Kitabı oku: «Franz spricht», sayfa 6
Franz
spricht
Schauen Sie mich an. Ich bin zwar nicht mehr jung, aber, wie man so sagt, noch recht gut erhalten. Ich war nie ein Kraftlackel, wissen Sie, so einer, der mit seinen Muskeln herumprotzt. Aber Kraft hab ich trotzdem gehabt, nicht wenig. An Raufereien war ich nie beteiligt. Das liegt mir nicht. Aber zurechtgewiesen habe ich manchen, der geglaubt hat, er kann mir was antun. Aufgestellt hab ich mich vor ihm, einfach aufgestellt und hab ihn fixiert. Dann hat er bald seine Arme fallen lassen und seine Faust aufgemacht. So war das.
Ich hab auch geglaubt, wenn man einem Menschen gut zuredet, kann man bei ihm was erreichen. Das ist mir nicht immer geglückt. Aber versucht hab ich es und diesen Versuch nie aufgegeben. Zum Beispiel damals, als es Streik gegeben hat in unserer Fabrik. Wie alt war ich damals. Zweiundzwanzig vielleicht.
Es war so. Wir Arbeiter wollten mehr Lohn. Die Fabrik hat gute Gewinne gemacht, wir alle haben fleißig gearbeitet, richtig hingehaut, sozusagen, oft Überstunden, meistens ohne Lohnausgleich. Der Betriebsrat hat gemeint, so geht das nicht weiter, wir hätten Anspruch auf mehr Geld, zehn Prozent vielleicht, nicht übertrieben. Wir waren längst dieser Meinung, nur die gewerkschaftliche Unterstützung hat uns gefehlt. Wir haben sie bekommen. Ich war damals Vorarbeiter, die meisten Kollegen haben mir vertraut und mich zu ihrem Sprecher gewählt. Bei den Verhandlungen mit der Betriebsleitung sollte ich sie vertreten. Nicht einfach, das hab ich gewusst. Heute ist mir klar, dass da auch Eitelkeit von mir dabei war. Aber bitte. Mit zweiundzwanzig Jahren. Ich hab mich vorbereitet, mit guten Argumenten, alles besprochen mit den Kollegen, mit dem Betriebsrat. Der Chef war ja so weit in Ordnung. Zwar hat er zuviel geredet, von der Gleichheit aller Menschen und solche Sachen, mit denen ein Arbeiter nichts anfangen kann, aber in Ordnung. Natürlich hört sich die Freundschaft auf, wenn man Geld haben will. Es war ein harter Kampf, mit allen diesen Leuten, die auch was zu sagen hatten und den Chef unterstützten. Ich glaub, ich hab mich recht gut gehalten, mich bemüht, ordentlich zu reden, ich habe, wie es so schön heißt, Überzeugungsarbeit geleistet. Fast ist es zu einem positiven Abschluß gekommen. Fast.
Weil es nämlich einen Streikbrecher gegeben hat. Ein schon älterer Mensch, der nie besonders aufgefallen ist, der nie viel geredet hat, mit keinem von uns befreundet war.
Wir haben gewusst, er lebt allein, seine Frau war gestorben. Er hatte eines der kleinen Häuser in unserer Siedlung, manchmal hat man ihn im Garten arbeiten gesehen, im Wirthaus sah man ihn nie, auch nicht in der Kantine.
Ich wollte einfach nach der Arbeit zu ihm hingehen. Und ihm sagen, dass er mitmachen. soll. Ziemlich laut hab ich an seine Tür geklopft. Er war erschrocken, das hab ich gleich bemerkt. Kann ich reinkommen, hab ich gefragt. Ohne ein Wort zu sagen ist er mir in die Küche gefolgt. Die war ärmlich, aber ordentlich aufgeräumt. Ich hab mich hingesetzt und zu reden begonnen. Er ist vor mir gestanden, ganz still, ich weiß nicht, ob er mir überhaupt zugehört hat. Dann hat er mich zur Stiege geführt, mit dem Finger hinauf gezeigt. Er ist vorausgegangen. Ich bin ihm gefolgt.
