Kitabı oku: «Jürgen Klopp», sayfa 3
Sportplatz Riedwiesen
Der Platz in den Riedwiesen, auf dem die erste Mannschaft spielt, wurde 1983 eingeweiht, da spielte die Erste des SV zum letzten Mal in der Bezirksliga. In der Saison 2010/11 hatte es lange so ausgesehen, als würde der Aufstieg gelingen. Dann war es doch nur der dritte Platz. In der Saison 2011/12 der nächste Anlauf, mit den Spielertrainern Tomislav Gelo aus Kroatien, 35 Jahre alt, und dem Bosnier Senad Sencho Kacar, 39 Jahre alt. Die beiden haben einen Job und bekommen ein bisschen Geld für die Trainingsarbeit, der Rest der Mannschaft ist »vom Ort«, wie Trik sagt.
Die Eingeweihten in der »Linde« diskutieren, ob das »Klopple« auf dem »neuen« Platz, der mittlerweile auch schon 30 Jahre alt ist, gespielt hat. Es kommt nicht zu einer Entscheidung, Tendenz: eher nicht. Fest steht: »Der Platz muss saniert werden – dringend«, weiß Gerhard Trik, der mit feinem Ohr dem Gras beim Wachsen zuhört.
Wembley – von weitem
Wir sitzen auf der Terrasse des Vereinsheims, in dem ein paar Pokale in der Vitrine stehen, die »s’Klopple« zu gewinnen half, und sehen sattes Grün. »Isch wie Wembley«, sagt Trik, und wir sehen mal davon ab, dass es Wembley nicht mehr gibt, »aber nur von weitem«. Im Winter ein Sumpf, im Sommer hart wie Beton. »Wir haben hier«, erklärt Trik, »einen Zeltsystem-Platz«.
Wir machen ein paar Schritte übers Grün. Der Rasen ist butterweich, gestern war die B-Jugend drauf, ganze Rasenfetzen haben die Burschen herausgerissen. Nicht mutwillig, sondern bei völlig normalem Training. »Es kommt der Tag«, prophezeit Trik, »an dem wir nicht mehr spielen dürfen, weil die Verletzungsgefahr zu groß wird.« Die Gemeinde will nicht zahlen, der Verein hat kein Geld. Eine Sanierung würde 130.000 Euro kosten, davon zahlt der Württembergische Landessportbund 30 Prozent, die Gemeinde müsste einen Teil übernehmen, 30.000 Euro würden am Verein hängen bleiben. Auf das Vereinsheim wurde 2002 eine Solaranlage gesetzt, finanziert von 20 Gesellschaftern. Der Strom wird ins Netz eingespeist.
Sieben Tage in der Woche wird in den Riedwiesen trainiert. Zu den Spielen kommen im Schnitt 100 bis 150 Zuschauer. Die Glattemer stehen auf dem steil zur Neunecker Straße ansteigenden Rasenstück, die Anhänger der Auswärtsmannschaft gegenüber. Vor drei Jahren, beim Landesliga-Relegationsspiel Spvgg Freudenstadt gegen die TSG Tübingen, waren über 3000 Zuschauer auf der Anlage. Freudenstadt führte 2:0, Tübingen gewann 3:2 und durfte in der Landesliga bleiben.
Fortuna Köln und 1860 München waren zu Trainingsspielen hier; bei einem Freundschaftsspiel des FSV Mainz gegen den SV Linx kamen 800 Zuschauer – Kloppo war da noch Spieler. »Nur 800«, sagt Trik. Ob mal Borussia Dortmund nach Glatten kommt, wird der Trainer auf der Meisterfeier gefragt: »Das kann durchaus noch dauern«, antwortet Klopp, zu wenig spielstarke Gegner in der Gegend, da kann er ziemlich unsentimental sein.
Der Waldplatz
Wir fahren auf den Waldplatz, auf dem der junge Klopp gespielt hat. Sattes Grün, mit dem Stumpf einer Tanne auf der Auslinie. Auch als der Stumpf noch ein stattlicher Baum war, kein Hindernis. Vor nicht allzu langer Zeit wurde ein Fangnetz errichtet, damit die Bälle nicht in die Lauter fliegen, die keine fünf Meter hinterm Platz durchs Tal plätschert. »Ständig«, sagt Trik, sind Bälle in die Lauter geflogen, es gab eine Stange, um sie rauszuholen. Bei Niedrigwasser kein Problem, bei Normalwasser war der Ball »beim Teufel«. Und so, wie Trik das Wort »Teufel« ausspricht, sieht man Satan in der Fußball-Hölle, wie er mit den verdammten Seelen kickt – mit Bällen aus dem seit der Reformation protestantischen Glatten.
