Kitabı oku: «Das Wesen des Christentums », sayfa 6

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Der Verstand ist also das Ens realissimum, das allerrealste Wesen der alten Ontotheologie. »Im Grunde können wir uns«, sagt die Ontotheologie, »Gott nicht anders denken, als wenn wir alles Reale, was wir bei uns selbst antreffen, ohne alle Schranken ihm beilegen.« Unsre positiven, wesenhaften Eigenschaften, unsre Realitäten sind also die Realitäten Gottes, aber in uns sind sie mit, in Gott ohne Schranken. Aber wer zieht denn von den Realitäten die Schranken ab, wer tut sie weg? der Verstand. Was ist demnach das ohne alle Schranken gedachte Wesen anders, als das Wesen des alle Schranken weglassenden, wegdenkenden Verstandes? Wie du Gott denkst, so denkst du selbst – das Maß deines Gottes ist das Maß deines Verstandes. Denkst du Gott beschränkt, so ist dein Verstand beschränkt; denkst du Gott unbeschränkt, so ist auch dein Verstand nicht beschränkt. Denkst du dir z. B. Gott als ein körperliches Wesen, so ist die Körperlichkeit die Grenze, die Schranke deines Verstandes, du kannst dir nichts denken ohne Körper; sprichst du dagegen Gott die Körperlichkeit ab, so bekräftigst und betätigst du damit die Freiheit deines Verstandes von der Schranke der Körperlichkeit. In dem unbeschränkten Wesen versinnlichst du nur deinen unbeschränkten Verstand. Und indem du daher dieses uneingeschränkte Wesen für das allerwesenhafteste, höchste Wesen erklärst, sagst du in Wahrheit nichts weiter als: der Verstand ist das Etre suprême, das höchste Wesen.

Der Verstand ist ferner das selbständige und unabhängige Wesen. Abhängig und unselbständig ist, was keinen Verstand hat. Ein Mensch ohne Verstand ist auch ein Mensch ohne Willen. Wer keinen Verstand hat, läßt sich verführen, verblenden, von andern als Mittel gebrauchen. Wie sollte der im Willen eine Selbstzwecktätigkeit haben, der im Verstande ein Mittel anderer ist? Nur wer denkt, ist frei und selbständig. Nur durch seinen Verstand setzt der Mensch die Wesen außer und unter sich zu bloßen Mitteln seiner Existenz herab. Selbständig und unabhängig ist überhaupt nur, was sich selbst Zweck, sich selbst Gegenstand ist. Was Zweck und Gegenstand seiner selbst ist, das ist eben damit – insofern als es sich selbst Gegen-stand – nicht mehr ein Mittel und Gegenstand für ein andres Wesen. Verstandes-losigkeit ist mit einem Worte Sein für Andres, Objekt, Verstand Sein für sich, Subjekt. Was aber nicht mehr für andres, sondern für sich selbst ist, das verwirft alle Abhängigkeit von einem andern Wesen. Wir hängen allerdings von den Wesen außer uns selbst im Momente des Denkens ab; aber insofern als wir denken, in der Verstandestätigkeit als solcher hängen wir von keinem andern Wesen ab. Die Denktätigkeit ist Selbsttätigkeit. »Wenn ich denke«, sagt Kant in der eben angeführten Schrift, »so bin ich mir bewußt, daß mein Ich in mir denkt und nicht etwa ein anderes Ding. Ich schließe also, daß dieses Denken in mir nicht einem andern Dinge außer mir inhäriert, sondern mir selbst, folglich auch, daß ich Substanz bin, d.h., daß ich für mich selbst existiere, ohne Prädikat eines andern Dings zu sein.« Ob wir gleich immer der Luft bedürfen, so machen wir doch zugleich als Physiker die Luft aus einem Gegenstande des Bedürfnisses zu einem Gegenstand der bedürfnislosen Tätigkeit des Denkens, d.h. zu einem bloßen Ding für uns. Im Atmen bin ich das Objekt der Luft, die Luft das Subjekt; indem ich aber die Luft zum Gegenstande des Denkens, der Untersuchung, der Analyse mache, kehre ich dieses Verhältnis um, mache ich mich zum Subjekt, die Luft zum Objekt von mir. Abhängig ist aber nur, was Gegenstand eines andern Wesens ist. So ist die Pflanze abhängig von Luft und Licht, d.h. sie ist ein Gegenstand für Luft und Licht, nicht für sich. Freilich ist auch wieder Luft und Licht ein Gegenstand für die Pflanze. Das physische Leben ist überhaupt nichts andres, als dieser ewige Wechsel von Subjekt und Objekt, Zweck und Mittel sein. Wir verzehren die Luft und werden von ihr verzehrt; wir genießen und werden genossen. Nur der Verstand ist das Wesen, welches alle Dinge genießt, ohne von ihnen genossen zu werden – das nur sich selbst genießende, sich selbst genügende Wesen – das absolute Subjekt –, das Wesen, welches nicht mehr zum Gegenstand eines andern Wesens herabgesetzt werden kann, weil es alle Gegenstände zu Objekten, zu Prädikaten von sich selbst macht, welches alle Dinge in sich faßt, weil es selbst kein Ding, weil es frei von allen Dingen ist.

