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WO WOHNT MAN IN BERLIN?
Die Luxushotels – Das berühmte Adlon –
Abendessen im Hotel – Tipps für den kleinen Beutel.
Eine hotelarme Stadt
Eine Frage, die eigentlich nicht leicht zu beantworten wäre, die man aber in Berlin erheblich leichter beantworten kann als in anderen Großstädten, weil Berlin im Verhältnis zu seiner Ausdehnung, zu seiner wirtschaftlichen und politischen Bedeutung, vor allem aber im Verhältnis zu seinem Fremdenverkehr eine ausgesprochen hotelarme Stadt ist. Die großen Hotels kann man an den Fingern abzählen, und zwar nicht nur die Luxushotels, sondern auch jene Häuser, die zwar nicht als Luxushotels gelten – was sie vielleicht auch gar nicht wollen –, die aber dem Fremden mit ruhigem Gewissen empfohlen werden können. Die Luxushotels und die Hotels ersten Ranges sind durchweg sehr bequem und mit jedem modernen Komfort versehen, besonders die kleineren Häuser sind in Berlin vielleicht noch bequemer eingerichtet als in anderen Städten. In jedem guten bürgerlichen Berliner Hotel kann man heute sein Zimmer mit fließendem Wasser und Telefon bekommen, wenn auch die Errungenschaften des modernen amerikanischen Hotelbaues hier noch nicht bekannt sind. Es mag aber dahingestellt bleiben, ob jene fast vollkommen maschinelle Einrichtung der Bedienung, wie sie die amerikanischen Hotels eingeführt haben, wirklich eine Errungenschaft ist …
Hotel Adlon – Europa
Berlins bekanntestes Hotel ist zweifellos das HOTEL ADLON. Schon kraft seines Namens. Denn Grand Hotels und Bristols, Imperials und Excelsiors, Savoys und Continentals gibt es fast in jeder großen Stadt, aber ein Hotel Adlon gibt es nur in Berlin, genauso wie es ein Hotel Sacher oder ein Hotel Meißl und Schadn nur in Wien gibt. Die alte Anekdote von dem Brief, der aus Amerika mit der Adresse: Hotel Adlon, Europa, eintraf und auf dem kürzesten Wege befördert wurde, kann leicht wahr sein – das Adlon dürfte im Ausland Berlins bekanntestes Hotel sein. Das ergibt sich schon aus der Tatsache, dass es ein Hauptquartier der Politik, der Diplomatie und der Presse ist. Fremde Diplomaten und Journalisten, die Berlin aufsuchen, wohnen zumeist im Adlon, wo seinerzeit auch die französische Militärmission, damals noch mit General Nollet an der Spitze, untergebracht war, und ich erinnere mich noch sehr lebhaft an die bedeutende Rolle, die das Adlon in den Tagen des Kapp-Putsches gespielt hat, als die ganze internationale Presse in der Halle dieses Hotels saß. Wie weit die Berühmtheit des Hotels Adlon gerade in Amerika geht, beweist der Umstand, dass, als die »Chicago Tribune«, eine der größten Zeitungen der Staaten, sich entschloss, in Berlin ein eigenes Büro zu errichten, der hiesige Korrespondent des Blattes den strikten Auftrag bekam, das Büro im Gebäude des Adlon einzurichten – koste es, was es wolle …
Valentino, Chaplin, Negri, Fairbanks, Pickford, Reinhardt
Für Diplomaten und Politiker ist also das Adlon der geeignetste Aufenthalt in Berlin – und für Journalisten erst recht. Aber auch Künstlern und insbesondere Filmschauspielern würde ich – da ich nun einmal vollkommen uneigennützig diese Ratschläge gebe – zum Adlon raten, wenn sie mich befragen würden, wo sie in Berlin absteigen sollen. Denn Rudolph Valentino hat ebenso im Adlon gewohnt wie Pola Negri oder Charlie Chaplin, wie Douglas Fairbanks und Mary Pickford, wie Frieda Hempel und der Kammersänger Tauber. Auch Morris Gest, der größte Theatermanager der Welt, pflegt stets im Adlon abzusteigen mit seinem Freund Rudolf Kommer, der Max Reinhardt nach Amerika gebracht hat; und auch Sam Rachmann, der große Vermittler, hatte sein Hauptquartier hier aufgeschlagen, als die deutsche Künstlerwelt noch mit schüchternen Augen nach dem Lande jenseits des großen Teichs schielte.