Die Schranke, von Trik schick in gelb-schwarz – den Vereinsfarben des SV Glatten – gestrichen, soll verhindern, dass »Junge, Mittelalte und Alte nachts hierher kommen, und Unsinn machen«. Der Platz, lauschig und abgeschieden, schreit nach Unsinn. Die Tore hat Trik auch selbst gebaut, bis auf die beiden neuen. Er war auch schon im hölzernen Vereinsheim, das hier steht, tätig. Das wurde 1970 gebaut, ist 1986 abgebrannt, und wurde dann wieder neu aufgebaut. Jetzt ein Geräteschuppen.
Alle Mannschaften, auch die drei der Frauen, die zwei Mal pro Woche trainieren, wechseln zwischen dem »neuen« Platz und dem »alten«. Vor allem im Sommer wird gerne im Wald trainiert, weil hier Schatten ist, den gibt es drüben nicht.
Der Maulwurf
Vor dem Tannenstumpf auf dem Waldplatz ist der schöne, ebene Rasen ein wenig hügelig und bröselig. Da sind kleine braune Erhebungen aus Erde – die schiebt der Höhlen grabende Maulwurf an die Oberfläche. Der Maulwurf schafft es, dem mit der Tugend der Gelassenheit reichlich versehenen Gerhard Trik die Fassung zu rauben. »Gegen die Maulwürfe kämpf ich mit allen Mitteln«, knurrt er, und zählt auf: Gift und Fallen. Dem einen oder anderen Maulwurf hat er den Garaus gemacht, aber diese Hügel, die sind ganz frisch. »Gestern«, sagt er, »waren die noch nicht da.«
Muss er wieder mit Fallen arbeiten. »Das mache ich nicht gerne während des Trainingsbetriebs«, sagt der Platzwart. Er markiert die Stelle, an der er eine Falle aufstellt, mit einem Stecken, aber die Kinder ziehen den Stecken raus, und dann ist die Falle weg, weil er sie nicht wiederfindet. Verdammte Maulwürfe. Dabei weiß man als oberirdisch operierender Zweibeiner nicht mal sicher, mit wie vielen Gegnern man es aufnehmen muss. »Kann sei, des isch bloß oiner, aber der gräbt mir den ganzen Platz um«, schimpft Trik. Der durchaus Sympathie für die Talpidae hat: »Auf em Acker isch des in Ordnung, aber auf em Sportplatz hen die nix verloren.«
Wir sitzen immer noch in der »Linde«, es ist dunkel, das Weizenbier macht durstig. Rafinha erzielt für die Bayern das 2:0 gegen Villareal, beifälliges Gemurmel der Zuschauer im Nebenraum. Jens Haas, der Ingenieur, nimmt noch ein Bier. Ich auch. Wir reden über die schwierigen Fragen. Warum gelingt einer Mannschaft an dem einem Tag nichts, und an einem anderen alles? Und wie sich die Spieler gegenseitig anstecken, im Guten wie im Schlechten. Der Haas würde das Spiel gerne berechnen, so wie Ingenieure das machen, aber er ahnt, dass das nicht geht. Dann verabschieden wir uns, und ich bin froh, dass es seit 1904 Straßenbeleuchtung in Glatten gibt.
Heimweh
Die Arbeit schiebt die Menschen durch die Welt. Und der Fußball ist ein großer Schieber. Manche wechseln den Kontinent, andere die Kultur, vielleicht muss man ja von Glück reden, wenn man im Land bleiben kann, auch wenn die Strecke von Dortmund nach Glatten »ab Pforzheim auf der Bundesstraße echt lästig wird, wenn man den Falschen vor sich hat«, sagt Klopp.
In Stuttgart, auf dem lädierten Hauptbahnhof, gibt es einen elektronischen Gimmick. Da ist zu sehen, wie das Wetter in Deutschland ist. Die wissen, warum sie das hier aufstellen. Über Baden-Württemberg scheint an dem Tag, an dem ich zurückfahre, die Sonne. Über dem Norden – Wolken. Wie an dem Tag, an dem ich gekommen bin. Ich frage mich, warum ich zurückfahre, obwohl ich weiß, dass ich es auch nicht aushielte, hierzubleiben.
