Kitabı oku: «100.000 km zwischen Anchorage, Neufundland, dem Pazifik und New Mexico - Teil 1», sayfa 3
Der Nachmittag gehört der Stadt, und die ersten Minuten davon einem Stand mit „Fisch und Chips, die nächsten dem Canada Place. Sein Gebäudekomplex ist einem Ozeanriesen mit fünf weißen, voll im Winde stehenden Segeln nachempfunden, der heute dem Convention und Exhibition Center, Pan Pacific Hotel, World Trade Center und IMAX Kino eine Heimat bietet. Zur Expo 1986 schützte das riesige Zeltdach den Kanadischen Pavillon. An der östlichen der beiden seitlichen Anlegestellen hat das Kreuzfahrtschiff Veendam festgemacht, das Sabine veranlasst, wie angewurzelt stehen zu bleiben und nachdenklich zu verweilen. Auf ihm fuhr einst ihr Vater als Koch um die Welt. Aber das ist nur die eine Seite der Vergangenheit. Auf der anderen steht, dass ihn im Zweiten Weltkrieg eine feindliche Kugel tödlich traf, als seine Tochter ganze zwei Tage alt war. Und dort steht auch, dass sich die beiden niemals gesehen haben, ihn die Botschaft von dem neuen Erdenbürger aber noch rechtzeitig erreichte.
Ein paar Hundert Meter weiter bringt uns der verglaste Fahrstuhl in 50 Sekunden auf die Aussichtsetage des Harbour Centre Towers, die aus 177 Meter Höhe einen grandiosen 360 Grad Rundblick gewährt. Über uns lädt noch ein Drehrestaurant zu mehr Gemütlichkeit ein, doch uns interessiert hier nur die Aussicht. Auf das etwas winzig erscheinende Leben unter uns, die meerumschlungene Stadt, den Hafen, das Burrard Inlet mit seinen Yachten, Fähren, bienenfleißigen Wasserflugzeugen, Kreuzfahrtschiffen, Containerriesen und auf die rahmenden Berge. All das lässt die zehn Dollar Fahrpreis schnell vergessen, zumal die Tickets auch noch eine zweite Fahrt erlauben. Wenn es dunkel wird und Millionen Lichter Vancouver erleuchten, dann wollen auch wir nochmals nach oben.
Jetzt aber heißt die Richtung Gastown. Dieses, nach dem Zweiten Weltkrieg sehr verkommene Hafenviertel östlich des Shopping Centers und entlang der Water Street lädt heute als liebevoll restaurierter alter Stadtteil ein und bietet viel Charme. Mit denkmalgeschützten viktorianischen Backsteingebäuden, hübschen Innenhöfen, nett dekorierten Boutiquen, Andenkenläden, Kunstgalerien, Restaurants, Cafés und viel Blumenschmuck an Fenstern und Gaslaternen. Auch Indianische Schnitzkunst wird hier angeboten, deren Preis-Qualitätsverhältnis wir anderswo im Lande kaum wiederfanden. Die weltberühmte Steamclock, die erste Dampfuhr ihrer Art auf unserem Globus, pfeift an der Ecke von Water und Cambie Street aller viereinhalb Minuten, jede volle Stunde ab oder an und lässt halbstündlich auch ihr Glockenspiel ertönen. Am Marple Tree Square steht das Denkmal des Stadtgründers „Gassy Jack“, der 1867 hier seinen Saloon eröffnete, in dem Holzfäller, Sägewerksarbeiter, Seeleute und Goldsucher ihren Whiskey tranken. Der Oldie, der eigentlich John Deighton hieß, steht somit auch auf einem Whiskeyfass und das Ganze auf einem Sockel, damit der kleine Mann auch ins rechte Licht gesetzt erscheint. Der Laden mit den Cowboystiefeln direkt links hinter ihm erinnert ebenso an die alten Zeiten wie die sich rechterhand anschließende Straßenkneipe in der nostalgischen Straße. Lediglich gegenüber mischt sich die Moderne ein und erinnert mit einem dreieckigen Haus an das „Bügeleisen“ in New York City.
