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Kitabı oku: «Ein Kampf um Rom», sayfa 12

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VIERTES KAPITEL

In den Waldbergen von Fiesole findet heutzutage der Wanderer, der von Florenz heranzieht, rechts von der Straße die Ruinen eines ausgedehnten, villenartigen Gebäudes.

Efeu, Steinbrech und Wildrosen haben um die Wette die Trümmer überkleidet: die Bauern des nahen Dorfes haben seit Jahrhunderten Steine davongetragen, die Erde ihrer Weingärten an den Hügelrändern aufzudämmen. Aber noch immer bezeichnen die Reste deutlich, wo die Säulenhalle vor dem Hause, wo das Mittelgebäude, wo die Hofmauer stand. Üppig wuchert das Unkraut auf dem Wiesgrund, wo dereinst der schöne Garten in Zier und Ordnung prangte: nichts davon hat sich erhalten als das breite Marmorbecken eines längst vertrockneten Brunnens, in dessen kiesigem Rinnsal sich jetzt die Eidechse sonnt.

Aber in den Tagen, von denen wir erzählen, sah es hier viel anders aus. »Die Villa des Mäzen bei Fäsulä«, wie man das Gelände damals, wohl mit wenig Fug, benannte, war von glücklichen Menschen bewohnt, das Haus von vorsorglicher Frauenhand bestellt, der Garten von hellem Kindeslachen belebt. Zierlich war die rankende Klematis hinaufgebunden an den schlanken Schäften der korinthischen Säulen vor dem Haus, und der Wein zog freundlich schmückend über das flache Dach. Mit weißem Sande waren die schlängelnden Wege des Gartens bestreut, und in den Nebengebäuden, die der Wirtschaft dienten, glänzte eine Reinlichkeit, wartete stille Ordnung, die nicht auf römische Sklavenhände raten ließ.

Es war um Sonnenuntergang.

Die Knechte und Mägde kehrten von den Feldern zurück: die hoch mit Heu beladenen Wagen, mit Rossen nichtitalischer Zucht bespannt, schwankten heran: von den Hügeln herunter trieben die Hirten Ziegen und Schafe herzu, von großen zottigen Hunden umbellt.

Dicht vor dem Hoftor gab es die lebendigste Szene des bunten Schauspiels: ein paar römische Sklaven trieben mit tobenden Gebärden und gellendem Geschrei die keuchenden Pferde eines grausam überladnen Wagens an: nicht mit Peitschenhieben, sondern mit Stöcken, deren Eisenspitzen sie den Tieren immer in dieselbe wunde Stelle stießen. Nur ruckweise ging es trotzdem vorwärts. Jetzt lag ein großer Stein vor dem linken Vorderrad, jeden Fortschritt unmöglich machend. Aber der wütige Italier sah es nicht.

»Vorwärts, Bestie, und Kind einer Bestie«, schrie er dem zitternden Rosse zu, »vorwärts, du gotisches Faultier!« Und ein neuer Streich mit dem Stachel und ein neuer verzweifelter Ruck: aber das Rad ging nicht über den Stein, das gequälte Tier stürzte in die Knie und drohte den Wagen mit umzureißen. Darüber wurde der Treiber erst recht grimmig. »Warte, du Racker!« schrie er und schlug nach dem Auge des zuckenden Rosses. Aber nur einmal schlug er, im nächsten Augenblick stürzte er selbst wie blitzgetroffen unter einem mächtigen Streiche nieder.

»Davus, du boshafter Hund!« brüllte eine Bärenstimme, und über dem Gefallenen stand schier nochmal so lang und gewiß nochmal so breit wie der erschrockene Tierquäler ein ungeheurer Gote, einen derben Knüttel wiederholt auf den Rücken des Schreienden schwingend.

»Du elender Neidling«, schloß er mit einem Fußtritt, »ich will dich lehren, umgehn mit einem Geschöpf, das sechsmal besser ist als du. Ich glaube, du Schandbub quälst den Hengst, weil er von jenseits der Berge ist. Noch einmal laß mich das sehn, und ich zerbreche dir alle Knochen im Leibe. Jetzt auf und abgeladen: du trägst alle Schwaden, die zuviel sind, auf deinem eignen Rücken in die Scheuer. Vorwärts.«

Mit einem giftigen Blick stand der Gezüchtigte auf und schickte sich hinkend an, zu gehorchen.

