Kitabı oku: «Schimpfen? Es geht auch anders!», sayfa 2

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Privat

Vor langer Zeit in einer Krippe. Sobald eines der Kinder seine Mutter sah, wurde es hungrig. Oft setzte sich die Mutter inmitten der Gruppe sofort hin, um ihr Kind zu stillen. Eines Tages legte ihr eine Kindergartenpädagogin nahe, das erst zu Hause zu machen. Stillen sei nämlich ein wenig unappetitlich und jedenfalls Privatsache. Außerdem könne sie schon mit dem Stillen aufhören, das Kind sei nämlich schon acht Monate alt! Eine ältere Kollegin erzählte, dass sie ihr Kind bis ins Alter von zwei Jahren gestillt hätte. Eine Frau in Lappland stillte ihr Kind bis zum siebten Lebensjahr. Der nächste Markt lag 40 Kilometer entfernt und oft gab es ohnehin keine frische Milch. Die Leute aus der Hauptstadt meinten, dass es ein wenig unappetitlich sei, ein so altes Kind zu stillen.

Was passiert, wenn eine Generation Kinder kürzer gestillt wird? Wie viele Umarmungen und Zärtlichkeiten fehlen dieser Generation? Woher soll sie den Mut zur Befreiung finden?

Weg mit den Farben

Es gab eine Zeit, in der Wände dunkel gestrichen wurden und Kommoden einen orangen Anstrich erhielten. Das war genauso modern wie bunte Teppiche und geblümte Tapeten. Kleine Figuren, Souvenirs und anderer Krimskrams füllten die Regale und erinnerten an den letzten Urlaub in den Bergen.

Viele Jahre später hatte ich eine alte Wohnung mit einem großen, dunkelgrünen Wandschrank. Ein Freund riet mir, ihn zu schleifen, die weinrote Kommode wurde weiß getüncht, der Teppich entfernt und der Boden frisch versiegelt. Ein oranger Schrank wurde in den Keller verfrachtet.

Eines Tages wurde auch der Kindergarten von der Modernisierungswelle getroffen. Als die Wand von ihren farbenprächtigen Märchenfiguren hätte befreit werden sollen, wehrten sich die Kinder. Sie durften ihre Wand behalten.

Keine bunten Farben! Nicht laut schreien! Reg dich ab, bleib ruhig, entspann dich, reden – nicht hauen! Das ist es, was Kinder heutzutage häufig hören. Die Freude an der Sinnlichkeit ist beinahe schon vulgär.

Bleicher Minimalismus ist in!

Kinder freuen sich auf die Zeiten, in denen Farben und Märchen wiederkehren und nicht nur dem mit Weichmachern verseuchten Spielzeug vorbehalten bleiben. Vielleicht können Kinder in nicht allzu ferner Zukunft den Figuren auf der Wand beim Einschlafen wieder Leben einhauchen und von Hirtinnen und Schornsteinfegern träumen.

Waldspaziergang

An einem lauen Novembertag wanderte eine Familie durch den Wald.

Plötzlich riss der Vater seine dreijährige Tochter, die neben ihrem Bruder saß, aus dem Kinderwagen heraus: „Es reicht! Wenn du Anton nicht in Ruhe lassen kannst, musst du auf deinen eigenen Beinen gehen!“

Dieser Ausbruch verschlimmerte die Situation nur. Das Mädchen weinte und weigerte sich, nur einen einzigen Schritt zu gehen. Der kleine Bruder weinte auch, weshalb die Mutter wütend wurde. Der Vater schimpfte ständig mit seiner Tochter. Diese reagierte mit wütender Verzweiflung.