Was ich dann gesehen hab, werd ich nie vergessen. In einer Kammer, vielleicht zwei mal zwei Meter, ist seine Tochter gelegen. Das Bett hat fast den ganzen Raum eingenommen. Sie ist drinnen gelegen, sie war wach, aber sie hat mich nicht gesehen.
Ich völlig überrascht, denn wir alle haben von dieser Tochter nichts gewusst, und ich sag Guten Tag. Das war natürlich blöd von mir, aber ich hab keine Ahnung gehabt was tun. Sie kann nicht sprechen hat der Vater gesagt, sie kann auch nichts hören, und sie weiß auch nichts, gar nichts.
Ich muß arbeiten, immer arbeiten, für sie arbeiten, immer, kein Streik, hat er gesagt, als wir wieder in der Küche waren. Mir ist dann nichts mehr eingefallen.
Meinen Arbeitskollegen hab ich es erzählt. Alle waren still, nur einer hat gesagt, wenn der Alte nicht will, muß man ihn zwingen, er würde schon wissen, wie man das macht.
Da hab ich zugeschlagen, richtig zugeschlagen, seine Nase hat geblutet und auch sonst war er ziemlich verändert. Die andern haben mich verstanden. Ich habe so was nie mehr getan, aber damals hat es sein müssen.
Gestreikt haben wir trotzdem. Viel hat es nicht gebracht. Von den zehn Prozent war keine Rede mehr.
»
Der Pfad war steil und ausgesetzt. Auf der einen Seite eine Felswand, hoch, ohne Ende. Auf der anderen Seite ein Abgrund, tief, ohne Ende. Miriam blieb stehen.
Heinz, ich kann nicht mehr.
Was heißt, ich kann nicht mehr, du musst weiter.
Nein, ich will zurück.
Das geht nicht.
Warum.
Wenn wir umdrehen, kommen wir in die Dunkelheit.
Und bis zum Gipfel.
Das geht. Wir erreichen die Hütte noch bei Tageslicht.
Wenn ich aber nicht mehr kann.
Reiß dich zusammen.
Ich will mich aber nicht zusammenreißen. Ich will zurück.
Er sagte nichts mehr, drehte sich um und ging wieder voraus. Sie folgte ihm, langsam, mit schleppenden Schritten. Sie zwang sich, nicht hinunterzuschauen, nur auf den Pfad zu blicken, auf dieses schmale Stück Weg, harte Erde von Steinen durchsetzt, immer gleich, niemals anders. Ab und zu strich sie mit ihren Händen über den Fels, er war rau, sie spürte dann Schmerz auf ihrer Haut. Gern hätte sie die Augen zugemacht, um nichts von dieser unheimlichen, bedrohlichen Umgebung zu sehen. Das durfte sie nicht, sie wusste es. Sie wusste auch, dass ihre Schritte noch langsamer werden würden. Weil sie so müde war, dass sie kaum noch die Füße heben konnte.
Warte, warte bitte, rief sie zu ihm nach vorn. Er blieb kurz stehen. Zwei, drei Sekunden lang, dann ging er weiter. Sie lehnte sich kurz an die Felswand. Als sie aufsah, war er ihrem Blick entschwunden. Sie begann zu schreien, er tauchte wieder auf.
Glaub ja nicht, du könntest dich jetzt ausruhen, sagte er.
Ich kann nicht mehr, wiederholte sie.
Irgendwann erreichten sie die Hütte. Sie taumelte, und er nahm sie in seine Arme.
Wenn ich gewusst hätte, dass es dich so anstrengt.
Du hast es gewusst.
Sie hatte Hunger und aß fast nichts, obwohl der Geruch von Suppe, Speck und Eiern sie quälte. Sie sah ihm zu, wie es ihm schmeckte, sie saß still an dem großen, hölzernen Tisch, zusammen mit vielen anderen, die diesen Berg bestiegen und bezwungen hatten, einen Berg mit prachtvoller Aussicht, die sich ihr am Morgen, beim Abstieg, wieder zeigen würde. Sie hatte Angst vor der Nacht. In einem Quartier mit vielen Schlafstätten, mit anderen Menschen, deren lauten Atem sie hören würde.