Die Einheit des Verstandes ist die Einheit Gottes. Dem Verstande ist das Bewußtsein seiner Einheit und Universalität wesentlich, er ist selbst nichts andres, als das Bewußtsein seiner als der absoluten Einheit, d.h.: was dem Verstande für verstandesgemäß gilt, das ist ihm ein absolutes, allgemein gültiges Gesetz; es ist ihm unmöglich zu denken, daß das, was sich widerspricht, was falsch, unsinnig ist, irgendwo wahr, und umgekehrt das, was wahr, was vernünftig, irgendwo falsch und unvernünftig sei. »Es kann intelligente Wesen geben, die mir nicht gleichen, und doch bin ich gewiß, daß es keine intelligenten Wesen gibt, die andre Gesetze und Wahrheit erkennen als ich, denn jeder Geist sieht notwendig ein, daß zwei mal zwei vier macht und daß man seinen Freund seinem Hunde vorziehen muß. Von einem wesentlich andern Verstand, als dem im Menschen sich betätigenden Verstand habe ich auch nicht die entfernteste Vorstellung, die entfernteste Ahnung. Vielmehr ist jeder vermeintlich andere Verstand, den ich setze, nur eine Bejahung meines eignen Verstandes, d.h. eine Idee von mir, eine Vorstellung, die innerhalb mein Denkvermögen fällt, also meinen Verstand ausdrückt. Was ich denke, das tue ich selbst – natürlich nur bei rein intellektuellen Dingen –, was ich als verbunden denke, verbinde ich, was ich denke als getrennt, unterscheide ich, was ich denke als aufgehoben, als negiert, das negiere ich selbst. Denke ich mir also z.B. einen Verstand, in welchem die Anschauung oder Wirklichkeit des Gegenstandes unmittelbar mit dem Gedanken desselben verbunden ist, so verbinde ich sie wirklich; mein Verstand oder meine Einbildungskraft ist selbst das Verbindungsvermögen dieser Unterschiede oder Gegensätze. Wie wäre es denn möglich, daß du sie dir verbunden vorstelltest – sei diese Vorstellung nun deutlich oder konfus –, wenn du sie nicht in dir selbst verbändest? Wie aber auch nur immer der Verstand bestimmt werde, welchen ein bestimmtes menschliches Individuum im Unterschiede von dem seinigen annimmt – dieser andere Verstand ist nur der im Menschen überhaupt sich betätigende Verstand, der von den Schranken dieses bestimmten, zeitlichen Individuums abgesondert gedachte Verstand. Einheit liegt im Begriffe des Verstandes. Die Unmöglichkeit für den Verstand, sich zwei höchste Wesen, zwei unendliche Substanzen, zwei Götter zu denken, ist die Unmöglichkeit für den Verstand, sich selbst zu widersprechen, sein eignes Wesen zu verleugnen, sich selbst verteilt und vervielfältigt zu denken.

