Kitabı oku: «Tales of Beatnik Glory, Band II, (Deutsche Edition)», sayfa 4
D IE NUMMER IM VAN
Enid Baumbach war verabredet, um Talbot dem Großen drüben in seiner Wohnung einen zu blasen. Nur das, nichts weiter. Es war ihre Idee, sie hatte es arrangiert, und jetzt war sie unterwegs.
Enid war eine unermüdliche Kämpferin für soziale Gerechtigkeit. Sie arbeitete für SANE und den Kongress für rassische Gleichstellung und beteiligte sich an den Aktionen zur Wählerregistrierung. Sie war perfekt, wenn es um die Fülle von Kleinigkeiten ging, die anfallen — alle auf einmal — und sofort auf die Reihe gebracht werden wollen, wenn man wirksame Demonstrationen organisiert. Ihre Spezialität war es, Reporter von der New York Times dazu zu bringen, auf Demos zu gehen. Ein Talent, das an ein Wunder grenzte. Enid hätte einen Typen von der Times um Mitternacht in einen leeren Tunnel gekriegt! Später dann druckte sie erstklassige Einberufungsbescheide für die Vietnam Railroad.
In ihrer Freizeit war ihr nichts lieber als ein deftiger Fick. Dafür lebte sie. Und sie wollte es stundenlang, das heißt, sie vermied wenn möglich neurasthenische, passive Beatniks, Jünglinge mit unsichtbaren Spiegeln vor dem Gesicht. Sie war Anfang zwanzig und knochendürr. Sie war aus Arkansas und behauptete, halb Cherokee, halb ungarische Jüdin zu sein. In ihrem nöligen Dialekt klangen die Ozark Mountains an, mit anderen Worten: Sie zerdehnte aufreizend ihre Vokale, wenn sie einem Typen sagte, sie wolle ihn unbedingt ficken — jetzt auf der Stelle und gleich. Sie hatte lange Finger wie aus einem ägyptischen Gemälde, die unglaublich beruhigend auf die Seele wirkten, so geschickt, wie sie sie über die Haut gleiten ließ.
Sie war extrem gepflegt. Sie war so sauber, dass man ihren Bauch als Operationstisch hätte nehmen können — eine weite, flache Ebene, die das ganze Jahr über gebräunt war, nur an der Gürtellinie hatte sie einen kaum merklichen Wulst. Sie trug afrikanische Ketten und Accessoires, die den Schimmer ihrer langen, rabenschwarzen Haare betonten, die ihr in langen Strähnen auf die Schultern fielen. Wann immer es sich einrichten ließ, waren ihre Liebhaber zwei schwarze Bürgerrechtsaktivisten und am liebsten waren ihr zwei pro Nacht — ohne dass der eine vom anderen erfuhr.
Für einige war sie unergründlich. Es war nicht einfach zu sagen, wie intelligent sie war, da sie eine derartige Einzelgängerin war. Sie war keine Frau von vielen Worten, konnte sich aber stundenlang über ihre Ansichten zu weiß Gott welchen Themen auslassen. Sie kochte — für sich allein — die aufwendigsten Mahlzeiten mit Kerzen, Kristall und Servietten unter dem Silberbesteck, die sie dann in kleinen Bissen kaute, stundenlang und mit etepetete Manieren, bis ihr erster Liebhaber kam.
Was ihren Unterhalt anbelangte, so wusste niemand, wovon sie lebte, und keiner machte sich die Mühe, es herauszufinden. Manchmal arbeitete sie für Werbeagenturen. Sie tippte flink und war gut am Telefon. Später dann schmuggelte sie auch schon mal Koks. Manchmal jobbte sie in afrikanischen Boutiquen. Oder sie verschwand für einige Monate, und wenn sie dann an die Lower East Side zurückkam, prahlte sie damit, in einer Hütte an der Westküste Mexikos gehaust zu haben — mit einem jungen Kerl aus dem nächsten Dorf, der es ihr die ganze Nacht lang besorgen konnte.
