt über 600 Konzerngesellschaften mit über 50.000 Mitarbeitern in mehr als 100 Ländern (www.thelinde-group.com).
[25]Die Volkswagen AG beschäftigt über 500.000 Mitarbeiter in 94 Fertigungsstätten in 18 Ländern Europas und in 8 Ländern Amerikas, Asiens und Afrikas und vertreibt seine Fahrzeuge in 153 Ländern (www.volkswagenag.com).
Die Siemens AG ist in 190 Ländern mit über 286 Produktionsstätten und einer Vielzahl weiterer Niederlassungen, in denen 360.000 Mitarbeitern beschäftigt sind, vertreten. Allein in den 10 größten Länderorganisationen sind Mitarbeiter aus 140 verschiedenen Ländern beschäftigt (www.siemens.com).12
Abb. 1/3 zeigt die 35 größten TNCs (Stand 2007). Das Ranking richtet sich hier nach dem absoluten Volumen des im Ausland investierten Kapitals. Die zweite Spalte zeigt das Ranking entsprechend des Transnationalitätsindex TNI. Dieser wird als einfacher ungewichteter Durchschnitt aus den drei Teilindizes berechnet: Ausländisches Kapital am Gesamtkapital, ausländische Umsätze am Gesamtumsatz und ausländische Beschäftigte an der Gesamtzahl aller Beschäftigten des Unternehmens. Der TNI ist damit in hohem Maße von dem als Hauptsitz genannten Land abhängig. Transnationale Unternehmen, die ihren Sitz in einem kleinen Land haben, wie etwa in der Schweiz oder in Belgien, weisen daher regelmäßig vergleichsweise hohe Indexziffern auf.
Beispiel 1/2
Die deutsche EON AG hatte 2007 ein Auslandsvermögen in Höhe von 123 Mrd USD, damit stand sie weltweit an 10. Stelle. Würde ein Ranking entsprechend des TNI erstellt, nähme sie Platz 69 ein. Dieser Platz ergibt sich aus den errechneten TNI in Höhe von 53,6, das ungewichtete Mittel aus den genannten drei Teilindizes. Im Vergleich dazu hat das Stahlunternehmen ArcelorMittal mit Sitz in Luxemburg auf Platz 11 einen TNI von 89,4 und damit den dritthöchsten TNI aller TNCs.
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Abbildung 1/3: Die größten Transnationalen Unternehmen13
[27]Globalisierung findet üblicherweise zunächst innerhalb des eigenen Wirtschaftsblocks statt und erweitert sich dann auf die Triade, hier als Bezeichnung für die wirtschaftlich wichtigsten Länder Europas, Nordamerikas und Asiens verwendet. Der älteste und größte Wirtschaftsblock, die Europäische Union, hat bislang die Integration am weitesten vorangetrieben. Betrachtet man die regionale Verteilung, so dominieren daher auch europäische Unternehmen die Liste der Top 100 der transnationalen Unternehmen, sie verzeichnete 2008 58 Unternehmen aus der EU (1999:47), 18 aus den USA (1999:29) und 9 aus Japan (1999:17).14
Auch wenn die Transnationalen Unternehmen die Globalisierung entscheidend vorantreiben, so bedeutet dies keineswegs, dass sie die einzigen Akteure der Globalisierung sind. Akteure sind Privatpersonen, das wurde schon erwähnt; hinzu kommen Länder und Zusammenschlüsse von Ländern, wie etwa die Europäische Union (EU), internationale Organisationen, wie der Internationale Währungsfonds (IWF) oder die Welthandelsorganisation WTO, nationale [28]Organisationen, wie der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) oder politische Stiftungen, wie etwa die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES). Zudem etablieren sich auch Städte oder Regionen als Global Player und versuchen, die Chancen der Globalisierung zu nutzen.
Abbildung 1/4: Globale Akteure
Privatpersonen
Privatpersonen als Arbeitnehmer in Unternehmen beschäftigt, erhalten hierdurch einerseits Beschäftigungsmöglichkeiten und entwickeln weitere Spielarten globaler Transaktionen, andererseits verlieren durch die Aktivitäten der global player Arbeitsplätze und sind wiederum gezwungen – auch grenzüberschreitend – neue Beschäftigungs- oder Einkommensmöglichkeiten zu suchen. Und als Konsumenten fragen sie die von den Unternehmen möglicherweise global produzierten und auf nationalen Märkten angebotenen Produkte nach.