Im ICE liegen diese Magazine der Deutschen Bahn auf den Tischen. Von denen guckt Joachim Löw. Auch ein Schwarzwälder, auch weggegangen. Am besten, ich schreibe einen Text über Heimweh. Heimweh muss man, wenn man weggegangen ist, haben. Um von der Heimat wenigstens das Weh zu behalten, darf man nicht zurückkommen.
Im Jahr 1983 schloss sich Jürgen Klopp dem TuS Ergenzingen an, der Ort liegt zwischen Horb und Rottenburg im »Gäu« – wie der Schwabe sagt. Die Jugendarbeit der TuS galt als vorbildlich. Klopp überzeugte und wies sogar einen späteren Weltmeister in die Schranken. Sein früherer Jugendtrainer Walter Baur, im Frühjahr 2012 im Alter von erst 62 Jahren verstorben, berichtete im Jahr zuvor von einigen Anekdoten über den jungen Fußballer Jürgen Klopp.
von Saban Uzun
Keiner nannte ihn Norbert
Hier wohnt ein Fußballverrückter. Vom Balkon wehen die brasilianische und die deutsche Flagge. Die brasilianischen Farben sind für einen Nachwuchsspieler, der unter dem Dach wohnt. Im Garten liegen Fußbälle, im Büro brennt Licht. An der Tür steht »Baur«. Die Tür geht auf, es riecht nach Fußball. Auf dem Boden liegt eine Taktiktafel, im Regal Bücher, alle über Fußball: WM ’74, modernes Verteidigen und Konditionstraining. Trikots hängen an der Wand, auf dem Schreibtisch stehen Pokale. Hinter der Türe ein Mannschaftsfoto der A-Junioren des TuS Ergenzingen aus dem Jahr 1986. Es ist nicht irgendeines.
Rechts unten in der ersten Reihe kniet einer: Blaue Hose, gelbes Trikot, Schnauzbart, Kapitänsbinde, Haare über der Stirn. Sehr brav, der Junge ist 17 und heißt – Jürgen Norbert Klopp. Keiner nennt ihn Norbert. Dreieinhalb Jahre spielt Klopp für den TuS Ergenzingen. In seinem ersten Jahr bei den A-Junioren nicht so häufig. Da sitzt er meist in der Trainingsjacke auf der Bank. Jürgen ist fußballerisch kein Überflieger. »Der konnte keine drei Mal den Ball hochhalten«, erzählt Walter Baur, 61 Jahre alt, lächelt und kramt einen Ordner heraus. Kurz geblättert, da ist die Stelle: TuS Ergenzingen gegen den SSV Reutlingen. Einzelkritiken. Jürgens Note, eine Sechs. »Ganzer Ausfall, kein Zweikampf gewonnen«, hat Baur damals notiert. Zum TuS kam er eher zufällig.
Auto oder Talent?
Klopp, in Stuttgart geboren, spielt für den SV Glatten, nur ein paar Kilometer von Ergenzingen entfernt. Walter Baurs damaliger Jugendtrainer Hermann Baur – in Ergenzingen gibt’s viele Baurs – sichtet bei einem Auswahlspiel Stürmer Jürgen Haug vom SV Glatten. Den anderen Jürgen hat Hermann Baur nicht auf dem Zettel. Beide kommen zum TuS und müssen drei Mal pro Woche die 40 Kilometer zum Training zurücklegen. Jürgen Klopps Vater Norbert fährt sie. Noch heute hat Jürgen Klopp das Gefühl, dass beim Wechsel nach Ergenzingen des Vaters Autodienste wichtiger waren als sein Talent.
Die Fahrten zum neuen Fußballverein sind kein Zuckerschlecken für Jürgen Klopp. Auf den Fahrten bleibt viel Zeit für Analysen. Vater Norbert ist sein größter Kritiker und erwartet viel von seinem Jungen. Das treibt Jürgen noch mehr an. »Jürgen war sehr dankbar fürs Fahren und wollte dies seinem Vater zurückgeben. Er war unheimlich ehrgeizig«, erinnert sich Baur.