Sie half Schriftstellern. Sie hatte eben Talbots Gedichtband abgetippt, den er im vorigen Frühjahr während des Kampfs um die Integration Birminghams geschrieben hatte. Sie half Sam Thomas mit den Matrizen für Dope, Fucking and Social Change: A Journal of the New America. Hin und wieder hatte sie was mit einem der Dichter, die im Peace Eye Bookstore herumhingen, aber eher zögernd, und die Barden staunten, wenn sie ihre Erfahrungen austauschten, dass sie heulte, wenn man sie zu ficken begann.
Enid trug die merkwürdigsten Sonnenbrillen. Die coolsten Sonnenbrillen, die in der Beatnik-Hippie-Ära zu sehen waren. Sie waren ihr Markenzeichen. Das eine Glas war, sagen wir mal, herzförmig, und das andere hatte die Form eines Kleeblatts; oder sie hatten beide die Form von Atompilzen. Es war ein Spätsommertag, und Enid trug ihre verrückteste Brille. Sie ging den Broadway hinauf nach Norden und wollte eben am St. Mark’s Place rechts abbiegen, um hinüber zu Talbots Bude zu gehen. Sie trug eine Art hautenge Radlerhose mit Tigerstreifen und Trägerhemd. Es war so ziemlich der letzte Tag der Saison, an dem man so etwas tragen konnte.
Der Servicevan einer Elektrofirma fuhr vorbei und einer der Typen beugte sich aus dem Fenster und pfiff ihr zu; dann schlug er mit der flachen Hand gegen die Tür. An einer Ampel blieb der Van stehen. Desgleichen Enid, die sich ihnen zuwandte, das eine Glas ihrer Brille ein Kleeblatt, das andere ein Herz. Sie stemmte die Hände auf den tiefen Bund ihrer Tigerhose und sagte: »Also, dann los.«
Es war eine Kapriole, die sie sich gelegentlich gönnte, aus reiner Lust. Sie nannte so was eine Van-Nummer. Ein Typ sah den anderen an, zuckte die Achseln und öffnete die Tür. Enid stieg auf und ein. Es war ein Van ohne Fenster; sodass es hinten dunkel war. Sie spürte mehrere dicke Rollen elektrischen Draht, die aufeinander geworfen waren.
»Gleich hier«, sagte sie. Sie ließ die Sonnenbrille auf, band sich die Radlerhose um die Schultern und schälte sich mit einer gekonnten Bewegung aus ihrem Slip, der in das Etui ihrer Sonnenbrille kam.
Einer der Typen fuhr, während Enid den anderen durchzog, dann war der Zweite an der Reihe. In zwanzig Minuten war sie wieder aus dem Van. Sie bat, in der Nähe von Talbot abgesetzt zu werden.
Wo sie gerade zur rechten Zeit ankam. Sie entschuldigte sich, um sich im Bad zu waschen, und ging dann in Talbots Schlafzimmer, sank auf die Knie, zog den Reißverschluss seiner Hose auf und machte ihren Frieden mit ihm.
S APPHO IN DER SIEBTEN OST
Ein KuGeGe
(Kurzgeschichtengedicht)
Der Dichter John Barrett studierte klassische Literatur an der New York University. Seine Obsession war Sappho — er hatte Zeichnungen von ihr an den Wänden seiner Wohnung und Fotokopien ihrer Gedichtfragmente, die man im ägyptischen Oxyrhynchos in Särgen aus Pappmaschee gefunden hatte. Barretts eigene Übersetzungen ihrer Gedichte hingen über seinen Schreibtisch geklebt und das Wohnzimmer war zu einer Werkstatt umfunktioniert, in der er eine viersaitige Leier baute, deren Resonanzkörper aus dem Rückenschild einer europäischen Landschildkröte bestand. John hatte etwa ein Dutzend solcher Panzer gesammelt. Sie lagen überall in der Wohnung und auf den Milchkästen, die ihm als Bücherregale dienten; seine Freunde benutzten sie als Aschenbecher. Morgens aß er seinen Haferbrei aus einem dieser Panzer. Wir befinden uns im Spätsommer.
Er war besessen von Sappho.
Er lebte in ihren Metren
wie eine Forelle im heiteren Bach.
Er baute eine viersaitige Lyra,
um Sappho herabzusingen.
