Kitabı oku: «Spielen! Was sonst?», sayfa 3

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Rita Bauer

Geboren 1935 in Düsseldorf. Während des Krieges Aufenthalt in verschiedenen Ländern. Kaufmännische Ausbildung in der Fotobranche. Tätigkeiten noch in anderen Metiers. Von 1987 – 2002 selbstständig in einem Handwerksbetrieb und Studium der Klassischen Homöopathie.

Gedankenspiele

Mein Krafttier ist ein Haflinger Hengst mit braunem glatten Fell und den wunderschönen hellen drahtigen Krupp- und Schweifhaaren. Er ist mein Partner in Entscheidungsfragen. Ich habe ihn ausgewählt und zu mir kommen lassen und dann war er einfach da. Er wohnt auf einer Bergwiese und ich habe mir einen Fußweg visualisiert, um ihn, so ich ihn brauche, besuchen zu können. Ich frage ihn dann jeweils, ob es ihm gut geht und er auch genug Futter hat. Immer ist alles in Ordnung. Manchmal bringe ich ihm einen Apfel oder eine Möhre mit. Ich erzähle ihm dann, was mich bedrückt oder beschäftigt, und wünsche mir von ihm eine Entscheidungshilfe. Er hat mir noch nie etwas Falsches geraten. Manchmal sagt er auch: „Rita, du musst Geduld haben, weil manche Dinge sich von selbst lösen. Lass jetzt dein Leben einfach fließen.“ Es gab aber auch öfter ein ganz klares „Nein“ oder „Ja“ von ihm. Wenn ich mich auf seine Ratschläge eingelassen habe, war es immer schlüssig und richtig; entschied ich mich gegen den Rat vom Haflinger, ging etwas schief. Ich habe mich schon lange nicht mehr gegen seine Empfehlungen entschieden.

Es gibt jedoch Phasen in meinem Leben, in denen ich ihn nicht brauche, weil mein Leben so dahin plätschert, dann besuche ich ihn und lehne mich an sein warmes braunes Fell und entspanne. Wenn ich so darüber nachdenke, hat er mich sehr oft zur Geduld ermahnt, weil ich immer alles sofort haben möchte. Ich will meinen Haflinger nicht mehr missen, er ist der Zugang zu meinem Unterbewusstsein. Das Unterbewusstsein schläft nie und ich weiß eigentlich genau, was richtig oder falsch ist.


Mein Taschen-Haflinger

Nachtrag: Es gibt keine Zufälle. Nachdem ich meinen Haflinger gefunden hatte, schlenderte ich durch das Erdgeschoß von einem Kaufhaus. Plötzlich blieb ich wie angewurzelt stehen. Vor mir hingen in Augenhöhe Einkaufsbeutel aus Stoff und auf der Vorderseite blickte mich das Ebenbild von meinem Haflinger an, den ich mir in meinen Gedankenspielen genau so visualisiert hatte. Ich kaufte natürlich einen solchen Beutel. Er hängt seitdem mit dem Bild nach vorne bei mir in der Küche. Zum Einkaufen habe ich ihn nie benutzt, weil ich ihn jeden Tag als Bild anschauen will.

Ein etwas anderer Nachmittag

Meine Freundin Margit hat Mann und drei Kinder. Es ist ein verregneter Samstag und ich habe Lust, sie zu besuchen, um sie mal aus ihrem Alltag zu entführen. Sie öffnet mir die Haustüre mit fragendem und etwas erstauntem Blick. Nach herzlicher Umärmelung frage ich, was die Familie so macht. Mit einer müden Geste von Margit erfahre ich, dass sie gerade mit ihrem alten Vater Schach gespielt hatte und der vor ein paar Minuten beim Nachdenken über den nächsten Zug eingenickt ist. Ohne weitere Nachfragen von mir erklärt Margit: „Klaus ist im Keller und erweitert seine elektrische Eisenbahn nochmals mit Gleislegung in den Flur. Tochter Ines hat er dabei vergrault, deshalb übt sie jetzt Geige. Die Zwillinge machen heute ausnahmsweise mal etwas getrennt. Elias ist nicht von seinem Computerspiel zu vertreiben und Benni liegt auf seinem Bett und spielt mit Kater Titus.“

„Na toll. Und wir beide spielen jetzt Ausgehen auf ein Bierchen, zieh eine Jacke über und nimm einen Schirm mit, es regnet immer noch“, sage ich mit Nachdruck.

