Kitabı oku: «DER RITTER VON TORN», sayfa 2

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Erstes Kapitel

Hier ist eine Geschichte, die seit siebenhundert Jahren im Dunkeln liegt. Zuerst wurde sie von einem der Plantagenet-Könige von England unterdrückt. Später wurde sie vergessen. Ich habe sie rein zufällig ausgegraben. Der Zufall wollte, dass der Vetter meiner Frau einen hier nicht näher benannten Abt in einem sehr alten Kloster in Europa kannte. Dieser ließ mich in einer Menge von schimmeligen und muffigen Manuskripten herumwühlen, wo ich darauf stieß.

Es ist eine höchst interessante Geschichte, zum Teil, weil es sich um ein Stück bisher nicht dokumentierter Historie handelt, aber vor allem aufgrund der Tatsache, dass sie von einer höchst bemerkenswerten Rache und dem abenteuerlichen Leben ihres unschuldigen Opfers erzählt – des vergessenen Prinzen von England namens Richard.

Bei meiner Nacherzählung habe ich den größten Teil der historischen Hintergründe ausgeklammert. Was mich interessierte, war die einzigartige Figur, um die sich die Geschichte dreht – der Ritter mit geschlossenem Visier, der … aber lassen Sie uns warten, bis wir bei ihm sind.

All dies ereignete sich im dreizehnten Jahrhundert, und damals erschütterte es England von Nord bis Süd und von Ost bis West und reichte selbst über den Ärmelkanal und erschütterte Frankreich. Es begann direkt im Londoner Palast Heinrichs III. und war das Ergebnis eines Streits zwischen dem König und seinem mächtigen Schwager Simon de Montfort, Graf von Leicester.

Vergessen Sie den Streit; das ist Geschichte, und Sie können alles darüber in Ruhe lesen. Aber an diesem Junitag im Jahr unseres Herrn 1243 vergaß sich Heinrich so sehr, dass er de Montfort zu Unrecht in Anwesenheit einer Reihe von Hofleuten des Verrats beschuldigte.

De Montfort erbleichte. Er war ein großer, gutaussehender Mann, und wenn er sich zu seiner vollen Größe aufrichtete und den Blick seiner grauen Augen auf das Opfer seines Zorns richtete, wie er es an diesem Tag tat, war er sehr beeindruckend. Er war eine Macht in England, die nach dem König selbst an zweiter Stelle stand, und mit dem Herzen eines Löwen in seiner Brust antwortete er dem König, wie kein anderer Mann in ganz England es gewagt hätte.

»Euer Hoheit«, rief er, »dass Ihr mein Herr und König seid, das allein hindert Simon de Montfort daran, für eine so schwere Beleidigung Genugtuung zu verlangen. Dass Ihr Euren hohen Stand ausnutzt, um zu sagen, was ihr sonst nie zu sagen wagtet, brandmarkt mich nicht als Verräter, sondern Euch als Feigling.«

Gespannte Stille senkte sich über die kleine Gesellschaft von Fürsten und Höflingen, als diese schrecklichen Worte von den Lippen eines Untertanen kamen, die an seinen König gerichtet waren. Sie waren entsetzt, denn de Montforts mutige Herausforderung war für sie fast ein Sakrileg.

Heinrich, der vor Schmach und Wut errötete, erhob sich, um auf de Montfort loszugehen, aber plötzlich erinnerte er sich an die Macht, die er repräsentierte, und bedachte sich eines Besseren. Also wandte er sich mit einem hochmütigen Spott an seine Höflinge.

»Kommt, meine Herren«, sagte er, »mich dünkt, dass wir heute Morgen eine Runde auf dem Fechtboden machen wollten. Schon wird es spät. Kommt, de Fulm! Kommt, Leybourn«, und der König schritt aus dem Gemach, gefolgt von seinen Höflingen, die alle vom Grafen von Leicester Abstand genommen hatten, als sich herausstellte, dass der königliche Unmut gegen ihn gerichtet war. Als der Vorhang sich hinter dem davoneilenden König schloss, zuckte de Montfort die breiten Schultern und verließ das Gemach durch eine andere Tür.