Die Halle des Adlon ist ein Kapitel für sich. Da herrscht ein geschäftlicher und geschäftiger Betrieb erster Ordnung, und es ist keine Übertreibung, wenn ich sage, dass es Leute gibt, die diese Hotelhalle als ständiges Büro benutzen. In der einen Ecke sitzen sehr geheimnisvoll zwei Industriekönige nebeneinander, in der anderen lässt sich Arnold Rechberg interviewen, und am dritten Tisch kommt soeben ein amerikanischer Filmvertrag zustande. Eine Zeit lang galt die Halle des Adlon als Hauptquartier der großen Vermittler. Generaldirektor Bratz, der ewig junge, beschaffte hier eine Million nach der anderen für die Ufa, und wenn der Oberkellner, der in der Halle bedient, einmal seine Memoiren schreiben würde, so könnte er gewiss Wertvolles zur Zeitgeschichte Berlins beisteuern. Pagen laufen in ihren himmelblauen Jacken hin und her, rufen Namen aus, es herrscht ein ewiges Kommen und Gehen, auf silbernen Tabletts werden Besuchskarten präsentiert, schöne Frauen passieren auf dem Wege zum Fünf-Uhr-Tee die Halle. Gerüchte, Klatsch, Börsentipps, gesellschaftliche Sensationen und Nichtsensationen schwirren in der Luft.
Das Gespräch in der Adlonhalle: »Also … mindestens hunderttausend …«
Aber das Adlon hat auch andere Gäste. Der erste gekrönte Herrscher, der seit Kriegsende durch Berlin reiste, König Gustav von Schweden, ist im Adlon abgestiegen. Hier hat der Maharadscha von Kutsch gewohnt, und hier wohnt stets, wenn er nach Berlin kommt, auch eine andere Fürstlichkeit, nämlich Gerhart Hauptmann. Das Adlon spielt in Berlin dieselbe Rolle, wie das Ritz in Paris. Hier wohnen die reichen Amerikaner – zum größten Teil –, denn sowohl der Herr des Hauses, Louis Adlon, wie sein getreuer Generalstabschef Generaldirektor Kretschmar haben es verstanden, während wiederholter Besuche in den Staaten die Sympathien der Fifth Avenue für das Hotel Adlon zu gewinnen.
Die großen Hotels: Bristol
Ebenso international wie das Adlon sind noch BRISTOL und ESPLANADE, während der Kaiserhof viel eher ein Hotel der deutschen Gesellschaft ist. Im Bristol wohnt man vielleicht ruhiger als im Adlon – der Betrieb des Highlife ist nicht so groß. Hier pflegt der Zar Ferdinand von Bulgarien abzusteigen, wenn er aus Koburg eine kurze Reise nach Berlin unternimmt, und auch der Fürst Bülow wohnt im Bristol – zumeist im selben Appartement im ersten Stock –, wenn er seine schöne Villa Malta in Rom verlässt, um der Reichshauptstadt einen Besuch abzustatten. Fürst Fugger, Fürst Hohenlohe, Fürst Lynar, die Fürstin von Pleß sind ebenso Stammgäste des Bristol wie der ungarische Minister Baron Szterényi, Franz Lehár, der Sänger Schaljapin, oder, um Namen zu nennen, die aus der Hautevolee der deutschen Wirtschaft stammen, der Geheimrat von Opel, Generaldirektor Dr. Porsche, Generaldirektor Köngeter und manche Diplomaten. Im Bristol war auch der finnische Diktator General Mannerheim abgestiegen, und hier hat auch der Generalsekretär des Völkerbunds Sir Eric Drummond gewohnt, als er Berlin zum ersten Mal einen Besuch abstattete.
Esplanade
Das HOTEL ESPLANADE, das einst das Berliner Hauptquartier von Hugo Stinnes war – eines der am schönsten und modernsten eingerichteten Berliner Hotels –, hat in der Politik gleichfalls eine bedeutende Rolle gespielt, denn es hat seinerzeit einen großen Teil der Dawes-Kommission beherbergt, als man noch über die Reparationsfragen debattierte. Aber neben seiner internationalen Kundschaft, zu der unter anderem auch die beiden Nordpolforscher Amundsen und Rasmussen gehörten, wird das Hotel Esplanade vor allem von den Kohlenbaronen und Stahlfürsten der deutschen Schwerindustrie bevorzugt – vielleicht schon aus dem Grund, weil es ja auch heute noch zum Stinneskonzern gehört. Hier wohnen die Beherrscher des Ruhrgebiets, die Herren der ewig rauchenden Schlote von Westfalen und von Oberschlesien.