Staaten
Staaten setzen die Rahmenbedingungen nach innen (Steuern, nationale Gesetze, Standortbedingungen) und agieren nach außen durch ihre Außen- oder Außenwirtschaftspolitik, indem sie beispielsweise den Grad der Protektion durch Zölle oder Wechselkurse bestimmen. Als Mitglieder in Staatenbündnissen oder Internationalen Institutionen, wie beispielsweise den Vereinten Nationen (UN), der Gruppe der 20 (G 20) oder dem Internationalen Währungsfonds (IWF) können Sie aktiv Einfluss auf die weltweiten Rahmenbedingungen und damit auf die Gestaltung der Globalisierung nehmen.
Staatenbündnisse (Regionalintegrationen)
Staaten können immer weniger ihre globalen Interessen im Alleingang durchsetzen. Sie schließen sich daher zu Bündnissen zusammen, die je nachdem, ob nationale Funktionen auf eine supranationale Ebene verlagert werden, auch als Regionalintegration bezeichnet werden. Beispiele für solche Regionalintegration, die sich jedoch [29]in unterschiedlichen Stadien der Zusammenarbeit befinden, sind etwa die EU, die NAFTA, die ASEAN oder der Mercosur.15
Internationale Organisationen
Eine andere Möglichkeit für Staaten, sich auf internationaler Ebene abzustimmen und eigene Interessen soweit möglich auch umzusetzen, besteht in dem Beitritt zu internationalen Organisationen, die – global oder regional orientiert – supranationale Interessen vertreten.
Wichtigste Organisation sind die Vereinten Nationen (UN) mit ihren Sonderorganisationen, wie beispielsweise der Welternährungsorganisation FAO, dem Internationalen Währungsfonds IWF, der Bildungs- und Wissenschaftsorganisation UNESCO oder der Weltbank (International Bank für Reconstruction and Development). Zu den UN-Spezialorganisationen zählen u.a. die Handels- und Entwicklungsorganisation UNCTAD, die UN-Entwicklungsorganisation UNDP und die Umweltorganisation UNEP.
Weitere Organisationen sind beispielsweise die Welthandelsorganisation WTO, die NATO, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit OSZE, der „Industrieländerclub“ OECD, die OPEC, der Europarat, die Arabische Liga sowie die Zentralbank der Zentralbanken BIZ (BIS) in Basel. Hinzu kommen so unterschiedliche Organisationen wie der Internationale Strafgerichtshof (International Criminal Court, ICC) in Den Haag oder internationale Entwicklungsbanken wie die Asian Development Bank (ADB) in Manila. Auf europäischer Ebene zählen hierzu die verschiedenen Institutionen und Organe der Europäischen Gemeinschaften, wie die Europäische Zentralbank EZB in Frankfurt, das Europäische Patentamt EPO in München oder die Europäische Kommission.
Mitglieder internationaler Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die sich häufig um soziale und Umweltfragen kümmern, wie Greenpeace, Amnesty International oder der Worldwide Fund for Nature WWF, sind dagegen keine Staaten, sondern Privatpersonen.
[30]
Abbildung 1/5: Zusammenschlüsse von Staaten
[31]Global Cities
Aufgrund verschiedener Attribute und unterschiedlicher Leistungs- und Bedeutungsspektren, vor allem aber ihrer politischen und/oder wirtschaftlichen Relevanz, sind auch Städte und Stadtregionen, wie beispielsweise New York, London, Shenzhen, Tokyo, Brüssel, Hamburg oder Bangalore, abgesehen von den Stadtstaaten Singapur oder Hongkong, zu globalen Akteuren, die auf der globalen Bühne ihre Interessen mit erheblichem Gewicht vertreten, geworden.16 In Global Cities konzentrieren sich politische Steuerungs- sowie Finanz- und wichtige Dienstleistungsfunktionen für die anderen globalen Akteure. Die hierfür benötigten internationalen Fach- und Führungskräfte einerseits sowie der Bedarf an einfachen Dienstleistungen andererseits, zudem die Notwendigkeit, hochwertige Kultur-, Erholungs- und Vergnügungseinrichtungen bereitzustellen, machte Global Cities zunächst zu Anziehungspunkten, später zu Zentren internationaler Migration. Global Cities zeichnen sich u.a. durch freien Zugang zu Information und Technologie sowie zu kulturellen und anderen Dienstleistungen aus (Open Cities), sie sind meist attraktive Lifestyle Centers und ziehen dadurch relevante und interessante Unternehmen und Persönlichkeiten an (Regional Gateways). Sehr häufig prägen sie das Image oder sogar die Identität ihres Landes oder sind dessen Aushängeschild (National Leaders), sie sind möglicherweise als politische Zentren (Policy Hubs) Sitz Internationaler Organisationen und wichtiger politischer Institutionen. Auch aus diesen Gründen ziehen sie erhebliche Investitionen auf sich, dienen als Finanzzentren und als Plattform für internationale Wirtschaftskontakte (Platform Cities).17