Wir entschwinden Richtung einer gemütlichen Kneipe. Wir schließen unsere Schirme und quälen uns durch einen dicken Filzvorhang, der gegen Zugluft und Kälte zwischen Tür und Lokal seit wohl vielen Jahren dort die Leute zählt. Das Lokal ist gut besetzt. Links vom Eingang an einem kleinen Tisch sitzt eine einsame alte Frau mit einer leeren Kaffeetasse und schaut auf den stumm geschalteten Fernseher. Zwei Tische weiter kloppen eifrig vier Männer Skat. Wir steuern das Ende vom Thekenbogen an und quälen uns auf zwei leere Barhocker.

„Oh, ist das Sitzen gut, sagt der Schneider, obwohl er den ganzen Tag sowieso sitzt“, entfährt es Margit.

„Wo hast du denn den Spruch her?“, frage ich.

„Von einem Schneider in Bayern. Hab ich im Urlaub aufgeschnappt.“

Der Köbes hinter dem Tresen will wissen, was wir trinken wollen.

„Zwei Mineralwasser“, bestellt Margit.

„Das ist eine Bierkneipe“, protestiere ich.

„Ja, wir können doch Biertrinken spielen. Meine Kinder haben, als sie klein waren, auch aus leeren Gläsern und Tassen Trinken gespielt“, sagt Margit.

Der Köbes entfernt sich kopfschüttelnd und knurrt in Richtung seiner Kollegin: „Die beiden haben wohl schon einiges intus. Nun habe ich die Faxen satt.“ „Bitte zwei Bier“, rufe ich ihm schnell nach.

„Kommt sofort, Lady“, brummt er.

Zwei Minuten später stehen die Bierchen frisch gezapft vor uns, nachdem wir zwei dicke Bleistiftstriche auf dem Bierdeckel haben. Plötzlich unterbricht hinter uns eine schimpfende Stimme unsere spielerische Konversation. Seit einer Stunde habe er den Spielautomaten gefüttert, ohne auch nur den kleinsten Gewinn erzielt zu haben, schimpft ein Gast. Ärgerlich bezahlt er seinen Deckel und entschwindet hinter dem schweren, alten Vorhang nach draußen. Wir beide nehmen noch einen tiefen Schluck, schauen uns an, nicken, rutschen von den Hockern und haben es ja nicht weit zum geizigen Automaten. Zwei Seelen – ein Gedanke. Ich wurschtle in meiner Jackentasche und bringe zwei passende Münzen zu Tage, lasse sie in den vorgesehen Schlitz plumpsen und meine: „Jetzt bestellen wir noch zwei Bierchen und warten mal ab, ob dem Automat mein Geld gefällt.“ Wir lassen ihn in Ruhe – er macht so einige kleine Geräusche und plötzlich ein lautes nicht enden wollendes Klappern von herunterfallenden Geldmünzen. So schnell wie jetzt sind wir vorhin nicht von unseren Hockern gekommen. Vom hinteren Tisch der Skatspieler ruft einer sehr laut: „Köbes, zieh den Stecker vom Automat – der ist kaputt – der spuckt.“

Wir beide grinsen uns an und nehmen Hände voll Münzen aus dem überquellenden Münzfach. „Was machen wir jetzt?“, fragt Margit.