Kaiserhof
Das HOTEL KAISERHOF vereinigt, wie bereits gesagt, viel eher die deutsche Gesellschaft. Es ist ein altbekanntes, gutes, solides und vornehmes Haus, das aber einer Modernisierung dringend bedarf, wenn es die Konkurrenz mit den anderen großen Luxushotels der Stadt Berlin aushalten soll.
Eden
Das HOTEL EDEN, das erheblich kleiner ist als die vorgenannten Häuser, ist mit dem Hotel Claridge in Paris zu vergleichen, es ist ein elegantes mondänes Hotel, in dem man sehr gute Musik hören und ausgezeichnet Tango tanzen kann, wobei es keinem Menschen einfallen wird, dass dieses Haus vor sieben Jahren das Hauptquartier der deutschen Spartakisten war. Im Eden hat auch der mexikanische Präsident Calles während seines Berliner Aufenthalts gewohnt.
Excelsior: Europas größtes Hotel
Das HOTEL FÜRSTENHOF und das HOTEL EXCELSIOR – Letzteres Europas größtes Hotel, eine riesige Karawanserai mit fünfhundert Zimmern – werden mehr von einem durchreisenden Publikum besucht, da sie in unmittelbarer Nähe des Potsdamer bzw. Anhalter Bahnhofs liegen, aber auch sie haben ein Stammpublikum, das sich aus den guten Gesellschaftskreisen der deutschen Provinz rekrutiert.
Die großen Luxushotels in Berlin sind ungefähr genauso teuer wie die gleichrangigen Hotels im Ausland. Ein einbettiges Zimmer ist in diesen Häusern von etwa 10 bis 12 Mark an zu haben, ein zweibettiges von 20 bis 30 Mark an, ein Appartement, aus Salon, Schlafzimmer und Badezimmer bestehend, von 50 Mark an. Die leidige Trinkgeldfrage ist fast in allen Berliner Hotels durch die Einrichtung der zehnprozentigen Bedienungsabgabe zur beiderseitigen Zufriedenheit gelöst – auf die Wochenrechnung werden 10 Prozent aufgeschlagen und damit hat der Gast seine Verpflichtungen gegenüber dem Bedienungspersonal erfüllt. Das Spießrutenlaufen des abreisenden Gasts zwischen den Spalieren der trinkgeldsüchtigen Angestellten ist in diesen Berliner Häusern vollkommen unbekannt. Im Edenhotel kann man ein Zimmer sogar schon für 9 Mark bekommen, im Excelsior für 7 Mark. Das erste Frühstück ist in den meisten Berliner Hotels nicht mehr obligatorisch, dagegen wird meistens gewünscht, dass man eine der Hauptmahlzeiten im Hotel einnehmen soll, was man auch ruhig tun kann, da die Restaurants der großen Hotels nicht im Geringsten teurer sind als die gleichwertigen Gaststätten. Für ein Mittagessen werden 3,50 bis 5,50 Mark verlangt, und da der Weinzwang überall aufgehoben ist – nicht zuletzt unter dem Einfluss der amerikanischen Gäste –, so kann man auch in den Hotels recht preiswert speisen. Im Übrigen verabreicht ein großer Teil der Berliner Cafés und Konditoreien ein Frühstück, das als ausgesprochene Konkurrenz gegen die Hotels gedacht ist – für 1,25 Mark kann man da Kaffee, Tee oder Schokolade, dazu Butter, Brot, Eier, Schinken und Käse bekommen.
Tun Sie Geld in Ihren Beutel!
Abends sind die großen Hotels teurer – das Menü zu vier Gängen kostet 10 Mark. Aber mit der großen Wandlung, die seit dem Krieg alle großen Berliner Hotels durchgemacht haben, hat sich auch das abendliche Bild der Hotels erheblich geändert. Während früher die Hotels lediglich für die Fremden bestimmte Gaststätten waren, sind sie jetzt Mittelpunkte der Berliner Gesellschaft geworden. Die in England längst verbreitete Mode, Gäste im Hotel zu empfangen und zu bewirten, hat sich jetzt auch in Berlin eingebürgert, und besonders die in den letzten zwei Jahren eingeführten Galaabende – im Adlon donnerstags – sind unbedingt sehenswert. Ein solcher Galaabend bietet ein überwältigendes Bild. Was da an eleganten Toiletten, an Schmuck und an schönen Frauen aufmarschiert, kann heute auch in Paris oder London kaum überboten werden, und einen solchen Galaabend muss man, wenn man nach Berlin kommt und die Berliner Gesellschaft kennenlernen will, unbedingt mitgemacht haben. Die Preise an den Galaabenden sind nicht erhöht – das große Gedeck kostet zwar 20 Mark, aber man kann ein kleineres Menü von vier Gängen ebenso für 10 Mark bekommen, wie an den anderen Tagen, und da kein besonderer Eintrittspreis verlangt wird, so ist ein solcher Galaabend eigentlich keine so kostspielige Angelegenheit, als dass man auf ihn nur aus Sparsamkeitsrücksichten verzichten sollte.
