Kitabı oku: «Das Lob der Torheit», sayfa 2

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Ihre Taten mögen die Götter lieber von Momus48 vernehmen, auf den sie einst öfter hörten. Jetzt haben sie ihn im Zorn zusammen mit Ate49 kopfüber auf die Erde gestürzt, weil er mit seinen weisen Sprüchen dem Glück der Götter im Weg war. Kein Mensch nimmt den Heimatlosen auf, und keiner denkt daran, ihm Zutritt zu den Fürstenhöfen zu gewähren, wo meine Kolakia (Schmeichelei), mit der Momus ebenso wohl zusammenpasst wie das Lamm mit dem Wolf, den Vorzugsplatz innehat. Seitdem er weg ist, schäkern die Götter viel ausgelassener und vergnüglicher und haben leichteres Werk, wie Homer sagt,50 da kein [24]Tadler da ist. Zu welchen Scherzen gibt nicht der feigenbaumhölzerne [417 oben] Priap51 Veranlassung? Welchen Unfug verursacht nicht Merkur mit seinen Diebereien und Spiegelfechtereien? Sogar Vulkan selbst macht beim Göttermahl den Hofnarr und erheitert die Zecherrunde bald mit seinem Gehumpel, bald mit dummem Gerede oder lächerlichen Aussprüchen.52 [418 oben] Dann ist da Silen, der verliebte Alte, der seinen bäurischen Kordax tanzt, zusammen mit Polyphems Kyklopentanz und dem barfüßigen Reigen der Nymphen.53 Die bocksfüßigen Satyrn führen ihre Atellane54 auf, und Pan bringt mit einem blöden Lied [417 unten] alle zum Lachen. Ihn wollen sie zudem lieber hören als die Musen selbst, besonders wenn der Nektar schon in ihm zu arbeiten beginnt. Soll ich wirklich noch erwähnen, was die weidlich bezechten Götter nach dem Mahl unternehmen? Das ist so albern, dass ich das Lachen manchmal kaum unterdrücken kann. Ein Hinweis auf Harpokrates, den Gott der Verschwiegenheit, mag genügen, damit nicht irgendein göttlicher Denunziant uns behorcht, während wir ausplaudern, was nicht einmal Momus ungestraft an die große Glocke gehängt hat.55

Doch es ist Zeit, dass wir nach dem Vorbild Homers wieder den Himmel verlassen, zur Erde hinabwandern und dort feststellen, wie alle Freude und alles Glück ausschließlich von mir herrühren. Seht nur, mit welcher Voraussicht die Natur, die Allmutter und Bildnerin des Menschengeschlechts, dafür gesorgt hat, dass nirgendwo die Würze der Torheit fehlt! Nach der Lehre der Stoiker ist die Weisheit nichts anderes als die Führung durch die Vernunft, die Torheit dagegen gleich der Abhängigkeit vom Drang der Leidenschaften. Wie viel mehr Leidenschaften als Vernunft [25]gab aber Jupiter den Menschen, damit das menschliche Leben nicht völlig traurig und finster würde? Es ist so viel wie eine halbe Unze gegen ein As.56 Außerdem hat er die Vernunft in einen Winkel des Kopfes verbannt und überließ den ganzen übrigen Körper der Verwirrung.57 Gleichsam zwei äußerst gewalttätige Tyrannen stellte er gegen einen: den Zorn, der [418 unten] die Feste des Zwerchfells beherrscht und so den Quell des Lebens selbst, das Herz; dazu die Begierde, die ganz unten bei der Scham die ausgedehnteste Herrschaft behauptet. Wie viel die Vernunft gegenüber diesen beiden Aufgeboten wert ist, beweist das gemeine menschliche Leben deutlich genug. Während sie sich beim Anpreisen des Ziemlichen und Ehrenhaften heiser schreit, legen jene ihrem König eine Schlinge und gehen mit allem Hass zu Werke, bis er schließlich selbst müde wird, freiwillig weicht und sich gefangen gibt.