„Wir bringen etwas Geld an den Skattisch und vorher bezahlen wir davon unseren Deckel, der inzwischen sechs gemeinsame Bierchenstriche hat.“ Vor dem Skatspielertisch lege ich 10 Münzen hin, mit den Worten „damit ihr nicht vor Neid erblasst. Ihr könnt ja den Betrag ausspielen – für den Gewinner.“

Einer der Spieler nuschelt ein halblautes „wieder mal zwei bekloppte Weiber.“

„Wir gehen“, raune ich Margit zu und wir eilen zum Ausgang. Am Tisch der alten Frau schauen wir uns an, wieder haben wir den gleichen Gedanken, legen vorsichtig den restlichen Haufen Münzen vor die leere Kaffeetasse und entschwinden schnell durch den Vorhang. Auf dem Heimweg leben wir unsere Fröhlichkeit aus und hüpfen spielerisch auf dem Rathausplatz über die Regenpfützen, während uns das Glockenspiel vom Turm mit klingenden Tönen ermahnt: „Üb immer Treu und Redlichkeit, bis an dein kühles Grab und weiche keinen Finger breit von Gottes Wegen ab.“

Margarete Gritli Blickensdörfer

1944 in Homburg/Saar geboren. Sie lebte bei ihren Großeltern, bis sie mit der Einschulung zu ihren Eltern und jüngeren Geschwistern in die Pfalz zog. Als sie selbst eine eigene Familie gründete, nahm sie weitere Pflegekinder auf.

Mutprobe im Vorschulalter

Wenn die Großmutter das Enkelkind von Geburt an bis zur Einschulung bei sich behält, es erzieht und liebt, wie ein eigenes Kind, geht es ihm meistens gut. Wenn sie jedoch viel Angst um dieses Kind hat, es könne jederzeit etwas Böses beim Seilspringen oder Ballspielen auf dem breiten Trottoir vorm Haus passieren, dann hindert es die Großmutter daran, sich ins Leben zu spielen.

Mit diesem Gedanken beschreibe ich ein Erlebnis, wie es mir mit circa fünf Jahren passierte: Wenn ich mit meiner Oma nach draußen gehe, kann es vorkommen, dass mich braves Mädchen, das nur immer mit Oma sichtbar ist, Kinder aus der Nachbarschaft necken: „Du Feigling, du traust dich nie alleine auf die Straße!“ Ein Angriff, vor dem ich meine Ohren nicht verschließen kann. Mich ärgern solche Attacken noch mehr, wenn Oma zu schimpfen anfängt und den Mädchen „Freche Gören“ zuruft. Dann versuche ich, Oma mit allerletzter Kraft schnell vom Ort der Scham in Richtung unseres Hauses zu ziehen.

Einmal kann ich Oma ablenken und überlisten. In einer unbeobachteten Zeit locke ich einige der mich sonst attackierenden Kinder in unseren großen Garten, unter einen riesigen Kirschbaum. Da ist die Erde um den Stamm dunkel und es wächst nicht einmal Unkraut. Die Mädchen, bei mir zu Besuch, sollen ruhig sehen, dass ich nicht feige bin – auch im kühlen Dunkel unterm großen Blätterdach keine Angst habe. Und, ich kann etwas zum Anschauen bieten: einen Rabenvogel, der nicht mehr fliegen kann, denn ein Flügel hängt ihm auf dem Boden herunter. Das schwarz glänzende Tier hüpft aufgeregt um den Stamm des Baumes herum. Vor zwei bis drei Tagen hatte mich ein Rascheln in gefallenen Ästen und Blättern erschreckt, bevor ich den schönen Vogel entdeckte.

Heute bemerke ich, dass nicht alle kleinen Besucherinnen ohne Furcht sind! Sie wollen nun wissen, was zu tun sei. Ich schlage vor, ein Grab vorzubereiten, für den Fall, dass der Vogel sterben würde, er könne ja nicht selbst jagen. Ein herumliegender Spaten bringt mich auf diese Idee. Ich ergreife ihn und zeichne mit seiner scharfen Kante einen Kreis, gebe ihn weiter zur Nächsten. Sie beginnt ein wenig Erde auszubuddeln, gibt den Spaten weiter. Alle zeigen, was sie schaffen können, das zukünftige „Grab“ entsteht. Wir pflücken einige Blumen im Beet und schmücken es.

