Kitabı oku: «Schimpfen? Es geht auch anders!», sayfa 3
Misstrauen
Hausaufgaben
Am letzten Schultag vor den Ferien kam er nach Hause.
„Hast du Hausaufgaben?“, fragte die Mutter.
„Nein.“
„Aber der Lehrer hat doch einige Aufgaben angekreuzt. Die musst du doch machen!“
„Ich habe keine Hausaufgaben!“
„Wenn der Lehrer Aufgaben ankreuzt, hast du Hausaufgaben!“
Die Mutter schlägt sich auf die Seite der Schule. Ihr Sohn aber braucht ihr Vertrauen und ihre Liebe. Stellen Sie sich vor, sie hätte stattdessen Folgendes gesagt: „Ach, natürlich gibt der Lehrer am letzten Schultag vor den Ferien keine Hausaufgaben. Das ist schön!“
Vielleicht sagt der Junge nicht die Wahrheit. Er ist erst acht. Alltagsrealität und Fantasie lassen sich nicht so leicht voneinander unterscheiden.
Und wenn man der Macht Erwachsener ausgesetzt ist, kann es verlockend sein und nahezu notwendig wirken, auszuweichen und ein wenig zu lügen. Die Mutter hat wohl vergessen, dass sie das als Kind auch tat.
Hat sie vergessen, dass sie dabei oft nicht erwischt wurde?
Was würde passieren, wenn sie sich naiv auf ihren Sohn verlassen würde und er eigentlich die angekreuzten Aufgaben erledigen müsste?
Dann wird er ja nicht erwischt! Genau. Dann erspart sie ihm Demütigung und Schamgefühle, die ihr als Kind auch erspart geblieben sind.
Sie hätte natürlich auch sagen können: „Egal was die Kreuze zu bedeuten haben, du sollst jedenfalls nicht die Ferien für Aufgaben verwenden.
Das werde ich dem Lehrer nach den Ferien mitteilen!“
Oder sie könnte ihrem Kind vorschlagen, die angekreuzten Aufgaben gemeinsam zu lösen. „Dann sind sie schon erledigt, wenn du sie nach den Ferien mal machen müsstest.“
Hausaufgaben sind eine Qual für viele Kinder. Sie sind die Pflichten, die die Schule Kindern auferlegt.
Schimpfen und lernen
Wenn Kinder gescholten und bestraft werden, verlieren sie:
ihren Enthusiasmus
ihre Ausdauer
ihr Konzentrationsvermögen.
Das ist fatal. Um Lesen zu lernen, braucht man ein Interesse für das Geschriebene, man muss durchhalten, auch wenn es schwerfällt, und man muss sich auf den Text konzentrieren. Auch andere Faktoren können das Lernvermögen negativ beeinflussen:
Zurückgezogenheit
Depression
geringes Selbstwertgefühl
körperliche Probleme.
In mehreren Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass der Lernfortschritt von Schülern nachlässt, wenn sie zu Hause oft gescholten werden. Wenn sie dann auch noch in der Schule fertiggemacht werden, dann wirkt sich das auf ihre gesamte Entwicklung und auf ihre Beziehung zu ihren Eltern und Geschwistern aus. Kinder, die weniger ausgeschimpft werden, können besser Lesen lernen. Quelle 9
Es war einmal eine Lehrerin, die mitbekommen hatte, dass ihre 4. Klasse keine Hausaufgaben haben wollte. „Wollt ihr von der Hausaufgabenpflicht befreit werden?“, fragte sie. „Jaaa“, antworteten alle bis auf eine Schülerin, die weiterhin Hausaufgaben machen wollte. „Wenn ihr Lust habt, könnt ihr Aufgaben schreiben, ich werde sie dann auch lesen!“
Manchmal bekam sie viele Aufgaben, manchmal nur sehr wenige. Manche Kinder nahmen sich wochenlang keine Aufgaben mit nach Hause.
Ein paar Jahre danach traf ich die Lehrerin und fragte sie nach der Klasse. Alles bestens. Ihre Kinder gingen sehr gerne in die Schule und machten mit Freude ihre Aufgaben.
Es ist doch seltsam, dass ihre Kollegen diesem Beispiel nicht gefolgt sind und sie stattdessen schief angeschaut wurde.
