Multiple Sklerose erfolgreich behandeln - mit dem Paläo-Programm

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Multiple Sklerose erfolgreich behandeln - mit dem Paläo-Programm
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Terry Wahls

mit Eve Adamson

Multiple Sklerose erfolgreich behandeln

mit dem Paläo-Programm


VAK Verlags GmbH

Kirchzarten bei Freiburg

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

The Wahls Protocol

© 2014 by Terry Wahls, M.D.

ISBN 978-1-58333-521-5

All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form. This edition is published by arrangement with Avery, a member of Penguin Group (USA) LLC, A Penguin Random House Company.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde im Text die männliche Form gewählt; alle Angaben beziehen sich selbstverständlich auf Angehörige beider Geschlechter.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

VAK Verlags GmbH

Eschbachstraße 5

79199 Kirchzarten

Deutschland

www.vakverlag.de

© VAK Verlags GmbH, Kirchzarten bei Freiburg 2014

Übersetzung: Rotraud Oechsler

Lektorat: Nadine Britsch

Layout: Karl-Heinz Mundinger, VAK

Coverfoto: Will Heap / Dorling Kindersley / Getty Images

Umschlag: Kathrin Steigerwald, Hamburg

Satz & Druck: Friedrich Pustet GmbH & Co. KG, Regensburg, Printed in Germany

ISBN: 978-3-86731-159-5 (Paperback)

ISBN: 978-3-95484-321-3 (ePub)

ISBN: 978-3-95484-322-0 (Kindle)

ISBN: 978-3-95484-323-7 (PDF)

Inhalt

Vorbemerkung

Einleitung

Teil 1

Einführung

Kapitel 1

Leben, Krankheit und Sie – wissenschaftlich gesehen

Kapitel 2

Autoimmunität: Schulmedizin kontra funktionelle Medizin

Kapitel 3

Der Einstieg

Teil 2

Essen Sie Ihre Zellen gesund

Kapitel 4

Die Anfänge meines Ernährungsprogramms

Kapitel 5

Ein guter Start: Das Basis-Programm

Kapitel 6

Das Paläo-Programm

Kapitel 7

Das Paläo-Plus-Programm

Teil 3

Was außer der Ernährung auch noch wichtig ist

Kapitel 8

Reduzieren Sie die Belastung durch Umweltgifte

Kapitel 9

Sport und elektrische Nervenleitfähigkeit

Kapitel 10

Medikamente, Nahrungsergänzungsmittel und Alternativmedizin

Kapitel 11

Der Umgang mit Belastungen und Stress

Kapitel 12

Genesung

Epilog

Hier endet meine Geschichte – und Ihre beginnt!

Meine Rezepte für Sie

Anhang A

Übersicht aller Nahrungsmittel

Nahrungsmittelübersicht für alle Stufen des Ernährungsprogramms

Anhang B

Nährstoffe im Vergleich

Anhang C

Ressourcen

Danksagungen

Literaturverzeichnis

Über die Autorin

Für Jackie

Sie gab mir die Kraft, die Herausforderungen und Freuden dieses Lebens zu meistern.

Hinweise des Verlags

Dieses Buch dient der Information über Möglichkeiten der Gesundheitsvorsorge. Wer sie anwendet, tut dies in eigener Verantwortung. Autorin und Verlag beabsichtigen nicht, Diagnosen zu stellen oder Therapieempfehlungen zu geben. Die hier vorgestellten Vorgehensweisen sind nicht als Ersatz für professionelle Behandlung bei ernsthaften Beschwerden zu verstehen.

Die vorgestellten Kochrezepte sind genau zu befolgen. Autorin und Verlag übernehmen keine Verantwortung für besondere gesundheitliche oder allergiebedingte Bedürfnisse, die ärztlich überwacht werden müssen, oder für Nebenwirkungen, die durch diese Rezepte auftreten könnten.

Hinweise zu den Schutzrechten

Die Begriffe Wahls-Protocol™, Wahls™ Diet, Wahls Paleo™ und Wahls Paleo Plus™ sind eingetragene Warenzeichen der Dr. Terry Wahls GmbH.

Vorbemerkung

Viele meiner Mitstreiter, die dankenswerterweise ihre Geschichten zu diesem Buch beigesteuert haben und zitiert werden, haben das unter Nennung ihres wirklichen Namens und Wohnortes getan, doch einige wollten lieber anonym bleiben. Deren Namen und Orte wurden verändert, um ihre Privatsphäre zu schützen.