Regionen
Auch Regionen sind ähnlich wie Städte aktive Akteure der Globalisierung. Hierbei handelt es sich um subnationale Einheiten, die vor allem [32]aufgrund ihrer wirtschaftlichen Stärke, Infrastruktur, Offenheit und Ausrichtung besonders intensiv in die Globalisierung eingebunden. Beispiele hierfür sind Shutoken in Japan (Tokio+4 weitere Städte mit 35 Mio Einwohnern und einem BIP, das über 50% des deutschen BIPs beträgt), die Ile de France (die Region um Paris), Norditalien (um die Industriestädte Mailand und Turin), das Bundesland Bayern, Guandong in Südchina, Dalian in Nordchina, das Silicon Valley in Kalifornien oder die Mumbai-Region in Indien. Da globale Entwicklungen sich besonders schnell und intensiv insbesondere auf die Wirtschaft und damit Regionalpolitik in solchen hochentwickelten oder Entwicklungsregionen auswirken, sind diese daran interessiert, direkt in entsprechenden Organisationen oder indirekt über ihre Regierungen für sie günstige Entscheidungen zu bewirken. Dies gilt im Übrigen zum Teil auch für grenzübergreifende regionale Kooperationen, wie etwa die Regio, das Länderdreieck Deutschland (Südbaden), Frankreich (Elsass) und Schweiz (Basel).
Nationale Organisationen
Schließlich sind auch staatliche oder nicht-staatliche nationale Organisationen meist indirekt Mitglieder in internationalen Vertretungen oder Zusammenschlüssen: etwa der Deutsche Fußball-Bund DFB als Mitglied der FIFA, die Kirchen, die Deutsche Bundesbank als Mitglied der BIZ oder der Europäischen Zentralbank (EZB), die IG Metall als Mitglied des Internationalen Gewerkschaftsbundes IGB oder die Arbeitgeberverbände; aber auch unmittelbar, etwa der Deutsche Industrie- und Handelskammertag DIHK mit seinen Mitgliedsorganisationen, den Außenhandelskammern (AHKs), oder Organisationen, die im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit aktiv sind, wie die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GIZ, die politischen Stiftungen, wie die Friedrich-Ebert-Stiftung oder die Konrad-Adenauer-Stiftung18, die Arbeiterwohlfahrt (AWO-International) oder kirchliche Hilfsorganisationen vertreten ihre Interessen auf internationaler Ebene, sind Akteure mit grenzüberschreitender Wirkung und aktive global player.
[33]Teil II: Interkulturelles Management – Abgrenzung und Systematisierung
Unter Management kann man die Gestaltung, Steuerung und Entwicklung von Strukturen und Prozessen zur Erreichung von Zielen einer Organisation verstehen. Hierfür ist Fach-, Prozess- und Führungskompetenz erforderlich. Management erfolgt in unterschiedlichen spezifischen z.T. komplexen Kontexten. Internationales Management ist „grenzüberschreitendes“ Management, es muss zusätzlich internationale Rahmenbedingungen berücksichtigen. Interkulturelles Management ist dagegen „kulturübergreifendes“ Management, es muss kulturelle und interkulturelle Besonderheiten kennen und diese im Rahmen des Managementprozesses berücksichtigen.
Im Bereich des Managements sollten fachspezifische Managementfelder, Managementprozesse und Führungsaspekte im Hinblick auf interkulturelle Einflussfaktoren analysiert werden, um diese angemessen berücksichtigen zu können. Zusätzlich ergeben sich aus der Unterscheidung interkultureller Managementsituationen in Managementprozesse in, für und von andere(n) Kulturen weitere Anhaltspunkte für zu berücksichtigende kulturell beeinflusste Faktoren.