Der Verstand ist das unendliche Wesen. Unendlichkeit ist unmittelbar mit der Einheit; Endlichkeit mit der Mehrheit gesetzt. Endlichkeit – im metaphysischen Sinne – beruht auf dem Unterschied der Existenz vom Wesen, der Individualität von der Gattung; Unendlichkeit auf der Einheit von Existenz und Wesen. Endlich ist darum, was mit andern Individuen derselben Gattung verglichen werden kann; unendlich, was nur sich selbst gleich ist, nichts seinesgleichen hat, folglich nicht als Individuum unter einer Gattung steht, sondern ununterscheidbar in einem Gattung und Individuum, Wesen und Existenz ist. Aber so ist der Verstand; er hat sein Wesen in sich selbst, folglich nichts neben und außer sich, was ihm an die Seite gestellt werden könnte; er ist unvergleichbar, weil er selbst die Quelle aller Vergleichungen; unermeßlich, weil er das Maß aller Maße ist, wir alles nur durch den Verstand messen; er kann unter kein höheres Wesen, keine Gattung geordnet werden, weil er selbst das oberste Prinzip aller Unterordnungen ist, alle Dinge und Wesen sich selbst unterordnet. Die Definitionen der spekulativen Philosophen und Theologen von Gott als dem Wesen, bei welchem sich nicht Existenz und Wesen unterscheiden lassen, welches alle Eigenschaften, die es hat, selbst ist, so daß Prädikat und Subjekt in ihm identisch sind, alle diese Bestimmungen sind also auch nur vom Wesen des Verstandes abgezogne Begriffe.

Der Verstand oder die Vernunft ist endlich das notwendige Wesen. Die Vernunft ist, weil nur die Existenz der Vernunft Vernunft ist; weil, wenn keine Vernunft, kein Bewußtsein wäre, Alles Nichts, das Sein gleich Nichtsein wäre. Bewußtsein erst begründet den Unterschied von Sein und Nichtsein. Erst im Bewußtsein offenbart sich der Wert des Seins, der Wert der Natur. Warum ist überhaupt etwas, warum die Welt? aus dem einfachen Grunde, weil, wenn nicht Etwas existierte, das Nichts existierte, wenn nicht die Vernunft, nur Unvernunft wäre – also darum ist die Welt, weil es ein Unsinn ist, daß die Welt nicht ist. In dem Unsinn ihres Nichtseins findest du den wahren Sinn ihres Seins, in der Grundlosigkeit der Annahme, sie sei nicht, den Grund, warum sie ist. Nichts, Nichtsein ist zwecklos, sinnlos, verstandlos. Sein nur hat Zweck, hat Grund und Sinn; Sein ist, weil nur Sein Vernunft und Wahrheit ist; Sein ist das absolute Bedürfnis, die absolute Notwendigkeit. Was ist der Grund des sich fühlenden Seins, des Lebens? Das Bedürfnis des Lebens. Aber wem ist es Bedürfnis? Dem, was nicht lebt. Nicht ein sehendes Wesen hat das Auge gemacht; wenn es schon sieht, wozu macht es das Auge? Nein! nur das nicht sehende Wesen bedarf des Auges. Wir sind alle ohne Wissen und Willen in die Welt gekommen – aber nur dazu gekommen, daß Wissen und Willen sei. Woher ist also die Welt? Aus Not ist sie, aus Bedürfnis, aus Notwendigkeit, aber nicht aus einer Notwendigkeit, die in einem andern, von ihr unterschiedenen Wesen liegt – was ein reiner Widerspruch ist –, sondern aus eigenster, innerster Notwendigkeit, aus Notwendigkeit der Notwendigkeit, weil ohne Welt keine Notwendigkeit, ohne Notwendigkeit keine Vernunft, kein Verstand ist. Das Nichts, aus dem die Welt gekommen, ist das Nichts ohne die Welt. Allerdings ist also die Negativität, wie die spekulativen Philosophen sich ausdrücken, das Nichts der Grund der Welt – aber ein sich selbst aufhebendes Nichts –, d. h., das Nichts, welches per impossibile existierte, wenn keine Welt wäre. Allerdings entspringt die Welt aus einem Mangel, aus Penia, aber es ist falsche Spekulation, diese Penia zu einem ontologischen Wesen zu machen – dieser Mangel ist lediglich der Mangel, der im angenommenen Nichtsein der Welt liegt. Also ist die Welt nur aus sich selbst und durch sich selbst notwendig. Aber die Notwendigkeit der Welt ist die Notwendigkeit der Vernunft. Die Vernunft als der Inbegriff aller Realitäten – denn was sind alle Herrlichkeiten der Welt ohne das Licht, was ist aber das äußere Licht ohne das innere Licht? – die Vernunft ist das unentbehrlichste Wesen – das tiefste und wesentlichste Bedürfnis. Erst die Vernunft ist das Selbstbewußtsein des Seins, das selbstbewußte Sein; erst in der Vernunft offenbart sich der Zweck, der Sinn des Seins. Die Vernunft ist das sich als Selbstzweck gegenständliche Sein – der Endzweck der Dinge. Was sich selbst Gegenstand, das ist das höchste, das letzte Wesen, was seiner selbst mächtig, das ist allmächtig.