Die Zusammensetzung der Nährstoffe von Rezepten und Speisenfolgen wurde mithilfe eines Datensystems aus der Nährstoffforschung berechnet, der sogenannten Nutrition Data System for Research Database (NDSR, Version 2012; © Regents of the University of Minnesota). Interessierte finden diese Informationen im Internet (in englischer Sprache) unter: www.ncc.unmn.edu/products/ndsr.html

Der Gesamtnährstoffgehalt bezieht sich auf alle Zutaten, mit Ausnahme derer, die als optional ausgewiesen sind. Ist eine Auswahl von Zutaten angeboten, liegt die Nährstoffzusammensetzung des ersten Postens den Berechnungen zugrunde. Wir haben die Genauigkeit dieser Daten nach bestem Wissen und Gewissen überprüft; doch Unterschiede bei naturbelassenen und zubereiteten Nahrungsmitteln sowie Abweichungen von den im Rezept oder der Speisenfolge angegebenen Zutaten, Mengen und Zubereitungsweisen wirken sich auf die Nährstoffzusammensetzung aus. Alle Nährstoffangaben sollten daher als Näherungswerte betrachtet werden. Der Rückschluss auf ein bedarfsgerechtes Nährstoffangebot beruht auf den dargestellten exemplarischen Speiseplänen und den aktuellen Nährstoffempfehlungen für Frauen meiner Altersklasse (52 bis 71 Jahre), deren Kalziumbedarf höher ist als der von Frauen, die noch nicht in den Wechseljahren sind, oder der von Männern unter 71 Jahren. Beachten Sie bitte, dass die Nährstoffempfehlungen ansonsten, unabhängig von den Altersgruppen, relativ ähnlich sind. Sie sollten Ihren persönlichen Nahrungs- und Nährstoffbedarf immer mit Ihrem behandelten Arzt absprechen und unsere Konzepte an Ihre Situation anpassen.

 

Haftungsausschluss

Medizin und Ernährungswissenschaft sind in einem ständigen Wandel begriffen. Mit der Erweiterung unseres Wissens durch neue Forschungen und klinische Erfahrungen verändern sich auch Ernährungsempfehlungen, Behandlungsformen und medikamentöse Therapien. Die Autoren haben die Quellen, die sie für zuverlässig erachten, nach bestem Wissen und Gewissen geprüft, um Sie mit vollständigen Informationen zu versorgen, die allgemein den zum Zeitpunkt der Veröffentlichung geltenden Standards entsprechen. Da jedoch menschliche Fehler oder Veränderungen in der Medizin im Bereich des Möglichen liegen, übernehmen weder die Autoren, noch der Verlag oder Dritte, die an der Erstellung oder Veröffentlichung dieser Arbeit beteiligt waren, die Garantie dafür, dass die enthaltenen Informationen in jeglicher Hinsicht genau oder vollständig sind. Sie übernehmen auch keine Verantwortung für Fehler oder Versäumnisse oder die Ergebnisse, die durch die Nutzung dieser Informationen entstehen. Die Leserinnen und Leser sind aufgerufen, sich auch mithilfe weiterer Quellen kundig zu machen und die Informationen abzugleichen.

Die amerikanische Zulassungsbehörde FDA hat keine meiner gemachten Aussagen auf meinen Internetseiten, in meinen Vorträgen oder in meinen Büchern einer Prüfung unterzogen. Dieses Buch dient lediglich der Schulung. Diagnosen, Behandlungen, Heilungen oder die Verhinderung von Krankheiten sind nicht beabsichtigt. Dieses Buch basiert auf Hunderten von Studien aus der Grundlagenforschung, aus Tierversuchen, Hunderten von klinischen Studien am Menschen, meiner eigenen Erfahrung durch meine Arbeit in allgemeinen Krankenhäusern und neurologischen Kliniken, meinen Selbstversuchen im Laufe der letzten zehn Jahre und unserer eigenen klinischen Studie.

Einleitung

Früher war ich Marathonläuferin und bestieg Berge in Nepal. Ich nahm viele Male am amerikanischen Birkebeiner-Skilanglaufrennen über 54 km teil (einmal war ich sogar schwanger), ich habe einen schwarzen Gürtel im Taekwondo und war Bronzemedaillengewinnern im Freikampf der Frauen bei den Vorausscheidungen für die Pan American Games 1978 in Washington DC. Ich fühlte mich unbesiegbar.