O, Sappho, komm doch herab!
Er kopierte Leiern
vom Fries des Parthenon;
er suchte die vollkommene Form
Es hingen von Schildkröten
die Panzer an Nägeln
an seiner Wand.
Einer lag auf dem Schreibtisch
neben Stechbeiteln, einer Säge,
einem Leimtopf,
einigen Schnitzmessern
von H. L. Wild (auf der Elften Ost)
Nur Ziegenhörner
waren schwer zu bekommen
an der Lower East Side.
Also schnitzte er die Arme
aus den Beinen
eines Lehnstuhls,
einem Fund von der Straße,
und eine dünne Resonanzdecke
schnitt er (aus einer Schindel aus Rottannenholz)
rund,
genau in der Form des Schilds.
Die Querstrebe von Arm zu Arm
war mit den Wirbeln eines
alten kaputten Banjos versehen,
einem Fund in den Trümmern
eines ausgebrannten Geschäfts.
Einen Steg formte
und kerbte er
aus einem Ebenholzkamm,
und als er eine gebaut hatte,
zu der es sich singen ließ,
schrieb er darauf Sapphos
»Komm, meine heilige Lyra,
erklinge mit deinem Lied!«
Die Leier
verwandelte ihn —
ganz wie die
Dada-Masken
die schüchternen jungen Dichter
in einem Züricher Cabaret.*1
*1 Eine Anspielung auf das am 5. Februar 1916 eröffnete Cabaret Voltaire, in dem es zu spontanen Gedichtvorträgen und Tanzvorführungen kam, inspiriert von Marcel Jancos berühmten Masken.
Barrett wurde ein anderer Barde,
als er seine Zimmer durchschritt,
die Leier umfasst, und
mit so viel Inbrunst sang,
wie sich nur aufbringen ließ:
»Es gibt einen Fluss
in Mytilene,
in dem
mit einer Freundin Sappho
gern schwamm.
Die Sandalen mit
dem Elfenbeinzierrat der beiden
lagen am Gestade im Sand.
Ich sah Sappho
an einem Sommertag
in Schaumkronen gebeugt
stehen — ohne Peplos,
vom Chiton befreit,
ein Lied auf den Lippen,
das uns verloren ging.
Später lagen
die beiden
in des Wasserlaufs Auen
und strichen einander
mit Öl & Düften
über die Haut,
ein Lied auf den Lippen,
das uns verloren ging.
O, Sappho, steig hernieder,
Sappho, komm doch herab!«
Eine Kommilitonin,
Consuela,
wohnte gleich nebenan.
Sie hörte John Barretts Gebet
durch die dünne Wand.
Abend für Abend lauschte sie,
um zu checken, was denn da abging,
und verstand schließlich,
als Barrett sang:
»Wie ein Drachenflieger
von der luftigen Höhe
eines Gipfels
über birkenbewachsene Hügel gleitet,
so gleite herab, oh,
Sappho, gleite herab!«
Sie lag im Bett
mit einem Ohr
an der Wand,
prustend, als ihr ein verhaltenes Lachen entkam.
Sie verhöhnte ihn:
»Wie ein Bonbonpapierchen
durch das Gitter
über dem U-Bahn-Schacht
in den
kaugummiverklebten
Schlamm
so schwebe herab, oh,
Sappho, und lande im Dreck.«
Tags darauf erzählte sie das
ihrer Griechischklasse, und
zusammen planten sie einen Streich.
Eines Nachts würde sie
auf der Feuertreppe erscheinen,
die sie sich mit Barrett teilte
— in Chiton und Peplos*2 —,
*2 Die wesentlichen Kleidungsstücke des antiken Griechenland, beide aus langen Stoffbahnen. Der Chiton war eine Leinen- oder Wolltunika, die als Unterkleid auf der Haut getragen wurde. Zweimal um den Körper gewickelt, wurde Sie über beide Schultern von Spangen gehalten und an der Taille von einem Gürtel oder Reif. Der Peblos war ein schwerer Umhang, der als Überkleid getragen wurde.
um etwas von Sappho zu singen/zu deklamieren,
ganz so, als wäre sie Sapphens Geist.