Und wir? Wir tun hier das, was all die anderen Touristen auch tun. In einem der Straßecafés niederlassen, Kaffee oder Eis bestellen, dem bunten Treiben zuschauen und anschließend ein paar Läden durchstöbern. Richtig begeistert sind wir vom „Heritage Canada“ in der Waterstreet. Was dort hängt, steht und liegt ist excellent, doch haben diese „Native Crafts“ bekannter Künstler auch ihren Preis. Mir hatte es ein „Talking Stick“ von Joseph Tyron angetan (nur wer bei einer Indianerversammlung einen solchen gereicht bekam durfte reden), doch als es nichts mehr zu verhandeln gab, standen immerhin noch 400 Dollar zur Diskussion. Und das war mir zu teuer. Außerdem war ich der Meinung, dass es „in der Provinz“ erheblich preiswerter sein müsste als im touristischen Vancouver. Doch das war, bei gleicher Qualität, eine falsche Annahme.
Auf dem Weg zum Hotel geht es zunächst nochmals hinauf auf den Tower um auf das nächtliche Vancouver zu schauen, dann zum Robson Square, wo sich die Kuppel des einstigen Gerichtsgebäudes (heute eine Kunstgalerie) erhebt und vorbei am alten Hotel Vancouver mit seinem unverkennbaren grünen Kupferdach. An der Waterfront, wo der alte Kohlehafen komplett umgebaut wird, sind Bagger und Baumaschinen auch zu dieser späten Stunde noch aktiv, während etwas weiter die supermodernen Bauten schon Realität geworden sind, deren Preise für die Eigentumswohnungen den Stockwerken in der Höhe nichts nachstehen.
Vancouver hält auch am nächsten Tag für uns noch einiges bereit, aber alles lässt sich nicht mehr abmarschieren. Ein Blick in den Elizabeth Park, das Marine Museum und ein Bummel durch das östlichen Ende von Downtown, das die Einheimischen „Yaletown“ nennen: Mit Glas- und Betontürmen entlang der Uferpromenade, des Yachthafens und des futuristischen Pacific Places; mit Galerien, Boutiquen, Clubs und Restaurants die einen Abschnitt prägen, den die City Hall eigentlich zu Vancouver-Süd stempelt. Die alten Backsteinhallen wurden einer Renaissance unterzogen und zu eleganten Geschäftsfronten, Künstler- und Filmstudios umfunktioniert. Das Gelände dieses 83 Hektar großen Stadtteils hatte vor Jahren der Hongkong-Milliardär Lika-Shing erworben, entwickelte und passte es der „Perle am Pacific“ an. Diese Bebauung, so ist zu lesen, „folgte der größten Generalstabsplanung für eine Downtown-Community in Nordamerika“. Dabei verschwand das stillgelegte Eisenbahn- und Industriegebiet ebenso, wie sich der False Creek veränderte. Sein „Dom“, ein Pavillon bei der Weltausstellung, beherbergt inzwischen unter der silbernen Kugel die „Science World”, und dort, wo die Davie Street auf den False Creek trifft, sind auch die gigantischen Lastkräne verschwunden, die die schwere Maschinerie für die Holzcamps im Norden zu verladen hatten.
In dieser Stadt könnte man schon noch ein paar Tage verweilen, doch unsere Reise geht morgen weiter und das Shanghai Chinese Bistro in der Alberni Street, wo der Koch die handgemachten Nudelstränge persönlich durch die Luft wirbelt, und aus seiner Kunst eine regelrechte Show macht, ist unsere letzte Einkehr.
Vancouver, die Schöne am Pazifik.
Der Inner Harbour Victoria mit seinem prominenten Hotel
Victoria und Vancouver Island
Heute Morgen verabschieden wir uns von Vancouver und fahren mit der Pacific Coach-Line nach Victoria, für je 30 Dollar inklusive der Fährkosten von Tsawwassen nach Swartz Bay. Dieser Fähranleger liegt nur zehn Autominuten nördlich von Sidney, das den Charme eines Strandortes und Fährverbindungen zu fünf der Southern Gulf-Inseln bietet. Doch bevor wir die 90 Minuten Überfahrt durch die Strait of Georgia an der Reling genießen können, klappert unser Bus die Hotels ab, um auch den letzten Fahrgast abzuholen. Dreißig Minuten später hat er von der Pacific Zentral Station aus den Fährhafen über die „99“ erreicht und lässt sich hinüber nach Vancouver Island tragen, um dort die Fahrt nach Victoria fortzusetzen.