Nach einer arbeitsreichen Woche hätte es ein schöner Sonntag für die ganze Familie werden sollen. Und dann zerstören die Kinder die Idylle durch Streitereien und lautes Geschluchze. Es ist nicht verwunderlich, wenn die Eltern wütend werden und schimpfen. Aber, sind nicht die Eltern für die Stimmung verantwortlich? Hätten sie nicht anders agieren können? Was wäre passiert, wenn der Vater mit seiner großen Tochter gespielt hätte, statt sie in den engen Kinderwagen zu stopfen, als sie nicht weitergehen wollte? Was wäre passiert, wenn die Eltern die Kinder gefragt hätten, ob sie Tannenzapfen sammeln wollen, statt mit ihnen spazieren zu gehen? Oder wenn Mutter und Vater eine Höhle gebaut hätten?

Hätten sich die Kinder nicht über alle Maßen gefreut? Welch schöner Sonntag hätte das werden können! Die bereits leicht übergewichtige Tochter hätte ebenso etwas davon gehabt wie ihr einjähriger Bruder, der viel zu viel im Kinderwagen sitzt oder herumgetragen wird, und somit die Welt nur anschauen kann, statt in ihr zu spielen. Auch für die Eltern wäre es schön gewesen. Sie haben ohnehin nicht viel Zeit für Zärtlichkeiten, Spiel und Herumtoben.

Statt eines schönen Sonntags im Freien erlebten sie einen nur halb so geglückten Schimpftag.

Fragen stellen, betteln
und Willen durchsetzen
Im Supermarkt

Louis: „Ich will ein …“

Mutter: „Nein.“

Louis weint.

Mutter: „Hör auf zu weinen!“

Louis hat viele Wünsche im Supermarkt. Seine Mutter muss oft Nein sagen. Dann weint Louis. Vielleicht glaubt Louis‘ Mutter, dass er sich durch sein Schluchzen durchsetzen will. Sie ist verärgert und sagt mit ihrer Schimpfstimme: „Hör auf zu weinen!“ Er weint noch mehr.

Würde sie sein Schluchzen als natürliche Reaktion auf den nicht erfüllten Wunsch sehen, ihm vielleicht zeigen, dass sie seine Traurigkeit verstehen kann, dann wäre die Enttäuschung vielleicht schnell verflogen.

Vor allem dann, wenn Louis wüsste, dass seine Mutter ihm gerne seinen Willen lässt und seine Wünsche erfüllt, sooft sie kann.

Wie oft wird gescholten?

 Mütter von Kleinkindern versuchen alle 3 bis 9 Minuten das Verhalten ihrer Kinder zu korrigieren. Im Supermarkt rügen oder bestrafen sie ihre Kinder mehr als ein Mal pro Minute. Das wissen wir von Unter suchungen in Amerika in den 1990ern. Quelle 4

 In Dänemark gaben 86 Prozent von 6.000 Müttern an, dass sie in der ver gangenen Woche ihre dreieinhalbjährigen Kinder gescholten hätten. Quelle 5

Das, was ICH wil

Ein Vater sprach mit seinem fünfjährigen Sohn:

„Was würdest du tun, wenn du selbst bestimmen dürftest?“

„Dann würde ich tun, was ICH will.“

Etwas später:

„Was ist, wenn die Erwachsenen bestimmen?“

„Dann würde ich tun, was die Erwachsenen sagen – es sind ja auch die Erwachsenen, die bestimmen.“

Im Satz „Dann würde ich tun, was die Erwachsenen sagen“ kommt die Erfahrung des Kindes zum Ausdruck, dass es meist das tun muss, was die Erwachsenen wollen. Müsste es das nicht, würde es tun, was es selbst will. Der Bub findet nicht, dass er tun kann, was er will. Es sind die Erwachsenen, die bestimmen, und er muss folgen.

Wie ist das zu verstehen? Versuchen Eltern nicht, die Wünsche ihrer Kinder zu berücksichtigen? Doch, die meisten jedenfalls. Aber in vielen Bereichen sind es trotz allem die Eltern, die die Entscheidungen treffen.