Als der König mit seinem Gefolge in die Waffenkammer eintrat, kämpfte er immer noch gegen die Schmach der Vorwürfe de Montforts an, und als er Mantel und Hut ablegte, um sich mit de Fulm im Schwertkampf zu messen, sah er den Fechtmeister, Sir Jules de Vac, mit dem Fechtzeug und dem Helm des Königs ankommen. Heinrich war nicht in der Stimmung, eine Mensur mit de Fulm auszufechten, der wie die anderen Schmeichler, die ihn umgaben, immer zuließ, dass der König ihn leicht besiegen konnte.

Von de Vac wusste er, dass dieser zu eifersüchtig auf seinen Ruhm als Schwertkämpfer war, um sich von etwas anderem als überlegenem Geschick überwinden zu lassen, und heute fühlte Heinrich, dass er den Teufel selbst besiegen konnte.

Der Fechtboden war ein großer Raum im Hauptgeschoss des Palastes, neben dem Wachtraum. Er war in einem kleinen Flügel des Gebäudes so angelegt worden, dass er von drei Seiten beleuchtet wurde. Verantwortlich für die Waffenkammer und den Fechtunterricht war der schlanke, grauhaarige, lederhäutige Sir Jules de Vac, und er war es, dem Heinrich befahl, ihm im Scheinkampf mit Schwert und Fechtschild gegenüberzutreten; denn der König hatte das Bedürfnis, auf jemanden mit dem Hammer einzuhauen und ihn in die Zange zu nehmen, um seine unterdrückte Wut zu kühlen.

So ließ er de Vac vor seinem geistigen Auge die Person des verhassten de Montfort annehmen, und die Folge war, dass de Vac durch den plötzlichen und mit aller Macht vorgetragenen Angriff des Königs regelrecht überrumpelt wurde.

Heinrich III. war schon immer ein guter Schwertkämpfer gewesen, aber an diesem Tag übertraf er sich selbst und war in seiner Vorstellung im Begriff, dem Pseudo-de-Montfort mit dem Schwert zu durchbohren, zur wilden Begeisterung seines Publikums. Zu diesem Zweck hatte er den erstaunten de Vac zweimal um die Halle herumgejagt, als der Fechtmeister den König mit einer klugen Finte und einem Rückwärtsschritt in die von ihm gewünschte Position brachte, und mit der Plötzlichkeit des Blitzes ließ eine kleine Drehung seiner Klinge Heinrichs Waffe klirrend auf den Boden der Waffenkammer poltern.

Für einen Moment stand der König so angespannt und weiß da, als hätte der Tod seine Hand ausgestreckt und sein Herz mit seinen eisigen Fingern berührt. Die Niederlage bedeutete ihm mehr, als von dem besten Schwertkämpfer Englands im Übungskampf besiegt zu werden – das war sicherlich keine Schande –, nein, sie schien Heinrich prophetisch für das Ergebnis eines zukünftigen Kampfes zu sein, wenn er dem wahren de Montfort Auge in Auge gegenüberstehen sollte. Und dann, mit dem Ebenbild seines mächtigen Schwagers, mit dem er de Vac in seiner Vorstellung bekleidet hatte, vor Augen, tat Heinrich, was er gerne mit dem wahren Leicester getan hätte. Er zog seinen Handschuh ab und trat nahe an de Vac heran.

»Hund!«, zischte er und verpasste dem Fechtmeister einen harten Schlag ins Gesicht und spuckte ihn an. Dann drehte er sich um und verließ die Waffenkammer.

De Vac war im Dienste der Könige von England alt geworden, aber er hasste alles Englische und alle Engländer. Den toten König Johann, obwohl er von allen anderen gehasst wurde, hatte er geliebt, aber mit den Gebeinen des toten Königs war die Treue de Vacs zu dem Haus, dem er diente, in der Kathedrale von Worcester begraben worden.

Lange Jahre hatte er als Fechtmeister am englischen Hof gedient; die Söhne des Königshauses hatten von ihm gelernt, zu schlagen, zu stechen und zu parieren, wie nur de Vac diese Kunst zu lehren vermochte, und er war bei der Ausübung seiner Pflichten so gewissenhaft gewesen wie in seinem unerschütterlichen Hass und seiner Verachtung für seine Schüler.

Und nun hatte der englische König ihm eine Beleidigung angetan, die nur mit Blut gesühnt werden konnte.

Als der Schlag fiel, schlug der drahtige Franzose die Hacken zusammen und ließ seine Klinge zu Boden sinken. Aufrecht und starr stand er vor seinem Herrn wie eine Marmorstatue. Sein angespanntes Gesicht war bleich vor Zorn, aber er sprach kein Wort.