Der Mann, der für staatliche Aufgaben bestimmt ist, musste natürlich mit einem Quäntchen mehr an Vernunft besprengt werden, damit er sie nach Kräften bewähre. Wie bei allem anderen zog er mich auch hier zu Rate, und ich beriet ihn nach meiner Weise: Er solle sich ein Weib nehmen, jenes ebenso dumme und läppische wie ergötzliche und reizvolle Wesen. Mit seiner Torheit sollte es in häuslicher Gemeinschaft die finstere Würde des männlichen Geistes würzen und versüßen. Denn mit seinem Zweifel, ob die Frau zu den vernünftigen oder zu den stumpfsinnigen Lebewesen zu zählen sei, wollte Platon nur die auffallende Torheit dieses Geschlechtes kennzeichnen.58 Ein Blaustrumpf ist also in Wirklichkeit nur doppelt töricht, wie wenn jemand ein Stück Rindvieh wider den offenbaren Willen der Minerva, wie man sagt, salben ließe. Es [26]verdoppelt nur den Fehler, wer wider die Natur die Schminke der Tugend auflegt und seine Anlagen verfälscht. Wie nach dem griechischen Sprichwort ein Affe immer ein Affe bleibt, und wenn er in Purpur gewandet wäre, so ist auch ein Weib immer Weib, das heißt töricht, welche Maske es auch immer aufsetzt.

Ich will aber nicht annehmen, dass die Frauen so töricht sind, mir zu zürnen, weil ich ihnen, als Torheit doch selbst eine Frau, Torheit nachsage. Wenn sie die Dinge nämlich recht überlegen, müssen sie dies gerade der Torheit zugutehalten, dass sie in vielen Dingen glücklicher sind als die Männer. Da ist zunächst einmal die Anmut der Erscheinung, die sie mit Recht allem andern vorziehen und mit deren Macht sie die Tyrannen selbst tyrannisieren. Woher kommt denn anders die Unansehnlichkeit des Äußeren, die raue Haut, das Bartgestrüpp, doch offenbar etwas Greisenhaftes beim Mann, als von der unziemlichen Klugheit? Das glatte Kinn, die gleichbleibend hohe Stimmlage und die weiche Haut der Frauen deuten dagegen auf eine stete Jugend. Was wünschen sie auch anderes in diesem Leben, als ihren Männern so viel wie möglich zu gefallen? Darum geht es doch bei all der Körperpflege, bei all diesem Aufwand, diesen Bädern, diesem Schmuck, den Salben und Duftstoffen, bei all dieser Kunstentfaltung im Mienenspiel, im Augenzwinkern und im Schminken. Sind sie denn den Männern durch irgendetwas mehr empfohlen als durch die Torheit? [419] Was lassen sie den Frauen nicht alles durchgehen? Könnte sie aber etwas anderes dazu bewegen als das Vergnügen? Das aber bereiten die Frauen durch nichts anderes als durch die Torheit. Wer überlegt, was ein Mann für läppisches Zeug mit einer Frau schwätzt, was für einen [27]Unfug er treibt, sooft er sich mit einer Frau seine Freude machen will, wird das nicht abstreiten. Da seht ihr also, aus welchem Urquell der Reiz des Lebens vor allem stammt.

Viele, besonders die Greise, haben mehr Liebe zur Flasche als zu den Frauen und finden das höchste Vergnügen in Zechgelagen. Andere mögen untersuchen, ob es überhaupt ein feines Gastmahl gibt ohne Frauengesellschaft, mindestens steht aber fest, dass keines ohne die Würze der Torheit den geringsten Anspruch auf Behaglichkeit hat. Vermisst man irgendwo einen Menschen, der die Gesellschaft mit törichtem Wesen oder Possen zum Lachen reizt, holt man sich wohl gar einen Possenreißer gegen Geld oder sonst einen lächerlichen Schmarotzer, der mit witzigen Sarkasmen der Gesellschaft Stumpfsinn und Trübsal fernhält. Was nützt es, den Bauch mit so viel Zuckerwerk, Leckerei und Feinkost zu beladen, wenn nicht gleichzeitig Augen und Ohren, ja der ganze Sinn sich an Lachen, Scherzen und heiterem Witz weiden können. Köstlichkeiten solcher Art kann ich nur zustande bringen. Die vielerlei beliebten Ergötzungen bei Gelagen, zum Beispiel Den-König-Auswürfeln, Umtrunk, Rundgesang, Tanz und Pantomimen sind nicht von den sieben Weisen Griechenlands, sondern von uns zum Wohl der Menschheit erfunden worden. Es liegt im Wesen dieser Dinge, dass sie dem menschlichen Leben umso bekömmlicher sind, je mehr Torheit sie enthalten. Darum würde das Leben nicht einmal seinen Namen verdienen, wenn es trübselig wäre. Es müsste aber so sein, wenn der angeborene Überdruss nicht mit solchen Reizmitteln weggespült würde.