Sollte es die wichtigste Aufgabe der Schule sein, dass Kinder ihre Lust am Leben und am Lernen erhalten, dann hat diese Lehrerin einen großartigen Beitrag geleistet.
Mia oder die Kaserne
Daniel hatte sich darauf gefreut, die Kaserne zu sehen. Sein Vater fuhr aber irrtümlich eine andere Strecke. Daniel ärgerte sich und fluchte.
Der Vater erklärte: „Dann kannst du nicht so lang bei Mia spielen.“
Daniel: „Ich will die Kaserne sehen.“ Vater: „OK. Dann fahren wir nach dem Tanken zur Kaserne zurück.“ Nach dem Tanken sagte Daniel: „Wir brauchen nicht zurückfahren. Ich kann die Kaserne ja ein anderes Mal sehen. Ich will jetzt lieber mit Mia spielen.“
Eines Tages fragte Daniels Mutter: „Willst du mit mir spielen?“ Daniel wunderte sich. Am vorigen Tag hatte er sie immer wieder gebeten, mit ihm zu spielen. Sie hatte weder Zeit noch Lust zu spielen und fühlte sich durch seine Fragerei genervt. Kinder sind das gewohnt. Sie müssen oft bitten und betteln, um von ihren Eltern etwas zu bekommen. Umso mehr wunderte es ihn, dass seine Mutter ihn um etwas bat.
In der Geschichte mit der Kaserne geschieht das Gegenteil. Der Vater verspricht, ihm die Kaserne zu zeigen, und vergisst darauf. Daniel hat wohl den Eindruck, dass es dem Vater nicht so wichtig ist. Deshalb besteht er nur umso mehr darauf und wird richtig unleidlich.
Aber der Vater gibt nach und bietet ihm die Möglichkeit, zwischen zwei Optionen zu wählen. Dadurch hat sich Daniels Situation geändert. Er muss nicht unbedingt sofort die Kaserne sehen. Er kann entscheiden und trägt die Verantwortung für seine Wahl. Am wichtigsten ist ihm, gleich mit seiner Freundin zu spielen.
Der Regenwurm
Ab und zu werden Kinder für ihr Kindsein gescholten, zurechtgewiesen und bekommen Vorwürfe. Auf die folgende Geschichte bin ich nicht stolz:
Asbjørn: „Wir haben einen Regenwurm zerstückelt und sind drübergefahren, bis er ganz tot war. Er schaute aus wie Hundescheiße. Alles, was im Regenwurm war, lag auf der Erde.“
Erik: „Ich mag Regenwürmer – im Garten gibt es viele Regenwürmer.
Erdbeeren und Mohrrüben brauchen Regenwürmer.“
Asbjørn: „Regenwürmer können keine Erdbeeren machen.“
Erik: „Nein, sie fressen die Pflanzen und hinterlassen ihre Scheiße.“
Asbjørn: „Und dann werden die Erdbeeren groß?“
Erik: „Ja, genau.“
Asbjørn: „Aber ich mag gar keine Beeren.“
Was ist in dieser Geschichte geschehen? Ein kleiner Bub, knapp dreieinhalb, kommt zu seinem Vater und will etwas ganz Spannendes erzählen.
Er und sein Freund wollten sehen, was mit einem zerstückelten Regenwurm passiert. Werden zwei, drei oder vier Regenwürmer daraus? Als sie danach über den Regenwurm drübergefahren sind, starb er und änderte sein Aussehen. Seine Innereien kamen heraus.
Mit anderen Worten: Sie haben ein Experiment zum Thema Leben und Tod, Transformation oder Form und Inhalt durchgeführt. Vielleicht hat es damit begonnen, dass sie über diese Dinge gesprochen haben, vielleicht haben sie sogar eine These formuliert. Danach haben sie ihre Hypothese überprüft. Nun liegt das Resultat vor und der Vater wird unterrichtet.
Welch eine Enttäuschung! Der Vater kann gar nicht sehen, was daran interessant sein sollte. Er moralisiert. Nicht direkt. Er sagt nicht, dass der Regenwurm arm sei und „Wie könnt ihr nur?“ Aber er deutet es an: „Ich mag Regenwürmer“ (offensichtlich im Gegensatz zu den Buben). Und er deutet eine Verbindung zwischen Erdbeeren und Regenwürmern an.