Natürlich hätte er zurückschlagen können, aber dann wäre ihm keine Wahl mehr geblieben als der Tod durch die eigene Hand. Denn ein König darf nicht mit einem geringeren Sterblichen um die Ehre kämpfen, und wer einen König schlägt, muss sterben; denn die Ehre des Königs steht über allem.

Hätte ihn ein französischer König geschlagen, hätte de Vac zurückgeschlagen und das Schicksal willkommen geheißen, das ihm erlaubte, für die Ehre Frankreichs zu sterben; aber ein englischer König – pah! ein Hund; und wer würde für einen Hund sterben? Nein, de Vac würde andere Mittel finden, um seinen verwundeten Stolz zu stillen. Er würde in Rache an diesem Mann schwelgen, dem gegenüber er keine Treue empfand. Wenn möglich, würde er dabei ganz England dafür büßen lassen. Aber er hatte Zeit. Er konnte es sich leisten, auf eine passende Gelegenheit zu warten, wenn er durch das Warten eine schrecklichere Rache nehmen konnte.

De Vac war in Paris geboren worden, als Sohn eines französischen Offiziers, der als bester Schwertkämpfer Frankreichs gilt. Der Sohn war in die Fußstapfen seines Vaters getreten, bis er nach dessen Tod leicht den Titel seines Vaters erringen konnte. Wieso er Frankreich verlassen hatte und in den Dienst König Johns von England getreten war, ist nicht Gegenstand dieser Geschichte. All die Bedeutung, die das Leben von Jules de Vac für die Geschichte Englands hat, hing nur von zwei seiner vielen Eigenschaften ab – seiner wunderbaren Schwertkunst und dem schrecklichen Hass auf seine Wahlheimat.

Zweites Kapitel

Südlich der Waffenkammer des Palastes von Westminster lagen die Gärten, und hier hätte man am dritten Tag nach dem Angriff des Königs auf de Vac eine schwarzhaarige Frau sehen können, die in einen violetten Bliaut gekleidet war, den rund um den Hals und am Saum der losen Spitzärmel, die fast bis zu dem ähnlichen Saum am unteren Rand des Gewandes reichten, eine reiche Goldstickerei zierte. Ein punzierter Ledergürtel, der mit Edelsteinen besetzt war und von einer großen Schnalle aus getriebenem Gold gehalten wurde, raffte das Kleidungsstück um ihre Taille, sodass der obere Teil in einem Bausch nach außen über den Gürtel fiel. Im Gürtel trug sie einen langen Dolch von feiner Handwerkskunst. Zierliche Sandalen umschlossen ihre Füße, und Kopf und Schultern bedeckte ein violetter, mit goldenen Fransen umrandeter Gimpel.

An ihrer Seite hüpfte ein gutaussehender Knabe von etwa drei Jahren, gekleidet, wie seine Gouvernante, in kräftigen Farben. Sein winziger Surcot aus scharlachrotem Samt war reich an Stickereien. Darunter trug er eine enganliegende Tunika aus weißer Seide. Sein Wams war scharlachrot, während seine langen weißen Beinkleider von seinen winzigen Sandalen bis zu seinen Knien kreuzweise mit roten Bändern umwunden waren. Auf dem seinem braunen Lockenschopf saß ein flachkrempiger Hut mit runder Kappe, an dem bei jeder Bewegung des stolzen kleinen Kopfes eine weiße Feder wippte.

Die Gesichtszüge des Kindes waren wohlgeformt, und seine offenen, hellen Augen gaben einem Gesicht, das sonst für ein Kleinkind zu arrogant und hochmütig gewesen wäre, einen Ausdruck kindlichen Edelmuts. Wenn der Junge mit seiner Begleiterin sprach, blitzte dann und wann Momente von zwingender Autorität und Würde auf, die bei einem so kleinen Wesen seltsam anmuteten, was die junge Frau manchmal dazu veranlasste, den Kopf abzuwenden, damit er das Lächeln nicht sehen konnte, das sie kaum zu unterdrücken vermochte.

Jetzt nahm der Junge einen Ball aus seiner Tunika und zeigte auf einen kleinen Busch in ihrer Nähe und sagte: »Stellt Euch da hin, Lady Maud, neben den Busch. Ich möchte Ballwerfen spielen.«

Die junge Frau tat, wie ihr geheißen wurde, und als sie ihren Platz eingenommen hatte und sich zu ihm umdrehte, warf der Junge ihr den Ball zu. So spielten sie unter den Fenstern der Waffenkammer; der Junge lief fröhlich dem Ball hinterher, wenn er ihn verfehlte, und lachte und schrie vor Freude, wenn er einen besonders guten Fang machte.