Sie entscheiden, was es zu essen gibt, wann man schlafen geht, was angezogen wird, wohin man geht und ob die Kinder mitkommen dürfen. Und dann gibt es noch die vielen anderen Erwachsenen im Leben eines Kindes: Kindergartenpädagogen, Lehrer, Betreuer, Hauswarte und Trainer. Sie treffen Entscheidungen in ihrem speziellen Bereich. Nur wo zwischen diesen Bereichen ein wenig Platz bleibt oder wo in den Bereichen ein Raum für Entscheidungsfreiheit geschaffen wird, ist Platz für den Willen der Kinder. In einer Klasse mit 25 Kindern gibt es kaum die Möglichkeit zu tun, was man selbst will. Und wenn ein Kind es trotzdem versucht, wird es schnell „egoistisch“ genannt und die Eltern sollten dafür sorgen, dass ihr Kind lernt, auf andere Rücksicht zu nehmen.

Wenn man sich die ersten 8 bis 9 Stunden des Tages den Regeln von Schule und Hort unterordnen muss, kann es zu viel sein, sich dann auch noch zu Hause anzupassen. Aber der Wille kann gebrochen werden und dann ist daraus ein scheinbar einfaches Kind geworden. Es versucht nicht mehr, die „Grenzen“ der Erwachsenen zu finden. (So beschreiben Erwachsene Kinder, die selbst etwas tun wollen.) Sie suchen nichts mehr, sie schweigen und gehorchen.

Wenn Kinder viele Stunden in Schule und Betreuung sind, dann müssen die Eltern dafür sorgen, dass den Kindern genügend Platz für die Entfaltung des eigenen Willens gelassen wird.

Jedes Kind will über seinen Mund, seine Arme und Beine selbst bestimmen, genauso wie auch jeder gesunde Erwachsene. Das geht natürlich nicht immer. Wenn das Kind merkt, dass es von seinen Eltern in der Entfaltung des eigenen Willens, wo immer möglich, unterstützt wird, dann fühlt sich das Kind geliebt und wertgeschätzt. Und dann kann es leichter mit den anderen vielen Neins und geschlossenen Türen umgehen.

Hat das Kind dann auch noch Eltern, die sowohl ein Interesse am Willen des Kindes zeigen, als auch wissen, was sie selbst wollen, dann sind die Voraussetzungen dafür gegeben, dass das Kind seinem Willen und Glau ben durch die Kindheit hindurch treu bleiben kann.

„Wo ein Wille, da ein Weg“, heißt es. Und was ist, wenn kein Wille da ist?

Beim dänischen Philosophen K. E. Løgstrup ist der Wille eine spontane Daseinsäußerung so wie beispielsweise auch der Trieb, einem Menschen in Not zu helfen. Quelle 6 Wille braucht somit nicht gelehrt zu werden. Er ist einfach da, kann aber beschädigt werden. Wenn ein Kind nicht gehört wird, fühlt es sich missverstanden. Wenn es nur so behandelt wird wie alle anderen, fühlt es sich übergangen. Wenn ein Kind unter solchen Um ständen aufwächst, passt es sich entweder total an oder versucht alles, um seinen Willen durchzusetzen. Manche Erwachsene meinen dann, dass sie „Grenzen setzen“ müssten, damit das Kind lernen kann, dass es nicht immer seinen Willen durchsetzen kann. Das scheinbar Grenzen suchende Kind ist aber vielmehr ein Kind, das nicht so gesehen und gehört wird, wie es ist.

Wenn willensschwache Kinder, weil sie keine Probleme machen, übersehen werden und wenn willensstarken Kindern mit „Grenzziehung“ begegnet wird, dann verfestigen sich die Probleme und die Kinder verlieren vielleicht sogar ihre Lebenslust.

Der Wile ist „der schönste Baum im Wald“

Asta diskutiert mit einer Freundin, ob nun die Mutter oder ihr Vater strenger sei. „Meine Mutter ist jedenfalls die Allerstrengste!“, ist sich die fünfjährige Asta sicher. „Warum?“ „Sie hört erst dann auf, wenn ich ihr meinen Willen gegeben habe!“

Als Astas Mutter von dieser Aussage erfährt, will sie gleich lernen, Asta ihren Willen zu lassen. Sollte Asta wieder den Eindruck haben, dass sie ihren Willen hergeben muss, darf sie „Du machst es schon wieder!“ sagen.