Sie erstand einen Ballen weißes Linnen
in der Orchid Street
und — mit ukrainischen Symbolen —
Brokat für den Saum
bei Surma an der Siebten
& nähte sich ein sapphisch’ Gewand.
Sie, Consuela,
lernte die Hymne an Aphrodite,
um Sappho herabzusingen.
Ach, Sappho, komm!
Es war ein Spätnachmittag, als sie
aus der Dusche kam, den Chiton anlegte
und den Peplos, das Überkleid.
Dann stieg sie aufs Fensterbrette, schob
die Blumenkästen beiseite
— sie wusste, es war die Stunde, zu der
Barrett sang —
und kauerte auf dem rauen
schwarzen Eisenrost,
vernarbt und voller Blasen
von zwanzig Anstrichen in neunzig Jahren.
Als sie Barrett zum lauten
Gebet anheben hörte
und die Saiten seiner Leier dazu, stand
sie auf, um zu singen — Consuela
sah den Himmel über der Feuerleiter
sich teilen —, als hätte eine Riesenhand
der Leinwand der Realität mit einer Schere
einen Schnitt beigebracht.
Sie hörte Vögel zwitschern,
trübe Punkte bewölkten ihren Blick.
Durch das pointilistische Grau
schob sich ein Arm
mit einer Lyra,
dann ein weiterer Arm —
dessen Hand zur Faust geballt war.
Und als sie sich öffnete, fielen kleine
Körnchen auf den Rost
der Feuertreppe
und rieselten dann unter ihr auf den Hof.
Consuela sank ehrfürchtig
auf eine Stufe der Treppe;
sie hinterließ narbige graue Streifen
auf ihren Knien,
während Sapphens Körper
durch den Schnitt in der Leinwand
zu schweben schien
in genau dem Augenblick,
in dem Barretts ekstatische Stimme
zu singen begann:
»Sappho, komm herab,
o Sappho, komm!«
Zuerst versuchte John Barrett
die Erscheinung anzustarren,
als wolle er sagen:
»Das wird aber auch Zeit.«
Dann blieb ihm die Luft weg: »Sappho!«
Denn um ehrlich zu sein,
hatte Barrett kaum großes Vertrauen
in die Kraft der Beschwörung
einer Leier mit Armen
aus einem Stuhl vom Sperrmüll
und einer bebenden Stimme,
die eher herausfordernd war.
Er blickte sich um
in seiner schlampigen Beatnikbude und wollte,
er hätte die Flaschen
weggeräumt von der Nacht zuvor.
Sappho nahm seine Lyra
von seinem Schreibtisch,
legte die ihre beiseite
und hub an zum Gesang.
Er sah
die Worte, die sie sang,
über ihr; sie pochten,
als hätten sie ein eigenes Herz.
Worte aus Wasser
Worte aus Feuer
Worte aus gebrochenen Rudern
Als das Lied zu Ende war,
stand Barrett, Tränen auf der Wange,
wie vom Donner gerührt.
Der Blick getrübt, die Nase verstopft,
den Schmerz der Liebe im Bauch.
Dann trat sie an die Wand,
an die seine Übersetzungen
ihrer Verse gepinnt waren.
Er versuchte, nicht
auf ihre Brüste zu starren,
so wie er
einen bloßen Bauch ignorierte
an einem heißen Abend
in Stanley’s Bar.
Der Busen
eines Gespensts
ist nicht für die Küsse
von Augen gedacht.
Barrett war entsetzt,
Sappho seine Versionen
ihrer Verse lesen zu sehen.
Er hatte alle Mühe,
sie nicht von der Wand zu reißen
Schließlich wandte sie sich ab & lachte:
»Besser als Byrons —
allemal.«
Als Nächstes besuchte sie seine Regale.
»Lass mich«, sagte sie,
»doch dein Bücherschiff sehen.«
Oh, nein!,
dachte John Barrett in Sorge
ob der vielen unbedeutenden Bände
in seinem Bücherschiff.
Das Geplapper von Freunden,
Ferkeleien,
schludrige Geisteswissenschaft.
Dann begann Sappho zu singen:
»Es gibt ein Schiff
für jeden Barden
im Spiel der Wellen,
das Bücherschiff.