Jürgen Klopp hört sowohl seinem Vater, als auch Trainer Baur aufmerksam zu, während die Mitspieler bei des Trainers Kabinenansprache schon mal plaudern. Noch heute erinnert sich Klopp an Sätze Baurs. Nach der Kabinenansprache geht Klopp raus und jongliert mit dem Ball. »Nach einem halben Jahr hatten wir bei der Weihnachtsfeier Spieler, die wurden zum Seehund. Die haben sich mit dem Ball auf der Stirn hingesetzt und sind damit wieder aufgestanden«, erzählt Baur.
Kein Seehund
Klopp wurde nie ein Seehund, trotzdem hat er was gelernt. Im zweiten A-Juniorenjahr ist er Kapitän, nicht nur auf dem Platz: Er organisiert die Weihnachtsfeier und Kabinenpartys. Er kommt auch bei den Mädels im Dorf gut an. Viele schwärmen für den »Schlacks«, wie Baur ihn nennt. Jürgen lernt seine Freundin auf einer Party in Ergenzingen kennen.
Beim traditionellen A-Jugendturnier an Pfingsten kämpfen sich Klopp und seine Jungens bis ins Finale und treffen dort auf den tschechischen Vertreter Vítkovice Ostrau. Nach der regulären Spielzeit steht es 0:0 – das Elfmeterschießen muss entscheiden. Baur will »die armen Jungs aus Tschechien« gewinnen lassen, Klopp nicht: »Ich glaub du spinnst. Wir hauen alle rein.« Bei der Siegerehrung reckt Klopp den Wanderpokal in die Höhe.
Das ist seine letzte Aktion als Jugendspieler. Die erste als Spieler der Senioren folgt prompt. Lokalkonkurrent VfL Nagold ist hinter Klopp her. Der damals 18-Jährige geht schnurstracks zum Vorstand des TuS Ergenzingen und setzt durch, dass sein A-Jugendtrainer Walter Baur die erste Mannschaft übernimmt. Nur deshalb bleibt er beim TuS.
Berthold wird gescheucht
Im Juli 1986 kommt die Bundesligamannschaft von Eintracht Frankfurt zu einem Testspiel auf die Ergenzinger Breitwiese. Mit dabei Nationalverteidiger Thomas Berthold, gerade zurück von der WM in Mexiko. Vor und nach dem Spiel wird Berthold, der vier Jahre später mit Deutschland Weltmeister wird, von Autogrammjägern gescheucht, während des Spiels vom rechten Mittelfeldspieler Klopp. »Der Jürgen machte das Spiel seines Lebens und lief dem Berthold mehrmals davon«, so Baur. Außerdem erzielt er den Treffer zum 1:9.
Frankfurts Trainer Dietrich Weise ist verblüfft: »Wer ist dieser Junge?«, fragt er seinen Freund Baur und erkundigt sich auch später immer wieder was »dieser Junge« so macht. Der wechselt im Winter zum Oberligisten 1. FC Pforzheim und von dort im Sommer 1987 zu den Amateuren von Eintracht Frankfurt. Von Pforzheim sollen die Ergenzinger die unglaubliche Summe von 12.000 Mark bekommen haben.
»Walter, rate mal«
Klopp studiert in Frankfurt Sportwissenschaften, spielt bei den Amateuren und trainiert die D-Jugend von Eintracht Frankfurt. Über die Stationen Viktoria Sindlingen und Rot-Weiss Frankfurt kommt Klopp 1990 zum 1. FSV Mainz 05. Elf Jahre später, in seinem letzten Spiel für die Mainzer und als Profi überhaupt, am Faschingssonntag 2001, wird er bei Greuther Fürth in der zweiten Halbzeit von Trainer Eckhard Krautzun ausgewechselt. Mainz verliert das Spiel, Aschermittwochs-Stimmung in der Fastnachthochburg – Krautzun fliegt.
Faschingsmontag in Ergenzingen, 11:50 Uhr ist es, das weiß Baur noch genau. Das Telefon klingelt, erzählt Baur, sein früherer Jugendspieler ist dran: »Walter, rate mal, wer der neue Trainer in Mainz ist?«, fragt Klopp. Baur rät ein mal falsch, noch mal. Klopp verrät es ihm: »Seit zehn Minuten – ich.« Baur ist baff.