Vielleicht meiden aber manche derartige Vergnügungen und finden ihr Behagen in liebevollem Freundesverkehr, [28]wobei sie die Freundschaft als das Vorzüglichste anpreisen. Sie sei fast notwendiger als Luft, Feuer und Wasser und dabei so angenehm, dass man dem Leben seine Sonne nähme, wenn man sie beseitigte. Dabei sei sie so angesehen – sofern das hier eine Rolle spielt –, dass sogar die Philosophen keine Bedenken hatten, sie unter die hervorragenden Güter zu zählen. Was würdet ihr aber sagen, wenn ich behaupte, dass ich [420] Alpha und Omega auch dieses erhabenen Gutes bin? Ich will es nicht mit irgendwelchen dialektischen Fechterkunststückchen beweisen, sondern ganz einfach mit dem Finger darauf zeigen. Ein Auge zudrücken, Vorliebe haben, blind sein, die Fehler der Freunde verharmlosen, gewisse auffallende Schwächen sogar als Vorzüge lieben und bewundern, passt das denn etwa nicht zur Torheit? Der eine küsst das Muttermal seiner Freundin, den andern macht die Schnupfennase seiner Agnes selig, und die Schielaugen seines Sohnes nennt der Vater schmachtend. Ich frage euch nun: Was ist das denn anderes als unverfälschte Torheit? Sie mögen es drei- und viermal beklagen, dass das töricht sei, diese Torheit allein aber stiftet und erhält Freundschaften. Ich spreche von den Menschen, von denen keiner fehlerfrei auf die Welt kommt. Der beste ist, der am wenigsten davon bedrückt wird. Dagegen kommt unter jenen Göttern der Weisheit entweder überhaupt keine Freundschaft zustande oder nur eine griesgrämige und freudlose, und diese auch nur in ganz seltenen Fällen; denn sie lassen sich nie zu einem Gespräch mit jemandem herab, weil die meisten Menschen ohne Einsicht sind, ja jeder sogar nach Kräften spinnt und die Freundschaft doch nur unter gleichen bindende Kraft hat. Kommt es unter jenen Gestrengen wirklich einmal zu gegenseitiger Zuneigung, ist [29]sie gewiss unzuverlässig und nicht von langer Dauer. Das ist auch kein Wunder bei Eigensinnigen und so übertrieben Scharfäugigen, dass sie an den Freunden mit Adlerblick und unfehlbar wie die epidaurische Schlange59 auch den kleinsten Fehler ausmachen. Wie blind sind sie dabei gegen die eigenen Schwächen und bemerken nicht, wie ihnen der Mantel schief hängt. Es gehört nun einmal zum menschlichen Wesen, dass jeder Charakter sein gerüttelt Maß an Fehlern hat. Dazu kommen dann die Verschiedenheit der Geistesrichtung und Studien, mancherlei Mängel, Irrtümer und Unvermeidlichkeiten des menschlichen Lebens. Wie könnte unter jenen Argusaugen angenehme Freundschaft auch nur eine Stunde währen, wenn nicht die von den Griechen so genannte euḗtheia60 hinzuträte? Das Wort kannst du mit Torheit oder Umgänglichkeit übersetzen. Was das hier soll? Ist Cupido, der Urheber und Vater jeder Verbindung, nicht geradezu kurzsichtig? Da ihm (nach einem Wort Theokrits61) das Unschöne schön erscheint, bringt er es fertig, dass jedem das Seine prächtig vorkommt, der Mümmelgreis die Vettel und der grüne Junge den Backfisch inbrünstig liebt. So ist es überall und erregt überall Gelächter, und doch fügen und festigen solche Lächerlichkeiten das gesellschaftliche Behagen.

Was von der Freundschaft gilt, muss man auch auf die Ehe anwenden, die doch nichts anderes ist als die ungeteilte Lebensgemeinschaft. Bei Gott, welche Scheidungen und schlimmere Unzuträglichkeiten würden überall im Schwange sein, wenn nicht der häusliche Umgang zwischen Mann und Frau mit Scherz, Freundlichkeit, Irrtum und Verstellung, meiner offenbaren Gefolgschaft, Kraft und Stärke gäbe. Wie wenig Ehen kämen zustande, wenn [30]der Bräutigam sorgsam feststellen wollte, was für Schäkereien die reizende und anscheinend so schamhafte Jungfrau schon lange vor der Hochzeit unternommen hat? Wie selten würden [421] sie den Anfang überdauern, wenn die Gleichgültigkeit oder Beschränktheit des Mannes nicht die meisten Schandtaten der Frau übersähe? Das geht von Rechts wegen alles zulasten der Torheit, denn sie sorgt dafür, dass die Gattin dem Gatten angenehm bleibt und umgekehrt der Gatte der Gattin, dass Ruhe im Hause herrscht und die Verbindung dauerhaft bleibt. Man lacht, und der Kuckuck, Hahnrei, oder wie man ihn sonst nennt, verwindet die Tränen über den Ehebruch bei Schmeicheleien. Wie viel mehr Glück bringt es, so zu irren, als mit kleinlicher Eifersucht das Ganze zu einer Tragödie zu machen?