Es gibt welche, die sagen einem,
ein Totenschiff zu bauen.
Andere singen dir von einem
grünen Trimaran.
Für einen Barden jedoch
gehört es sich, dass er
gegen schwere See
sich ein Bücherschiff baut.
Und du wirst
am Bug des Bücherschiffs
eine Muse sehen für deine Zeit:
Retentia,
die Muse des Erinnerten Bildes.
Die Panflöten,
die siebensaitige Lyra,
die Kunst & die These —
Die Musen,
mit denen ich sang,
aber dein ist die Ära
eingefangenen Sonnenlichts
& oxidgesprenkelter Bänder.
Retentia
fängt den schönen Fluss
flinker ein als der Sprung einer Grille.
Die Fotos der Bruchstücke
von meinen Gedichten
an deiner Wand
verdankst du Retentia.
Sie springt der ächzenden Clio zur Seite,
deren Schriftrollen schwarz & dick sind
sie hilft dir zu ordnen,
zu beschwichtigen,
auszusieben,
aber auch zu behalten,
zu bewahren,
zu formen.
Das Bild ist sicher
bei Retentia
auf eine Million Jahre,
bis die pulsierenden Feuer
auch die letzte Leier verbrannt.
Einst, in der Senke
eine Hügelchens
bei Mytilene
ein Kreis von Jungfern sang
— Alcaeus war dort.
Ach, könnt ich nur,
könnt ich nur,
könnt ich nur
ihr Bild noch mal hören!«
Sappho hörte auf zu singen,
der Anflug eines Bebens, eines Schluchzens
in ihrem Ton.
»Bete zu Retentia, John Barrett,
denn jede Muse hilft,
wie sie kann,
und die Aufgabe besteht
darin,
die Mischung der ihr eigenen Gaben
in deinen Zeilen zu sehen.«
Sie streckte eine Hand zur Wand,
fotokopierten Papyrus zu berühren.
Die Wand spaltete sich,
und heraus trat Retentia
in einem blauschwarzen Kleid,
die Keile winziger Blitze knisterten
über den Stoff
und wirkten fast wie geklöppelte Lichtspitze
über der blauschwarzen Tracht.
Barrett fragte sich,
welche Art von Gebet
er wohl zu sprechen hätte
zur Huldigung der neuen Muse,
die da, vom Bug des Bücherschiffs,
in sein Zimmer getreten war.
Er dachte närrisch daran,
sich auf den Boden zu werfen,
um Retentias Saum zu küssen,
als Sappho an den Küchenschrank trat
und die Türen zu öffnen begann.
»Was will sie nur?«, fragte sich Barrett.
»Ich habe keinen Methu«, sagte er
und lobte sich insgeheim für seinen Witz.
(Methu war ein berühmter
Wein aus dem
alten Lesbos.)
»Hast du keine duftenden Kräuteröle?«,
sprach sie, als beklagte sie sich,
als sie die Schranktüren schloss —
»Wie unzulänglich du doch bist
in Sachen Liebe & Lust«,
sagte sie.
»Wie kommst du darauf,
dass eine Frau wie Louise
dich lieben könnte
bei dem, was du weißt?«
Sie trat in Barretts Schlafzimmer,
eine geschmacklose Kammer
mit einer Matratze
auf dem Boden,
Kerzenwachsspritzer rundum
und über der Schlafstatt
eine Blaupause
über die ganze Wand
von Sapphos Gesicht.
»Jetzt werde ich dich
die Massage mit Ölen &
der Glossa Didacta lehren.«
Retentia
erschien an der Tür
mit einem Tablett
voll Kanopen
— Öle & Salben,
mit denen Sappho
ihre Hände bewehrte,
als sie die Kleidung
von John Barretts magerer
Gestalt zu streifen begann,
& dann arbeitete sie sich
auf anregende Weise
von Gefäß zu Gefäß.
Jedes Öl hatte
einen anderen Kitzel
— hier ein zarter Stich,
dort ein Zittern —,
& süße Düfte
mischten sich
mit pikantem Geruch.