Geologisch gesehen ist die Insel kein Festlandbruchstück, sondern hatte ihren Geburtsplatz im Südpazifik. Nach einer Formierungsperiode von rund 250 Millionen Jahren erschien sie vor 100 Millionen Jahren an ihrem heutigen Platz, wo vulkanische Aktivitäten ihre Form prägten. An den Kontinent angedockt hat sie wahrscheinlich in Oregon oder Kalifornien, von wo aus sie später nordwärts zog. Heute ist ihre geschützte Küstenlinie für mildes Klima, schöne Strände, gepflegte Golfplätze und charaktervolle Ortschaften bekannt. Die viel Kunst und zurückgelehnten Lebensstil bietenden idyllischen Southern Gulf Inseln eingeschlossen. Dennoch hat die Insel auch zwei Gesichter: Der Süden, mit British Columbias Hauptstadt Victoria, Butchard Gardens, der umbrandeten Südwestküste mit Waltouren und malerischen Fischerdörfern ist wesentlich sanfter als der nördlichere Teil. Dort bestimmen die zerklüftete, einsame Westküste, urige Wildnisorte, Regenwälder mit riesigen Douglasien, Bergen, Seen und Fjorden den Takt, werben für Sport und Erholung und sind auch Heimat vieler wildlebender Tiere. Elche, Bären, Cougars, Seelöwen, Wale und Hunderte von Vogelarten gehören dazu wie Adler, Kojoten, Waschbären, Falken, Reiher, Bieber und Millionen von Lachsen, die durch die Seestraßen ziehen. Orcas tummeln sich in den nördlichen und südlichen Küstengewässern, und Grauwale bevorzugen die Inselgruppen der Pacific Rim Region der Westküste.
Naturverbundene werden deswegen die Nordinsel vorziehen, und Taucher besonders die Gegend zwischen Campbell River und Port Hardy. Wer jedoch abseits und in entlegenen Gegenden unterwegs ist, muss bei allem Überschwang für diese Natur aber wissen, dass er sich am Rande der Wildnis bewegt, darf die Situation nicht unterschätzen und sollte hinterlassen wohin er will und wann er plant, zurück zu sein. Und: Außerhalb der Ortschaften ist Bärenland! Mit ihnen muss man jederzeit rechnen und wissen, wie man sich zu verhalten hat. Wer sich nicht sicher ist fragt Einheimische, Guides oder in den Visitor Info Centers.
Auf der Fahrt über den sich an der Ostküste nach Norden ziehenden Island Highway (19), durch dessen Bau 1979 diese Küstenwaldregion erst erschlossen wurde, nimmt mit den Kilometern auch die Schönheit zu. Und dort, wo der Tourist etwa 70 Kilometer hinter Campbell River neben der alten Farmer- und Holzarbeiteransiedlung Sayward auch die Südgrenze der Nordinsel erreicht, beginnt eine Gegend, in der schneebedeckte Bergspitzen und baumbewachsene Ufer klarer Seen das Bild prägen.
Möglichkeiten, die Küstenstraße unterwegs zu verlassen gibt es mehrere, mit Fähren oder über Straßen, die im Hinterland jedoch aus Schotter bestehen. Auf der nördlichen Insel wird der eine oder andere europäische Tourist vielleicht die Möglichkeit nutzen, in Port McNeill den kurzen Fährabstecher nach Sointula oder Alert Bay (Totempfähle) auf den Inseln Malcom und Cormorant unternehmen, doch kaum zwischen Port McNeill und Port Hardy die Möglichkeiten wählen, die ihn nach Port Alice am Victoria Lake, Coal Harbour (Quatsino Sound) oder nach Winter Harbour und Cape Scott bringen würden. Das südlicher gelegene Woss im Nimpkish Valley ist ebenfalls eher ein Ausgangspunkt für Kenner, zumal das Gold im zweihundert Jahre alten Zeballos längst geschürft ist. Dort, wo zwischen 1938 und 1943 für mehr als 13 Millionen Dollar dieses Edelmetalls gefunden wurden, leben heute zwar nur noch ein paar Hundert Menschen, darunter auch Angehöriger verschiedener Indianerstämme, mit Läden, Motels, Pup, Cafe, Tankstelle und Campingplatz, aber es liegt nach wie vor von Bergen umgeben an seiner Bucht in landschaftlicher Schönheit. Die alten Wälder sind auch Heimat von Bären, Hirschen, Elchen und Cougars, und der Wanderer kann auch bergsteigen, surfen, tauchen, fischen oder sein Kajak besteigen. Und wenn im Herbst die Lachse in den mitten durch das Ortszentrum fließenden Zeballos River kommen dann reicht es, sich auf der Sugarloaf-Brücke einzufinden, um von einem sichern Platz aus den Bären beim Fischfang und Trompeterschwänen und Möven beim Streit um die Fischeier zuzuschauen. In jedem Frühjahr ziehen die Grauwahle auf ihrer Reise nach Norden an der nicht weit entfernten Nootka Insel vorbei, die an ihrer Westküste auch ganzjährig den gleichnamigen Trail als Küstenwanderpfad offeriert, den Charterunternehmen in Zeballos bedienen.