Der Gote hatte das zuckende Roß sogleich aufgerichtet und wusch ihm jetzt sorglich die geschürften Knie mit seinem eignen Abendtrunk von Wein und Wasser.

Kaum war er damit zu Ende, als ihn vom nahen Stall her dringend eine helle Knabenstimme rief: »Wachis, hierher, Wachis!« — »Komme schon, Athalwin, mein Bursch, was gibt’s?« — und schon stand er in der offnen Türe des Pferdestalles, neben einem schönen Knaben von sieben bis acht Jahren, der sich heftig die langen, gelben Haare aus dem erglühenden Antlitz strich und mit Mühe in den himmelblauen Augen zwei Tränen des Zornes zerdrückte. Er hatte ein zierlich geschnitztes Holzschwert in der Rechten und hob es drohend gegen einen schwarzbraunen Sklaven, der mit gebognem Nacken und mit geballten Fäusten trotzig ihm gegenüberstand.

»Was gibt’s da?« wiederholte Wachis über die Schwelle tretend.

»Der Rotschimmel hat wieder nichts zu saufen, und sieh nur, zwei Bremsen haben sich eingezogen oben an seinem Bug, wo er mit der Mähne nicht hinreichen kann und ich nicht mit der Hand, und der böse Cacus da, wie ich’s ihm sage, will mir nicht folgen, und gewiß hat er mich geschimpft auf römisch, was ich nicht verstehe.« Wachis trat drohend näher.

»Ich habe nur gesagt«, sprach Cacus langsam zurückweichend: »erst ess’ ich meine Hirse, das Tier mag warten; bei uns zu Lande kommt der Mensch vor dem Vieh.« — »So, du Tropf?« sagte Wachis, die Bremsen erschlagend, »bei uns kommt das Roß vor dem Reiter zum Futter; mach vorwärts.«

Aber Cacus war stark und trotzig; er warf den Kopf auf und sagte: »Wir sind hier in unserm Land — da gilt unser Brauch.« — »Eia, du verfluchter Schwarzkopf, wirst du gehorchen?« sprach Wachis ausholend. — »Gehorchen? Nicht dir! Du bist auch nur ein Sklave wie ich: und meine Eltern haben schon hier im Hause gelebt, als deinesgleichen noch Küh’ und Schafe stahlen jenseits der Berge.« Wachis ließ den Knüttel fallen und wiegte seine Arme: »Höre, Cacus, ich habe ohnehin noch einen Span mit dir, du weißt schon, was für einen. Jetzt geht’s in einem hin.« — »Ha«, lachte Cacus höhnisch, »wegen Liuta, der Flachsdirn? Pah, ich mag sie nicht mehr, die Barbarin. Sie tanzt wie eine Jungkuh.« — »Jetzt ist’s aus mit dir«, sagte Wachis und schritt auf seinen Gegner zu. Aber dieser wandte sich wie eine Katze aus dem Griff des Goten, riß ein spitzes Messer aus der Brustfalte des Wollrocks und warf es nach ihm: da sich Wallis bückte, sauste es haarscharf an seinem Kopf vorbei und fuhr tief in den Pfosten der Tür. »Na, warte, du Mordwurm!« rief der Germane und wollte sich auf Cacus werfen; da fühlte er sich von hinten umklammert.

Es war Davus, der die Gelegenheit der Rache scharf erpaßt hatte.

Aber jetzt ward Wachis sehr zornig.

Er schüttelte ihn ab, packte ihn mit der Linken am Genick, erwischte mit der Rechten Cacus an der Brust und stieß nun mit Bärenkraft seinen beiden Gegnern die Köpfe zusammen, jeden Stoß mit einem Ausruf begleitend: »So, meine Jungen — das für das Messer — und das für den Rückensprung — und den für die Jungkuh« — und wer weiß, wie lange diese seltsame Litanei noch fortgedauert haben würde, hätte sie nicht ein lautes Rufen gestört.