Dann erkrankte ich an Multipler Sklerose. Nach jahrzehntelangen beunruhigenden Symptomen, die ich zu ignorieren versuchte, erhielt ich schließlich im Jahr 2000 die Diagnose. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Krankheit schon in meinem Zentralnervensystem ausgebreitet. Die Verschlechterung schritt rasch voran. Innerhalb von zwei Jahren nach der Diagnosestellung konnte ich mit meinen Kindern im Garten nicht mehr Fußball spielen. Im Herbst 2003 machte mich die Visite von Zimmer zu Zimmer im Krankenhaus völlig fertig, und im Sommer 2004 war meine Rücken- und Bauchmuskulatur schon so geschwächt, dass ich einen Rollstuhl brauchte. Innerhalb von drei Jahren nach der Erstdiagnose war die Multiple Sklerose von einem schubförmig remittierenden Verlauf zur sekundären progredienten Form übergegangen. In dieser Phase schreitet die Invalidität trotz zunehmend aggressiver Therapie kontinuierlich voran. 2007 verbrachte ich die meiste Zeit in liegend in einem speziellen Stuhl. Zu diesem Zeitpunkt war ich 52 Jahre alt.

Jeder Multiple-Sklerose-Patient hat eine Geschichte – es sind Jahre voller Hinweise und seltsamer Symptome, die im Rückblick betrachtet letztlich einen Sinn ergeben. Es liegt in der Natur der meisten neurologischen und autoimmunen Erkrankungen, dass die Symptome langsam zunehmen, nach und nach, über einen Zeitraum von Jahrzehnten. So war das auch bei mir. Als Ärztin sah ich mich genötigt, Antworten zu finden: eine Diagnose und ein Heilverfahren. Als Patientin sah ich mich genötigt, mein eigenes Leben zu retten.

Wie die meisten Ärzte konzentrierte ich mich bei meinen Patienten immer darauf, schnell zu einer Diagnose zu kommen und sie dann mit Medikamenten und operativen Maßnahmen zu behandeln – das heißt solange, bis ich selbst Patientin wurde. Die Schulmedizin konnte mir nicht helfen, das sah ich. Ich steuerte geradewegs auf eine Bettlägerigkeit zu. Seit es unseren Beruf gibt, machen Ärzte Selbstversuche, entweder um einen wissenschaftlichen Standpunkt zu belegen oder um sich selbst zu behandeln, wenn die schulmedizinischen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Im Zuge dieser Tradition und angesichts der chronisch progredienten Krankheit, für die es keine Heilung gab, begann ich mit meinen eigenen Selbstversuchen. Was ich nicht erwartete, waren die verblüffenden Ergebnisse, die ich erzielte: Ich brachte meine Krankheit nicht nur zum Stillstand, ich erreichte vielmehr eine spektakuläre Wiederherstellung meiner Gesundheit und meiner körperlichen Funktionen. Was ich dadurch lernte, veränderte meinen Blick auf die gegensätzlichen Bereiche von Gesundheit und Krankheit für immer.

Vor mehr als hundert Jahren sagte Thomas Edison: „Der Arzt der Zukunft wird keine Medikamente mehr verabreichen, aber er wird seine Patienten für ihren Körper interessieren, für eine angemessene Ernährung sowie für die Ursachen von Krankheiten und wie man sie verhindert.“ Das wurde zu meinem neuen Kurs, zu meiner Leidenschaft und meinem Lebenszweck. Ich verstand Gesundheit und Krankheit auf eine völlig neue Weise. Ich war wie neugeboren, körperlich und auch emotional, persönlich und beruflich. Und ich verpflichtete mich leidenschaftlich dazu, anderen Menschen auf diesem Weg zur Seite zu stehen.

Meine Diagnose

Der Stress und der Druck im Studium waren vielleicht die Auslöser der ersten Symptome in den 1980er-Jahren, lange bevor ich überhaupt im entferntesten ahnte, was sie bedeuteten. Ich nannte sie schließlich „Hämmer“ – es waren intensive stechende Gesichtsschmerzen. Sie hielten nur einen Augenblick an und kamen willkürlich, manchmal wellenförmig, bauten sich im Laufe von ein bis zwei Wochen auf und klangen im Laufe der nachfolgenden Wochen allmählich ab. Sie traten mit hoher Wahrscheinlichkeit dann auf, wenn mein Turnus im Krankenhaus am arbeitsintensivsten und härtesten war, mit 36-Stunden-Schichten, die wenig Zeit zum Schlafen ließen. Im Laufe der Jahre wurden sie immer schlimmer, es waren Schmerzen, die Stromschlägen ähnelten und sich anfühlten, als hielte man mir einen elektrischen Viehtreiber ins Gesicht.