„Die sagen ständig, dass die Schüler zu wenig lernen, dass unsere Rechtschreibung zu schlecht ist und wir nicht rechnen können.

Irgendwie finde ich, dass das ein Blödsinn ist. Was ist, wenn wir alle die Recht schreibung beherrschen, gut rechnen können, aber keine Persön lichkeit mehr haben und nicht mehr kritisch sind?“ (Aussage eines 13-Jährigen) Quelle 7

Asta und der 13-Jährige sind keine gefügigen Kinder, die mit dem Strom schwimmen. Um sie selbst bleiben zu können, nehmen sie auch Konflikte mit der Schule und den Eltern in Kauf. Sie werden nicht besonders stark unterdrückt und sind eher stärker als der Durchschnitt. Sie wirken vielleicht anstrengender als andere. Der 13-Jährige ging in einen sehr freien Kindergarten. Danach meinten seine Eltern, dass eine Schule mit klaren Grenzen gut für ihn wäre.

Kinder können natürlich nicht immer ihren Willen haben. Es muss auf andere Rücksicht genommen werden und auf manche Rahmenbedingungen haben wir keinen Einfluss. In Schule und Kindergarten kann es schwer sein, seinen Willen durchzusetzen, weil dort so viele Menschen aufeinandertreffen und vieles schon geplant ist und seinen gewohnten Gang geht. Umso wichtiger ist es, dass Astas Mutter die Kritik hört und ihr Verhalten als Mutter ändert. Und dass die Eltern des 13-Jährigen seiner Persönlichkeit, seinen Meinungen und Entscheidungen einen Platz einräumen.

Dem Satz „Immer will er seinen Willen!“ haftet etwas Negatives an.

Bezeichnenderweise sagen Erwachsene nicht, dass sie ihren Willen durchsetzen wollen. Stattdessen sprechen sie von einer „Notwendigkeit“

oder einem „Bedürfnis“.

Denken Sie mal an das Gegenteil: Kinder ohne Willen. Kinder, die sich von Mutter oder Schule ohne Widerstand den Willen nehmen lassen. Es ist der Wille, der unserem Leben Richtung und Kraft verleiht. Die Frage ist: Wie können wir mit unseren Kindern so leben, dass sie ihren Willen behalten und stärken?

Es geht jedenfalls nie darum, „den Willen des Kindes zu brechen“

oder – wie es noch vor 100 Jahren üblich war – Kindern die Macht der Eltern mit Schlägen deutlich zu machen. Kinder wissen nur zu gut, wie abhängig sie von ihren Eltern sind. Sie brauchen Unterstützung von ihren Eltern, um zu sich zu stehen und den eigenen Willen durchzusetzen. „Es kann ja nicht immer nach dem Willen des Kindes gehen“, lautet der Einwand. Natürlich nicht! Aber genau deshalb ist es so wichtig, sich nach dem Willen des Kindes zu richten, wenn es ab und zu machbar ist und andere dadurch nicht zu kurz kommen.

Ist es schlimmer, geschlagen oder gescholten zu werden?

 Die Folgen körperlicher und psychischer Gewalt ähneln einander. Psychische Gewalt trifft Kinder genauso hart wie Schläge und hat mindestens genauso langanhaltende Folgen. Körperliche Strafen werden meist mit anderen Sanktionsformen angewandt, weshalb sie nicht als isoliertes Phänomen untersucht werden sollten. Eltern, die ihre Kinder schlagen, haben meist einen sehr lauten Erziehungsstil und im Vergleich zu anderen Eltern spielen sie weniger mit ihren Kindern, lesen ihnen weniger vor und sind weniger zärtlich.

 Kinder werden traurig und weinen, wenn mit ihnen geschimpft wird.