Ich bin Feuer und Flamme, freue mich, bin leicht durchgedreht darüber, dass so viele Mädchen mit mir unter meinem Lieblingsbaum einträchtig beisammen sind. In diesem Hochgefühl frage ich, ob wir den Rabenvogel zusammen fangen könnten, um ihn näher zu betrachten, ihm in die Augen zu schauen. Zunächst rennen wir alle um den Stamm des Baumes. Jede möchte beweisen, wie mutig sie ist. Doch irgendwann fangen wir nacheinander an zu jammern, Seitenstechen oder Wadenweh lässt uns aufgeben. Vielleicht ist die „Schau“ langweilig geworden?

Ich möchte die Kinder doch noch nicht gehen lassen! Mich sticht der Hafer, ich ziehe meinen letzten Trumpf, frage nach einer letzten Mutprobe: „Wer traut sich, ins zukünftige Vogelgrab zu pinkeln?“ Die einen kichern, andere sind stumm geworden. Ohne langes Federlesen strippe ich mit erdigen Fingern mein Unterhöschen herunter, setze mich über das gemeinsam gegrabene Vogelgrab, lasse mein Pippi sprudeln, schäumen… schaue beim Hochziehen meiner Hose in entsetzte Gesichter. Als die erste weinend den Ausgang des Gartens sucht, rennen ihr die anderen hinterher und erschrocken bleibe ich als Verliererin zurück und schäme mich ein bisschen über die wohl verunglückte Mutprobe.

Ein solch übermütiges Spiel, in einer Zeit, in der wir Mädchen noch sehr prüde erzogen worden waren, wollte ich nie mehr spielen. Das war mir ein Stück weit unterm Kirschbaum schon klar geworden! Aber was hatte ich den anderen Mädchen sonst zu bieten?


Viel zu oft habe ich allein gespielt

Gerda Blume

1942 in Delmenhorst geboren. Ihr Vater war schon vor ihrer Geburt gefallen. Als sie sieben Jahre alt war, heiratete die Mutter ein zweites Mal. Der neue Vater brachte einen zwei Jahre älteren Bruder mit. Ein Jahr später wurde noch ein gemeinsamer jüngerer Bruder geboren. Nach dem Abitur studierte sie Jura und wurde Rechtsanwältin. Sie ist mit einem Arzt verheiratet und hat drei Söhne und sieben Enkel, für die sie ihre Geschichten schreibt.