Es kann schlechthin keine Gemeinschaft, keine Lebensverbindung ohne mich erfreulich oder stetig sein. Das Volk erträgt den Fürsten nicht lange, der Herr seinen Knecht nicht, das Gesinde keinen Herrn, der Lehrer keinen Schüler, der Freund keinen Freund, der Gatte seine Gattin nicht, der Eigentümer keinen Pächter, der Hausgenosse keinen Hausgenossen und der Tischgenosse keinen Tischgenossen, wenn sie nicht gemeinsam bald irren, bald schmeicheln, bald einander weise durch die Finger sehen, bald sich gegenseitig den Honig der Torheit ums Maul schmieren. So einleuchtend das alles ist, ihr sollt noch Besseres hören.

Wird jemand einen andern lieben, der sich selbst hasst? Gibt es Übereinstimmung mit dem andern, wo man sich selbst im Weg ist? Kann man einem andern Vergnügen bereiten, wenn man sich selbst hinderlich und beschwerlich ist? Das wird niemand behaupten, wenn er nicht selbst törichter ist als die Torheit. Wo man mich ausschließt, kann [31]keiner den andern ausstehen und muss sich selbst zur Last fallen; abscheulich erscheint ihm, was er an sich hat, und die eigene Person ist ihm verhasst. Die Natur, die in manchen Dingen mehr Stiefmutter als Mutter ist, hat nun einmal die Menschen, vor allem herzhaftere Charaktere, so geschaffen, dass sie ihrer selbst leicht überdrüssig werden und das Fremde bewundern. Woher kommt es denn, dass alle Talente, aller Geschmack und Glanz des Lebens verderben und schwinden? Was nützt schon die Gestalt, die vorzüglichste Gabe der unsterblichen Götter, wenn sie in Fäulnis übergeht? Wozu haben wir die Jugend, wenn sie vom Trübsinn des Alters entstellt wird? Was willst du denn in den verschiedenen Lagen des Lebens selbst oder bei anderen mit Schicklichkeit erreichen – die Schicklichkeit deines Tuns ist nicht nur in der Kunst, sondern auch im täglichen Leben der Maßstab jedes Handelns –, wenn dir nicht die Eigenliebe zur Seite steht, die ich mit Fug und Recht als Schwester betrachte. So nachdrücklich verficht sie überall meine Sache. Könnte es auch eine größere Torheit geben als die Selbstgefälligkeit und die Selbstbeweihräucherung? Was könnte andererseits geschmackvoll, liebenswert oder schicklich an deinem Tun sein, wenn du dir selbst missfielest? Nimm dem Leben diese seine Würze, und der Redner wird kaltlassen mit seinen Worten, der Musiker wird mit seinen Weisen keinen Beifall ernten, der Schauspieler wird ausgezischt mit seinen Gebärden, der Dichter ruft mit seinen Werken Gelächter hervor, der Maler stößt mit seinem Bild auf Ablehnung, und der Arzt hungert inmitten seiner Heilmittel. So könntest du aus einem (schönen) Nireus leicht zu einem (hässlichen) Thersites, aus einem Phaon ein Nestor, aus einer Minerva ein Schwein, aus einem [32]Redegewandten ein Tölpel, aus [422] einem Weltmann ein Bauernlümmel werden.62 Es muss jeder ohne Ausnahme sich selbst schmeicheln und gewissermaßen sein eigenes Lob singen, ehe er anderen genehm ist.

Schließlich hängt das Glück ja zum großen Teil davon ab, dass du innerlich zu dir Ja sagst. Meine Philautia (Eigenliebe) sorgt aber dafür, dass keiner sich seiner Gestalt, seiner Veranlagung, seiner Herkunft, seiner Lage, seiner Lebensweise und seiner Heimat schämt. Das geht so weit, dass der Ire nicht einmal mit dem Italiener, der Thraker nicht mit dem Athener und der Skythe nicht mit den Inseln der Glückseligen tauschen möchte. O einzigartige Fürsorge der Natur, die bei solcher Vielfalt überall Ausgleich schafft! Wo sie einem Menschen weniger Talent gegeben hat, pflegt die Philautia ein wenig hinzuzutun; dies hier habe ich allerdings so töricht gesagt, weil meine Begabung darin am höchsten ist.