Sobald sie weinen, werden sie noch mehr gescholten. Kinder werden grob, wenn sie geschlagen werden. Wenn sie grob werden, werden sie häufiger geschlagen. Quelle 8

Immer diese Fragerei

„So ist das! “, sagt mein Freund, wenn wir über etwas geredet haben, das wir nur zu gern ändern würden, aber nicht ändern können. Dann beenden wir das Gespräch. Kinder wollen sich aber nicht einfach damit abfinden.

Sie wollen wissen, wie es dazu gekommen ist. Und dann geht die Fragerei los. Zum Beispiel:

Asbjørn (fast vier Jahre): „Wie kann man wachsen, ohne den Kopf abzunehmen?“

Asbjørn (fast neun Jahre): „In der Erde ist das Feuer. Papa, wie weit unten? So tief wie die Gräber? Wird man verbrannt, wenn man tot ist?

Papa, werde ich verbrannt, wenn ich tot bin?“

Jedes Kind kommt ins Fragealter. Sollte ein Kind nicht viele Fragen stellen, ist es an der Zeit, sich selbst zu fragen, wie es dem Kind geht und wie es um die Beziehung zum Kind steht. Jede kindliche Frage ist nämlich ein Vertrauensbeweis. Kinder glauben, dass Eltern alle Fragen beantworten können. In der Schule reicht vielleicht die Zeit nicht oder die Frage passt nicht zum aktuellen Schulstoff. Oder man will seine Unwissenheit nicht vor den Schulkollegen zur Schau stellen. Wen soll man fragen, wenn sich die Eltern davor drücken, die Fragen zu beantworten?

Es ist mir immer schwergefallen, die richtigen Antworten auf die Fragen von Kindern zu finden. Asbjørns Frage zum Wachsen verrät etwas darüber, wie er sich das Verhältnis zwischen Kopf und Körper vorstellt.

Ich versuche die Frage mit meinem bescheidenen Wissen über Biologie zu beantworten und Asbjørn kommt der Antwort auf die Frage „Wer bin ich?“ ein Stück näher.

Wenn Kinder Fragen zum Tod stellen, fällt mir die Antwort besonders schwer. Die richtige Antwort kenne ich nicht. Ich weiß nur, dass man nicht lügen soll, denn sonst verliert man seine Glaubwürdigkeit. Die Wahrheit kann brutal sein. Asbjørns Frage ist gar nicht die Schwierigste.

Er hat bereits erkannt, dass alle sterben: Er selbst, seine Mutter, einfach alle. Diese Erkenntnis hatte er bereits als Vierjähriger – aber das ist eine andere Geschichte.

Es kann unheimlich schwer sein, die Fragen von Kindern zu beantworten. Und dann geht die Fragerei immer beim Essen, Schlafengehen oder Kochen los. Ärgerlich.

Aber das Kind ist damit beschäftigt, diese unbegreifliche Welt zu verstehen und sich selbst kennenzulernen. „Mama, bin ich ich? Wieso hast du gesagt, dass Großmutter ‚zu sich gekommen‘ ist? Wo war sie davor?“

Wenn Schweigen Gold ist

Pernilles Mutter arbeitete im Garten. Neulich regnete es und die Schnecken aßen genüsslich die saftigen Blätter. Die Buben organisierten ein Schneckenwettrennen. Pernille (drei) war ganz fasziniert von den Schnecken. Als die Buben ein Hindernis für die Schnecken bauten, ging Pernille ganz nah ran. Da kam etwas aus dem Schneckenhaus raus und verschwand gleich wieder. Das war lustig. Kam raus, verschwand wieder. Sie hob einen Fuß über die Schnecken und sobald eine Schnecke aus dem Haus schaute, trat sie fest drauf. Ein flachgetretener Brei aus Schale und Körper der Schnecke lag am Boden.

Die Buben drehten sich um. Pernille lächelte vor Freude und Stolz:

„Schaut, was ich gemacht habe!“ Die Buben erklärten Pernille: „Du darfst nicht auf Schnecken treten, sonst sterben sie.“ Pernille schaute die Buben mit großen, verwunderten Blicken an. Die Buben warfen Pernilles Mutter einen Blick zu. Sie hatte alles gesehen und gehört, wartete aber ab, was geschehen würde.