Zu dieser Zeit dachte ich, es handle sich nur um eine Verschlimmerung der Gesichtsschmerzen, nichts weiter. Ich dachte, das sei ein isoliertes, ungeklärtes Problem – eines jener medizinischen Geheimnisse, die man eigentlich gar nicht enträtseln muss. Selbst als Ärztin machte ich mir keine großen Gedanken darüber. Ich hatte zu viel mit meinen Patienten zu tun, um mich mit meiner eigenen Diagnose zu beschäftigen. Nie kam mir der Gedanke, dass es sich um ein autoimmunes Problem handeln könnte.

Das war zwar mein erstes Symptom, aber sehr wahrscheinlich nicht der Moment, von dem an die Multiple Sklerose ihren unaufhaltsamen Weg durch mein zentrales Nervensystem zu nehmen begann. Mindestens zehn Jahre vorher, vermutlich sogar schon 20, standen mein Gehirn und die Wirbelsäule bereits unter Beschuss – mein eigenes Immunsystem griff das Myelin an, das die Nerven umhüllt. Ich konnte es zunächst nicht spüren. Ich konnte es jahrelang nicht spüren. Und doch war es so.

Im Laufe der Jahre wurde ich Mutter, zuerst kam mein Sohn Zach zur Welt, dann meine Tochter Zebby. Elternschaft und Vollzeitarbeit lenkten mich ab, aber die Multiple-Sklerose-Uhr tickte. Ich hörte diese Uhr nicht und ignorierte die Warnungen: eingeschränktes Gesichtsfeld und Gesichtsschmerzen. Ich erwartete definitiv von mir, noch mindestens 40 Jahre lang eine aktive, abenteuerlustige, lebenssprühende Frau zu sein. Ich sah mich mit meinen Kindern beim Bergsteigen, auch noch als alte weißhaarige Großmutter. Ich verschwendete keinen Gedanken daran, dass meine ungeklärten Symptome mit etwas so Grundlegendem wie meiner Beweglichkeit oder etwas so Wichtigem wie meinem Denken zu tun haben könnten.

Eines Abends unterhielt ich mich auf einer Dinnerparty mit einer Neurologin und erwähnte beiläufig, dass ich die Farbe Blau im linken Auge etwas anders wahrnahm als im rechten; rechts sah ich sie etwas heller als links. Das schien sie zu interessieren.

„Sie werden eines Tages an Multipler Sklerose erkranken“, sagte sie. Es war das erste Mal, dass das jemand ausgesprochen hatte. Am nächsten Morgen starb mein Vater, und so gingen ihre Worte im Chaos der Trauer unter. Erst Jahre später erinnerte ich mich wieder an diese prophetische Bemerkung.

Als meine Frau Jackie beobachtete, dass ich offenbar einen merkwürdigen Gang hatte, glaubte ich ihr nicht. Ich bemerkte es nicht einmal, bis sie darauf bestand, ein paar Kilometer zu Fuß bis zum nächsten Kiosk gehen, um ein Eis zu kaufen. Als wir zurückkamen, zog ich meinen linken Fuß wie einen Sandsack nach. Ich konnte meine Zehen nicht bewegen. Ich war erschöpft, mir war schlecht und ich hatte Angst. Ich machte einen Termin bei meinem Arzt.

Viele Menschen, die schließlich mit der Diagnose Multiple Sklerose konfrontiert werden, machen ähnliche Erfahrungen. Die Symptome entwickeln sich langsam über viele Jahre hinweg, und es kann weitere Jahre dauern, bis die Diagnose feststeht, wenn sich körperliche Probleme manifestieren und offen zutage treten.

In den folgenden Wochen unterzog ich mich zahlreichen Untersuchungen und fürchtete mich vor jedem Ergebnis. Zu manchen gehörten Blitzlichter und Signaltöne, zu anderen mehr Strom und noch mehr Schmerzen. Mir wurde Blut abgenommen, immer und immer wieder. Ich sagte wenig und ängstigte mich sehr. Alle Ergebnisse waren negativ, und doch war klar, dass mit mir etwas nicht stimmte.