An einem der Fenster der Waffenkammer mit Blick auf den Garten stand ein grimmiger, grauer alter Mann auf seine verschränkten Arme gelehnt. Er hatte die Augenbrauen zu einem bösartigen Gesichtsausdruck zusammengezogen, und seine Mundwinkel bildeten eine strenge, kalte Linie.

Er blickte auf den Garten und das spielende Kind und auf die reizende junge Frau unter ihm, aber seine Augen nahmen nicht wirklich wahr, was sie sahen, denn de Vac war in Gedanken ganz und gar mit einem Problem beschäftigt, dem größten in seinem ganzen Leben.

Drei Tage lang hatte der alte Mann seinen Groll hin und her gewälzt und nach Mitteln gesucht, um sich an dem König für die Beleidigung zu rächen, die dieser ihm zugefügt hatte. Viele Pläne waren ihm in den klugen und gerissenen Kopf gekommen, aber bisher waren alle als unwürdig für die schreckliche Befriedigung verworfen worden, nach der sein verwundeter Stolz verlangte.

Seine Fantasien hatten sich größtenteils um die unbeständigen politischen Bedingungen von Heinrichs Herrschaft gedreht; denn er hatte das Gefühl, dass ihm daraus eine Gelegenheit erwachsen könnte, die sich zu seinem eigenen persönlichen Nutzen und dem Schaden und möglicherweise dem Verderben des Königs verwenden ließe.

Schon seit vielen Jahren war de Vac im Palast ein und ausgegangen und war oft in der Waffenkammer Zeuge geworden, wenn sich der König mit seinen Freunden und Günstlingen im Schwertkampf übte, und er hatte vieles mit angehört, was zwischen Heinrich III. und seinen Vertrauten geredet wurde, das bei einer klugen und einfallsreichen Planung dem König zum Leid gereichen könnte.

Wie ganz England kannte er die völlige Verachtung, die Heinrich für die Bedingungen der Magna Charta übrighatte, die er, ungeachtet seines königlichen Eides, sie aufrecht zu erhalten, so oft missachtete. Aber was ganz England nicht wusste, hatte de Vac aus Gesprächsfetzen erfahren, die er in der Waffenkammer aufgeschnappt hatte: dass Heinrich bereits mit ausländischen Söldnerführern und mit Ludwig IX. von Frankreich über eine Truppe von Rittern und bewaffneten Männern verhandelt hatte, die ausreichen würde, um Krieg gegen die eigenen Barone zu führen, mit dem Ziel, jede künftige Einmischung ihrerseits in das königliche Vorrecht der Plantagenets, England zu tyrannisieren, effektiv zu vereiteln.

Wenn er nur die Einzelheiten dieses Plans erfahren könnte, dachte de Vac: den Landepunkt der ausländischen Truppen; ihre Anzahl; den ersten Angriffspunkt. Ah, wäre es nicht eine süße Rache, den König aus diesem Abenteuer, das ihm so am Herzen lag, einen Strick zu drehen?

Ein Wort zu de Clare oder de Montfort würde die Barone und ihre Gefolgsleute mit vierzigtausend Mann ins Feld führen, um die Armee des Königs zu vernichten.

Und er würde den König wissen lassen, wem er seine Niederlage und sein Unbehagen zu verdanken hatte und was der Grund dafür war. Möglicherweise würden die Barone Heinrich absetzen und einen neuen König auf Englands Thron setzen, und dann würde de Vac dem Plantagenet ins Gesicht spucken. Eine süße, schöne, köstliche Rache, in der Tat! Und der alte Mann leckte sich die dünnen Lippen, als ob er das letzte süße Überbleibsel eines zarten Bissens schmecken könnte.

Und dann trug der Zufall einen kleinen Lederball unter das Fenster, wo der alte Mann stand; und als das Kind lachend hinzurannte, um ihn wiederzubekommen, fiel de Vacs Blick auf den Knaben, und all sein früheren Rachepläne schmolzen wie der Nebel vor der Mittagssonne dahin; und an ihrer Stelle eröffnete sich ihm ein ganzes schreckliches Komplott von furchterregender Rache so deutlich, als stünde es auf den Seiten eines großen Buches geschrieben, das vor ihm aufgeschlagen worden wäre. Und soweit es in seiner Macht stand, wich er in den folgenden zwanzig Jahren nicht einen Deut von den Einzelheiten dieses meisterhaft konzipierten Höllenwerks ab.