[34]Das Verhalten von Personen wird nicht nur durch Nationalkulturen, sondern auch durch weitere Regionalkulturen und durch Bereichskulturen beeinflusst. Um die Relevanz dieser Vielzahl kultureller Faktoren zu kennzeichnen, wird vorgeschlagen, diese Einflüsse und die notwendigen Managementreaktionen im Rahmen einer „Kulturmatrix“ zu systematisieren. Darüber hinaus sind als eine weitere Dimension noch Persönlichkeitsmerkmale der beteiligten Personen zu berücksichtigen.
Lernziele
Den Begriff des Managements und der Managementdimensionen kennen.
Die Unterschiede zwischen internationalem und interkulturellem Management kennen.
Interkulturelles Management systematisch analysieren können.
[35]3 Allgemeines Management
3.1 Managementdefinitionen
Soll der Begriff Interkulturelles Management definiert werden, so tauchen gleich zu Anfang mehrere Schwierigkeiten auf. Um nur einige zu nennen:
Der Begriff des Managements ist vielschichtig. Das ihm inhärente große Spektrum von Ausgestaltungs- und Interpretationsmöglichkeiten führt dazu, dass der Begriff inzwischen eher inflationär verwendet wird. Es ist somit praktisch unmöglich, mit einer Definition alle Spielarten und das gesamte Spektrum zu erfassen.
Ähnlich verhält es sich mit dem Kulturbegriff. Hier sind es vor allem die diversen Fachdisziplinen, die eifersüchtig über ihre Interpretation von Kultur wachen und argwöhnisch neue, insbesondere pragmatische Definitionsversuche kritisieren. Man schaue sich hierzu nur die kulturwissenschaftliche, anthropologische und psychologische Literatur zu dieser Thematik an. Schon 1952 fanden Kroeber/Kluckhohn insgesamt 164 verschiedene Definitionen von Kultur bzw. culture.19
Wir haben es also aus doppelter Sicht mit keineswegs eindeutig bestimmten und bestimmbaren Begriffen zu tun, wobei das Hinzufügen der Vorsilbe „inter“ dieses Vorhaben keineswegs erleichtert.
Schließlich wird mit dem Begriff der Definition auch keineswegs eindeutig umgegangen. Geht es hier um eine alle relevanten Aspekte umfassende Deutung oder Beschreibung dieses Tätigkeitsbereichs oder um pragmatisch einprägsame, aber dann auch zwangsläufig verkürzte Kurzformen?
[36]Wie auch im weiteren Verlauf der Überlegungen werde ich stets versuchen, im Zweifel pragmatisch-zweckmäßige Varianten vorzuziehen, die sowohl wissenschaftlichen Anforderungen, aber auch praktischen Zielsetzungen genügen sollen. Diese Vorgehensweise ist durchaus angreifbar. Vielleicht gelingt es aber so, einen – wie ich meine überfälligen – Diskurs zu dieser Thematik (wieder) anzustoßen, in dessen Verlauf sich Fronten klären und sich akzeptierbare Definitionen, Strukturen und Vorgehensweisen herausbilden können. Diese wiederum könnten sowohl die Grundlage für systematische, empirisch orientierte Forschungsansätze als auch für handlungsorientierte Analyseraster bilden.
Management bedeutet letztlich immer die Gestaltung von Beziehungen zwischen Menschen Sachen und Situationen. Personen sollen dazu gebracht werden, eigene, meist aber fremde Ziele möglichst effizient und effektiv und in überschaubaren Zeiträumen zu erreichen. Hierzu bedarf es neben Fach- und Führungswissen und der entsprechenden Erfahrung auch die Kenntnis der hierfür notwendigen Prozesse sowie deren Strukturierung und Gestaltung. Insgesamt ist also Management ein komplexer Vorgang, der in der nicht mehr überschaubaren Managementliteratur auch zu einer Vielzahl von recht unterschiedlichen Definitionen geführt hat. Die folgenden Definitionen stellen nur eine kleine Auswahl dar.