Wer noch weiter nördlich in die genannten Gegenden abbiegt, ist weder ein europäischer Sonntags- noch Pauschaltourist, sondern hier finden hartgesottene Bootsfahrer, Angler, Wildnis-Wanderer oder Offroader ihre Welt, die am Nordwestzipfel von Vancouver Island im Cape Scott Provinzpark auch in rauer, zerklüfteter Küstenwildnis mit schönen Strandabschnitten, aber auch Bären und Wölfen und ohne jegliche touristischen Einrichtungen, wandern können. Die von Port Hardy entlang klarer Seen und bewaldeter Täler zur Nordwestpsitze der Insel kriechende Schotterpiste verlangt Allrad, und wegen des „Schuh-Trees“ (eine alte Zeder voller Schuhe) muss man sie schon gar nicht fahren. Solche Verrücktheiten sind mir auch im Oregon begegnet. Zu Watson Lake schrauben die Touristen noch immer ihre heimatlichen Ortsschilder an die Pfähle, suchen in einem historischen Roadhouses am Klondike Highway an Decke und Wänden ein Plätzchen für ihre Mützen und Visitenkarten, oder zeigen sich spendabel wie in einer Pub in Hyder /Alaska, wo zwischen Hunderten signierter Geldnoten aus aller Welt auch echte 100 DM-Scheine an die Wand genagelt wurden, als vom Euro noch keine Rede war.
Vancouver Island lässt sich auch gut mit einer Tour entlang der „Sonnenscheinküste“ verknüpfen, denn die 99 zieht von Vancouver hinüber zur Horseshoe Bay am Howe Sound, wo 40 Fährminuten die Verbindung zur „101“ herstellen und Strände, Buchten, Fjorde und Wälder mit Zedern und Douglasien den Tourist empfangen. Achtzig Kilometer nördlich bieten sich in Egmont Schiffstouren zum Princess Louisa Inlet und den Chatterbox Falls an, ehe zu Earls Cove erneut eine Fähre den Asphalt ersetzt, der anschließend von Saltery Bay seinen Weg zu Kanadas Taucherhauptstadt Powell River sucht und zu Lund sein Ende findet. Von Hektik ist in dieser, von den Coast Mountains geschützten Region nichts mehr zu spüren und der Ruhe suchende Tourist am richtigen Platz.
In Powell River verbinden die BC-Ferries in 75 Minuten hinüber nach Comox auf Vancouver Island, wo der Ort und das gleichnamige Tal zwischen den schneebedeckten Beaufort Bergen und der Strait of Georgia als auch die nahen Denman- und Hornby Inseln Urlaubsfreuden versprechen. Und wer im Frühjahr nach hier kommt, der kann innerhalb von dreißig Minuten auch vom Pulverschnee aufs Boot, zu einem grünen Golfplatz oder einem der zahlreichen Parks wechseln, weil das milde Klima die Wünsche nach Betätigung das ganze Jahr über erfüllt.
Comox, an der Ostseite der Insel und deren Küstenstraße gelegen, ist ein kleiner Ort mit zwei Ampeln, in dem uns in „Jasmins Cafe“ die Sängerin bediente, die am Abend mit ihrer Band im besten Restaurant des Ortes Musik machte. Hier ist auch British Columbias ältestes Hotel, das „Lone“ zu finden, wo Billard dominiert und die Bar gut besetzt ist, als auch der Hinweis, dass die Wurzeln der Ansiedlung „Port Augusta“ waren, der schon 1867 Schiffen Zuflucht bot, wenn sie Stürme in Bedrängnis brachten. Heute hat das Dörfchen, zusammen mit dem südlicher gelegenen Nanaimo, seinen ganz großen Tag eigentlich nur noch ein einziges Mal im Jahr, wenn die Heringe vom Pazifik kommen! Dann drängen sich in den Häfen Boote aus Glasfiber und Alu und mit klangvollen Namen, denn die Strait of Georgia ist eines der fünf großen Fanggebiete in BC. Zum Fang auslaufen dürfen die startklaren Schiffe aber erst dann, wenn das Zeichen vom Managementboot der Fischindustrie dafür gegeben wird. Das kommt aber nicht sofort, nachdem die Schwärme von den Überwachungsflugzeugen geortet worden sind, denn es geht nicht um den Fisch als solchen, sondern ausschließlich um Rogen für die Japaner. Dieser ist im Land der aufgehenden Sonne eine teure Delikatesse, während der Rest zu Futter verarbeitet wird.