Ja, ich möchte sogar behaupten, dass keine vortreffliche Tat ohne meinen Antrieb und keine hervorragenden Erfindungen ohne meine Urheberschaft gemacht wären. Ist denn nicht der Krieg das Saatfeld und die Quelle jeder rühmenswerten Tat? Was gibt es aber Törichteres, als aus weiß Gott welchen Gründen eine Auseinandersetzung anzuheben, die jedem Beteiligten mehr Schaden als Nutzen bringt? Denn die Gefallenen erwähnt keiner, wie Theokrit von den Megarern sagt.63 Wozu, ich bitte euch, sind denn jene Weisheitsgewaltigen nütze, wenn die Parteien sich erzgeschient zum Kampf stellen und der dumpfe Gesang der Hörner erklingt? Sind sie doch von Studien ausgemergelt und so dünn- und kaltblütig, dass sie nur mit Mühe schnaufen. Kräftige und grobschlächtige Kerle hat man [33]dazu nötig, die tollkühn und geistig unbeschwert sind. Es sei denn, dass jemand die soldatische Tüchtigkeit des Demosthenes sich zum Vorbild nähme, der dem Rat des Archilochos folgte, beim Anblick der Feinde seinen Schild wegwarf und floh, ebenso feig als Krieger wie weise als Redner.64

Nun sagt man aber, dass Einsicht im Krieg sehr viel Bedeutung habe. Soweit es sich um den Feldherrn handelt, gebe ich das zu, doch geht es dabei nur um militärische, nicht um philosophische Einsicht. Im Übrigen wird ein derart ruhmvolles Unternehmen nur von Schmarotzern, Kupplern, Wegelagerern, Meuchelmördern, Bauernlümmeln, Tölpeln, Bankrotteuren und ähnlichem Unrat der menschlichen Gesellschaft durchgeführt, aber nicht von laternentragenden Philosophen. Wie wenig die Letzteren für irgendwelche Aufgaben des täglichen Lebens brauchbar sind, beweist Sokrates, der ja an Weisheit ein ganzes apollinisches Orakel in seiner Person verkörperte, aber für äußerst ungeschickt galt.65 Als er einmal ein öffentliches Amt versehen wollte, musste er unter dem Hohngelächter aller zurücktreten. Trotzdem war der Mann keineswegs ganz ohne Witz, da er auf den Titel eines Weisen verzichtete, dem Gott selbst widersprach [423] und meinte, dass der Weise sich von den Staatsgeschäften fernhalten müsse. Nur hätte er vielleicht besser jeden vor der Weisheit warnen sollen, der als Mensch gewertet sein möchte. Was hat ihn schließlich anderes auf die Anklagebank und zum Schierlingsbecher geführt als die Weisheit? Während er den nebulosen Ideen nachsann, während er die Füße des Flohes nachmaß und die Stimme einer Mücke seine Bewunderung erregte, blieb er im Alltag ungeschickt.66 Dem [34]Lehrer steht in seinem Prozess auf Leben und Tod sein Schüler Platon zur Seite,67 welch trefflicher Verteidiger, eingeschüchtert durch den Lärm der Masse, kaum einen halben Satz herausbrachte. Was soll ich von Theophrast reden, der beim Auftreten in der Öffentlichkeit gleich verstummte, als ob er unversehens einem Wolf gegenüberstände, der doch einen Soldaten im Krieg aufgemuntert hätte.68 Isokrates wagte vor Schüchternheit niemals den Mund aufzutun, und Cicero, der Ahnherr der römischen Beredsamkeit, begann ganz wie ein schluchzender Knabe immer mit kläglichem Lampenfieber.69 Quintilian legt das als Merkmal eines beherzten Redners aus, der die Gefahr erkennt.70 Gibt er mit dieser Erklärung aber nicht offen zu, dass die Weisheit einem erfolgreichen Unternehmen hinderlich ist? Was sollen denn solche Leute im Krieg machen, die schon vor Furcht zittern, wenn es sich um ein bloßes Wortgefecht handelt?