Viertes Kapitel: Gott als moralisches Wesen oder Gesetz

Gott als Gott – das unendliche, allgemeine, anthropomorphismenlose Wesen des Verstandes hat für die Religion nicht mehr Bedeutung, als für eine besondere Wissenschaft ein allgemeiner Grundsatz, womit sie anfängt; es ist nur der oberste, letzte Anhalts- und Anknüpfungspunkt, gleichsam der mathematische Punkt der Religion. Das Bewußtsein der menschlichen Beschränktheit und Nichtigkeit, welches sich mit dem Bewußtsein dieses Wesens verbindet, ist keineswegs ein religiöses Bewußtsein; es bezeichnet vielmehr den Skeptiker, den Materialisten, den Naturalisten, den Pantheisten. Der Glaube an Gott – wenigstens den Gott der Religion – geht nur da verloren, wo, wie im Skeptizismus, Pantheismus, Materialismus, der Glaube an den Menschen, wenigstens den Menschen, wie er in der Religion gilt, verloren wird. Sowenig es daher der Religion Ernst ist und sein kann mit der Nichtigkeit des Menschen, sowenig ist es ihr Ernst mit jenem abstrakten Wesen, womit sich das Bewußtsein dieser Nichtigkeit verbindet. Ernst ist es der Religion nur mit den Bestimmungen, welche dem Menschen den Menschen vergegenständlichen. Den Menschen verneinen, heißt: die Religion verneinen.

Es liegt wohl im Interesse der Religion, daß das ihr gegenständliche Wesen ein andres sei als der Mensch; aber es liegt ebenso, ja noch mehr in ihrem Interesse, daß dieses andre Wesen zugleich ein menschliches sei. Daß es ein andres sei, dies betrifft nur die Existenz, daß es aber ein menschliches sei, die innere Wesenheit desselben. Wenn es ein andres dem Wesen nach wäre, was könnte auch dem Menschen an seinem Sein oder Nichtsein gelegen sein? Wie könnte er an der Existenz desselben so inniges Interesse nehmen, wenn nicht sein eignes Wesen dabei beteiligt wäre?

Ein Beispiel. »Wenn ich das glaube«, heißt es im Konkordienbuch, »daß allein die menschliche Natur für mich gelitten hat, so ist mir der Christus ein schlechter Heiland, so bedarf er wohl selbst eines Heilands.« Es wird also über den Menschen hinausgegangen, ein andres, vom Menschen unterschiednes Wesen aus Heilsbedürfnis verlangt. Aber sowie dieses andre Wesen gesetzt ist, so entsteht auch sogleich das Verlangen des Menschen nach sich selbst, nach seinem Wesen, so wird auch sogleich der Mensch wieder gesetzt. »Hie ist Gott, der nicht Mensch ist und noch nie Mensch worden. Mir aber des Gottes nicht... Es sollt' mir ein schlechter Christus bleiben, der... allein ein bloßer abgesonderter Gott und göttliche Person... ohne Menschheit. Nein, Gesell, wo du mir Gott hinsetzest, da mußt du mir die Menschheit mit hinsetzen