[1] Management ist die Erreichung fremder Ziele mit fremden Mitteln auf eigenen Wegen. (Holzbaur)20
[2] Management ist die Leitung soziotechnischer Systeme in personen- und sachbezogener Hinsicht mithilfe von professionellen Methoden. (Ulrich/Fluri)
[3] Management ist die zielorientierte Gestaltung, Steuerung und Entwicklung des soziotechnischen Systems Unternehmung in sach- und personenbezogener Dimension. (Hopfenbeck)
[37][4] Management is getting things done through other people. (American Management Association)
[5] Management ist zielorientiertes Gestaltungs- und Lenkungshandeln in Betrieben als organisierten, kontinuierlich zweckgerichteten menschlichen Handlungsgemeinschaften. (Jung et al.)21
[6] Als Funktion umfasst das Management im weitesten Sinne alle zur Steuerung eines Unternehmens notwendigen Aufgaben und Entscheidungen. (Meckl)22
[7] Management kann aus funktionaler Sicht als ein Komplex von Steuerungsaufgaben verstanden werden, die bei der Leistungserbringung im Unternehmen zu erfüllen sind. (Scherm/Süß)23
[8] Management ist das Gestalten, Lenken und Weiterentwickeln zweckorientierter soziotechnischer Organisationen. (Rüegg-Stürm)24
Management bezieht sich dabei zwar im Kern auf Prozesse und Strukturen innerhalb der eigenen Organisation, wie Mitarbeiter oder Eigentümer oder auch andere Einheiten der eigenen Organisation. Des Weiteren beinhaltet es aber auch grundsätzlich und in Abhängigkeit von der jeweiligen Managementebene und -situation eine Vielzahl von organisationsexternen Beziehungen mit Vertretern der Organsationsumwelt. Hierbei handelt es sich einerseits um Beziehungen zu Personen oder Organisationen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit den Märkten, auf denen die Organisation agiert, stehen, wie Kunden, Vertrags- und Kooperationspartner oder Mit-Wettbewerber sowie um Lieferanten und Logistikpartner. Hinzu [38]kommen andere Organisationen, wie Wirtschaftsorganisationen (etwa Gewerkschaften oder Arbeitgeberverbände), relevante soziale und politische (Interessen-)Gruppen, wie NGOs oder religiöse Gruppen, die „Öffentlichkeit“ und die Medien sowie die staatlichen Instanzen, vorwiegend der Exekutive. Abb. 2/1 gibt einen groben Überblick über das Spektrum der Managementbeziehungen, in diesem Fall bei Unternehmen:
Abbildung 2/1: Managementbeziehungen25
Betrachtet man den Kern dieser unterschiedlichen Managementdefinitionen und berücksichtigt dabei gleichzeitig, dass sich Management sowohl auf direkte (das eigene Unternehmen betreffende) und indirekte (die Umwelt betreffende) Vorgänge bezieht, so schlage ich in Anlehnung an Ulrich (1984) folgende Managementdefinition vor:
Management ist die (laufende) (professionelle) zielorientierte Gestaltung, Steuerung und Entwicklung von (komplexen) Strukturen und Prozessen von Organisationen.
[39]Diese Definition trägt der Komplexität des Managements Rechnung. Sie umfasst Managementverantwortung auf unterschiedlichen Hierarchieebenen, kurz- und langfristig orientierte Vorgänge und sehr verschiedene Sach- und Personenbereiche. Auch wenn aus Übersichtlichkeitsgründen nicht explizit genannt, bezieht sich die Gestaltungsaufgabe selbstverständlich auch auf Zielsetzungsprozesse selbst, die wiederum u.a. Wirtschaftlichkeits-, Nachhaltigkeitsbzw. Existenzsicherungsaspekte beinhalten sollten. Die Klammerausdrücke berücksichtigen die Tatsache, dass Management im Normalfall ein permanenter Vorgang ist, der auch professionell gehandhabt werden sollte und sich im Regelfall auf eher komplexe Situationen bezieht. Es sind jedoch auch Managementsituationen denkbar, denen eines oder mehrere dieser Kennzeichen fehlen und die trotzdem von dieser Definition erfasst werden.