Der kleine Junge, der so unschuldig im Garten seines königlichen Vaters spielte, war Prinz Richard, der dreijährige Sohn Heinrichs III. von England. Keine Chronik erwähnt diesen kleinen vergessenen Prinzen; nur die Geheimarchive der englischen Könige erzählen die Geschichte seines seltsamen und abenteuerlichen Lebens. Sein Name wurde aus den Aufzeichnungen der Menschen getilgt; und die Rache de Vacs ist aus den Augen der Welt entschwunden, obwohl sie seinerzeit eine echte und schreckliche Sache war, die das Herz aller Engländer berührte.

Drittes Kapitel

Fast einen Monat lang geisterte der alte Mann durch den Palast und hielt in den Gärten Ausschau nach dem kleinen Prinzen, bis er den Alltag seines kleinen Lebens mit seinen Ammen und Gouvernanten kannte.

Er sah, dass sich Lady Maud, wenn sie ihn begleitete, bis an die äußersten Enden des Palastgeländes begab, wo sie durch ein kleines Hintertor einen bestimmten Hauptmann der Garde einließ, dem die Königin dem Zutritt zum Hof verboten hatte.

Dort, in einer abgelegenen Kemenate, flüsterten die beiden Liebenden einander ihre Hoffnungen und Pläne zu, ohne auf ihren königlichen Schutzbefohlenen zu achten, der sich selbst überlassen zwischen den Blumen und Sträuchern des Gartens spielte.

Mitte Juli waren de Vacs Pläne zur Reife gelangt. Er hatte es geschafft, den alten Gärtner Brus zu überreden, ihm den Schlüssel zu dem kleinen Hintertor zu geben, unter dem Vorwand, sich einer mitternächtlichen Eskapade hingeben zu wollen, wobei er vage die Beteiligung einer schönen Dame an diesem Abenteuer andeutete. Und gleichzeitig schob er, was bei Brus noch wichtiger war, dem Gärtner zwei Silberpennys in die Hand.

Brus sah de Vac, wie die anderen Palastdiener auch, als einen treuen Diener des Hauses Plantagenet an. Welchen Unfug de Vac auch immer vorhatte, Brus war sich ziemlich sicher, dass der Schlüssel zum hinteren Tor, soweit es den König betraf, in den Händen de Vacs so sicher war, als ob Heinrich selbst ihn hätte.

Der Alte wunderte sich ein wenig darüber, dass der verdrießliche Fechtmeister in seinem Alter solch frivolen Vergnügungen frönen sollte, die eher jüngeren Adelssprossen anstünden, aber was ging ihn das an? Hatte er nicht genug damit zu tun, die Gärten instand zu halten, damit sein königlicher Herr und seine Gemahlin Freude an den schattigen Spaziergängen, dem gepflegten Rasen und den wunderschönen Laub- und Blumenbeeten finden konnten, die er mit so großer Mühe und Sorgfalt in den Außenanlagen hegte und pflegte?

Außerdem kamen nicht oft zwei Silberpennys seines Wegs; und wenn der liebe Herr Jesus es in seiner unendlichen Weisheit für angebracht hielt, zur Belohnung seines niederen Dieners zu solch einem Mittel zu greifen, stand es einem armseligen Wurm wie ihm nicht an, die göttliche Gunst infrage zu stellen. So nahm Brus das Geld, und de Vac bekam den Schlüssel, und der kleine Prinz spielte glücklich zwischen den Blumen im Garten seines königlichen Vaters, und alle waren’s zufrieden.

An diesem Abend brachte de Vac den Schlüssel zu einem Schlosser auf der anderen Seite Londons, der ihn unmöglich kennen oder den Schlüssel als zum Palast gehörig zuordnen konnte. Hier ließ er sich ein Duplikat erstellen und wartete ungeduldig, während der alte Mann mit den groben Instrumenten seines Gewerbes die Kopie anfertigte.

Von diesem kleinen Laden aus folgte de Vac einem gewundenen Weg durch die schmutzigen Straßen und Gassen des alten London, die ab und zu von einer rauchigen Laterne beleuchtet wurden, bis er zu einem halb verfallenen Haus kam, das freilich den Vorteil hatte, nur einen kurzen Weg vom Palast in Westminster entfernt zu liegen.