Von den 200.000 Tonnen „Biomasse“ die in den Golf kommt, dürfen maximal 10 Prozent gefangen werden – den „First Nations“ steht davon die Hälfte zu –, denn der Hering muss als Nahrungsträger (allein die Seelöwen fressen jährlich 6.000 Tonnen) vor Überfischung geschützt werden. So wird jedes Boot auch strengstens kontrolliert, auf Lizenz (eine lebenslange kostet 650.000 $), Fangmenge, Maschengröße und Netzart, denn Schleppnetze sind verboten. Und der Fischer, der mir das erzählt fügt an: „In unsere Gewässer kommen jährlich mehr als 150.000 Tonnen Hering – auf Comox und Nanaimo entfallen etwa 9.000 Tonnen –, aber wir importieren Rollmops aus Holland …“
Angekündigt wird das Spektakel aber schon vorher: Durch Tausende von Möwen, Seeadler und Seelöwen, die sogar das ferne Kalifornien verlassen, um am großen Fressen teilzunehmen. Sind sie eingetroffen, dann kommen auch die Heringe und die weiße Milch der Männchen überzieht die Küstenlinie kilometerweit. Auslaufen dürfen die Fangschiffe aber erst, wenn das Startsignal nach Probefängen verkündet, dass die beiden goldgelben Reihen des Rogens, die jedes Weibchen in sich trägt, den geforderten 12 bis 14 Prozent des Fischgewichtes entsprechen. Wenn es ertönt ist die gespenstische Ruhe im Hafen sofort zu Ende und die Boote eilen unter voller Fahrt ihren Fanggründen entgegen. Größtenteils schließen sich mehrere Schiffe zu Pools zusammen und teilen den Fang, denn nicht jedes ist zur richtigen Zeit am richtigen Ort und nach vier Tagen ist – bis zum nächsten Jahr – schon wieder alles vorbei.
Schon in der Nacht sind die japanischen Spezialisten und Aufkäufer im Hafen an Bord ihrer Vertragsschiffe, um die Qualität des Fanges zu prüfen, bevor Saugrohre aktiv werden und die Fracht bis Dezember in Salzlauge eingefroren wird. Erst dann wird der Rogen entnommen, von dem jährlich etwa 2.000 Tonnen ihren Weg nach Japan finden. Bezahlt wird nach Qualität und Menge. Sieben Testreihen mit jeweils 36 Fischen, der Anzahl der Weibchen und deren durchschnittlichem Rogen-Anteil bilden dafür die Prozent-Grundlage, nach der die komplette Ladung von der Fischfabrik bezahlt wird. Und das kann bis zum Sommer dauern.
Die Sonnenscheinküste mit der Überfahrt nach Comox hatten wir ursprünglich auch im Programm, aber wegen der sehr teuren Einwegmiete des Autos nach Port Hardy, die uns diesen Teil der Reise kurzfristig umgestalteten ließ, musste auch sie noch einige Jahre warten. Statt Horseshoe Bay wählten wir nun Tsawwassen und anstelle eines Autos den Bus. Die Fähre der Inside Passage ließ sich auch umbuchen, so dass wir keine Zeit verloren. Nur die Ausarbeitung unserer Tour für Vancouver Island brauchten wir jetzt nicht mehr. Dass sie allerdings volle zehn Jahre im Schubkasten schlummern würde, davon bin ich damals nicht ausgegangen.
In Swartz Bay steigen wir wieder in unseren Bus und erreichen nach etwa 40 Minuten die Hauptstadt der Provinz und unser Hotel „Ocean Point Resort“. Ganz nett und kurzfristig auch das einzige, das nach unserer Routenänderung noch buchbar war. Im „eleganten Luxushotel“, wie der Polyglott bemerkt, empfanden wir aber nur den Preis als solchen: 250 $ für das Doppelzimmer.