Da soll man nun die vielberufene Ansicht Platons rühmen, dass Staaten glücklich wären, wenn Philosophen regieren und Feldherren philosophieren!71 Wenn du die Geschichtsschreiber befragst, wirst du keine übleren Staatsführer antreffen als Afterphilosophen und Literaten in Regierungsstellen. Die beiden Cato beweisen das augenfällig genug: der eine gefährdete die bürgerliche Ruhe durch verrückte Denunziationen, der andere vernichtete die Freiheit des römischen Volkes vollends, als er sich mit anmaßlicher Weisheit zu ihrem Schutzherrn aufwarf.72 Dazu magst du getrost Brutus, Cassius, die Gracchen und selbst Cicero zählen, der dem römischen Staat nicht weniger Unheil bescherte als Demosthenes dem athenischen Staat.73 Unterstellen wir einmal, dass Marc Aurel ein guter Feldherr [35]gewesen sei;74 fürwahr selbst das könnte ich widerlegen; den Bürgern war er nämlich deshalb peinlich und verhasst, weil sie in ihm den Philosophen sahen. Geben wir immerhin zu, dass er gut gewesen ist, dann stürzte er den römischen Staat mit seinem Sohn und Nachfolger Commodus75 doch in ein Verhängnis, das die Vorzüge seiner eigenen Regierung überschattete. Denn Menschen dieser Art, die sich dem Studium der Weisheit verschrieben haben, pflegen in anderen Dingen, vor allem bei ihrem Nachwuchs, sehr wenig Glück zu haben. Ich glaube, die Natur hat hier gesorgt, dass das Übel der Weisheit unter den Menschen nicht weiter um sich greift. So hatte bekanntlich Cicero einen Sohn, der aus der Art schlug, und der weise Sokrates hatte Kinder, die mehr der Mutter glichen als dem Vater, [424] das heißt dumme Kinder, wie irgendwer treffend geschrieben hat.76

Beides wäre noch zu ertragen, wenn sie nämlich nur zu öffentlichen Ämtern so untauglich wären wie der Esel zur Lyra und eben nicht auch zu jeder Verrichtung des täglichen Lebens. Man hole sich einen weisen Mann zu einem Gelage: Entweder ist er in brütendes Schweigen versunken, oder er stört mit aufdringlichem Problematisieren. Bittet man ihn zum Tanz, möchte man glauben, ein Kamel schwinge das Tanzbein. Bei öffentlichen Vorführungen bringt er das Volk durch seine Miene um das Vergnügen, und man zwingt den weisen Cato, das Theater zu verlassen, wenn er seine finstere Miene nicht ablegen kann.77 Kommt er zu einem Gespräch hinzu, stockt die Unterhaltung gleich. Gilt es einen Kauf zu tun, einen Vertrag zu schließen, kurz, irgendeine unvermeidliche Angelegenheit des täglichen Lebens zu erledigen, vermeinst du in dem Weisen einen Stock zu sehen, aber keinen Menschen. Weder sich selbst [36]noch seinem Vaterland noch seinen Verwandten bringt er jemals den geringsten Nutzen, weil er keine Lebenserfahrung hat, weil er von der öffentlichen Meinung und von den bürgerlichen Gewohnheiten völlig absticht. Natürlich muss solche Ungewöhnlichkeit der Lebensführung und der Geistesart Hass erzeugen. Gibt es denn unter Menschen überhaupt eine Erscheinung, die nicht voll Torheit steckte, bei der Ausführende und Betroffene nicht töricht wären? Wenn einer sich dem gemeinen Wesen widersetzen wollte, würde ich ihm den Rat geben, es wie der Athener Timon zu machen, sich in eine Einöde zu verkriechen und dort allein seine Weisheit zu genießen.78

Doch kehren wir zur Sache zurück! Welche andere Macht als Scharlatanerie kann die klobigen und hölzernen Wilden in eine staatliche Gemeinschaft fügen? Das ist es ja, was die Zither des Amphion und Orpheus meint.79 Was hat denn das römische Volk hart am Abgrund zu bürgerlicher Eintracht zurückgerufen? Etwa die Rede eines Philosophen? Keineswegs! Eine lächerliche Kinderfabel vom Bauch [425 oben] und den übrigen Gliedern des menschlichen Körpers!80 Dasselbe vermochte eine ähnliche Fabel des Themistokles vom Fuchs und dem Igel.81 Welche Rede eines Weisen hätte so viel erreicht wie die trügerische [426 oben] Hindin des Sertorius oder das bekannte Schaustück des Lykurg mit den zwei Hunden oder die Vorführung des eben genannten Sertorius mit den beiden Stuten, denen die Schwanzhaare ausgezogen werden sollten?82 Von Minos und [425 unten] Numa, die beide den dummen Haufen mit gelungenen Fabeln in ihrer Gewalt hielten, will ich gar nicht reden.83 Mit solchem Schwindel kirrt man die [426 unten] großmächtige Bestie Volk. Welcher Staat hat denn [37]jemals die Gesetze Platons oder des Aristoteles oder die Grundsätze des Sokrates sich zu eigen gemacht?84