Nikolaus

Es muss in der Mitte der fünfziger Jahre gewesen sein, jedenfalls war ich schon lange aus dem Alter heraus, in dem man noch an den Weihnachtsmann und ähnliche Märchengestalten glaubte. Es geschah auch sicher schon zu einer Zeit, als ich begann, einen gewissen Freiheitsdrang zu entwickeln und gegen die vielen starren Verhaltensmuster meiner Familie zu rebellieren. Es gab ziemlich viel Ärger, weil ich nicht pünktlich zu den Mahlzeiten da sein konnte – oder wollte – und weil ich meinen Kopf durchsetzen wollte. Wir saßen am Abend – es war der 5. Dezember – zusammen beim Abendessen, als es an der Haustür klingelte. Überrascht sahen wir alle auf und die Gespräche am Tisch verstummten. Wer mochte das noch sein so spät? Ich erhob mich schließlich, weil ich der Tür am nächsten saß, um nachzusehen. Als ich aus dem Esszimmer in die Diele trat und zur Haustüre ging, fiel mir erstmals auf, dass es draußen offenbar recht stürmisch geworden war und der Wind heulte. Ich hatte die Haustür schon fast erreicht, als es nochmals sturmklingelte und ein kräftiger Windstoß die große Haustür förmlich im Rahmen knacken ließ. Gleichzeitig flog ein weißes Blatt Papier unter dem Türschlitz hindurch und rutschte vor meine Füße. Ich hob es auf und öffnete die Tür, um zu sehen, wer davor stand. Es war niemand da. Verblüfft rannte ich die äußeren Treppenstufen hinab, schaute nach links und rechts und die Auffahrt hinunter, niemand, nur der Sturm heulte plötzlich mächtig in den alten Bäumen. Ich lief ins Haus zurück, schloss die Tür wieder und warf erst jetzt einen Blick auf das weiße Blatt in meiner Hand. Ich glaubte, meinen Augen nicht zu trauen. „Liebe Gerda“, stand da „wer sich so benimmt wie Du in letzter Zeit, wer so wie Du meint, auf nichts und niemanden in der Familie Rücksicht nehmen zu müssen, der kann auch keine Rücksicht und kein Verständnis erwarten. Ich hätte nicht gedacht, dass ich Dir das einmal sagen müsste. Denk mal darüber nach. Nikolaus.“

Zitternd faltete ich das Blatt zusammen und schob es in die Hosentasche. Dann ging ich ins Esszimmer zurück und überflog die Reihe meiner Familie. Es fehlte keiner, keiner, der sich aus dem Zimmer hätte stehlen und mir einen Brief unter der Haustür hätte hindurchschieben und gleichzeitig draußen klingeln können.

„Wer war da?“, fragte mein Vater und ich versuchte, möglichst gleichgültig mit den Schultern zu zucken und antwortete: „Niemand.“ Die Familie wunderte sich und diskutierte, wer das wohl gewesen sein mochte, zumal ich hinzufügte, dass ich auch die Treppe hinabgelaufen sei und vor dem Haus nachgesehen hätte. Ich schämte mich entsetzlich und konnte gar nichts mehr essen. Am späten Abend beichtete ich meinem älteren Bruder das Erlebnis und zeigte ihm den Brief. Er war genauso ratlos wie ich, aber er tröstete mich, was ich gehofft hatte, sodass ich wenigstens halbwegs beruhigt ins Bett gehen konnte.

Wir haben nicht mehr darüber gesprochen, aber gelöst wurde dieses Rätsel nie.

Gefährliches Spiel

Im heimatlichen Dorf Hude, nördlich von Bremen, bestand meine Welt aus dem Elternhaus, dem Garten und dem angrenzenden Wald. Hier durften wir Kinder mit unseren Freunden, und wir waren oft eine ganze Menge, spielen und toben, soviel wir wollten. Aber mit zunehmendem Alter vergrößerte sich der Aktionsradius bis zu dem Gelände der alten Klosterruine, die damals noch frei begehbar war. Heute ist alles eingezäunt und mit Verbotsschildern versehen. Viele Geschichten und Legenden ranken sich um das vom Bischof von Bremen schon Ende des 13. Jahrhunderts zerstörte große Backsteinanwesen und seine Mönche. Es hieß, es gäbe einen geheimen Gang vom Kloster bis weit ins Moor hinaus, durch den sich die Mönche seinerzeit vor dem Bischof gerettet hätten.