Die Hauptstadt der Provinz British Columbia ist von schöner Natur eingerahmt und umgeben von den Wassern der Juan de Fuca Strait, die an der Südostspitze auf die Strait of George treffen. Und sie schaut mit ihrer viktorianischen Altstadt-Architektur, roten Doppeldeckerbussen, Golfplätzen, Stränden und Buchten auf die schneebedeckte Olympic Mountain Range im benachbarten Washington. Ihr Name Victoria erinnert an eine längst vergessene Zeit, in der Pferdekutschen um den Inner Harbour ratterten, Straßenmusikanten als solche ihren Lebensunterhalt verdienten, der Afternoon-Tea im Grand Express Hotel als wichtige Tradition galt und Rosen in schönen Gärten zum Stadtbild gehörten wie vornehme Geschäfte. Wirklich verschwunden ist das alles nicht. Der Tee wird weiterhin serviert, und am Inner Harbour, dessen Bild vom ehrwürdigen Hotel, Wasserflugzeugen, Segel- und Ausflugsbooten, Blumenschmuck, Händlern und Kunstschaffenden geprägt wird, erklingt noch immer Straßenmusik. Auch die Pferdedroschken zockeln noch durch die Straßen, denn die Touristen lieben sie.
Irgendwie reflektiert diese Stadt die Sensibilität des viktorianischen Englands und verbindet sie gleichzeitig mit den angenehmen und wichtigen Dingen der modernen Welt. Perfekte Harmonie zwischen Alt und Neu, mildes Klima, 2.000 jährliche Sonnenstunden, eine wohltuende Pazifikbrise im Sommer, schneearme Winter, zahlreiche Parks und viele Freizeitmöglichkeiten sind zusätzliche Trümpfe. Diese „City of Gardens“ im Süden von Victoria Island empfinden wir jedenfalls als bezaubernd sympathisch. Und es war auch noch zehn Jahre später unser Eindruck, als wir die Insel zwischen der Strait of George und dem Pazifik mit dem Wohnmobil bereisten und vor der Fährüberfahrt ins amerikanischen Port Angeles in Victoria erneut Station machten. Es ist eine Großstadt mit Kleinstadtflair, aus deren 80.000 Einwohnern 330.000 werden, spricht man vom Großraumbereich. Und die drei Häfen Sidney, Swartz Bay und Inner Harbour, an den sich die fußgängerfreundliche Innenstadt anlehnt und dessen Laternenpfähle seit Jahrzehnten wunderschöne Blumenkörbe tragen, gehören auch dazu.
Und was schaut man sich an? Der hufeisenförmige Inner Harbour Walk, der sich als blumengeschmückte Promenade um diesen Hafen zieht, Sehenswürdigkeiten mit einander verbindet als auch in schmale Gassen, Straßenkaffes, Boutiquen oder Antiquitätsläden einlädt, ist ein Muss. Das den Hafen übersehende altehrwürdige Empress Hotel – ähnlich traditionell wie das berühmte „Raffles“ in Singapur – und Victorias Parlamentsgebäude verlangen nur wenige Schritte mehr. Pacific Undersea Gardens, Royal London Wax- und Maritime Museum, das im alten Gerichtsgebäude am Bastion Square untergebracht ist und auf dem Boden des ehemaligen Fort Victorias steht, Villen und historische Häuser in der Robson- und Government Street – auch eine Topadresse unter den Einkaufsvierteln – könnten weitere Ziele sein. Die China Town der Stadt verträgt ein ähnliches Etikett wie die zu Vancouver: Man kann sie sich auch „schenken“.
Und wie so oft in Nordamerika begann auch dieser Charme mit den Aktivitäten der Hudson’s Bay Company. 1843, als an heutige Touristenströme und die Stadt noch nicht zu denken war, legte James Douglas dafür den Grundstein: Er etablierte am heutigen Bastion Square an der Südspitze der Insel den Pelzhandelsposten „Fort Victoria“. In der Nachbarschaft von Beacon Hill lässt sich heute im Royal British Columbia Museum in jene Zeit eintauchen. In die der Pioniere, Nordwestküsten-Indianer und die wechselvolle Natur- und Menschheitsgeschichte dieser Provinz, die dort von der Eiszeit bis in unsere heutigen Tage einen Bogen schlägt. Außerhalb, im knapp bemessenem Thunderbird Park, ziehen kunstvolle Totempfähle die Aufmerksamkeit auf sich, während die Spazierwege im Beacon Hill Park mit Blumen, Teichen und Steinbrücken zum Nachdenken über Gesehenes anregen und unterschiedliche Ziele ansteuern. So auch die Markierung der Meile Zero, dem westlichen Ende des Trans Canada Highways, der sich über rund 8.000 Kilometer bis nach Neufundland erstreckt. Dieser „Endpunkt“ bedarf allerdings einer kleinen Ergänzung, denn so ganz richtig ist das heute nicht mehr, weil inzwischen auch die ersten, etwa 100 Kilometer der nach Norden ziehenden „19“ ebenfalls als „1“ firmieren. Zusätzlich hatte sich schon 2010 zwischen Nanaimo und Campbell River – und einige Kilometer westlich der alten „19“ – ein autobahnähnlicher Highway etabliert, der nun als Nr. 19 fungiert, während die alte Straße mit dem Zusatz „A“ weiterhin ihren Weg an der Küste durch die Ortschaften sucht. Falls der Ausbau irgendwann auch Port Hardy erreicht, dann könnte auch das westliche Ende des TCH durchaus an die Nordspitze der Insel wandern. Ob das aber den Touristik-Managern von Victoria gefallen würde, ist doch sehr fraglich.