Asbjørn hat also seinen geliebten Erdbeeren geschadet. Da reicht es Asbjørn: Regenwürmer machen keine Erdbeeren. Aber die Erwachsenen sind immer so klug und daher erzählt Asbjørns Vater etwas von Blättern und Kot. Asbjørn erkennt sofort, was der Vater will: „Und dann werden die Erdbeeren groß?“ „Ja!“, antwortet der Vater glücklich. Die Lektion ist geglückt. Asbjørn hat etwas über Biologie gelernt. All das, was Asbjørn mit seinem Freund gelernt hat, wird vom Vater beiseitegeschoben, es interessiert ihn nicht und er stempelt es als unethisch ab. Asbjørn weiß, was er mag, und hier ist die Grenze des Erträglichen erreicht: „Aber ich mag gar keine Beeren.“
Die Bedeutung der Scham
Scham entsteht dann, wenn man an sich etwas Peinliches oder Unpassendes findet oder sich entwürdigt fühlt. Man kann sich für sein Aussehen, niedere Gedanken oder die eigenen Fehler schämen.
Das Schamgefühl bewirkt langfristig gesehen größere Probleme als das Schuldgefühl. Menschen, die sich oft schämen mussten, entwickeln Wut, Feindseligkeit und haben das Bedürfnis, andere zu be schuldigen. Quelle 10
Die Liebe zu den Erdbeeren hat der wohlmeinende Vater zerstört.
Der gleiche Vater meint, dass man sein Kind nicht belehren soll, und will es bei der Hand nehmen, um gemeinsam und voll bewundernder Neu gierde die Welt zu untersuchen.
Der Vater kann gefährlich sein. Er kann die Freude an neuen Entdeck ungen zerstören. Immerhin wurde auch er erzogen, belehrt und gescholten.
Was kann man aus diesen Geschichten lernen?
Man kann lernen:
dass es für Kinder wichtig ist, ihre Freude mit jeder Faser ihres Körpers ausleben zu können.
dass man nicht immer schön, gedämpft und ruhig sprechen muss und es ab und zu wichtig sein kann, laut zu werden und herumzuschreien.
dass alle Kinder Partys und bunte Farben lieben, und da passt der Trend zu schlichtem Design gar nicht dazu.
dass Kinder nicht spazieren gehen wollen. Sie lieben es aber, etwas zu suchen, zu sammeln und daraus etwas zu basteln.
dass Kinder genauso wie Erwachsene ihren Willen durchsetzen wollen und dass sie Verständnis brauchen, wenn sie ihren Willen nicht durchsetzen können.
dass Kinder heute zu Hause Freiheit brauchen, weil sie viel mehr der Kontrolle Erwachsener unterliegen als je zuvor.
dass Neugierde und Willensstärke das Kostbarste sind, was Kinder haben. Es ist ein Vertrauensbeweis, wenn sie einen mit ihren Fragen in den Wahnsinn treiben.
dass man als Elternteil nicht allzu vernünftig sein sollte: Träumen Sie ge meinsam mit Ihrem Kind und lassen Sie der Fantasie freien Lauf. Sie werden dann auch weniger mit ihm schimpfen.
dass Kinder am besten in einer Gruppe spielender Kinder lernen.
Achten Sie darauf, dass diese Spielzeiten nicht zu sehr durch Hausaufgaben und Unterricht beschnitten werden.
Kapitel 2
Welche
Auswirkungen hat
Schimpfen auf
Kinder?
„Der Hausherr darf nicht mürrisch und streitsüchtig sein, sonst verliert er seiner Kinder Vertrauen und Hingabe und vereinsamt im eigenen Haus.“
Emma Gad (1903) Quelle 11
Es verblüfft, wie besorgt über den Lernfortschritt von Kindern gesprochen wird, ohne darüber zu reden, was ihn am meisten hemmt: Schimpfen.
In den folgenden Geschichten wird gezeigt, welche negativen Folgen Schimpfen haben kann: Das Gefühl von Nähe und Vertraulichkeit zwischen Kind und Eltern kann leiden, die Erwachsenen bilden sich ein nega tives Bild von ihrem gescholtenen Kind, weshalb es noch mehr gescholten wird, das gescholtene Kind bekommt ein schlechtes Gewissen und wird dazu erzogen, Schwäche zu verachten, oder Kinder schämen sich über sich selbst oder für ihre Eltern.