»Es gibt so viel,
was du nicht weißt«,
sprach sie
und hängte ihren Peplos,
nachdem sie sie geschlossen hatte,
sauber an einen Nagel hinter der Tür.
Sie zog Barrett nach unten.
Oh, Barrett, komm herab.
»Wir haben sie
Glossa Didacta genannt,
und jedem Barden ziemt
die vollkommene Beherrschung.«
Zusammen
sanken sie auf J. Barretts Matratze.
Sie zog ihn an seinen
ungewaschenen Locken
hinab zum Einzigen, was wesentlich war.
Er landete zwischen weichen Hüften;
der Rest von ihr spukhafter Dunst.
»Dein Kopf ist das Ruder,
& ich werde es durch
die Stromschnellen führen.«
hierhin
dahin
liebevoll an den Ohren gefasst,
steuerte sie die Rosenknospe,
steuerte sie des Barden junge Stirn,
unterwies ihn im rechten Druck
in den Bewegungen,
in den Figuren.
»So ist’s recht.
So tut es gut.
So ist es vollkommen.«
Die Klitoris gespalten
wie
ein
Lithops
(die linke Seite für die rechte Hirnhälfte,
die rechte für die linke Hirnhälfte?
ein Bündel
Lustnerven,
zweigeteilt?)
Sie kam in geheimen Worten.
Sapphische Seufzer durchzuckten sie
in einer wirren Flut
von Neonhieroglyphen
wie zuvor bei ihrem Gesang —
Sie sprach zu ihm auf Lateinisch
»Ich habe dich nun
den Lingus Didacticus gelehrt,
und wen immer du
in seinen zuckenden Bann lockst,
sie wird einen Tanz kennenlernen,
leichtfüßiger als Euripides’ Metren.«
Dann bat sie ihn,
in sie zu kommen.
»Machst du es denn nicht nur mit, äh, gunaikes?«,
antwortete er und wich dabei ins Griechische aus.
Sie hatte Chiantiflaschen,
mit brennenden Kerzen bestückt,
rund ums Bett arrangiert.
Barrett blickte nach oben
und sah den Schatten
des Geists
auf ihrer Blaupause
an der Wand,
als sie sachte,
aber nachdrücklich an ihm zog,
bis sie dalagen,
Gesicht zu Gesicht,
dann führte sie ihn hoch & hinein —
eine Stunde,
die ihn wieder
an den Gedanken des Numen
glauben ließ,
oder eine Stunde
wie eine Katalpablüte
im Fluss der Lust.
Ahh, auf ewig Seite an Seite
sehnte er sich zu liegen
mit ihr,
als die Dämmerung kam —
»Steh auf«, sagte sie stattdessen,
»wir gehen auf eine Reise.«
»Dann«, so antwortete John Barrett,
»gib mir die Beine eines Satyrn!
Ja, kräftige, haarige Beine
& die Hufe eines Bocks,
mit denen sich hüpfen & springen lässt!«
Sappho lächelte,
kam seiner Bitte aber nicht nach.
Sie hielt seine Hand
& schwebte
aus dem Raum in der Siebten Ost
über den grünen Hain des
Tompkins Park,
schwindelnd, schwindelnd
ging es im Wirbel um eine Ära zurück —
ins Jahr 1911,
als Emma Hardy an einem Lenzmorgen
allein im Max Gate saß*3,
*3 Max Gate: das Haus von Thomas und Emma Harris in East Dorset, Dorchester. 1908 hatte Emma sich Gaupen in ihr unter dem Dach gelegenes Boudoir einbauen lassen; auf einem Futterbrett vor dem Fenster scharten sich die Vögel und fraßen ihr aus der Hand.
während ihr Gatte unten
mit seiner Geliebten
Druckfahnen
durchsah.
Sie betraten Emmas Kammer
durchs Dachfenster,
auf dessen Fensterbrett
Futter für die Vögel
bereitlag.
Sappho hatte Mitleid
mit der bitteren Emma Hardy,
deren Gatten Hände
stets bereit waren,
kosend junge Rundungen
nachzufahren.
Sie versuchte sich
zurechtzumachen
für den neuen Tag,
aber ihr Gesicht
war von den Schmerzen
eines qualvollen Rückens verzerrt.