… und sagte nichts. Die Buben hatten ohnehin gesagt, was zu sagen war. Dem brauchte sie nichts hinzuzufügen. Wenn es die Buben sagen, kommt es ganz anders an. Wieso ist das so? Vielleicht steckt die Antwort darauf in einem Gespräch, das ich mit der sechsjährigen Clara geführt habe:

„… manchmal, wenn die Großen mit einem schimpfen – also nicht die Erwachsenen – dann kann man in seinem Kopf etwas lernen.“

„Dann kann man im Kopf etwas lernen?“

„Ja, dass jemand schimpft, der nicht so groß ist.“

„Was kann man daraus lernen?“

„Ich kann es besser verstehen, wenn … ääähm … zum Beispiel meine große Schwester mit mir schimpft.“

Ein paar Jahre später sprach ich mit drei anderen Sechsjährigen. Sie hatten nicht den Eindruck, dass sie im Kindergarten etwas lernen würden. Nur manchmal kämen ältere Kinder in den Kindergarten, von denen könnte man dann zum Beispiel lernen, wie man Katzen pflegt.

Kein Erwachsener, weder Eltern noch Kindergartenpädagogen, wurden erwähnt, wenn es ums Lernen ging. Anders meinte, dass er gar nichts lernen würde. „Warum nicht?“ „Weil ich keine große Schwester habe“, stellte er fest.

Sogar durch Schimpfen kann man also lernen, wenn es von jemandem kommt, der einem nahesteht, nicht allzu groß und nicht zu erwachsen ist.

Vielleicht wird es gar nicht als Schimpfen empfunden, wenn so jemand sagt, dass man Schnecken nicht zertreten darf, weil sie dann nie wieder leben? Vielleicht wirkt Bildung dann am besten, wenn sie von jemandem kommt, der nicht zu viel Macht hat? Pernille bekommt keine Angst. Sie wundert sich und lauscht interessiert.

Beobachten Sie, wie Kinder voneinander lernen, wie sie sich gegenseitig erziehen. Und bleiben Sie dabei im Hintergrund.

Die Mondbrücke – Gedankenexperimente

Benjamin: „Es stürmt, es stürmt!“

Mutter: „Stell dir vor, der Wind könnte die Erde weiter ins Weltall blasen!“

Benjamin: „Ganz bis zum Mond! Dann könnte man zwischen dem runden und dem dünnen Mond eine Brücke bauen. Dann könntest du auf der einen Seite stehen und ich mit Papa auf der anderen und wir könnten einander besuchen!“

Erwachsene müssen oft „vernünftig“ sein: weil wir den Bus erreichen müssen, die Regensachen mitnehmen oder in die Arbeit müssen. Kinder sind unvernünftig, leichtsinnig und gefühlsbetont.

Erwachsene können so realistisch und vernünftig werden, dass Kinder gar nicht mehr die Träume und Fantasien der Erwachsenen erkennen können. Dann können Kinder Erwachsene nicht erreichen.

Als sie an jenem Morgen im August ins Freie gingen, freute sich der Fünfjährige über den Wind. Vielleicht war seine Freude der Ursprung für das Gedankenexperiment der Mutter: Stell dir vor, wir würden alle ins Weltall hinausgeblasen werden. Benjamin greift den Gedanken gleich auf und befindet sich schon oben bei den beiden Monden, die er gut kennt: Und zwischen dem runden und dem dünnen Mond baut er eine Brücke. Eine Brücke, die verbindet. Vielleicht die Geschlechter, vielleicht die moderne, gespaltene Familie?

Es war die Mutter, die eine Brücke in die magische Welt ihres Sohnes hineinbaute und Lust an Gedankenexperimenten zeigte. Es stürmte und gemeinsam erforschten sie den Sinn des Lebens.