Schließlich waren wir bei der letzten Untersuchung angekommen, der Lumbalpunktion. Sollten sich Proteine, die sich als oligoklonale Banden darstellen lassen, in der Spinalflüssigkeit, dem Liquor, befinden (ein Hinweis auf erhöhte Antikörperwerte), würde das den Verdacht auf Multiple Sklerose stützen. Fiele jedoch auch dieser Test negativ aus, hieße das, dass wahrscheinlich eine „idiopathische Rückenmarksdegeneration“ vorläge (das bedeutet, dass man die Ursache nicht kennt). Angesichts der langen Liste potenzieller Krankheiten, mit denen ich konfrontiert war, erschien mir dies noch als die beste Option. Ich schöpfte Hoffnung.

Als ich am nächsten Morgen aufstand, wusste ich, dass die Ergebnisse in meiner Patientenakte waren. Ich konnte durch Fernzugriff an meinem Computer zu Hause Einblick in die Krankenunterlagen der Klinik nehmen. Ich rief die Laborergebnisse auf. Positiv. Ich stand auf. Ich ging auf und ab. Zwei Stunden später loggte ich mich wieder ein und sah noch einmal nach. Fünfmal machte ich das, in der Hoffnung, meine Ergebnisse würden sich noch verändern. Doch sie blieben gleich.

Nun war es also offiziell: Ich hatte Multiple Sklerose.

Die Verschlechterung

Im Sommer 2000 zog ich mit Jackie und meinen Kindern von Marshfield in Wisconsin nach Iowa. Man hatte mich zur Assistenz-Professorin an der Universität von Iowa ernannt und ich sollte eine leitende Funktion im Allgemeinkrankenhaus für Angehörige und ehemalige Angehörige der US-Streitkräfte übernehmen. Meine Multiple-Sklerose-Diagnose war noch nicht lange her. Ich nahm das MS-Medikament Copaxone® ein, das mein Arzt mir verschrieben hatte, und ich verließ mich in Bezug auf alle Behandlungsentscheidungen voll und ganz auf meine Ärzte. Als Medizinerin war ich darauf konditioniert zu glauben, dass die Ärzte es am besten wissen. Und was wusste ich schon über Multiple Sklerose? Das war nicht mein Fachgebiet. Ich ließ mich von den Besten des Fachs behandeln und erhielt die besten Medikamente, die es gab, also nahm ich an, dass ich alles Menschenmögliche tat.

Ich hatte mir fest vorgenommen, dass meine Diagnose keinen Einfluss auf meine neue Tätigkeit haben sollte. Ich hatte eine Führungsposition mit vielen Herausforderungen übernommen und liebte diese Arbeit. Es machte mir Spaß zu unterrichten, und die Kinder blühten in ihrem neuen Heim auf. Ich fand, dass ich mich ziemlich tapfer schlug, und meine Ärzte fanden das auch. Ich begann mir sogar vorzustellen, dass mein Zustand sich nicht verschlechtern würde. Ich meinen kühnsten Träumen verheimlichte ich die Multiple Sklerose sogar meinen Kindern.

 

Dann ließ die Kraft im rechten Arm und in der Hand nach. Man verschrieb mir Steroide zur Unterdrückung der Immunreaktion, und meine Kraft kehrte langsam zurück, doch das war der Beginn einer zwar langsamen, aber fortschreitenden Verschlechterung. Ich konnte es sehen, Jackie konnte es sehen und die Kinder sahen es auch. Inzwischen hatten sie zugegeben, dass es ihnen manchmal peinlich war, mich um sich zu haben, weil meine Beweglichkeit immer schlechter wurde. Manchmal wünschten sie sich, ich würde nicht an ihren Aktivitäten teilnehmen, und dann hatte ich Schuldgefühle, weil ich trotzdem dabei sein wollte. Es war eine Belastung für die ganze Familie, und ich fühlte mich dafür verantwortlich. Das war alles meine Schuld. Ich sollte die Familie ernähren und war nach und nach immer weniger in der Lage, mit meinem eigenen Körper zurechtzukommen. Dabei waren seit der ersten Diagnose erst zwei Jahre vergangen.