Der Schmerz war zu überwältigend,
um den Vögeln
auch nur einen Teller
Brotkrumen hinzustellen.
Sie klingelte nach ihrer Zofe Dolly Gale,
um sich das Haar bürsten zu lassen.
Dolly stellte sich hinter sie,
öffnete, löste, trennte
das vom Schlaf ganz zottige Haar.
Das leiseste Ziehen
an einer Strähne zeitigte
einen Seufzer der Agonie,
bis Sappho eingriff,
und auf Emmas Rückgrat
legte sich eine beruhigende Hand,
um die Axthiebe
ihrer Schmerzen zu lindern.
»Das Öl, John, das Öl«, drängte Sappho,
und John Barrett teilte das Gewand
über den schmerzenden Schultern
und begann sie zu kosen
mit Mytilenes feinstem Erzeugnis
aus einer Flasche mit langem Hals.
Der Frieden in ihrem Rücken
zeitigte das erste Lächeln
seit Monaten.
»Bitte, Emma, rufst du die Vögel für uns?«,
fragte Sappho, und Emma Hardy
trat ans Fenster,
wo sie die Hände hob.
Emma war 68.
Unter Qualen
schlug sie das Gaupenfenster auf,
um ihre Hochzeitsschleppe zu verfüttern.
Wohl eine Hundertschaft Vögel
fand sich zu der wilden Verköstigung ein,
flügelschlagend über dem Futterbrett,
pickten sie auf die Brosamen ein.
»Das Haus hat Hardy gebaut«, sagte Sappho
zu John mit Abscheu im Ton,
»ohne Wanne
für ein heißes Bad!«
Wieder nahm sie ihn bei der Hand — »Mach dich
gefasst auf eine Reise ins Jahr 642 des Herrn.«
Wieder kam es zu Wirbeln,
dann
landeten sie
inmitten von Feuer & Dampf.
Barrett überlegte einen Augenblick:
Womöglich waren sie
Dante und Vergil
in einen Kreis der Hölle gefolgt.
Sie sahen einen kahlköpfigen Mann
mit glänzendem Schädel
& einem fehlenden Zahn,
der warf bündelweise Papyrusrollen
in eines offenen Kachelherds
wörterfressenden Schlund.
In einem großen Kupferkessel
obenauf siedete Wasser
und sprudelte durch Röhren
in eine Reihe kupferner Zuber
von unterschiedlicher Hitze,
auf dass ein Badender
im Becken an einer Schnur ziehen kann,
und er hat die Temperatur seiner Wahl.
Stapelweise Rollen lagen herum,
in der Kreuz und in der Quer.
Barrett reckte den Hals,
um die Namen zu erspähen
auf der Garbe,
die der Mann eben warf.
Oh, nein! Es dauert einige Sekunden,
dann hat John
in der dicken Rolle
die Stücke des Aischylos erkannt!
Man heizt die Bäder von
Alexandria
mit den Resten der alten
Bibliothek.
»Sieh doch!«, rief sie. »Weißt du, was das ist?«
Der Heizer hatte einen Arm voll Rollen*4
*4 Die älteste Form des Buches sind um Stöcke gewickelte Papyrusrollen, die in schmalen Kolumnen beschrieben wurden.
mit vorstehenden Knöpfen umfasst. »Er gibt eben
den letzten Satz meiner gesammelten Werke
dem Feuer anheim!«
Der Heizer
gab sie zu Paar und Paar den Flammen der Vergessenheit anheim.
Barrett versuchte sie zu fassen,
aber seine Hände fuhren hindurch
wie Nebel durch einen Rotholzzweig.
»Einige meiner Gedichte
wurden von Caesar verbrannt,
als er die Flotte
in der Bucht von Alexandria ansteckte
& das Feuer auf das Land übergriff.
Einige wurden zerstoßen,
um Pappmaschee herzustellen
für die Särge der Mittelschicht Thebens.
Einige wurden zerstört,
als verdrießliche Christen
das Serapeum*5 plünderten.
*5 Eines der beiden Archive Alexandrias.