Eine schmale Gasse führte an dem Gebäude vorbei und endete abrupt am Ufer der Themse an einem vermoderten Holzsteg, unter dem das tiefschwarze Wasser des Flusses stieg und fiel, um die verrottenden Pfähle lappte und unter dem Steg hinweg zu den weiter flussabwärts gelegenen Docks davonströmte, wo die großen, wilden Dockratten und ihre grimmigeren menschlichen Gegenstücke hausten.

Mehrmals war de Vac auf der Suche nach der kleinen Türöffnung des von ihm gesuchten Gebäudes die schwarze Gasse auf und ab gegangen. Endlich fand er sie, und nachdem er wiederholt mit dem Knauf seines Schwertes dagegen gehämmert hatte, wurde sie von einer schlampigen alten Vettel geöffnet.

»Was willst du von ’ner anständigen Frau zu einer so gottlosen Stunde?«, meckerte sie. »Ah, Ihr seid’s, Mylord«, fügte sie hastig hinzu, als die flackernden Strahlen der Kerze, die sie trug, das Gesicht de Vacs beleuchteten. »Willkommen, Mylord, dreimal willkommen. Die Tochter des Teufels begrüßt ihren Bruder.«

»Halt’s Maul, alte Hexe«, knurrte de Vac. »Reicht es dir nicht, dass du mir schon so viele gute Münzen abgeknöpft hast, um dich für den Rest deines Lebens in Seidenmäntel aus Villosa zu kleiden und an Marzipan und Malvoisier zu laben, dass du mich noch weiter mit der Plage deiner abscheulichen Zunge quälen musst?

Hast du das Bündel Kleider bereit und auch den Schlüssel zu diesem Tor zur Verdammnis? Und der Raum: Hast du die Einrichtung angebracht, die ich hier habe anliefern lasen und die jahrhundertealte Ansammlung von Dreck und Spinnweben vom Boden und den Sparren entfernt? Fürwahr, die Luft stank noch nach den toten Römern, die London vor zwölfhundert Jahren gebaut haben. Und mich dünkt, dem Gestank nach zu urteilen, dass es ein römischer Schweinehirt gewesen sein, der diesen Stall mit seinem Viehzeugt bewohnte, und ich wette, dass du, alte Sau, nie mit dem Besen auch nur in die Nähe dieses Ortes gekommen bist, aus Angst, die verrotteten Gebeine deiner Familie aufzustören.«

»Hört auf zu salbadern, Lord Satan«, rief die Frau. »Ich will lieber Euer Geld reden hören als Euch, denn obwohl es verflucht und verdorben von Eurer schurkischen Hand kommt, spricht es doch mit der gleichen süßen Stimme, als käme es frisch aus den Schatullen der heiligen Kirche.

Das Bündel ist fertig«, fuhr sie fort und schloss die Tür hinter de Vac, der jetzt eingetreten war, »und hier ist der Schlüssel; aber zuerst gebt mir meinen Lohn. Ich weiß nicht, was Euer schmutziges Werk sein mag, aber schmutzig ist es, wie ich aus der Geheimhaltung erkenne, die Ihr verlangt habt, und mich dünkt, dass es manche Leute gut dafür bezahlen würden, den Aufenthaltsort der alten Frau und des Kindes zu erfahren, die Ihr in Tils Dachkammer verstecken wollt – den Balg Eurer Schwester und ihres Sohnes, wie Ihr mir gesagt habt. So wärt Ihr wohl beraten, Mylord, die alte Til gut zu bezahlen und ein paar Bezanten für ihr Stillschweigen hinzuzufügen, wenn Ihr wollt, dass Euer Gefangener im Haus der alten Til sicher ist.«

»Hol mir das Bündel, Hexe«, antwortete de Vac, »und du sollst eine letzte Rate in Gold bekommen, mehr noch als wir ausgehandelt haben, wenn alles gut geht und du deine abscheuliche Zunge hältst.«

Aber die Drohungen der alten Frau hatten bei de Vac bereits ein Gefühl des Unbehagens hervorgerufen, das sich bei der alten Frau in erhöhtem Maße widergespiegelt hätte, wenn sie gewusst hätte, welche Schlüsse ihre Worte im Kopf des alten Fechtmeisters ausgelöst hatten.