Mit der Zeit lernen Kinder zum Glück bei Ermahnungen auf Durchzug zu stellen.
Ich würde euer Eis nicht zum Schmelzen bringen
An einem lauen Sommertag gingen Vater und Sohn Hand in Hand. Der fast vierjährige Elias genoss es. Er erzählte viel und stellte auch viele Fragen. Nach ein paar Minuten Stille sagte er: „Wäre ich eine Katze, wäre ich ganz zahm, damit ihr mich ständig streicheln würdet.“
Und etwas später: „Wäre ich eine Sonne, hättet ihr immer Sonnenschein und ich würde euer Eis nicht zum Schmelzen bringen.“
Eltern können sehr dumme Sachen machen und manchmal werden ihre Kinder dann furchtbar wütend. Aber am stärksten ist immer noch die vorbehaltlose Liebe, die Kinder mit ihren Eltern verbindet.
Dieses Band ist stark und empfindlich zugleich. Es muss schon schlimm hergehen, bevor ein Kind die Liebe der Eltern anzweifelt. Aber umso schneller fühlt sich ein Kind gekränkt. Kinder empfinden Strafe und Schimpfen gerade wegen der vorbehaltlosen Liebe und der starken Bindung zu ihren Eltern als besonders verletzend und erniedrigend. Strafe empfinden sie als das absolute Gegenteil von Liebe.
Liebe ist erhebend: Eltern sagen „Ich will deine Sonne sein“ oder „Du bist mein Schatz“, wenn sie ihre Liebe in Worte kleiden wollen. Schimpfen ist erniedrigend.
Liebe sucht Nähe, Schimpfen schafft Abstand.
Liebe wil Gutes tun, Schimpfen ist schmerzhaft.
Hat dieser Kindergarten eine Elsa?
Die Forscherin Elsa berichtet von einem Ausflug eines schwedischen Kindergartens:
Im Kindergarten wurde der Bub C als schwierig, unsozial und problematisch beschrieben. Bei einem Ausflug erzählte der Kindergartenpädagoge an einer Kreuzung das Übliche zum Thema Sicherheit.
C sagte später zum Kind zu seiner Linken: „Du schaust auf die linke Seite!“ und zu einem anderen Kind: „Du schaust in diese Richtung!
Und ich schaue geradeaus.“ Sie überquerten die Straße ganz sicher. Ich fragte den Kindergartenpädagogen: „Hast du gesehen, dass C das organisiert hat?“ Kindergartenpädagoge: „Nein.“
Alle kennen das Phänomen der Erwartungshaltung. Tritt der Kabarettist Didi Hallervorden auf, fangen wir gleich an zu schmunzeln – nahezu unabhängig davon, was er macht. Wir wissen, dass wir Spaß haben werden. Unsere Erwartungshaltung färbt unsere Wahrnehmung.
Wenn C neben anderen Kindern an der Kreuzung steht, sieht der Kindergartenpädagoge manche Details, andere übersieht er. Dazu kommen dann noch all die Details, die er sich aus früheren Situationen mit diesem Kind eingeprägt hat. Er verwendet also sein Vorwissen, um die aktuelle Situation zu interpretieren. Details, die nicht mit dem Vorwissen zusammenpassen, werden normalerweise übersehen. Deshalb ist es nicht überraschend, dass er sein Vorwissen bestätigt sieht.
Alle Menschen, also nicht nur Pädagogen, haben eine „selektive Wahrnehmung“. Auf diese Weise passiert es schnell, dass ein etwas ungeschicktes Kind als Klassenkasper bezeichnet wird. Und das Kind, das seine Wut mehr als andere zeigt, wird schnell als aggressives, Grenzen suchendes Kind abgestempelt.
Es war einmal, da hatte eine Familie eine süße, äußerst beliebte Prinzessin. Nur ihr großer Bruder hatte den Eindruck, dass er ungerecht be han delt würde. Immer war er an allem schuld. Einige Jahre später erblickte ganz unerwartet ein weiteres Schwesterchen das Licht der Welt und erklomm sofort den Prinzessinnenthron. Die verstoßene Prinzessin war plötzlich wie ausgetauscht. Sie ärgerte ihren Bruder und brachte ihn zur Weißglut, geriet im Kindergarten immer öfter in Konflikte und hänselte die kleine Schwester, wofür sie streng zur Rechenschaft gezogen wurde. Und selbst wenn sie sich ihrer Schwester in guter Absicht näherte, musste sie Ermahnungen einstecken. Sie fühlte sich missverstanden und ungerecht behandelt, wobei sie Zweiteres besonders verletzte.