Anno 391
Und jetzt ist es Zeit
für Asche und schwarzes Holz
zur mixolydischen Tonart
zu kommen.
Einiger Dichter Worte
sind auf Wasser geschrieben,
andere machen Feuer,
auf dass es kocht.«
In eben
dem Augenblick
sind die Stimmen von Frauen
& Holzschuhgeklapper
zu hören.
Die Töchter von General Amrou*6
*6 Amrou hat Alexandria 642 für den Kalifen Omar erobert. Letzterer, so heißt es, befahl, die letzten in der alten Bibliothek verbliebenen Bücher zu zerstören; da der Koran geschrieben war, so sein Argument, wurden sie nicht länger gebraucht.
waren gekommen, sich im dampfgekrönten
Becken an einem Bad zu erfreuen
& mit Bimssteinblöcken und strigilis*7
zu glätten
ihre vom Dampf weiche Haut.
Die Frauen reichten
die Badetücher
ihren Dienstboten,
*7 Ein gebogenes Schabeisen zum Abstreifen überschüssigen Öls (nach dem Einreiben) oder der obersten Hautschicht nach einem Bad.
und unter der Kuppel des Bades
erschallten Gelächter
und platschendes Nass.
Mit einem Mal schob sich Sappho vorbei
an dem schwitzenden Mann am Ofen
und sammelte unter einem Stoßseufzer Barretts
die verbliebenen Rollen auf
und warf sie ins tosende Feuer.
Sie wandte sich ab, entkleidete sich,
reichte Barrett ihren Chiton
und glitt ins Wasser,
um sich zu den Maiden
auf eine Marmorstufe zu setzen
inmitten des brodelnden Beckens.
»Heißer, heißer«, drängte sie
den Heizer und zog an dem Seil,
um einen siedenden Zuber über ihnen
zu leeren,
während aus dem Ofen
ein brennendes Fragment flatterte,
eine Ecke Papier nur
mit Sapphens letztem Wort;
bog sich unter der Hitze, brennend
fiel Barrett vor die Füße;
er versuchte sie auszutreten,
die Flamme,
Ein silberner Knauf
vom Ende eines Rollenstocks
zu Delfinen geschnitzt
rollte aus dem Feuer,
und das war alles,
was von den Arbeiten Sapphos
von Mytilene blieb.
Barrett bückte sich, um ihn aufzuheben,
rutschte aus
& fiel hin.
Er wachte wieder auf
in seiner Bude in der Siebten Ost
und erblickte einen Fuß
auf der Feuertreppe.
»Sappho!«, schrie er fast
und stürzte ans Fenster,
aber es war Consuela
in Chiton und Peplos aus der Orchard Street.
Sie schien zu schlafen,
öffnete aber sofort die Augen,
als er sie berührte.
Sie erzählte ihm ihre Geschichte,
er ihr die seine,
zeigte ihr
den silbernen Knauf
und den Duft von Sapphos Öl
an seinem Handgelenk,
der immer noch aufregend war.
Ängstlich, aber
dennoch unfähig, nicht
darüber
zu reden,
erzählte Barrett einigen
Teile & einigen wenigen
Alles, was passiert war,
wobei
er den silbernen Knauf
herumzeigte wie das Gebein
eines Heiligen.
Für einige
war er darauf
Crazy John.
(»Bist du sicher«,
höhnte Sam Thomas,
»dass das nicht der Knauf
vom Spazierstock
deines Großvaters ist?«)
Für andere
war er
der glückliche Barde.
(Eine wahrhaftige Leier
geschnitzt zu haben, mit der Sappho
— Sappho, komm! —
herbei zu singen war.)
Obwohl er jeden Abend für sie sang,
sah er sie nicht wieder
bis zu einem verschneiten Abend
viel später im Jahr.
John sah Sappho,
ihr Hals beladen
mit schweren
russischen Kreuzen.
Sie betete im tiefen Neuschnee
in der Avenue A,
bevor er gestört wurde
von Pflügen & Salz,
vor St. Nicholai,
der Karpato-Russischen Kirche
roter Backsteinbau.
In ihren Händen
schmolzen Ikonen dahin,
& Rubine
fielen von ihrem
verkrusteten Hals
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.