»Wachis — Cacus — auseinander, sag’ ich!« rief eine volle starke Frauenstimme, und vor der Tür erschien ein stattliches Weib in blauem, gotischem Gewand. Sie war nicht groß und doch imposant: ihr schöner Bau eher mächtig als zart. Die goldbraunen Haare waren in reichen, doch einfachen Flechten um das runde Haupt geschlungen, die Züge regelmäßig, aber eher fest als fein gezeichnet. Geradheit, Tüchtigkeit, Verlässigkeit sprachen aus den fast allzugroßen graublauen Augen: die unbedecktem vollen Arme zeigten, daß sie der Arbeit nicht fremd. An ihrem breiten Gürtel, über den das braune Untergewand von selbstgewirktem Zeuge bauschte, klirrte ein Bund von Schlüsseln: die Linke stemmte sie ruhig in die Hüfte, und befehlend streckte sie die Rechte vor sich hin.

»Eia, Rauthgundis, strenge Frau«, sagte Wachis loslassend, »mußt du denn überall die Augen haben?«

»Überall, wo mein Gesinde Unfug treibt. Wann werdet ihr lernen, euch zu vertragen? Euch Welschen fehlt der Herr im Hause. Aber du, Wachis, solltest nicht auch der Hausfrau Verdruß machen. Komm, Athalwin, mit mir.« Und sie führte den Knaben an der Hand mit fort.

Sie ging in dein Seitenhof und füllte aus einer Truhe Körner in ihr Gewand, die Hühner und Tauben zu füttern, die sie sogleich dicht umdrängten.

Athalwin sah eine Weile schweigend zu. Endlich sagte er: »Du, Mutter, ist’s wahr? Ist der Vater ein Räuber?«

Rauthgundis hielt inne in ihrem Tun und sah das Kind an: »Wer hat das gesagt?«

»Wer? Ei, des Nachbars Calpurnius Neffe. Wir spielten auf dem großen Heuhaufen seiner Wiese drüben überm Zaun, und ich zeigte ihm, wie weit das Land uns gehöre rechts vom Zaun — weit und breit — soweit unsre Knechte mähten und fern der Bach schimmerte. Da ward er zornig und sagte: ‘Ja, und all das Land gehörte früher uns, und dein Vater oder dein Großvater, die haben’s gestohlen, die Räuber.’«

»So? und was sagtest du drauf?«

»Ei, gar nichts, Mutter. Ich warf ihn nur über den Heuhaufen hinunter, daß er die Füße gen Himmel schlug. Aber jetzt, nach der Hand, möcht’ ich doch wissen, ob’s wahr ist.«

»Nein, Kind, es ist nicht wahr. Gestohlen hat’s der Vater nicht. Aber offen genommen, weil er besser war und stärker als diese Welschen. Und alle starken Helden haben’s immer so gemacht zu allen Zeiten. Und die Welschen in den Tagen, da sie stark waren und ihre Nachbarn schwach, am allermeisten. Aber nun komm, wir müssen nach dem Linnen sehen, das auf dem Anger zur Bleiche liegt.«

Als sie nun den Stallungen den Rücken wandten und dem nahen Grashügel links vom Hause zuschritten, hörten sie den raschen Hufschlag eines Rosses, das auf der alten römischen Heerstraße nahte. Rasch hatte Athalwin den Gipfel des Hügels erreicht und blickte nach der Straße hin.

Da sprengte ein Reiter auf einem mächtigen Braunen die Waldhöhe herab auf die Villa zu: hell funkelte sein Helm und die Spitze der Lanze, die er schräg über dem Rücken trug.

»Der Vater, Mutter, der Vater!« rief der Knabe und rannte pfeilgeschwind den Hügel hinab dem Reiter entgegen.

Rauthgundis hatte jetzt auch die Höhe erreicht. Ihr Herz pochte. Sie legte die Hand vors Auge, in die schimmernde Abendröte zu schauen: dann sagte sie still glücklich vor sich hin: »Ja, er ist’s. Mein Mann!«

FÜNFTES KAPITEL

Inzwischen hatte Athalwin den Nahenden schon erreicht und kletterte an seinem Fuß hinan. Der Reiter hob ihn mit liebevoller Hand herauf und setzte ihn vor sich in den Sattel und flog jetzt im Galopp heran: lustig wieherte Wallada, das edle Tier, einst Theoderichs Streitroß, die Heimat und die Herrin erkennend, und schlug freudig mit dem langen, wallenden Schweif.