3.2 Managementdimensionen
Welche verschiedenen Dimensionen des Managements lassen sich unterscheiden? Auch hier gibt es wieder sehr unterschiedliche Ansichten, Ansätze und Interpretationen. Auch auf die Gefahr hin, zu vereinfachen, sollen hier drei Dimensionen in den Mittelpunkt gestellt werden: Managementfelder, Managementprozesse und Führung (Leadership). Ein kompetenter Manager, so die Ausgangshypothese, muss in allen Dimensionen kompetent sein, er muss also Fach-, Prozess- und Führungskompetenz besitzen, wobei Art und Umfang in hohem Maße organisations-, positions- bzw. funktions- sowie situationsabhängig sind und insbesondere in Abhängigkeit von der Managementebene variieren.26
[40]
Abbildung 2/2: Managementdimensionen und -kompetenzen
Fachkompetenz ist Grundlage für die Fähigkeit, fundierte Managemententscheidungen in bestimmten abgegrenzten Managementfeldern zu treffen. Es setzt sich zusammen aus Expertenwissen, spezifischen Kompetenzen und relevanten Erfahrungen. Breite, Tiefe und Qualität der spezifischen Fachkompetenz sowie die Notwendigkeit, über diese zu verfügen, sind insbesondere abhängig von der jeweiligen Hierarchieebene. So kann es sich dabei beispielsweise handeln um die
vertriebsorientierte Fachkompetenz eines Vertriebsmanagers, der ein Vertriebssystem für das südliche Afrika konzipieren soll,
projekttheoretische und organisationsspezifische Fachkompetenz eines Teamleiters, der mit seinem interkulturell zusammengesetzten Team einen Ablaufplan für den Aufbau einer Vertriebsgesellschaft in Mexiko entwickeln soll oder um die
produkt- und produktionsspezifische Kompetenz eines Nachwuchsmanagers, der die Leitung eines Werkes in Spanien übernehmen soll.
Die Kombination von Fachkompetenz und allgemeiner Managementkompetenz, gekoppelt mit intellektuellen, analytischen und kommunikativen Fähigkeiten ist Voraussetzung dafür, Prozesse [41]und Strukturen adäquat und zielorientiert gestalten zu können. Dabei nimmt zwar die Bedeutung von Fachkompetenz mit dem Erreichen höherer Hierarchiestufen ab, dennoch fließen die fachspezifischen Erfahrungen auch in Managemententscheidungen auf einer höheren Hierarchiestufe ein. Der Gruppenleiter als typischer Vertreter des unteren Managements wird Fachkompetenz im Regelfall in weit höherem Maße benötigen als das dem Topmanagement angehörende Vorstandsmitglied.
Die folgende Abbildung stellt einige zentrale Managementfelder in Unternehmen dar, in denen spezielle Fachkompetenz gefragt ist:
Abbildung 2/3: Managementfelder
Prozesskompetenz bezieht sich darauf, strategische bzw. operative Managementprozesse, Projekte oder Leistungserbringungen, kompetent zu steuern und damit Anforderungen möglichst optimal zu erfüllen („doing things right“)27. Strategische Prozesse zielen auf den Aufbau langfristiger nachhaltiger Wettbewerbsvorteile, während [42]operative Prozesse die Gewährleistung effizienter Abläufe und Problemlösungsroutinen gewährleisten sollen.28 Managementprozesse beinhalten im Kern Planungs-, Entscheidungs-, Koordinations- und Kontroll- sowie Monitoringaktivitäten für die verschiedenen Leistungs- und Unterstützungsprozesse einer Organisation. Dies schließt u.a. das Setzen von Zielen, die Entwicklung von Konzepten zur Zielerreichung sowie die Überwindung von Problemen und Lösungshindernissen mit ein. Teil der hierfür benötigten Prozesskompetenz ist die Kenntnis und Beherrschung von einschlägigen Managementmethoden und -tools.
Beispiele hierfür sind Planung, Koordination und Wirkungskontrolle
einer Marketingkampagne oder der Produktion eines neuen Produkts,
der Übernahme eines innovativen Nischenanbieters,
der Bereitstellung von Lager- und Transportkapazitäten oder
der Entwicklung von Personalkapazitäten.
In den ersten Fällen handelt es sich um Leistungsprozesse, die unmittelbar den Kernzielen des Unternehmens dienen, in den letzten beiden Fällen um Unterstützungsprozesse als Voraussetzung für die Erbringung der Leistungsprozesse.
Schon im Vorfeld der Planung sind verschiedene geeignete Lösungskonzepte und Vorgehensweisen zu untersuchen und zu bewerten und adäquate Entscheidungen zu treffen, für die in Abhängigkeit von ihrer Bedeutung die Akzeptanz durch Gremien, Aufsichtsorgane, die Muttergesellschaft und/oder durch Vorgesetzte gesichert werden muss. Dies schließt beispielsweise die Budgetplanung und die Bereitstellung von Ressourcen oder die Erstellung von Businessplänen sowie die Entwicklung von steuerungsrelevanten Kennziffern und Indikatoren mit ein.