In dieser Familie gab es keine Elsa, die erkannt hätte, wann die verstoßene Prinzessin versuchte, Probleme zu lösen, oder sich liebevoll um die kleine Schwester kümmerte. Auch im Kindergarten weit und breit keine Elsa. Und das war besonders schlimm.
Eine Elsa kann ein Kind immer brauchen. Ob in der Schule, im Kindergarten oder zu Hause.
Weine nicht über verschüttete Milch
Asbjørn saß beim Frühstückstisch und brach die neuen Farbstifte entzwei. Damit wollte er erreichen, dass er und Cecilie von jeder Farbe je einen Stift hatten.
Es war nicht möglich, ihm während des Zerbrechens etwas zu erzählen. Ich bat ihn aufzuhören.
Asbjørn verstand mich nicht. Ich erzählte ihm von den wenigen Farbstiften, die ich in meiner Kindheit hatte. Er verstand es nicht und fuhr fort, die Stifte zu zerbrechen.
Ich wollte ihm schon eine Standpauke halten, als seine Mutter ihm von der Leiterin eines Kindergartens erzählte, die sich aus Angst davor, dass etwas kaputtgehen könnte, immer in alles einmischte. Als sie erkannt hatte, dass das nicht gut war, verkleidete sie sich als Clown und spielte ein kleines Theaterstück, bei dem sie eine teure Glasschüssel auf den Boden fallen ließ. Tausende Scherben am Boden, ihr Verhalten besserte sich aber leider nicht.
Die Aufmerksamkeit war nicht mehr auf Asbjørn gerichtet, der dadurch in aller Ruhe die restlichen Stifte teilen konnte. Plötzlich stand ich im Ram pen licht. Ich ähnelte der Kindergartenleiterin! Asbjørn wollte ja nur mit seiner Freundin Cecilie teilen und es wäre sinnlos gewesen, ihr die blauen und grünen Stifte zukommen zu lassen und selbst nur die roten und gelben zu haben.
Stellen Sie sich vor: Ich hätte beinahe die Gemütlichkeit des Morgens wegen einer solchen Kleinigkeit zerstört! Und dann dachte ich an eine Geschichte aus meiner eigenen Kindheit. Ich hatte, so wie jeden Morgen, drei Liter Milch vom Stall des Nachbarn geholt. Meine Mutter trug sie in einer großen Schüssel die steile Kellertreppe hinab. Sie stolperte, schrie laut und mein Vater eilte zur Kellertüre. Unten lag meine Mutter. Und er sprach einen dieser Sätze, die sie nie vergessen würde: „Oh nein, Gerda – die Schüssel!“
Zurück zur Kindergartenleiterin. Was bringt ihr die Verkleidung und das Zerstören einer Glasschüssel, wenn sie es auch weiterhin nicht lassen kann, sich einzumischen? Viel! Den Kindern hat es gutgetan, dass sie ihre eigene Schwäche zur Schau gestellt hat, auch wenn sie es nicht geschafft hat, ihr Verhalten zu ändern. Sie hat den Kindern gezeigt, dass es nicht unbedingt an ihnen liegt, dass sie Verbote verhängt. Immer wieder ist sie so vorsichtig, ängstlich und geizig, dass sie den Grundstein für Konflikte legt.
In dieser Geschichte hat Asbjørn Hilfe von seiner Mutter bekommen und ich als Vater konnte mich, ohne Vorwürfen ausgesetzt worden zu sein, mit meinen alten Geschichten beschäftigen.
Wenn ich als Vater mal danebengreife, ist es gut, wenn die Mutter vernünftig bleibt. Und Cecilie hat sich gefreut, einen so guten Freund zu haben.
Schon gut!