Was hat denn die Decier dahin gebracht, sich freiwillig den Göttern der Unterwelt zu weihen?85 Was anders als der nichtige Ruhm hat den Quintus Curtius wie eine unwiderstehlich lockende Sirene in den Abgrund gestürzt?86 Umso verwunderlicher ist es, wie jene hochweisen Männer das verurteilen. Was [427] gibt es schon Törichteres, so sagen sie, als einen Amtsbewerber, der vor dem Volk herumdienert, als das scheffelweise Einheimsen der Gunst, die Jagd nach dem Beifall des dummen Haufens, selbstgefällige Freude an öffentlicher Anerkennung, sich wie eine Trophäe unter den Augen des Volkes im Triumph herumfahren zu lassen und ein erzenes Standbild auf dem Markt zu erhalten? Die Annahme von Ehrennamen und Titeln gehört auch dazu, ebenfalls die göttlichen Ehren für ein kümmerliches Menschlein und die feierliche Apotheose auch der verworfensten Tyrannen. Das alles verkörpert freilich ein Höchstmaß an Torheit, und ein Demokrit87 würde nicht ausreichen, um das zu verspotten. Wer wollte es abstreiten? Doch gedeihen auf solcher Weide die Taten der tapferen Helden, die in den Schriften so vieler gelehrter Männer in den Himmel gehoben werden. Solche Torheit gründet Staaten, in ihr sind die Reiche verankert, die Regierung, die Religion, die Ratsbeschlüsse, die Gerichtsentscheide, und das gesamte menschliche Leben sind nichts anderes als ein Spiel der Torheit.

Die Künste will ich aber auch nicht übergehen. Was hat denn im Grunde den menschlichen Geist angetrieben, so viele, wie sie glauben hervorragende, Zweige des künstlerischen Schaffens zu ersinnen und den folgenden [38]Generationen zu vererben, wenn es nicht die Ruhmsucht war? Die Menschen meinten in ihrer aberwitzigen Torheit, in so viel durchwachten Nächten und mit so viel Schweiß fragwürdigen Ruhm einheimsen zu müssen, der doch an Sinnlosigkeit kaum seinesgleichen hat. Indessen verdankt ihr der Torheit so viele so hervorragende Annehmlichkeiten des Lebens, und, was das Ergötzlichste ist, ihr habt euern Genuss am Wahnwitz der anderen.

Nachdem ich also das Lob der Tapferkeit und des Fleißes für mich in Anspruch genommen habe, was hindert mich, auch das Lob der Klugheit mir gutzuschreiben? Es könnte aber jemand sagen, mit demselben Recht möchte ich Feuer und Wasser zusammenbringen. Doch ich glaube, auch das wird mir gelingen, wenn ihr nur wie vorhin mit offenen Ohren und geneigtem Sinn zuhören wollt.

Wenn Klugheit vor allem Erfahrung ist, wem gebührt denn die Ehre dieses Beinamens mehr, dem Weisen, der teils aus Scham, teils aus Vorsicht nichts unternimmt, oder dem Törichten, den weder die Scham, die er nicht kennt, noch die Gefahr, die er nicht berücksichtigt, von irgendetwas abschrecken kann? Der Weise nimmt seine Zuflucht zu den Schriften der Alten und prägt sich da abgeschmackte Spitzfindigkeiten ein. Der Törichte greift einfach zu, schlägt sich mit den Dingen herum und gewinnt dabei die – wenn ich mich nicht täusche – wahre Klugheit. Das scheint Homer schon, so blind er auch war, bemerkt zu haben, wenn er sagt: »Die Wirklichkeit hat sogar der Törichte erkannt.«88 Auf dem Weg der Lebenserfahrung gibt es nämlich hauptsächlich zwei Hindernisse, die Scham, die den Sinn umnebelt, und die Furcht, die die Gefahr zeigt und vom Abenteuer abrät. Die Torheit befreit uns davon gründlich. [39][428] Nur wenige Menschen sehen ein, wie viel Nutzen es allerdings bringt, von Scheu und Bedächtigkeit frei zu sein.