Vor und während des Durchführungsprozesses, der durch Steuerung, Koordination und Monitoring gekennzeichnet ist, müssen relevante Personen und Institutionen informiert oder an einzelnen Vorgängen beteiligt werden (Partizipation) sowie – falls notwendig – in- und/oder [43]externe Kooperationspartner (Abteilungen, politische Instanzen, Partnerunternehmen) einbezogen werden. Die Koordinationsfunktion erfordert u.a. den
Einsatz (Auftrag, Delegation), die Instruktion und die Motivation von geeigneten Mitarbeitern und
die Entwicklung einer sachgerechten Umsetzungsorganisation mit adäquatem Operationsplan und der Umsetzung der erforderlichen Aktivitäten in der adäquaten Sequenz.
Abb. 2/4 zeigt die verschiedenen Prozess-Schritte, die auf der Basis der die Organisation leitenden Vision und Mission sowie der Werte und – in Abhängigkeit von der Ebene der zu steuernden Prozesse – der langfristigen Strategien und Werte durchlaufen werden:
Abbildung 2/4: Managementprozesse29
[44]Ein Management-Informations-System (MIS) erlaubt ein effektives Monitoring und Conrolling und informiert über erreichte (Teil-)Ergebnisse, die Einhaltung von Terminen und Qualitätsstandards sowie den Ressourceneinsatz und erlaubt eine effektive Kostenkontrolle. Eine Abweichungsanalyse und Feedback-Aktivitäten stehen am Ende eines Management-Cycles. Der Koordinationsprozess selbst erfordert häufige Planungs- und Entscheidungsprozesse sowie permanente kommunikative Vermittlungsprozesse mit allen relevanten in- und externen Beteiligten.
Führungskompetenz (Leadership) stellt die dritte zentrale Managementkompetenz dar. Führung sorgt dafür, eine Organisation und ihre Mitarbeiter zielgerichtet in einem Prozess dauerhafter (Weiter-)Entwicklung und Optimierung zu ihrer Höchstleistung zu bringen oder verkürzt ausgedrückt, die richtigen Entscheidungen voranzubringen („doing the right things“)30.
Damit sind Führungs- und Prozesskompetenz in vielen Bereichen eng miteinander verknüpft. Um die Zukunftsfähigkeit der Organisation zu sichern, müssen neue Technologen und Innovationen vorangebracht, die hierfür notwendigen Ressourcen organisiert und die interne und externe Akzeptanz gesichert werden.31 Es müssen z.T. permanente Wandlungsprozesse32 – wie die Integration neuer Technologien und Innovationen, die immer schnellere Entwicklung marktfähiger neuer Produkte und Leistungspakete, ein Eingehen neuer Kooperationen und die Weiterentwicklung von Netzwerken, die Bewältigung neuartiger Risiken oder das Aufgreifen von Themen, die die gesellschaftliche Akzeptanz sichern – durchgesetzt und die evtl. erforderlichen Organisationsentwicklungsprozesse eingeleitet [45]werden. Hierfür müssen Organisationsstrukturen und -prozesse, die Organisationskultur, Informations- und Kommunikationsbeziehungen sowie Leistungsspektren und Ergebniserwartungen angepasst und optimiert werden.
Führungskompetenz beinhaltet damit eine breite Palette sowohl von Kompetenzen zur institutionellen Unternehmensführung wie auch der Mitarbeiterführung und umfasst vor allem die Fähigkeiten:
zukunftsfähige Visionen und Werte zu entwickeln und dafür zu sorgen, dass diese die Mitarbeiter sowie die Organisation prägen und aktiv handlungsleitend wirken,
adäquate langfristige Strategien zu entwickeln, die sowohl ergebnis-, wie markt- und kundenorientiert sind, und (u.a. mit Durchsetzungs- und Überzeugungsfähigkeit) darauf hinzuwirken, dass diese kommuniziert, verstärkt und ständig optimiert werden, Blockaden abzubauen sowie Erneuerungs- und Wandlungsprozesse einzuleiten,
ziel- und ergebnisorientiert und die Interessen der Mitarbeiter berücksichtigend zu informieren und zu kommunizieren,
Organisationskonzepte durch Netzwerke flexibel und ausbaufähig weiterzuentwickeln und strategische Kooperationen auszuhandeln und zu pflegen und vor allem
die richtigen Mitarbeiter hierfür zu finden, diese zu befähigen und zu motivieren (HRM und HRD) und die notwendigen sozialen Prozesse zieladäquat einzuleiten und zu steuern.
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