Das Meisterstück, ein schöner Schreibtisch, war zu kaufen. Er stand im letzten Zimmer eines Hauses am Ende der Straße. Er war aus massiver Eiche liebevoll gefertigt und hatte jede Menge Laden. Mit äußerster Vorsicht wurde er nach dem Kauf nach Hause transportiert. Er stammte aus dieser längst vergangenen Zeit, in der man zuerst ein Gesellenstück anfertigen musste und ein paar Jahre später vielleicht auch noch ein Meisterstück.
Asbjørn (fünf) stellte ein Glas Wasser am Schreibtisch ab.
Erik: „Wo hast du das Wasserglas abgestellt?“
Asbjørn: „Auf deinem Schreibtisch.“
Erik: „Dann muss ich es wo anders hinstellen und ihn gut abwischen.“
Asbjørn: „…?“
Erik: „Sonst entstehen noch Flecken. Das wäre doch ärgerlich. Es ist ein schöner Schreib…“
Asbjørn (lautstark): „Schon gut!“
Ein gebranntes Kind scheut das Feuer
Am nächsten Tag geschah Folgendes im Sommerhaus:
Cecilie (sechs) lief am frisch eingeheizten Ofen vorbei in ihr Zimmer.
Erik: „Cecilie, pass auf den heißen Ofen auf. Sonst verbrennst du dich noch am Funkenflug.“
Keine Antwort.
In beiden Geschichten haben die Kinder sich dafür entschieden, zu schweigen. Das tun Kinder oft, wenn die Erwachsenen „in den Erziehungs modus wechseln“ und erbauliche Gespräche über Gefahren und angepasstes Verhalten führen wollen. Das ist nichts für Kinder. Stellen Sie sich vor, Ihr Kind wäre plötzlich achtsam und umsichtig. Ein umsichtiges fünfjähriges Kind? Welch Widerspruch!
Kinder können nicht so werden, wie wir sie vielleicht haben wollen.
„Jetzt muss ich aber wirklich aufpassen, wo ich die Tasse abstelle. Auf diesem hochglanzpolierten Schreibtisch sieht man jeden Fleck und Erik liebt dieses Möbelstück so sehr – ich muss einen anderen Ort finden.
Vielleicht der Beistelltisch? Aber zuerst lege ich noch eine alte Zeitung unter.“ So können Kinder nicht denken.
Eltern in der Erzieherrolle gehören nicht gerade zu den Lieblingsspeisen von Kindern. Cecilie und Asbjørn reden und handeln viel freier, als sie es ein paar Generationen früher getan hätten. Sie sind es gewohnt, dass Eltern und Kinder miteinander offen und gleichberechtigt sprechen dürfen. Deswegen halten sie auch Ermahnungen so schlecht aus. Was hätte ich denn stattdessen sagen können? Vielleicht hätte schon gereicht:
„Asbjørn, die Tasse“, „Cecilie, pass auf – der Ofen!“ oder „Stell dein Glas bitte hier ab.“ Cecilie hat zu Hause einen Ofen und dementsprechende Erfahrungen. Ich hätte wohl gar nichts zu sagen gebraucht.
„Schon gut!“, sagt Asbjørn. Er verwendet hier eine typisch erwachsene Machtsprache, um seinen Vater daran zu hindern, ihm weiter ins Gewissen zu reden. (Auf Seite 138 findet sich eine weitere Geschichte zum Thema Gewissen.) Die Vorwürfe werden nicht offen ausgesprochen, sind aber eindeutig: „Asbjørn! Hätte ich nicht eingegriffen, hätte der Schreibtisch durch deine Unachtsamkeit unschöne Wasserflecken bekommen.“
Asbjørn wird nicht gescholten. Aber sind diese versteckten Vorwürfe so viel besser? Erwachsene meinen oft, dass in solchen Fällen gar nicht von Vorwürfen die Rede sei. Es seien eben Erklärungen, damit das Kind verstehen könne, welche Handlungen unerwünscht seien. Die Botschaft hat aber oft – so wie hier – den Charakter eines Vorwurfs.
Vorwürfe gehen Kindern durch Mark und Bein. Sind Wasserflecken Wunden in der Kinderseele nicht vorzuziehen? Kinder sagen oft: „Das ist mir passiert – es war nicht mit Absicht!“ Und auch Erwachsenen kann etwas passieren. Die beiden Geschichten zeigen, wie unangenehm die Situation für Kinder ist.
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