Wer hier isst
Dr. Martin Carbe
In den Restaurants der Hotels verkehren auch jene gesellschaftlichen Kreise Berlins, die man sonst nur selten sehen kann, die Leute, die nicht zur Lebewelt, sondern zur Arbeitswelt gehören. Da sieht man manchen Minister oder Staatssekretär, die gedrungene Gestalt Dr. Luthers, den bieder aussehenden Dr. Wirth, den schlanken Baron von Rheinbaben, Freiherrn von Richthofen, dann die Herren der Bankwelt wie Franz Urbig oder Franz von Mendelssohn, Jakob Goldschmidt oder Herbert Gutmann, den großen Förderer des deutschen Golfsports, die Feldherren der Berliner Industrie, wie etwa den Geheimrat von Borsig, den jüngeren Siemens, die Brüder Tietz oder auch die kluge Gnomgestalt des Geheimrats Felix Deutsch, des Leiters der AEG, und die hohe schlanke Figur des Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht. Da sieht man den in der Berliner Gesellschaft wohlbekannten Staatssekretär Dr. Weißmann, den kleinen blonden Grafen Arco, einen der bekanntesten Pioniere der drahtlosen Telegrafie mit seiner Gattin, die großen Verleger und Zeitungskönige wie Hans Lachmann-Mosse, der Rudolf Mosses Haus und Macht geerbt hat und verwaltet, mit seinem Generalstabschef, dem scharfsinnigen Verlegerjuristen Dr. Martin Carbe, die vier Ullsteins: Rudolf, den Sportsmann, den ernsten Franz, den gemessenen Louis, den impulsiven Hermann, und nicht zuletzt auch die diplomatische Welt, die sonst sehr selten zu sehen ist, da sie sozusagen einen abgeschlossenen Kreis für sich bildet.
Aber wenn Sie Mittelständler sind …
Neben diesen großen Luxushotels gibt es aber eine ganze Reihe von kleineren Hotels, in denen man weniger gesellschaftlich, dafür aber erheblich billiger und – was für viele Leute von Wichtigkeit sein wird – auch wesentlich ruhiger wohnen kann. Unter diesen Hotels, die absolut komfortabel eingerichtet, modern und bequem sind, muss man das HOTEL HESSLER erwähnen, sowie das HOTEL AM ZOO, das PARKHOTEL und das HOTEL AM TIERGARTEN, alle vier in Charlottenburg in der Gegend des Bahnhofs Zoo.
Diese Hotels haben freilich nicht die zentrale Lage des Adlon oder Bristol, sind aber gerade deshalb für Reisende, die längere Zeit in Berlin bleiben wollen, nicht weniger empfehlenswert. Auch das HOTEL CONTINENTAL, der RUSSISCHE HOF und das besonders in Artistenkreisen sehr gut bekannte HOTEL CENTRAL – alle drei am Bahnhof Friedrichstraße – sind durchaus empfehlenswert und um ca. 20 Prozent billiger als die Luxushotels. So kann man etwa im Hotel am Zoo ein einbettiges Zimmer für 6 Mark, ein zweibettiges für 14 Mark bekommen. In diese Kategorie gehört auch das PALASTHOTEL am Potsdamer Platz, das HOTEL HABSBURGER HOF sowie das HOTEL WEISSES HAUS in der Krausenstraße und noch eine ganze Reihe von bürgerlichen Häusern.
Pensionen
Die Zahl der Pensionen und Fremdenheime ist Legion. Es mag genügen, die PENSION STEINPLATZ zu erwähnen, ein großes Haus, das eine Art Familienhotel ist, und besonders von Russen bevorzugt wird, sowie die PENSION HARDENBERGPALAST, PENSION PRAGER PLATZ und die PENSION REGINA. In diesen Häusern kostet ein Zimmer mit Verpflegung, die man als gut bezeichnen kann, durchschnittlich 10 bis 14 Mark.