Als Miriam am Morgen erwachte, war Heinz nicht da. Sie fragte den Hüttenwirt. Ihr Mann sei schon abgestiegen, sagte er, allein. Er habe gemeint, sie könne sich einer größeren Gruppe erfahrener Alpinisten anschließen.
Sie hätte gern geweint, aber sie tat es nicht. Ein unglaublicher Zorn gegen ihren Mann brach in ihr auf. Sie wusste, sie konnte diesen Zorn nur loswerden, wenn sie ruhig und beherrscht den Abstieg antrat. Trotzdem erkannten die Leute, denen sie sich anschloss, dass es ihr nicht leicht fiel, dass sie den Blick vom Boden nicht hob, dass jeder Hinweis auf eine besonders schöne Aussicht und damit jedes Hinunterblicken eine Qual für sie bedeutete. Wolken zogen auf, das Wetter verschlechterte sich, es wurde kalt. Man müsse sich beeilen, sagte man, um das Tal schnell zu erreichen. Es könnte ein Gewitter kommen, das wäre nicht gut. Auch nicht ungefährlich bei schlechter Sicht. Miriam spürte das Klopfen ihres Herzens so stark, dass sie meinte, die Anderen müssten es hören. Die Gruppe beschleunigte das Tempo. Miriam stolperte, sie fing sich im letzten Moment, indem sie sich an einen Felsvorsprung klammerte. Sie verlor die Beherrschung. Darf ich mich an Ihrem Rucksack anhalten, bat sie ihren Vordermann. Er sagte ja, aber seine Schritte waren rascher als ihre, fast zog er sie mit sich, manchmal wurde sie langsamer, er merkte es und blieb stehen. Ist schon gut, sagte er, als sie sich entschuldigte.
Sie erreichten das Tal, das Wetter war vorbeigezogen. Hier unten war alles grün, üppige Wiesen, belaubte Bäume, freundliche Häuser in blühenden Gärten. Eine andere Welt. Miriam konnte es fast nicht glauben. Nur langsam verließen sie Bedrohung und Angst. Sie müsse öfter in die Berge gehen, meinte der Mann mit dem Rucksack.
Sie nickte, bedankte sich und wusste gleichzeitig, sie würde es nicht mehr tun.
Als sie ins Hotelzimmer zurückkam, schlief Heinz. Sie hätte ihn gern aufgeweckt, ihn gefragt, warum er sie allein zurückgelassen hatte, oben auf dem Berg. Aber sie tat es nicht. Sie setzte sich ans Fenster und sah hinaus in die Landschaft. Ihre Wut, ihr Zorn begannen schwächer zu werden, nur ihre Finger strichen unaufhörlich über das Holz des Tisches. Als Heinz erwachte, blieb sie stumm.
Bist du mir bös, fragte er. Sie schüttelte den Kopf. Weißt du, fuhr er fort, ich hatte plötzlich das Gefühl, ich müsste allein sein, ich könnte keinen Menschen mehr ertragen, auch nicht dich.
Du hast mich schon einmal so plötzlich verlassen, sagte Miriam.
Erinnerst du dich, damals am Fluss.
Ich weiß, sagte er. Es war nicht richtig von mir.
Und du wirst es wieder tun, fragte sie.
Er sah sie nicht an. Vielleicht, sagte er.
Damals waren sie zwei Jahre verheiratet.
Zu jener Zeit war es eben so. Die Zeit jetzt ist eben anders. Das wird jeder, der so alt ist wie ich, bestätigen. Es hat sich viel geändert, und man kann von mir nicht verlangen, dass ich alles für gut befinde. Ich habe meine Erfahrungen, ich habe meine Erkenntnisse.
Ich habe ein schon langes Leben gelebt und aus diesem Leben meine Schlüsse gezogen Das lasse ich mir nicht nehmen. Und ich lasse mich von Jüngeren nicht mundtot machen. Nur weil ich nicht mehr auf der Erfolgswelle schwimme, nicht mehr aktiv bin.