Den „Marine Drive“ sollte man sich ebenfalls gönnen: Vom Beacon Hill Park verbindet die Dallas Road zum Beach Drive, und dieser in die mit Golfplätzen bestückten Villenviertel von Oak Bay und weiter in die exklusive Wohngegend von Ublands. Während hier viele gutsituierte Pensionäre ihren Lebensabend verbringen und die schönen Fernblicke auf Meer und Land genießen, gilt Oak Bay mit seinen Kunstgalerien, Pubs, Cafes, Geschäften, Restaurants und dem Willows Beach als Victorias Seaside Village. Auf dem Weg zurück empfiehlt sich noch das Craigdarroch Castle, das bei unserem Besuch aber leider schon verschlossen war. Das prunkvolle Gebäude von 1890 gilt als schönstes Viktorianisches Haus der Stadt, verfügt über 39 exquisite Zimmer, wertvolle Buntglasfenster und gehört dem Eisenbahnfürsten Robert Dunsmuir.
Butchart Gardens, 21 Kilometer nördlich der Stadt, lockt Spaziergänger in einen ehemaligen Kalksteinbruch, der heute als sehr schön angelegter Botanischer Garden auf 20 Hektar mit bunter Farbenpracht brilliert, Europäer aber an Ähnliches in ihrer Heimat erinnert. Interessanter erscheint daher ein Ausflug in den Goldstream Provincial Park, der lediglich 17 Kilometer von Victoria entfernt ist und über den Malahat Drive führt. Dieser sehr schöne Abschnitt des Highway 1 zieht, ehe er sich nach Norden ausrichtet um am anderen Ende Port Hardy anzusteuern, zunächst nach Nordwesten und bietet, hoch über dem Meer, herrliche Aussichten. Der Park liegt mitten im Regenwald mit mächtigen schwarzen Pappeln und roten Zedern. Seine Wanderwege führen zu zwei Wasserfällen und, in drei Stunden, auch hinauf zum Mount Finlayson, wo der Blick bis zu den Olympic Mountains im amerikanischen Washington und auf die San Juan de Fuca Strait reicht, die um den Südzipfel der Insel herum die Strait of Georgia mit dem Pazifik verbindet und in deren Mitte die Grenze zwischen Kanada und den USA verläuft. Im Oktober treffen hier die Lachse zum Laichen ein, und von Dezember bis März trifft man hier auch auf die höchste Konzentration der Weißkopfseeadler Kanadas. Hatley Castle, Fisgard Lighthouse (1860) und das restaurierte Fort Rodd Hill (1878 – 1956) auf der Südwestseite Victorias wären weitere Ziele wie auch Port Renfrew am Ende der „14“ (92 Kilometer), wo die 77 Kilometer des Wildnis-Wanderweges „West Coast Trail“ beginnen. Die Tour nach Bamfield am Barkley Sound beansprucht allerdings eine Woche und setzt neben bester Kondition auch gründliche Vorbereitung voraus.
Und mein ganz persönliches Fazit? Victoria ist eine angenehme, saubere und sichere Stadt mit viel Flair, deren Highlights der Rundreisetourist auch an einem Tag besuchen kann, wenn er dessen 12 Stunden gezielt nutzt und keine Ausflüge plant. Indianische Schnitzkunst entsprach im Preis der Lage und ihrer Vollendung, und in den kleinen Straßenrestaurants und Cafés haben wir unsere Rundgänge 2000 und zehn Jahre später gern unterbrochen. Ganz anders jedoch in einem vom Reiseführer angepriesenem noblen Fischrestaurant: Der Lachs mit Spargel und Reis war nicht nur unangemessen teuer, sondern auch nach der Reklamation als Austauschportion erneut kalt, geschmacklos und das edle Gemüse wie Gummi. Die Frage nach dem Koch erübrigte sich, und relevant war nur noch der Ausgang.