Nun war der Reiter heran und stieg ab mit dem Knaben. »Mein liebes Weib!« sprach er, sie herzlich umarmend. »Mein Witichis!« flüsterte sie, an seiner Brust erglühend, entgegen, »willkommen bei den Deinen.« — »Ich hatte versprochen, noch vor dem neuen Mond zu kommen, schwer ging’s —«

»Aber du hieltst Wort wie immer.« — »Mich zog das Herz«, sagte er, den Arm um sie schlingend. Sie schritten langsam dem Hause zu. »Dir, Athalwin, ist scheint’s Wallada wichtiger als der Vater«, lächelte er dem Kleinen zu, der sorgfältig das Pferd am Zügel nachführte.

»Nein, Vater, aber gib mir noch die Lanze dazu — so gut wird mir’s selten hier in dem Bauernleben« — und den langen schweren Speerschaft mit Mühe einherschleppend, rief er laut: »He, Wachis, Ansbrand, der Vater hat Durst vom scharfen Ritt.«

Lächelnd strich Witichis über den Flachskopf des Knaben, der jetzt an ihnen vorüber und voran eilte. »Nun, und wie steht’s hier draußen bei euch?« fragte er, auf Rauthgundis blickend. »Gut, Witichis, die Ernte ist glücklich eingebracht, die Trauben gestampft, die Garben geschichtet.« — »Nicht danach frag’ ich«, sagte er, sie zärtlich an sich drückend, — »wie geht es dir?« — »Wie’s einem armen Weibe geht«, antwortete sie, zu ihm aufblickend, »das seinen herzgeliebten Mann vermißt. Da hilft nur Arbeit, Freund, und tüchtig Schaffen, daß man das weiche Herz betäubt. Oft denk’ ich, wie arg du dich mühen mußt, draußen, unter fremden Leuten, im Lager und am Hof, wo niemand dein in Treuen pflegt. Da soll er wenigstens, denk’ ich dann, kommt er heim, sein Haus immer wohl bestellt und traulich finden.

Und das ist’s, sieh, was mir all die dumpfe Arbeit lieb macht und weihet und veredelt.«

»Du bist mein wackeres Weib. Mühst du dich nicht zuviel?«

»Die Arbeit ist gesund. Aber der Verdruß, die Bosheit der Leute, das tut mir weh.« Witichis blieb stehen. »Wer wagt’s, dir wehzutun?« — »Ach, die welschen Knechte und die welschen Nachbarn.

Sie hassen uns alle. Weh uns, wenn sie uns nicht mehr fürchten. Calpurnius, der Nachbar, ist so frech, wenn er dich ferne weiß, und die römischen Sklaven sind trotzig und falsch; nur unsre gotischen Knechte sind brav.«

Witichis seufzte. Sie waren jetzt vor dem Hause angelangt und ließen in dem Säulengang sich vor einem Marmortisch nieder. »Du mußt bedenken«, sagte Witichis, »der Nachbar hat ein Drittel seines Guts und seiner Sklaven an uns abtreten müssen.« — »Und hat zwei Drittel behalten und das Leben dazu — er sollte Gott danken!« meinte Rauthgundis verächtlich.

Da sprang Athalwin heran mit einem Korb voll Äpfeln, die er vom Baum gepflückt; dann kamen Wachis und die andern germanischen Knechte mit Wein, Fleisch und Käse, und sie grüßten den Herrn mit freimütigem Handschlag. »Gut, meine Kinder, seid gegrüßt. Die Frau lobt euch. Aber wo stecken Davus, Cacus und die andern?« — »Verzeih, Herr«, schmunzelte Wachis, »sie haben ein schlecht Gewissen.«

»Warum? Weshalb?« — »Ei, ich glaube, weil ich sie ein bißchen geprügelt habe — sie schämen sich.« Die andern Knechte lachten. »Nun, es kann ihnen nicht schaden«, meinte Witichis, »geht zu eurem Essen. Morgen seh’ ich nach eurer Arbeit.« Die Knechte gingen. »Was ist’s mit Calpurnius«, fragte Witichis, sich einschenkend. Rauthgundis errötete und besann sich: »Das Heu von der Bergwiese«, sagte sie dann, »das unsre Knechte gemäht, hat er nachts in seine Scheuer geschafft und gibt es nicht heraus.« — »Er wird es schon herausgeben, mein’ ich...« sagte er ruhig, trinkend. — »Jawohl«, rief Athalwin lebhaft, »das mein’ ich auch. Und gibt er’s nicht mir noch lieber! Dann sagen wir Fehde an, und ich zieh’ hinüber mit Wachis und den reisigen Knechten, mit Waffen und Wehr. Er sieht mich immer so giftig an, der schwarze Schleicher.«

Rauthgundis wies ihn zur Ruh’ und schickte ihn schlafen. »Wohl, ich gehe«, sagte er, »aber, Vater, wenn du wiederkommst, bringst du mir statt dieses Steckens da ein richtig Gewaffen mit, nicht wahr?« Und er hüpfte ins Haus.