VORMITTAGSSPAZIERGANG DURCH BERLIN
Ein wunderbarer Rundgang durch Berlin –
Abends wird Berlin zu Paris.
Die schönste Straße Berlins
Wien hat seinen Ring, Budapest die Andrassystraße, Paris die Avenue des Champs-Élysées, Berlin hat seine Linden. Sie ist nun einmal die schönste Straße Berlins und die an Traditionen reichste, sie ist die repräsentativste Straße dieser Stadt, ihre Visitenkarte sozusagen, sie hat einen großen Teil der Geschichte dieser Stadt mitangesehen und miterlebt, sie hat ihr Antlitz mit den Zeiten geändert, aber sie ist nicht älter geworden. Und wenn wir einmal durch Berlin spazieren wollen, dann müssen wir eben Unter den Linden beginnen, nicht anders als die großen Autobusse des Herrn Käse.
Der Rundgang beginnt
Wir beginnen also unseren Rundgang am Pariser Platz, vor dem Brandenburger Tor, dem Wahrzeichen Berlins, auf dem in ihrer Quadriga die Viktoria thront, diese bronzene Viktoria, die bereits einmal einen Besuch in Paris abgestattet hat. Napoleon hatte sie 1807 nach Paris verschleppt, aber sieben Jahre später wurde sie nach Berlin zurückgebracht. Durch vier Bögen von den fünf des Brandenburger Tors jagen die Autos von und nach dem Westen. Der fünfte Bogen, der mittlere, ist leer und frei. Durch diesen Bogen durfte früher nur der Kaiser fahren, und wenn jetzt auch keine ausgesprochene Vorschrift dafür besteht – er wird nur vom Reichspräsidenten benutzt.
Sie kennen doch Liebermann?
Rings herum stehen einfache und vornehme Palais – das Haus des Malers Max Liebermann mit seinem Atelier auf dem Dach, das Palais Friedländer, das reizende Barockpalais der französischen Botschaft und die Akademie der Künste. Dann – auf der rechten Ecke des Platzes, der Stadt zu, steht das Kolossalgebäude des Hotels Adlon.
Wir wandern langsam hinunter, dem Lustgarten zu. Ecke Wilhelmstraße passieren wir das Kultusministerium, das Hotel Bristol, dann das kahl-graue Gebäude der russischen Botschaft, und gelangen zu der belebtesten Ecke Berlins, zur berühmten Kranzlerecke, wo die Friedrichstraße die Straße Unter den Linden kreuzt. Diese Ecke ist die Weltecke Berlins – gleichwertig mit der Pariser Ecke vor dem Café de la Paix, mit der Londoner Ecke vor dem Mansion House, mit der Wiener Ring-Ecke an der Kreuzung von Kärntner Straße und Opernring. Diese Ecke ist auch das Herz des Berliner Nachtlebens und des Berliner Fremdenverkehrs, und wenn man die Geschäftsleute fragen würde, die hier einen Laden besitzen, würden sie gewiss versichern, dass dies die teuerste Ecke der ganzen Stadt sei.
Das historische Eckfenster und …
Wir spazieren nun an dem Palais Kaiser Wilhelm I. vorbei, werfen einen Blick auf das »historische Eckfenster«, hinter dem der alte Kaiser zu arbeiten pflegte, und stehen auf dem Kaiser-Franz-Josef-Platz. Da steht links die Universität, daneben das stattliche Gebäude der Staatsbibliothek und das Zeughaus, das anfangs ein gewöhnliches Artilleriedepot gewesen ist, aber 1877 in ein Kriegsmuseum umgestaltet wurde, und für den Kunstfreund besonders anziehend ist durch die herrlichen Masken sterbender Krieger, die der große Barockbaumeister Andreas Schlüter schuf. Rechts erhebt sich das Opernhaus, dahinter strebt die grüne Kuppel der Hedwigskirche in die Luft. Wir kommen dann zum ehemaligen KRONPRINZENPALAIS, in dem jetzt ein Teil der Nationalgalerie untergebracht ist, insbesondere Werke neuerer deutscher Kunst.
… der historische Balkon
Taschen zuknöpfen!