Das heißt ja nicht, dass ich mich nicht weiterbilde, ständig weiterbilde durch Lektüre, ja auch durch das Fernsehen, das mich zweifellos mit wichtigen Informationen versorgt. Ich bin verwitwet, das heißt ich bin allein, meine Tochter sehe ich selten, ebenso meine Enkelin. Darüber will ich mich auch nicht beklagen. Ich will damit nur sagen, dass ich mich stets bemühe, mein Leben zu meistern, was nicht immer einfach ist. Niemand sagt zu mir Guten Morgen, schau, was für ein schöner Tag. Niemand sagt zu mir Was machen wir heute, überleg es dir bitte. Wenn ich fortgehe, schaut niemand mir aus dem Fenster nach. Wenn ich heimkomme sagt niemand Gut, dass du wieder da bist.
Und bevor ich einschlafe, nimmt niemand meine Hand und sagt Träum was Schönes.
So ist das. Und manchmal schwierig. Dann ist es gut, ein Buch in die Hand zu nehmen, meistens eines, das ich schon kenne und jene Stellen zu lesen, die mich oft schon getröstet haben, Oder, auch das kann sein, eine Schallplatte aufzulegen – ich sage bewusst Schallplatte, denn sie hat einen besseren Klang als eine CD – und ein klassisches Konzert anzuhören. Dann schließe ich die Augen und die Musik strömt an mir vorbei. Manchmal kann es sogar passieren, dass ich glaube, meine Frau ist da, und ich höre das leise Rascheln ihres Taschentuches. Das ist aber selten, weil ich ein vernünftiger Mensch bin, der weiß, dass eine solche Illusion alles nur schwerer macht.
Eigentlich wollte ich auf was ganz Anderes hinaus. Nämlich auf meinen Bruder Paul, von dem dieser Bericht ja handeln soll. Das, was ich jetzt sagen will, hängt auch mit meiner Frau zusammen, die ich eben erwähnt habe.
Sie hat nicht fertig studiert, Literatur, ein Studium das nicht gerade künftigen Erfolg versprach, aber sie hat es interessiert. Einige Male wollte ich sie überreden, was anderes zu studieren, Jus vielleicht, wie ich. Aber da war nichts zu machen. Und daran, ich muss es ihm jetzt noch vorwerfen, war hauptsächlich mein Bruder Paul schuld. Lass sie doch, sagte er zu mir, sie soll Freude haben an dieser Wissenschaft, denn Wissenschaft ist Literatur genauso wie alle anderen Studienrichtungen. Sie hat eben eigene Interessen. Ich finde das gut. Es wird eure Ehe interessant machen.
Selbstverständlich hat er auch sie stark beeinflusst. Ich wusste, dass sie auf ihn hörte.
Ich wusste auch, dass sie einander manchmal trafen, ohne dass ich dabei war. Sicher sprachen sie dann über ihr Studium und ihren Wunsch, es nicht aufgeben zu wollen. Mehr war da nicht, da bin ich sicher. Paul hat mir auch jeden Mal von diesen Treffen erzählt und mich letzten Endes dazu gebracht, dass ich Christine sagte, mach was du willst, wir werden nicht mehr darüber reden. Sie war erleichtert und umarmte mich.
Hat Paul dich überzeugt, fragte sie.
Diese Frage machte mich wütend. Nein, sagte ich, ich habe selbst eingesehen, dass man dir deinen Willen lassen soll.
Sie hat mich dann ein paar Tage lang nicht sehen wollen. Heute weiß ich, dass ich mich damals schlecht ausdrückte. Dir deinen Willen lassen, das klingt gönnerhaft, herablassend. Ich war damals jung und sehr ehrgeizig. Ein Teamwork mit meiner Frau, zwei Anwälte in eigener Kanzlei, spezialisiert auf gewinnbringende Gebiete, Scheidungs- oder Steuerrecht, das schwebte mir damals vor. Aber ich habe auch ohne sie meinen Weg gemacht. Ministerialrat im Finanzministerium war auch keine schlechte Position.