»Der Streit mit diesen Welschen endet nie«, sagte Witichis, »er vererbt sich auf die Kinder. Du hast hier allzuviel Verdruß damit. Desto lieber wirst du tun, was ich dir vorschlage: komm mit nach Ravenna an den Hof.«

Hoch erstaunt blickte ihn das Weib an: »Du scherzest!« sagte sie, ungläubig. »Du hast das nie gewollt. In den neun Jahren, die ich dein bin, ist dir’s nie eingefallen, mich an den Hof zu führen. Ich glaube, es weiß niemand in dem Volk, daß eine Rauthgundis lebt. Du hast ja unsere Ehe geheimgehalten«, lächelte sie, »wie eine Schuld.« — »Wie einen Schatz«, sagte Witichis, die Arme um sie schlingend. — »Ich habe dich nie gefragt, warum. Ich war und bin glücklich dabei und dachte und denke: er wird wohl seinen Grund haben.«

»Ich hatte meinen guten Grund: er besteht nicht mehr. Du magst nun alles wissen. Wenige Monate, nachdem ich dich gefunden in deiner Felseneinsamkeit und lieb gewonnen, kam König Theoderich auf den seltsamen Gedanken, mich seiner Schwester Amalaberga, der Witwe des Thüringerkönigs, zu vermählen, die gegen ihre schlimmen Nachbarn, die Franken, Mannesschutz bedurfte.« — »Du solltest dort die Krone tragen?« sprach Rauthgundis mit strahlenden Augen. — »Mir aber«, fuhr Witichis fort, »war Rauthgundis lieber als Königin und Krone, und ich sagte nein.

Es verdroß ihn schwer, und er verzieh mir nur, als ich ihm sagte, ich würde wohl niemals freien. Konnt’ ich doch damals nicht hoffen, dich je mein zu nennen: du weißt, wie lange dein Vater mißtrauisch und eisern dich mir nicht anvertrauen wollte. Als du nun aber doch mein geworden, da hielt ich’s nicht für wohlgetan, ihm das Weib zu zeigen, um das ich seine Schwester ausgeschlagen.«

»Aber warum hast du mir das verschwiegen, neun Jahre lang»«

»Weil«, sagte er, ihr herzlich in die Augen blickend, »weil’ ich meine Rauthgundis kenne. Du hättest immer geglaubt, wunder was ich an jener Krone verloren. Jetzt aber ist der König tot, und ich bin dauernd an den Hof gebunden. Wer weiß, wann ich wieder ruhen werde im Schatten dieser Säulen, im Frieden dieses Daches.«

Und in kurzen Worten erzählte er ihr den Sturz des Präfekten, und welche Stellung er nunmehr einnahm bei Amalaswinthen. Aufmerksam hörte ihn Rauthgundis an; dann drückte sie ihm die Hand: »Das ist wacker, Witichis, daß die Goten allmählich merken, was sie an dir haben. Und du bist heiterer, denk’ ich, als sonst.«

»Ja, mir ist wohler, seit ich mit tragen darf an der Last der Zeit. Dabei stehen und sie wuchtig drücken sehen auf mein Volk, war viel schwerer. Mich dauert dabei nur die Regentin; sie ist wie eine Gefangene.«

»Bah, warum hat das Weib gegriffen in das Amt der Männer. Mir fiele das nie ein.«

»Du bist keine Königin, Rauthgundis, und Amalaswintha ist stolz.«

»Ich bin zehnmal so stolz wie sie. Aber so eitel bin ich nicht. Sie muß nie einen Mann geliebt haben und seinen Wert und seine Art begriffen. Sie könnte sonst nicht die Männer ersetzen wollen.«