Wir gehen über die Schlossbrücke und stehen auf einem weiten, geräumigen Platz, den man mit dem Place de la Concorde in Paris vergleichen könnte, wenn er auch lange nicht so schön ist. Auf der rechten Seite steht, grau, massig und imposant, das ehemals KAISERLICHE SCHLOSS, mit dem Balkon, von dem Kaiser Wilhelm an jenem welthistorisch gewordenen Augusttage zu seinem Volke sprach, ein gewaltiger Barockbau, gleichfalls von Schlüter errichtet. Eine große, später hinzugefügte Kuppel schließt ihn ab. In den zahllosen Gemächern des Schlosses, die vielfach noch die alte prachtvolle Barockausstattung zeigen, sind jetzt kunstgewerbliche Sammlungen und einige Ämter untergebracht. Vor dem Schloss steht ein schöner Brunnen, den Begas geschaffen hat und das äußerlich pompöse Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal, ebenfalls ein Werk dieses Künstlers. Auf der anderen Seite des Platzes der Neue Dom, ein unruhig überladener moderner Renaissancebau, über 110 Meter hoch, von einer großen Kuppel gekrönt, die auf die Bäume des Lustgartens herabschaut. Hinter dem Dom erhebt sich der rote Bau der Nationalgalerie und weiter dahinter das Kaiser-Friedrich-Museum, in dem unschätzbare Werte deutscher und fremder Kunst untergebracht sind. Schinkels Altes Museum mit der schönen Säulenhalle über der Freitreppe enthält die griechischen, römischen und ägyptischen Sammlungen. Doch nur wenige hundert Schritte weiter, und man steht vor einem Gebäude ganz anderer Art, vor einem großen Bau, in dem emsiges Leben zu herrschen scheint, dessen Treppen wimmeln, vor dem ganze Parks von Autos warten. Das ist die Börse – in Berlin kurz »Burgstraße« genannt, das pulsierende Herz des deutschen Geschäftslebens.
Alexanderplatz
Die Königstraße führt weiter, an dem von einem riesenhaften roten Turm überragten Gebäude des Rathauses vorbei, zur Spandauer Straße, und von dort geht die Wanderung weiter zum Alexanderplatz, einem der geschäftigsten und belebtesten Plätze Berlins, wo auch das Gebäude des Polizeipräsidiums steht. Das ist schon Alt-Berlin. Und wenn jemand Zeit genug hat, sich nicht nur um das neue Berlin zu kümmern, dann soll er nicht verfehlen, dem Krögel und der Fischerbrücke einen Besuch abzustatten, wo er für ein paar Minuten das ganze jagende Tempo, die ganze Hast vergessen kann.
Wir gehen nun durch die Gertraudtenstraße zum Spittelmarkt weiter und landen in der Leipziger Straße, in der großen Geschäftsstraße Berlins, die in den Stunden des lebhaftesten Verkehrs so verstopft ist, dass sich die Neunmalweisen der Berliner Verkehrspolizei schon seit Jahren den Kopf darüber zerbrechen, wie man diesem Übelstand abhelfen könnte. Wir gehen an dem RIESENWARENHAUS TIETZ vorbei, dem Stammhaus der Warenhauskönige, die in Berlin allein über neun große Warenhäuser verfügen, kreuzen die Charlottenstraße, sehen rechts den Gendarmenmarkt mit den zwei Kuppeltürmen der Neuen Kirche und der Französischen Kirche, überschreiten wieder die Friedrichstraße, spazieren an der prächtigen Granitfassade des weltberühmten WARENHAUSES WERTHEIM vorbei und stehen auf dem Potsdamer Platz, wo das rote Licht des Verkehrsturms gerade »Halt« gebietet.
Das ist der Potsdamer Platz!
Potsdamer Platz
Dieser Potsdamer Platz ist für den ahnungslosen Fußgänger, aber auch für den ahnungslosen Autofahrer die gefährlichste Stelle Berlins. Fünf der belebtesten und verkehrsreichsten Straßen münden hier, und wenn der Beamte auf dem schlanken Signalturm den Verkehr nicht regeln würde, wäre es einfach unmöglich, über den Platz zu gelangen. Auch so ist es eine Kunst, über den Potsdamer Platz zu kommen, und die Fahrt über diesen Platz ist das schwerste Kunststück, das die Berliner Verkehrspolizei von den zukünftigen Besitzern eines Führerscheins bei der Prüfung zu verlangen pflegt. Wir warten also, bis das grüne Licht den Übergang frei gibt, gehen dann zwischen den weißen Strichen der für die Fußgänger erlaubten Passage über den Platz und wenden uns halbrechts nach der Bellevuestraße, um nach dem Tiergarten zu gelangen.