Dann geschah etwas, das mein Leben veränderte. Im Jahr 2002 stellte meine Neurologin fest, dass mein Zustand sich allmählich verschlechterte und verwies mich auf die Internetseite des Gynäkologen und promovierten Philosophen Dr. Ashton Embry (www.direct-ms.org; nur in englischer Sprache). Der Sohn von Dr. Embry war an MS erkrankt und sein Zustand besserte sich nach einer Ernährungsumstellung so eindrucksvoll, dass Dr. Embry sich für die Erforschung der Verbindung zwischen Ernährung und Multipler Sklerose einsetzte. Davon hatte ich bislang nichts gehört – oder es war zumindest das erste Mal, dass mich das Konzept aufhorchen ließ. Obwohl es ein wenig nach „Alternativbehandlung“ klang (und als Schulmedizinerin hatte ich nicht viel Vertrauen in etwas, das ich als Außenseitermedizin betrachtete), doch der Vorschlag kam schließlich von meiner Neurologin, also nahm ich das Ganze ernst. Ich beschloss, der Sache nachzugehen.

Dr. Embrys Internetseite quoll über von wissenschaftlichen Literaturangaben, die ich nach und nach zu lesen begann. Die Artikel stammten aus seriösen wissenschaftlichen Zeitschriften und waren von Wissenschaftlern angesehener medizinischer Fakultäten verfasst. Das war keine pseudowissenschaftliche „Außenseitermedizin“, sondern seriöse Forschung. Und das Ganze war anspruchsvoll. Vieles spielte sich in Bereichen ab, die außerhalb meiner Fachkompetenz lagen, oder beruhte auf Grundlagenforschung, die nicht zu meiner Ausbildung gehört hatte. Ich hatte Mühe, all das aufzunehmen, und die mit MS einhergehenden Konzentrationsstörungen waren nicht gerade hilfreich. Es gab so viele neue Informationen – wie kam es, dass ich davon überhaupt nichts wusste? Nach intensivem Lesen stellte ich fest, dass Dr. Embry einer großen Sache auf der Spur zu sein schien. Wenn die Ernährung tatsächlich eine wichtige Auswirkung auf MS hätte? Nach all den Jahren, in denen ich meine Gesundheit den Ärzten überlassen hatte und es mir trotzdem fortlaufend schlechter ging, faszinierte mich dieser Gedanke. Ich könnte über meine Ernährung selbst bestimmen. Es schien fast zu einfach und zu gut, um wahr zu sein. Ich musste mehr darüber in Erfahrung bringen.

Auf Dr. Embrys Internetseite las ich zum ersten Mal von Dr. Loren Cordain. Er brachte veränderte menschliche Ernährungsgewohnheiten mit der Entwicklung von Zivilisationskrankheiten in Verbindung. Er hatte eine Reihe von Artikeln veröffentlicht und kurz zuvor ein populärwissenschaftliches Buch herausgebracht: Die Paleo-Ernährung (Deutscher Trainer Verlag 2013), das wesentlich leichter zu lesen war als die technisch-wissenschaftlichen Arbeiten.1 Ich begann Informationen schneller aufzunehmen: Molekulare Mimikry, Barrierestörungen der Darmschleimhaut, Lektin, Immunmodulation (von all diesen Dingen wird später noch die Rede sein). Ich begann zu verstehen, worauf Dr. Embry und Dr. Cordain mit ihren Theorien hinaus wollten. Ich begann zu überlegen, dass die Nahrung einen eher größeren als kleineren Einfluss auf die Funktionsfähigkeit unseres Körpers ausüben könnte.

Ganz besonders interessierte mich der Gedanke, dass der Konsum von übermäßig vielen Kohlenhydraten und Zucker in unserer modernen Ernährung zu überhöhten Insulinwerten und chronischen Entzündungen führt. Der Hinweis, dass die ursprüngliche Ernährung des Menschen möglicherweise eine Besserung meiner MS herbeiführen könnte, war verlockend, aber die Umstellung auf diese Ernährungsweise würde eine erhebliche Veränderung für mich bedeuten. Ich war seit meiner Studienzeit Vegetarierin und liebte Bohnen und Reis. Ich liebte es, Brot zu backen. Könnte ich Getreide, Milchprodukte und Hülsenfrüchte, meine gegenwärtigen Grundnahrungsmittel, tatsächlich einfach weglassen?