»Am Hof sieht man das anders an. Komm nur mit an den Hof.«

»Nein, Witichis«, sagte sie ruhig, aufstehend, »der Hof paßt nicht für mich. Und ich nicht für den Hof. Ich bin des Ödbauern Kind und gar unhöfisch geartet. Sieh diesen braunen Nacken«, lachte sie, »und diese rauhen Hände. Ich kann nicht die Lyra zupfen und Verslein lesen: schlecht taugt’ ich zu den feinen Römerinnen, und wenig Ehre würdest du haben von mir.«

»Du wirst dich doch nicht zu schlecht erachten für den Hof?« — »Nein, Witichis, zu gut.« — »Nun, man müßte sich gegenseitig ertragen, würdigen lernen.« — »Das würd’ ich nie. Sie vielleicht mich, aus Furcht vor dir, ich niemals sie. Ich würd’ ihnen täglich ins Gesicht sagen, daß sie hohl, falsch und schlecht sind.«

»So willst du lieber deinen Mann entbehren, mondelang?« — »Ja, lieber ihn entbehren, als in schiefer, schlimmer Stellung um ihn sein. O mein Witichis«, sagte sie, innig den Arm um seinen Nacken legend, »denk’ nur, wer ich bin, und wie du mich gefunden.

Wo die letzten Siedelungen unseres Gotenvolkes den Saum der Alpen umgürten, hoch auf den Felsschroffen der Scaranzia, wo die junge Isara schäumend aus den Steinklüften ins offene Land der Bajuwaren bricht, da steht meines Vaters stiller Ödhof. Nichts kannt’ ich da als die strenge Arbeit des Sommers auf den einsamen Almen, des Winters in der rauchgeschwärzten Halle am Rocken mit den Mägden. Früh starb die Mutter, und den Bruder haben die Welschen erstochen. So wuchs ich einsam auf, allein mit dem alten Vater, der so treu, aber auch so hart und verschlossen wie seine Felsen. Da sah ich nichts von der Welt, die rechts und links von unsern Bergen lag. Nur hoch von oben sah ich manchmal neugierig, wie ein Saumroß mit Salz oder Wein in der Talschlucht des Weges zog. Da saß ich wohl manchen schimmervollen Sommerabend auf der zackigen Kulm des hohen Arn. Und sah der Sonne nach, wie sie so herrlich niedersank weit drüben überm Licus: und ich dachte, was sie wohl alles gesehen den langen Sommertag, seit sie aufstieg drüben überm breiten Önus. Und daß ich wohl auch wissen möchte, wie’s aussieht über dem Karwendel. Oder gar drüben, hinter dem Brennusberg, wo der Bruder hinüberzog und nie mehr wiederkam. Und doch fühlte ich, wie schön es sei droben in meiner grünen Einsamkeit, wo ich den Steinadler pfeifen hörte aus dem nahen Horst, und wo ich prächtige Blumen brach, wie sie nicht wuchsen unten in der Ebene, und auch wohl einmal des Nachts den Bergwolf vor meiner Stalltür heulen hörte und mit dem Kienbrand scheuchte.

Und auch in dem frühen Herbst, in den langen Wintern hatte ich Muße, still in mich hineinzusinnen: wann um die hohen Tannen die weißen Nebelschleier spannen, wann der Bergwind die Felsblöcke von unserem Strohdach riß und die Schneestürze von den Schroffen donnernd niedergingen. So wuchs ich auf, fremd in der Welt jenseits der nächsten Wälder, nur zu Hause in der stillen Welt meiner Gedanken, und in dem engen Bauernleben.

Da kamest du — ich weiß es noch wie heute« — und sie hielt an, in Erinnerung verloren.

»Ich weiß es auch noch genau«, sagte Witichis. »Ich führte eine Hundertschaft zur Ablösung von Juvavia nach der Augustastadt am Licus — ich war vom Weg und meinen Leuten abgekommen: lang war ich den schwülen Sommertag pfadlos umhergeirrt — da sah ich Rauch aufsteigen überm Tannenhang, und bald fand ich das versteckte Gehöft und trat ins Tor: da stand ein prächtig Mädchen am Ziehbrunnen und hob den Eimer.«

»Und ich erschrak siedheiß — zum erstenmal in meinem Leben! als der große, bräunliche Mann um die Hausecke bog mit dem krausen Bart und dem funkelnden Helm.«