Alle diese Diskussionen und Missverständnisse hätten nicht sein müssen. Als sich das Kind ankündigte und wir heirateten, gab sie das Studium auf. Sie sprach zwar davon es wieder fortzusetzen, wenn unsere Tochter in den Kindergarten gehe. Aber dazu hatte sie dann doch nicht den Mut, glaube ich. Zuviel vergessen, meinte sie, wenn ich sie dazu ermuntern wollte. Ich glaube, sie nahm mich nicht ernst. So verging die Zeit. Ich habe den Verdacht, dass auch meine Mutter sie davon abhielt.
Das Kind gehört zu dir, sagte sie, man gibt es nicht in fremde Hände.
In der ersten Zeit unserer Ehe, als unsere Tochter noch nicht geboren war, las sie mir viel vor, aus Büchern, die sie liebte, Goethe, Schnitzler, Rilke, auch aus moderner Literatur. Als Miriam dann da war, hatte sie kaum Zeit dazu, und ich warf mich voll in meine Karriere hinein. Heute denke ich manchmal an diese Abende. Nur meine Frau im Licht der Stehlampe, den Kopf gesenkt, in ihren Händen ein Buch. Ich, ein Stück von ihr entfernt, im Dunkel, ihrer Stimme lauschend. Schön war das.
Und was Paul betraf. Ich will mich nicht schon wieder verlaufen. Er hat eine tolle Matura hingelegt, mit Auszeichnung, ich kam nur gut durch. Er hat alle Chancen, sagte mein Vater voller Stolz. Die hatte er. Aber von allen diesen Chancen nutzte er keine, Orchideenstudien hat er betrieben, wie man heute sagt. Astronomie, Archäologie oder Sinologie, alles zuerst mit größtem Interesse, aber mit geringer Ausdauer. Ich weiß nicht, meinte er nach zwei, drei Semestern, es ist doch nicht das Wahre. Was willst du eigentlich, fragte ich ihn. Ein Studium und damit ein Wissen, was mich total ausfüllt, das meiner Person, meinen Ansprüchen an das Leben genügt. Er fand es nicht. Und hat auch aufgehört zu studieren.
Ich war verblüfft. Meiner Frau hast du zugeredet, ihr Studium fortzusetzen und du gibst es auf, fragte ich. Ich müsste alles studieren können, antwortete er. Einfach alles. Dann wäre ich vielleicht zufrieden.
Das fand ich völlig übertrieben. So hatte ich ihn nicht eingeschätzt.
Weißt du, erklärte er, ich brauche nur ein wenig Geld. Wenn ich das habe, kann ich mir, was mich interessiert, selber beibringen.
Er trat dann in das Büro eines Immobilienmaklers ein. Er blieb lang allein. Bis er durch einen Zufall Eva kennen lernte. Da war er schon ein reicher Mann.
Aber ich greife vor. Ich weiß, meine Art des Erzählens ist alles andere als linear.
Da war wieder seine Frau Miriam, die sich so fest, so unerbittlich in ihn eingehängt hatte, als wollte sie ihn niemals loslassen. Da war Heinz, der verunsichert um sich blickte. Der erst, als er Eva entdeckte, plötzlich ganz anders aussah. Voller Freude, voller Erwartung, noch unter einem Zwang stehend, aber schon im Bewusstsein, er würde sich davon befreien. Da war dieses Essen in großer Gesellschaft, mit Freunden und anderen Leuten, die einander weniger gut kannten. Da saß Miriam ein Stück entfernt von ihrem Mann, neben einem sympathischen älteren Herrn, der hartnäckig versuchte, mit ihr ein Gespräch zu beginnen. Sie aber gab, und Eva bemerkte es, nur flüchtige Antworten, sie sah ständig zu Heinz hinüber, der an der anderen Seite des Tisches saß.