Wir gehen an dem Hotel Esplanade vorbei und landen auf dem Kemperplatz, am Rolandbrunnen, wo Berlins neuestes und prunkvollstes Café, das CAFÉ SCHOTTENHAML, steht, das erst vor einiger Zeit eröffnet wurde. Wir gehen durch die Siegesallee, die rechts und links von schneeweißen Marmorstandbildern flankiert ist, die zwar einen sehr anschaulichen Geschichtsunterricht geben, da sie alle brandenburgischen und preußischen Herrscher darstellen, sonst aber durchaus nicht zu den künstlerisch sehenswertesten Denkmälern in Berlin gehören. Von Weitem sehen wir schon die Siegessäule auf dem ehemaligen Königsplatz, der jetzt den Namen »Platz der der Republik« trägt, und davor erhebt sich das mit einer goldenen Kuppel gekrönte Gebäude des Reichstages, ein Werk Wallots.
In den Zelten
Berlin spaziert nicht
Wir gehen nun an dem roten Backsteinbau des ehemaligen Großen Generalstabs, in dem jetzt das Reichsministerium des Inneren untergebracht ist, vorbei, durch die Straße »In den Zelten«, lassen das geschäftige Treiben der Spree rechts liegen und gelangen, an dem Schloss Bellevue vorbeikommend, zum Großen Stern, dem Herzen des Tiergartens, dieses großen Parks, der sich mitten in der Stadt Berlin über viele Quadratkilometer erstreckt. Hätte Berlin einen Wagenkorso wie London am Rotten Row oder Paris im Bois de Boulogne, so wäre dieser herrliche Tiergarten der geeignetste Platz dafür. Aber Berlin hat keinen Wagenkorso, wie es überhaupt keinen Korso hat, keine große Promenier- und Flanierstraße, auf der sich die Welt, die nichts zu tun hat und sich trotzdem nicht langweilt, ein Rendezvous geben würde. Berlin spaziert nicht. Berlin hat auch keine Apéritiflokale, Berlin hat auch keine Konditoreien, in denen man vormittags eine halbe Stunde lang plaudert, Berlin hat zu solchen Vergnügungen keine Zeit. Selbst Unter den Linden, auf der Tauentzienstraße und am Kurfürstendamm sieht man keine Leute, die nur spazieren gehen wollen. Ein jeder eilt. Ein jeder hat ein Ziel. Zwecklose Schritte gehören in Berlin zu den Seltenheiten, und der Tiergarten belebt sich nur morgens und abends. Morgens, wenn die Reiter und Reiterinnen durch die Tiergartenalleen sprengen – denn Reiten ist in Berlin ein beliebter Sport, und wenn man auch nicht mehr den Kaiser durch die schattigen Alleen reiten sehen kann, so sieht man dafür viele schöne Frauen, die zumeist im Herrensitz reiten –, oder aber abends, wenn die vielen Liebespärchen erscheinen, die sich dann auf den berühmten Bänken des wohlwollend finsteren Tiergartens niederlassen.
In einer schnurgeraden Linie durchschneidet die Charlottenburger Chaussee den Tiergarten bis zum Bahnhof Tiergarten, und mündet dort in die Berliner Straße, rechts die berühmte Staatliche Porzellanmanufaktur und links die Technische Hochschule hinter sich lassend. Am Knie sind dann die Anlagen zu Ende. Die Stadt beginnt wieder. Das ist aber nicht mehr Berlin, sondern die Schwesterstadt Charlottenburg.
Der Zoo
Wir gehen nun die breite, schöne Hardenbergstraße hinunter, an der Hochschule für Musik und bildende Künste vorbei zum Bahnhof Zoo, der seinen Namen von dem Zoologischen Garten erhalten hat. Der »Zoo« gehört mit dem Aquarium zu den größten Sehenswürdigkeiten Berlins, und hat neuerdings durch die Errichtung des hochinteressanten Planetariums noch eine besondere Zugkraft bekommen. Er ist nicht nur eine Sehenswürdigkeit für den Fremden, sondern ist auch bei den Berlinern sehr beliebt, insbesondere bei den jungen und jüngsten Berlinern und Berlinerinnen, die ein Stammpublikum des Zoo bilden. Im Frühling verwandelt sich der Zoo in eine Filiale von Karlsbad. Dann spazieren Herren und Damen, die schlanker werden wollen, mit dem heilbringenden Wunderkelch in der Hand zwischen den Käfigen und verzehren nachher das echt Karlsbader Frühstück, von dem sie noch dicker werden.