«Ja, du wurdest blutrot bis in die Schläfe, und ich bat dich um einen Trunk Wasser. Und niemals hat mein Auge ein schöner Bild gesehen, als wie du dich niederbeugtest und mit den kräftigen Armen den schweren Eimer auf den Brunnenrand hobst und mir schöpftest in dem Kürbiskrug: reich fielen die dichten goldbraunen Zöpfe übers schwarze Mieder bis in die Knie, und deine Wangen waren pfirsichgleich: o wie wacker, frisch und blühend sahst du aus. Und wie wacker, frisch und blühend bist du mir geblieben seither alle Zeit.«

»Und darum, mein Witichis, auf daß ich dir blühend bleibe, führe mich nicht an den Hof. Sieh, hier schon im Tal, im Südtal der Alpen, wird mir’s oft zu schwül, und ich sehne mich nach einem Atemzug aus der Tannenluft meiner Waldberge. Am Hofe aber in den engen Goldgemächern — da würd’ ich dir verkümmern und verschmachten. Laß du mich hier — ich will schon fertig werden mit Nachbar Calpurnius. Und du, das weiß ich ja, du denkst auch im Königssaal nach Haus an Weib und Kind.«

»Ja, weiß Gott, mit sehnenden Gedanken. So bleibe denn hier, und Gott behüte dich, mein gutes Weib.« —

Am zweiten Morgen darauf ritt Witichis wieder zurück, die Waldhöhe hinan. Der Abschied hatte ihn fast weich gemacht: mit Kraft hatte er den Ausdruck des Gefühls gehemmt, das er sich, schlicht und streng von Art, zu zeigen scheute. Wie hing des Wackern Herz an diesem kern’gen Weib und seinem Knaben!

Hinter ihm drein trabte Wachis, der sich’s durchaus nicht hatte nehmen lassen, dem Herrn noch eine Strecke das Geleit zu geben. Plötzlich ritt er zu ihm hinan. »Herr«, sagte er, »ich weiß was.« — »So? Warum sagst du’s nicht?« — »Weil mich noch niemand darum gefragt hat.« — »Nun, ich frage dich drum.« — »Ja, wenn man gefragt ist, muß man freilich reden. Die Frau hat dir gesagt, daß Calpurnius so ein böser Nachbar ist?« — »Ja. Und was soll’s damit?« — »Sie hat dir aber nicht gesagt, seit wann?«

»Nein. Weißt du, seit wann?« — »Nun, seit etwa einem halben Jahr. Da traf Calpurnius einmal die Frau im Wald allein, wie sie beide glaubten. Aber sie waren nicht allein. Es lag einer im Graben und hielt seinen Mittagsschlaf.«

»Der Faulpelz warst du.«

»Richtig erraten. Und da sagte Calpurnius etwas zur Frau.«

»Was sagte er?«

»Das hab ich nicht verstanden. Aber die Frau war nicht faul, hob die Hand und schlug ihm ins Gesicht, daß es patschte. Das hab’ ich verstanden. Und seither ist der Nachbar ein schlimmer Nachbar, und das wollt’ ich dir sagen, weil ich mir schon dachte, die Frau werde dich nicht ärgern wollen mit dem Wicht.

Aber es ist doch besser, du weißt darum. Und sieh, da steht Calpurnius gerade unter seiner Hoftür — siehst du, dort — und jetzt fahr’ wohl, lieber Herr.«

Und damit wandte er sein Pferd und jagte im Galopp nach Hause.

Witichis aber stieg das Blut zu Kopf. Er ritt an die Tür seines Nachbarn, dieser wollte sich ins Haus drücken, aber Witichis rief ihn in einem Ton, daß er bleiben mußte.

»Was willst du mir, Nachbar Witichis«, sagte er, blinzelnd zu ihm aufsehend.

Witichis zog den Zügel an und schob sein Roß dicht neben jenen. Dann streckte er ihm die geballte erzgepanzerte Faust hart vor die Augen: »Nachbar Calpurnius«, sagte er ruhig, »wenn ich dir einmal ins Gesicht schlage, stehst du nie wieder auf.«

Calpurnius fuhr erschrocken zurück.

Witichis aber gab seinem Rosse den Sporen und ritt stolz und langsam seines Weges.

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Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
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Public Domain
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