Wir Kinder fanden die Ruinenanlage spannend und auch unheimlich. Wir spielten dort Verstecken, Räuber und Gendarm und Gespenster je nach Tages- und Jahreszeit. Wir versuchten, mit Seilen an den alten Mauern emporzuklettern und gruben Löcher. Alles konnten wir recht ungestört tun, denn die Ruine lag am Rande des Dorfes und es kamen nur wenige Leute vorbei. Eines Tages entdeckte einer von uns zwischen zusammengesunkenen Mauerstücken ein Loch. Eine Höhle, vielleicht ein Gang … vielleicht der Gang der Mönche! Wir waren wie elektrisiert und begannen zu buddeln. Nur mit Tonscherben war das nicht sehr erfolgreich. Am nächsten Tag brachten wir Schüppen und Spaten mit, was nicht so ganz einfach war; denn es war die Parole ausgegeben worden, dass nichts zu Hause verraten werden durfte. Uns war wohl allen klar, dass die Herrlichkeit dann schnell ein Ende haben würde. Wir gruben und schaufelten nach der Schule einige Tage lang angestrengt und drangen tatsächlich immer tiefer in einen Hohlraum unter den großen Gesteinsbrocken ein. Man konnte in das Loch hineinsteigen und in dem dunklen Gang auch sogar gebückt stehen. Wir waren fest überzeugt, den Geheimgang der Mönche von vor 700 Jahren gefunden zu haben.


Klosterruine in Hude

Ich hatte schon keinen Mut mehr, in das Loch zu steigen, aber die Jungen, vor allem mein älterer Bruder, fanden es toll, bis eines Tages, als wir alle gespannt vor dem Loch hockten und Steine von denen in Empfang nahmen, die innen arbeiteten, eine Stimme hinter uns erscholl: „Was macht ihr da eigentlich?“ Hinter uns stand mein Großvater und sah zu, wie wir uns aufrichteten. „Ist da jemand drin?“ fragte er auf das Loch deutend und dann im uns nur zu gut bekannten Befehlston: „Kommt sofort da raus!“. Dann hielt er uns eine Standpauke über die Gefährlichkeit solcher Spiele. Wie leicht hätte die Höhle oder der Gang über uns zusammenbrechen und uns begraben können. Wenige Tage später veranlasste die Gemeinde, dass unser Gang zugeschüttet und jeder Einstieg unmöglich gemacht wurde. Die Geschichte aber, dass Kinder den sagenhaften Klostergang gefunden hätten, hielt sich lange in der Gemeinde.

Worüber wir gelacht haben

Wir sechs Konfirmanden unseres Dorfes, die aufs Gymnasium gingen, hatten jeden Dienstagnachmittag Konfirmandenunterricht im Studierzimmer unseres Pastors. Zu den anderen Konfirmanden ging der Pastor morgens in die Volksschule. Es war im Spätherbst und schon dunkel, als wir um 18:00 Uhr die Pastorei verließen und uns auf den Heimweg machten. Einer der Jungen hatte in seiner Hosentasche vier Kerzenstummel mitgebracht, die wir in die Augenhöhlen der beiden steinernen Totenköpfe klebten, die rechts und links die Steinpfosten des Friedhofstores flankierten. Wir zündeten kichernd die Kerzen an und versteckten uns dann hinter einem Gebüsch, um zu warten, ob jemand vorbeikäme, der sich erschrecken könnte. Es dauerte gar nicht lange, da kam eine dicke Frau auf einem Fahrrad angefahren. Sie stoppte abrupt, als sie die leuchtenden Augenpunkte rechts und links vom Friedhofseingang sah. Dann begann sie laut zu schreien „Hilfe“ und „Herr Pastor, Hilfe“. Sie kam kaum wieder auf ihr Fahrrad und rannte mehr schiebend als fahrend schreiend auf die Pastorei zu. Wir platzten fast vor Lachen, sodass auch wir Mühe hatten, unsere Räder zu besteigen. Dann sahen wir zu, dass wir wegkamen. Im Laufe der Woche wurde es uns allen aber langsam doch etwas mulmig, und am darauf folgenden Dienstag saßen wir nicht ganz so entspannt im geistlichen Studierzimmer wie sonst.

Unser Pastor baute einleitend statt jeder Begrüßung schweigend vier winzige Kerzenstummel vor sich auf, sah uns sechs der Reihen nach an und sagte dann: „Wir ändern den gewohnten Verlauf des Unterrichts heute etwas und wollen uns stattdessen mit dem Bibelspruch ‚Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang‘ befassen.“

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