Sein Unterfangen war viel zu ernst, und die Folgen einer Enttarnung waren zu riskant, um das Risiko eingehen zu können, von einer illoyalen Mitverschwörerin verraten zu werden. Zwar hatte er nicht einmal die Ungeheuerlichkeit der Tat angedeutet, in die er die alte Frau verwickelte, aber, wie sie gesagt hatte, seine strengen Geheimhaltungsbefehle hatten ausgereicht, um ihr Misstrauen und damit ihre Neugier und Begehrlichkeit zu wecken. Vielleicht hätte die alte Til in ihren löchrigen Bundschuhen gezittert, wenn sie erahnt hätte, welche Gedanken de Vac durch den Kopf gingen. Aber so erkauften die zusätzlichen Goldstücke, die er in ihre runzelige Handfläche fallen ließ, als sie ihm das Bündel übergab, zusammen mit dem Versprechen auf mehr, ziemlich wirkungsvoll ihre Loyalität und ihr vorläufiges Schweigen.

De Vac schob den Schlüssel in die Tasche seiner Tunika und bedeckte das Bündel mit seinem langen Waffenrock, dann trat er in die Dunkelheit der Gasse hinaus und eilte zum Dock.

Unter dem Steg fand er ein Boot, das er früher am Abend dort festgemacht hatte. Er versteckte das Bündel unter einer der Ruderbänke. Dann ruderte er langsam die Themse hinauf, bis er unter den Palastmauern von Westminster angelangt war und legte schließlich in der Nähe des kleinen Hintertores, das in das untere Ende des Gartens führte, an.

De Vac versteckte das Boot, so gut er konnte, unter einigen überhängenden Büschen, die auf Anweisung des Königs dort angelegt worden waren, um die Schönheit der Lage von der Flussseite her zu unterstreichen. Dann schlich er vorsichtig zur Hinterpforte und erreichte unbehelligt seine Gemächer im Palast.

Am nächsten Tag gab er Brus den Originalschlüssel zurück und erzählte dem alten Mann, dass er ihn doch nicht benutzt habe, denn reifliche Überlegungen hätten ihn von der Torheit seines geplanten Abenteuers überzeugt, besonders bei jemandem wie ihm, dessen Jugend vorbei sei und in dessen Gelenken die nächtliche Feuchtigkeit der Themse allzu leicht einen Angriffspunkt finden könnte.

»Ha, Sir Jules«, lachte der alte Gärtner, »Tugend und Laster sind Zwillingsschwestern, die das Geheiß desselben Vaters, der Begierde, erfüllen. Gäbe es keine Begierde, gäbe es keine Tugend, und weil der eine dies begehrt und der andere das Gegenteil, wer will sagen, ob das Ziel seines Begehrens Laster oder Tugend ist? Oder andersherum, wenn mein Freund seine eigene Frau begehrt und wenn das Tugend ist, ist es dann nicht auch Tugend, wenn auch ich seine Frau begehre, denn wir begehren dasselbe? Aber wenn es notwendig ist, unsere Gelenke dem Nebel der Themse auszusetzen, dann war es eine Tugend, zu Hause zu bleiben.«

»Wohl gesprochen, alter Maulwurf«, sagte de Vac lächelnd. »Deine wundersame Logik würde mir, so dünkt mich, in meinem Alter gut anstehen.«

»Der beste Schwertarm der gesamten Christenheit braucht keine andere Logik als das Schwert, sollte ich meinen«, sagte Brus und kehrte zu seiner Gartenarbeit zurück.

Am Nachmittag des folgenden Tages stand de Vac an einem Fenster der Waffenkammer und blickte auf den schönen Garten, der sich vor ihm bis zur zweihundert Meter entfernten Flussmauer ausbreitete. Im Vordergrund erstreckten sich von Buchsbaum umsäumte Spazierwege, glatte Rasenflächen und geometrische Beete mit wunderschön blühenden Pflanzen. Hier und da sah man Marmorstatuen von Waldnymphen und Satyrn weiß aufblinkten, die im hellen Sonnenlicht schimmerten oder halb beschattet von einem überhängenden Busch im flimmernden tobenden Spiel von Licht und Schatten einen Hauch von Leben annahmen, während sich die Blätter über ihnen bei schwacher Brise hin und her bewegten. Weiter in der Ferne verdeckten dichtere Büsche die Flussmauer, und die formale, geometrische Präzision der näheren Umgebung wurde durch einen Hintergrund aus efeubewachsenen Lauben und einer Fülle von kleinen Bäumen und blühenden Sträuchern gemildert, die in geplanter Unordnung arrangiert waren.