Wenn man lieber jene Klugheit annehmen will, die im Urteilsvermögen besteht, dann vernehmt bitte, wie weit davon alle entfernt sind, die sich etwas darauf zugute tun. Es steht doch nun einmal fest, dass alles im menschlichen Leben seine zwei grundverschiedenen Seiten hat wie die Silene des Alkibiades.89 Was obenhin als Tod erscheint, entpuppt sich bei näherem Zusehen als Leben und umgekehrt. Mit Wohlgestalt und Unförmigkeit, mit Reichtum und Armut, mit Nichtigkeit und Ruhm, Gelehrtheit und Ungelehrtheit, Stärke und Schwäche, Adel und Namenlosigkeit, Freude und Trauer, Glück und Unglück, Heil und Schaden ist es genauso, kurz, man findet alles unversehens ins Gegenteil verkehrt, wenn man den Silen aufdeckt. Sollte das jemandem allzu philosophisch gesagt scheinen, will ich es mit einfachsten Worten verständlich machen. Wer würde bestreiten, dass ein König reich und Herr ist? Mit Geistesgütern ist er nicht ausgestattet, und es dünkt ihn freilich nichts genug, also ist er wohl sehr arm. Dann ist er seelisch in vielerlei Laster verstrickt, und damit lebt er schon in schändlicher Knechtschaft. Ähnlich könnte man in allen anderen Fällen philosophieren. Doch mag das als Beispiel genügen. Was soll das nun, könnte jemand fragen. Hört zu, worauf wir hinauswollen! Wenn einer versuchen wollte, Schauspielern auf der Bühne die Masken herunterzureißen und den Zuschauern die wirklichen Gesichter zu zeigen, würde er nicht das ganze Stück verderben und verdienen, wie ein Besessener von allen mit Steinen aus dem Theater verjagt zu werden? Es könnte so allzu plötzlich ein neues Bild der Verhältnisse erscheinen: Wer eben noch [40]Frau war, ist jetzt ein Mann, wer eben noch Jüngling war, gleich Greis, wer kurz vorher ein König war, entpuppt sich nun als der namenlose Dama des Horaz,90 wer eben noch Gott war, erscheint plötzlich als Menschlein. Diesen Irrtum beseitigen heißt das ganze Stück verwirren. Dieser Trug und Schein ist es doch, der die Augen der Zuschauer gebannt hält. Was ist denn das menschliche Leben schon anderes als ein Schauspiel, in dem die einen vor den anderen in Masken auftreten und ihre Rolle spielen, bis der Regisseur sie von den Brettern abruft? Oft genug lässt er denselben Spieler in verschiedenen Rollen auftreten, so dass er bald als purpurgeschmückter König, bald als dürftig gekleideter Sklave erscheint. Schein ist zwar alles, aber dieses Stück wird nicht anders gegeben.

Vielleicht erhebt sich hier unversehens vom Himmel herab ein Weiser wider mich und klagt, dass dieser da, [429] den alle als Gott und Herrn betrachten, auch kein Mensch sei, weil er sich nach tierischer Art von Trieben leiten lasse; er sei ein Sklave in elender Lage, weil er so vielen und schmutzigen Herren freiwillig diene. Einen andern, der den Tod des Vaters betrauert, könnte er zur Freude aufmuntern, weil der Vater nun erst zu leben begonnen habe, da doch das Leben hier nichts anderes wäre als eine Art Tod. Einen Adelsstolzen könnte er namenlos und Bankert nennen, weil er kein Verhältnis zur Tugend hätte, die allein die Quelle der Vornehmheit sei. So könnte er über alles sonst seine Sprüche machen. Bitte, was hätte er aber anderes getan als sich vor allen verrückt und besessen gebärdet? Wie nichts törichter ist als unangebrachte Weisheit, so ist nichts weniger klug als verkehrte Klugheit. Verkehrt handelt nämlich, wer sich der augenblicklichen Lage nicht anpasst und [41]seine Fahne nicht nach dem Wind stellt, sich nicht wenigstens des Trinkspruches »Sauf oder lauf!« erinnert und fordert, dass das Spiel nicht mehr Spiel sei. Dagegen zeugt von der rechten Klugheit, wenn du als Mensch nicht über deine Grenzen hinaus weise sein willst und mit dem gemeinen Haufen gern ein Auge zudrückst oder munter irrst. Das aber, sagen sie, sei gerade das Merkmal der Torheit. Ich will es nicht einmal abstreiten, nur sollen jene ihrerseits zugeben, dass man so das Bühnenstück des Lebens spielt.

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