Der Beginn einer Trainerkarriere. Vater Norbert wäre stolz auf ihn. Kurz bevor Jürgen die Profimannschaft der Mainzer übernimmt, stirbt der Vater an Krebs. Baur war auf der Beerdigung.
Im Jahr 2008 geht Klopp von Mainz zu Borussia Dortmund, Walter Baur trainiert inzwischen die A-Jugend des VfL Nagold. Baur, der schon zu Mainzer Zeiten für Klopp Gegner des FSV beobachtet und Talente gescoutet hatte, schaut auch für Dortmunds Trainer in Süddeutschland nach guten, jungen Fußballern. Er entdeckte unter anderem Lars und Sven Bender (1860 München) und Mats Hummels (FC Bayern München).
Im Jahr 2011 reckt Klopp nicht den Wanderpokal des Ergenzinger Pfingstturniers in die Höhe, sondern die Meisterschale. Unter anderem mit Sven Bender und Hummels wird Borussia Dortmund Deutscher Meister.
Was wichtig ist
Klopp und Baur telefonieren regelmäßig miteinander. Nach der Meisterschaft will Baur gratulieren. Doch bevor er bei seinem Ex-Spieler anruft, meldet sich Baur bei Klopps Co-Trainer Zeljko Buvac, »weil an den im Jubel keiner denkt«. Viele Ergenzinger hätten gerne, dass Klopp zu ihrem Pfingstturnier kommt, und dieses macht und jenes. Baur soll das richten. Der atmet tief durch und überlegt sich genau, mit was er »den Jürgen« belästigen kann. Und mit was nicht.
»Dass man die Orte, an denen man war, ein bisschen schöner gemacht hat. Dass man vollen Einsatz gezeigt hat. Dass man geliebt hat, geliebt wurde und dass man sich selbst nicht so wichtig genommen hat,« antwortete Klopp im Dezember 2008 dem Stern auf die Frage, was im Leben zählt.
Baur hat sich nie wichtig genommen. Die Einladung zur Meisterschaftsfeier der Borussia nimmt er nicht an. Mit seinen A-Junioren steckt er in der Oberliga im Abstiegskampf und muss zum Spiel beim VfR Aalen. Die A-Junioren steigen ab, Baur will als Trainer aufhören, macht aber doch weiter. Was Baur macht, macht er mit vollem Einsatz. Klopp auch – das hat er von ihm.
Vorbereitung auf die Trainerkarriere und Beginn der Berufung:
Ein ordentlicher Spieler wird zum außergewöhnlichen Trainer
Nach seiner Zeit in Ergenzingen entwickelte sich Klopp zum »Wandervogel«; die nächsten Vereine waren nur kurze Zwischenstationen: Über den 1. FC Pforzheim (1987) zog es ihn schnell zu den Amateuren von Eintracht Frankfurt, dem einstigen Gala-Auftritt gegen Thomas Berthold sei Dank. Von dort ging es nach nur einem Jahr weiter zu Viktoria Sindlingen, ehe zur anschließenden Saison 1989/90 erneut ein Wechsel anstand: diesmal zu Rot-Weiss Frankfurt unter dessen Trainer Dragoslav Stepanovic, der später in der Bundesliga bei Eintracht Frankfurt und Bayer Leverkusen zu einer Kultfigur wurde.
von Matthias Greulich
Als Hessenmeister 1990 qualifizierten sich Rot-Weiss und Klopp für die Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga, konnten dort jedoch in sechs Spielen nur einen Zähler ergattern – und verpassten den Aufstieg somit deutlich. Zwei Niederlagen setzte es dabei gegen ein gewisses Mainz 05, das sich als Spitzenreiter der Aufstiegsrunde Süd einen Platz in der zweiten Liga erkämpfte. Kurz darauf schloss sich Klopp eben jenen Mainzern an, angelockt durch ihren Trainer Robert Jung, dem die Spielweise des damaligen Außenstürmers imponierte. »Er ist mir aufgefallen, weil er ein sehr kopfballstarker Spieler war und genau so ein Typ in unserer Mannschaft fehlte«, blickt Jung zurück.4
Bei den 05ern fand Klopp endlich sein Spielerglück und blieb dem Klub (nicht nur) bis zum Ende seiner Spielerlaufbahn treu. Sein damaliger Mitspieler Christian Hock erinnert sich an die gemeinsame Mainzer Zeit.