Durch diesen scheinbaren Dschungel führten gewundene Pfade, und Bänke aus behauenem Stein boten rustikale Sitzgelegenheiten, und Schaukeln hingen an den Zweigen von Obstbäumen.

Zu diesem bezaubernden Ort gingen langsam die Lady Maud und ihr kleiner Schützling, Prinz Richard, und keiner von beiden ahnte etwas von dem finsteren Beobachter am Fenster hinter ihnen.

Ein großer Pfau stolzierte stolz über den Weg, und als Richard ihm hinterherlief, wie es Kinder tun, eilte Lady Maud zu dem Hintertörchen, schloss es rasch auf und ließ ihren Galan ein, der draußen gewartet hatte. Nachdem sie das Tor wieder geschlossen hatten, schlenderten die beiden Arm in Arm zu der kleinen Laube, die ihr Treffpunkt war.

Während die Liebenden völlig selbstversunken miteinander turtelten, spielte der kleine Prinz fröhlich zwischen den Bäumen und Blumen, und keiner sah das strenge, entschlossene Gesicht, das in einiger Entfernung von dem spielenden Jungen durch das Blattwerk spähte.

Klein-Richard widmete seine königlichen Energien der Jagd auf einen flatternden Schmetterling, der vom Schicksal immer näher und näher an den kalten, harten Beobachter im Gebüsch herangeführt wurde. Immer näher kam der kleine Prinz, und im nächsten Moment war er durch die blühenden Sträucher geplatzt und stand dem gestrengen Fechtmeister gegenüber.

»Euer Hoheit«, sagte de Vac und verbeugte sich vor dem kleinen Kerl, »lasst den alten de Vac Euch helfen, das hübsche Tierchen zu fangen.«

Richard, der de Vac oft gesehen hatte, fürchtete ihn nicht, und so begannen sie gemeinsam, den Schmetterling zu verfolgen, der inzwischen außer Sichtweite war. De Vac wandte ihre Schritte in Richtung des kleinen Hintertores, aber als er mit dem kleinen Prinzen hindurchtreten wollte, rebellierte dieser.

»Kommt, Hoheit«, forderte de Vac, »mich dünkt, dass der Schmetterling über die Mauer geflogen ist. Wir können ihn fangen und dann sofort in den Garten zurückkehren.«

»Geht Ihr und holt ihn«, antwortete der Prinz. »Der König, mein Vater, hat mir verboten, das Palastgelände zu verlassen.«

»Kommt«, befahl de Vac in strengerem Ton, »es kann Euch nichts geschehen.«

Aber der Knabe wollte nicht mit ihm gehen, sodass de Vac gezwungen war, ihn grob am Arm zu greifen. Richard stieß einen Schrei der Empörung aus.

»Lass mich los, Kerl«, schrie der Junge. »Wie kannst du es wagen, Hand an einen Prinzen von England zu legen?«

De Vac presste seine Hand auf den Mund des Kindes, um seine Schreie zu stillen, aber es war zu spät. Lady Maud und ihr Liebhaber hatten es gehört, und im nächsten Augenblick stürzten sie auf das Hintertor zu. Der Offizier zog im Laufen sein Schwert.

Als sie die Mauer erreichten, befanden sich de Vac und der Prinz bereits draußen, und der Franzose hatte das Tor zugeschlagen und versuchte, es abzuschließen. Aber behindert durch den kämpfenden Jungen hatte er keine Zeit, den Schlüssel umzudrehen, bevor der Hauptmann sich gegen die Torflügel warf und sich, dicht gefolgt von Lady Maud, dem Fechtmeister gegenübersah.

De Vac ließ den Schlüssel fallen, packte den jetzt völlig verstörten Prinzen mit der linken Hand, zog sein Schwert und trat dem Hauptmann entgegen.

Es gab keine Worte, es bedurfte auch keiner; de Vacs Absichten waren zu offensichtlich. Also trafen die beiden mit grimmiger Wut aufeinander; der tapfere Hauptmann stand dem besten Schwertkämpfer gegenüber, den Frankreich je hervorgebracht hatte, in einem sinnlosen Versuch, seinen jungen Prinzen zu retten.