Sein Gegenüber war Eva, es war das zweite Mal, dass sie einander sahen, wieder in Gesellschaft. Es war aber, als würden sie einander schon viel länger kennen. So wechselte das Gespräch, das sie mit ihren Nachbarn höflich führten, immer wieder zur anderen Seite des Tisches hinüber, zu dem, dem allein ihr Interesse galt. Das ging, bis Miriam plötzlich aufstand, noch während des Essens. Langsam ging sie zu Heinz, die Serviette noch in der Hand, flüsterte ihm was ins Ohr. Er sah auf, unwillig, fast zornig. Sie ging sofort wieder an ihren Platz, wandte sich ihrem Nachbarn zu, entschuldigte sich. Einige hatten Miriams Verhalten bemerkt und wischten in intensiven Gesprächen ihr Erstaunen weg.
Eva saß stolz, fasst triumphierend an ihrem Platz. Sie beugte sich wieder zu Heinz hin, er blieb einige Sekunden lang still und lachte dann überaus laut und von allen bemerkbar über ein paar Worte, die sie ihm zuflüsterte.
Seit diesem Abend wusste Eva, sie würde bekommen, was sie wollte. Sie wusste auch, sie würde vorsichtig, nicht drängend vorgehen, sie würde Geduld haben müssen. Vor allem würde sie nicht von Paul oder von Franz sprechen, sie war ja schon einige Zeit allein, allein in diesem großen Haus, in ihrer Villa. Allein auch mit ihren finanziellen Angelegenheiten, die sie mit Geschick bewältigte. Von diesem Alleinsein, nur davon, würde sie Heinz erzählen, er würde sie bewundern, denn er selbst war, wie sie wusste, in seinen Geschäften erfolgreich. Was sie verstand, wenn sie ihn ansah, wenn sie sein Verhalten studierte, das gleichzeitig rätselhaft und bestimmt war. Wie sie ihn behandeln musste, war ihr ziemlich klar, Sie wusste aber auch, sie durfte keinen Fehler machen. Sie fand die ganze Sache spannend und durchaus erprobenswert.
Heinz K. blieb noch ein Jahr bei seiner Frau, mit der er seit fünf Jahren verheiratet war.
Miriam kämpfte um ihn, aber sie kämpfte nicht gut. Sie versuchte, ihm alles recht zu machen und begehrte gleichzeitig gegen ihr eigenes Verhalten auf. Manchmal wurde sie von Heinz beobachtet, erstaunt, denn sie hatte sich verändert. Oder sie wurde von ihm nicht beachtet, weil er diese Veränderung erkannte. Und weil er wusste, dass sie durch ihn geschehen war. Das ging so eine Weile dahin. Bis Miriam die Scheidung einreichte. Er wollte sie zuerst nicht, gab aber dann nach. Eva, bei der er immer wieder ein paar Tage blieb, erklärte er, er werde eine eigene Wohnung nehmen. Er wolle von niemandem abhängig sein.
Sie hatte es sich anders vorgestellt, sagte aber, sie würde ihn verstehen.
Einige Zeit lang glaubte sie, ihn zu lieben. Sie erkannte aber bald, dass es nicht der Fall war, dass er letzten Endes nur ihrem Selbstgefühl gut tat. Das genügte ihr dann. Dass er mehr von ihr wollte, verdrängte sie.
Die ersten Monate waren sehr schön. Er sprach nicht von Miriam, sie sprach nicht von Paul und schon gar nicht von Franz. Heinz wusste nur, dass es beide in Evas Leben gegeben hatte. Der Garten rund um das Haus, der noch von Paul angelegt worden war, wurde Heinz’ große Liebe, er ließ alles wie es war, denn er wusste, er hatte kein Recht, es zu verändern. Paul war in Haus und Garten nur noch ein Schatten, der unvermutet kam und rasch verblich. Was Franz betraf, war es anders. Er schien keine Spuren hinterlassen zu haben. Er schien aus Evas Leben vollkommen verschwunden zu sein.
Irgendwann muß ich sie nach Franz fragen, dachte Heinz. Irgendwann. Vielleicht.
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