Am nächsten Morgen bringt uns der Wecker zeitig auf die Beine, denn der Bus der Greyhound-Linie, der uns gegen 16 Uhr in Port Hardy an der Nordspitze der Insel abliefern soll, verlässt Victoria bereits um 5 Uhr 40. Dieses komfortable Gefährt, in dem unsere gebuchten Fensterplätze auch reserviert sind, bringt uns aber nur bis Campbell River, denn dort zweigt er zur Westküste nach Goldriver ab und wir müssen umsteigen. Aber was für diesen Bus gebucht war, gilt auch im Nachfolger, denn die 84,10 $ Fahrpreis pro Person gelten für die gesamten 520 Kilometer. Also zurücklegen in die bequemen Sessel und die Fahrt an diesem klaren Morgen genießen und in meinem „Reisebuch“, das aufgeschlagen auf meinen Knien liegt, verfolgen. Ursprünglich wollten wir hier und jetzt mit dem Auto unterwegs sein und zunächst die Insel nach unserer eigenen Route erkunden, doch stand die Einwegmiete dafür in keiner Relation. Entlang der Küstenstraße könnte sich aber das eine oder andere zu erkennen geben, dass ich in meiner Ausarbeitung übersah, oder als unwichtig gestrichen werden kann, wenn wir nach Vancouver Island irgendwann zurückkommen.
Die ersten Kilometer auf dem „Trans-Canada“ lassen für mein Reisebuch aber keine Zeit, denn die Aussicht vom Malahat-Drive 300 Meter über dem Meer ist großartig. Kleine bewaldete Inseln im blau glänzendem Wasser und Schneegipfel am südlichen Horizont betören die Sinne. „Mount Baker“ wirft mein Sitznachbar ein und ergänzt „3.316 Meter hoch, Bundesstaat Washington, USA“. Auch zum direkt am Meeresufer liegende Fischerdorf Cowichan Bay kommt noch die Erklärung, dass diese Cowichan-Indianer schon Tausende von Jahren auf der Insel leben. Ihre Totempfähle sahen wir erst zehn Jahre später, denn unser Bus brummt hier ohne Halt weiter „up island“, wie die Einheimischen die Fahrtrichtung nach Norden betiteln.
In der Zwischenzeit hatte ich auch bemerkt, wie mein freundlicher Nachbar versuchte, meine aufgeschlagene Tagesroute zu entziffern, und somit folgte dem flüchtigen „where you are from“ auch gleich die Empfehlung, dass wir auf keinen Fall die Westküste auslassen dürften. Er wohnt dort und erzählt begeistert. Natürlich kann er nicht wissen, dass ich mit den großartigen Fischgründen, von denen er schwärmt, nichts am Hut habe, aber meine detaillierte Ausarbeitung dazu zeige ich ihm sofort. Er hat auch noch den einen oder anderen Tipp, aber eher für diejenigen, die von Booten und Fischen schwärmen. Der etwa 40jährige – einige Tage unrasiert, halblange Windjacke, Jeans, Lederhut, derbes Schuhwerk, Rucksack und fester Händedruck – meinte zwar „that’s great“, aber ob er als eingefleischter Kajaker und Angler wirklich verstand, dass Buchten, Lachse oder Heilbutt-Derbys für uns nicht alles waren? Auf alle Fälle war er einer der vielen netten Typen, die wir auf dieser Reise noch treffen sollten, und solange er an meiner Seite saß hatte er zur Umgebung immer etwas zu erzählen: „In Duncan, im Herzen des Cowichan Tales liegend, gibt es etwa 80 Totempfähle und Originalgebäude, darunter der Bahnhof aus den 1880er Jahren, und nördlich davon auf 40 Hektar, das Forst Museum mit Holzfällercamp und Sägewerk. Das Örtchen Chemainus ist durch bemalte Hauswände bekannt, die vom Leben der Holzfäller berichten, und Ladysmith hat steile Straßen, wurde vom Kohlenbaron Robert Dunsmuir ins Leben gerufen, fungierte um 1930 als wichtiger Holzumschlagplatz und liegt genau auf dem 49. Breitengrad. Bei Parksville beginnen die Strände, und der Highway 4 zweigt zur Westküste ab, wo er nach 170 Kilometer zu Tofino sein Ende findet. Weiter nördlich erreicht der Tourist dann das „Lighthouse Country“ und das Comox-Tal, das zwischen Strand und alpinen Regionen einige Urlaubsfreuden verspricht.“