Der Profi Jürgen Klopp: Für britischen Fußball besser geeignet
Die Kuhfelle nimmt Christian Hock schon lange nicht mehr wahr. Mit den Fellen sind die Stühle an der Bar des Hotels in Kassel bezogen, in dem der Gast seit einigen Monaten unter der Woche lebt. Christian Hock, leichter hessischer Dialekt, die Figur erinnert auch mit 41 noch an den wendigen Mittelfeldspieler, der 234 Mal für den FSV Mainz 05 in der Zweiten Liga gespielt hat. Dass er nun als Trainer des Regionalligisten KSV Hessen Kassel in diesem Hotel in Nordhessen ist, hat viel mit Wolfgang Frank zu tun.
Den alten Jahreskalender hat er noch, alle Trainingseinheiten von Frank stehen drin. Tag für Tag. »Da konnte ich für mich nachvollziehen, was wir genau gemacht hatten«, sagt Christian Hock. So ausdauernd wie er war vermutlich kein anderer von Klopps Mitspielern in Mainz. Aber auch Jürgen Klopp speicherte die Trainingsinhalte, die ihn beeindruckt hatten, für sich ab – wenn auch eher geistig denn schriftlich. Ihr damaliger Trainer brachte sie dazu, intensiver über Fußball nachzudenken und sich ihrem Beruf zu hundert Prozent zu widmen.
»Da geht wirklich was!«
Es war am 25. September 1995, als sie in Mainz den Nachfolger von Horst Franz präsentierten, der nach nur einem Punkt und 0:13 Toren aus sieben Spielen entlassen worden war.5 Wolfgang Frank zeigte seinen Spielern schon in den ersten Trainingseinheiten auf, wie die Lösung aussehen könnte. Als es einigermaßen zu klappen schien, machte er Ernst. In einem Testspiel gegen den 1. FC Saarbrücken ließ er seine Profis zum ersten Mal in der Raumdeckung und mit Vierer-Abwehrkette im 4-4-2 agieren. Die Mainzer, die zuvor wochenlang das Verschieben geübt hatten, führten nach einer halben Stunde mit 4:0, beim Stand von 5:0 pfiff der Schiedsrichter ab. »Wir sahen: Da geht wirklich was. Wir haben vielleicht die Spieler dafür, die Viererkette zu spielen!«, erinnert sich Christian Hock. Mit dieser Erkenntnis standen die Mainzer zu dieser Zeit noch fast allein. Der Versuch von Jupp Heynckes in Frankfurt, ballorientiert zu verteidigen, war ein Jahr zuvor am Widerstand von Spielern, Fans und Medien gescheitert.
Der neue Cheftrainer in Mainz hatte andere Erfahrungen im schweizerischen Aarau sowie in Wettingen und Winterthur gesammelt, wo man taktisch weiter war. Neben einem Lehrvideo von AC Mailands Meistertrainer Arrigo Sacchi brachte der Mann, der in den Siebzigern beim VfB Stuttgart, Eintracht Braunschweig, Borussia Dortmund und dem 1. FC Nürnberg ein erfolgreicher Angreifer gewesen war, auch Aufnahmen einer Schweizer Jugendauswahl mit an den Bruchweg. »Das Video lief dauerhaft«, sagt Christian Hock. Mit Stangen markierte Wolfgang Frank, wo jeder im neuen System hinzulaufen hatte. Auch mit Seilen wurde gearbeitet. Im Abstand von zehn Metern standen sie im Verbund zusammen. So lässt sich mit vier Spielern eine Fläche von 50 Metern abdecken. Fast die komplette Breite des Fußballplatzes, der zwischen den Seitenlinien 70 Meter misst.
Einen neuen Mannschaftsführer bestimmte der Trainer bei dieser Gelegenheit ebenfalls. Wolfgang Frank machte Lars Schmidt zum Kapitän, der nun zentral in der Viererkette spielte und offenbar durch das neue Amt gestärkt werden sollte. Rechtsverteidiger Jürgen Klopp war die Kapitänsbinde los. Die Mannschaft hatte damit kein Problem. Binde hin oder her. »Kloppo war doch auch so einer unserer Führungsspieler und ein Sprachrohr des Trainers«, so Christian Hock. »Kloppo« – so riefen sie ihn in Mainz fast alle.