Kurfürstendamm, Vergnügunszentrum der Berliner
In den letzten Jahren nach dem Krieg ist die Gegend um den Bahnhof Zoo herum ein zweiter Brennpunkt des Berliner Lebens geworden. Während die Friedrichstraße ihren Charakter als Vergnügungszentrum für die Fremden beibehielt, entwickelte sich die Gegend am Zoo zu einer Art Vergnügungszentrum der Berliner. Kinos, Tanzlokale, Dielen schossen wie Pilze aus dem Boden. Um die Gedächtniskirche herum kann man heute fünf große Kinos, sieben Cafés und einen großen eleganten Tanzpalast zählen. Der Autoverkehr schwillt hier in den Abendstunden geradezu drohend an, die Verkehrspolizisten haben alle Hände voll zu tun, Lichtfontänen blenden mit ihren Reklamen von allen Häuserfronten herab, und der Berliner nennt diese Ecke seinen BROADWAY. Diese Entwicklung ist aber nur die Folgeerscheinung einer anderen Entwicklung im Charakter Berlins – auch ein großer Teil des Geschäftslebens ist aus dem Zentrum der Stadt nach dem Westen abgewandert. Der Kurfürstendamm, der vor dem Krieg eigentlich nur eine Art Flanierstraße war, zieht wie ein Magnet große Geschäfte, Läden und Vergnügungslokale an, und es wird gewiss nur kurze Zeit dauern, bis das erste Warenhaus am Kurfürstendamm errichtet werden wird, um das Werk zu vollenden, das mit dem Verschwinden des Reitwegs vom Kurfürstendamm schon angedeutet wurde – um die schöne, breite Straße, die früher nur ein vornehmes Wohnviertel durchquerte, zu einer Geschäftsstraße ersten Ranges zu stempeln. Die Brüder Tietz haben schon vor Jahren das wertvollste Grundstück am Kurfürstendamm erworben, und sie warten offenbar nur auf die Aufhebung der Wohnungszwangswirtschaft, um an der Ecke Kurfürstendamm und Joachimstaler Straße ein neues Riesenwarenhaus zu errichten.
Von der Gedächtniskirche führt die Tauentzienstraße am Kaufhaus des Westens vorbei zum Wittenbergplatz und von dort aus geht die Kleiststraße zum Nollendorfplatz, dem Einfalltor des sogenannten Bayerischen Viertels, während die Budapester Straße von der Gedächtniskirche aus an dem eleganten Edenhotel vorbei zum Tiergarten zurückführt.
Aber am Abend …
Det ist Berlin!
Wer in Berlin mehr sehen will als die Gebäude und Denkmäler, wer sich auch für das Leben der Stadt, die er kennenlernen wollte, interessiert, dem rate ich aber, in den Abendstunden, etwa zwischen 6 und 7 Uhr, durch die Tauentzienstraße und über den Kurfürstendamm zu bummeln. Er wird glauben, dass er sich auf einem Pariser Boulevard befindet. Um diese Zeit, wenn die Linden bereits halbleer sind – wenn Untergrundbahn, Autobusse und Straßenbahnen die Menschen aus der einschlafenden City nach dem eben erst zu seinem nächtlichen Leben erwachenden Westen befördern, sind die beiden großen Geschäftsstraßen des Westens voll von Menschen, die Straßen wimmeln, die Konditoreien und Cafés sind überfüllt, vor den Kinos stehen die Menschen Schlange, in den Geschäften herrscht Hochbetrieb, denn hier beginnt das »Shopping« erst um fünf Uhr, und vor den Portalen der Tanzdielen geben die goldbetressten Portiers die bedauerliche Auskunft: »überfüllt«. Die Hast des Tages weicht der Hast des Abends. Wer sich tags beeilte, weil er eine Geschäftskonferenz hatte, beeilt sich jetzt, weil er ein Rendezvous hat. Die Sucht nach dem Vergnügen bricht sich Bahn. Man zerbricht sich den Kopf darüber, wo man hingehen könnte, was man sehen müsste, wo man sich am besten amüsieren werde. Der ganze Kurfürstendamm gleicht einem aufgeregten Ameisenhaufen, während die Fassaden der Häuser in dem schillernden Glanz der Lichtreklame schimmern.