Aber der Wunsch, meine Krankheit zum Stillstand bringen, überwog. Ich wollte weiterhin laufen, arbeiten und mit meinen Kindern spielen. Ich beschloss, es zu versuchen. Fleisch stand wieder auf dem Speiseplan, und ich gab dafür die jetzt verbotenen Nahrungsmittel auf, die ich so liebte. Zuerst verursachte mir der Geruch von Fleisch Übelkeit. Ich ließ es langsam angehen und verwendete nur kleine Mengen in Suppen. Mit der Zeit wurde es leichter.

Ich setzte Hoffnung in diese Umstellung, doch trotz des Wechsels zur sogenannten Paläo-Ernährung verschlechterte sich mein Zustand weiter. Ich konnte mit meinen Kindern nicht im Garten Fußball spielen, ohne hinzufallen. Ich konnte mit den Wölflingen, dem Pfadfinder-Nachwuchs, keine langen Wanderungen machen. Dann wurde es sogar immer schwerer, mit Jackie kurze Spaziergänge zu unternehmen. Die Müdigkeit wurde zu einem immer größeren Problem. Ich war enttäuscht, zeitweise verzweifelt und die Tränen flossen bei jeder unpassenden Gelegenheit. Doch mein Entschluss stand fest. In einigen Einträgen auf Dr. Embrys Seite war von fünf Jahren die Rede, bis sich eine Erholung einstellte. Mir wurde klar, dass ich kein Wunder über Nacht erwarten konnte, also blieb ich bei den Umstellungen. Selbst wenn es nur zu einem langsamen Fortschritt kommen würde, so war es doch etwas, das ich selbst tun konnte, und das gab mir Kraft.

Unterdessen stellte ich meine Planung um, um das Laufen zu vermeiden. Mein Arzt sagte, es sei Zeit für einen Elektrorollstuhl, änderte aber seine Meinung und schlug wegen der zunehmenden Müdigkeit einen Rollstuhl mit verstellbarer Rückenlehne vor. Außerdem empfahl er einen Therapieversuch mit einem Chemotherapeutikum (Mitoxantron®). Als keine Besserung eintrat, stellte ich auf ein neues, hochwirksames Immunsuppressivum um (Tysabri®); doch noch bevor die dritte Injektion anstand, wurde es aus dem Handel genommen, da es zu Todesfällen durch Aktivierung eines latenten Virus im Gehirn gekommen war. Danach sollte ich auf Empfehlung meines Arztes ein Immunsuppressivum einnehmen, das auch in der Transplantationsmedizin verwendet wurde (CellCept®). Es verursachte häufige Mundgeschwüre und meine Haut nahm einen gräulichen Ton an. Ich begann jeden Tag mit Müdigkeit und jede Nacht nagte die Verzweiflung an mir, wenn ich ihm Bett lag. Jackie, Zach und Zebby waren meine Rettungsleine. Dann nahm Jackie mich in den Arm und sagte, wir würden all das gemeinsam durchstehen. Wir sprachen oft über die Kinder und darüber, wie sie unsere Art, mit dem Geschehen umzugehen, verarbeiteten. Ihnen zuliebe wollte ich nicht, dass sie meine Entmutigung und meine Müdigkeit sahen.

Obwohl ich mich lange gegen einen Rollstuhl mit verstellbarer Rückenlehne gewehrt hatte, war es tatsächlich eine Befreiung, als er endlich zum Einsatz kam. Ich konnte draußen sein und mit meiner Familie spazieren gehen (oder besser gesagt: spazieren rollen), wenn wir im Park oder in der Nachbarschaft unterwegs waren. Mein Leben wurde dadurch wirklich leichter. Allerdings schwächte diese Lagerung auch meine Rückenmuskeln, und je mehr sie atrophierten, desto mehr Zeit verbrachte ich im Bett. Ich sprach nicht oft darüber, aber ich hielt es für wahrscheinlich, dass ich letztendlich bettlägerig werden würde. Bei der Arbeit am Schreibtisch zu sitzen, strengte mich an. Dann entdeckte ich eine Art „Null-Schwerkraft-Stuhl“, der wie Stühle der NASA gestaltet war, die während der Raumflüge benutzt wurden. Wenn ich mich ganz nach hinten lehnte, lagen meine Knie oberhalb der Nase, und die Schwerkraft hielt mich im Stuhl. Ich hatte einen für mein Dienstzimmer und einen weiteren für zu Hause. Das half zwar sehr gegen die Müdigkeit, doch so wollte ich mein Leben nicht verbringen. Ich konnte einfach nicht akzeptieren, dass meine Zukunft so aussehen sollte.