Der Mensch will in der Religion sich befriedigen; die Religion ist sein höchstes Gut. Aber wie könnte er in Gott Trost und Frieden finden, wenn Gott ein wesentlich andres Wesen wäre? Wie kann ich den Frieden eines Wesens teilen, wenn ich nicht seines Wesens bin? Wenn sein Wesen ein andres, so ist auch sein Friede ein wesentlich andrer, kein Friede für mich. Wie kann ich also seines Friedens teilhaftig werden, wenn ich nicht seines Wesens teilhaftig werden kann, wie aber seines Wesens teilhaftig werden, wenn ich wirklich andern Wesens bin? Friede empfindet alles, was lebt, nur in seinem eignen Element, nur in seinem eignen Wesen. Empfindet also der Mensch Frieden in Gott, so empfindet er ihn nur, weil Gott erst sein wahres Wesen, weil er hier erst bei sich selbst ist, weil alles, worin er bisher Frieden suchte und was er bisher für sein Wesen nahm, ein andres, fremdes Wesen war. Und soll und will daher der Mensch in Gott sich befriedigen, so muß er sich in Gott finden. »Es wird niemand die Gottheit schmecken, denn wie sie will geschmecket sein, nämlich, daß sie in der Menschheit Christi betrachtet werde, und wenn du nicht also die Gottheit findest, so wirst du nimmermehr Ruhe haben.« Luther, T. III, p. 589.»Ein jeglich Ding ruhet in der Stätte, aus der es geboren ist. Die Stätte, aus der ich geboren bin, das ist die Gottheit. Die Gottheit ist mein Vaterland. Habe ich einen Vater in der Gottheit? Ja, ich habe nicht allein einen Vater da, sondern ich habe mich selber da; ehe daß ich an mir selber ward, da war ich in der Gottheit geboren.«

Ein Gott, welcher nur das Wesen des Verstandes ausdrückt, befriedigt darum nicht die Religion, ist nicht der Gott der Religion. Der Verstand interessiert sich nicht nur für den Menschen, sondern auch für die Wesen außer dem Menschen, für die Natur. Der Verstandesmensch vergißt sogar über der Natur sich selbst. Die Christen verspotteten die heidnischen Philosophen, weil sie statt an sich, an ihr Heil, nur an die Dinge außer ihnen gedacht hätten. Der Christ denkt nur an sich. Der Verstand betrachtet mit demselben Enthusiasmus den Floh, die Laus, als das Ebenbild Gottes, den Menschen. Der Verstand ist die » absolute Indifferenz und Identität« aller Dinge und Wesen. Nicht dem Christentum, nicht der Religionsbegeisterung – dem Verstandesenthusiasmus nur verdanken wir das Dasein einer Botanik, einer Mineralogie, einer Zoologie, einer Physik und Astronomie. Kurz der Verstand ist ein universales, pantheistisches Wesen, die Liebe zum Universum; aber die charakteristische Bestimmung der Religion, insbesondere der christlichen, ist, daß sie ein durchaus anthropotheistisches Wesen, die ausschließliche Liebe des Menschen zu sich selbst, die ausschließliche Selbstbejahung des menschlichen und zwar subjektiv menschlichen Wesens ist; denn allerdings bejaht auch der Verstand das Wesen des Menschen, aber das objektive, das auf den Gegenstand um des Gegenstandes willen sich beziehende Wesen, dessen Darstellung eben die Wissenschaft ist. Es muß daher noch etwas ganz andres, als das Wesen des Verstandes, dem Menschen in der Religion Gegenstand werden, wenn er sich in ihr befriedigen will und soll, und dieses Etwas wird und muß den eigentlichen Kern der Religion enthalten.

Die in der Religion, zumal der christlichen, vor allen andern hervortretende Verstandes- oder Vernunftbestimmung Gottes ist die der moralischen Vollkommenheit. Gott als moralisch vollkommnes Wesen ist aber nichts andres, als die realisierte Idee, das personifizierte Gesetz der Moralität, das als absolutes Wesen gesetzte moralische Wesen des Menschen – des Menschen eignes Wesen; denn der moralische Gott stellt die Forderung an den Menschen, zu sein, wie Er selbst ist: » Heilig ist Gott, ihr sollt heilig sein, wie Gott« – des Menschen eignes Gewissen, denn wie könnte er sonst vor dem göttlichen Wesen erzittern, vor ihm sich anklagen, wie es zum Richter seiner innersten Gedanken und Gesinnungen machen?

Aber das Bewußtsein des moralisch vollkommnen Wesens als das Bewußtsein eines abstrakten, von allen Anthropopatismen abgesonderten Wesens läßt uns kalt und leer, weil wir den Abstand, die Lücke zwischen uns und diesem Wesen fühlen – es ist ein herzloses Bewußtsein, denn es ist das Bewußtsein unsrer persönlichen Nichtigkeit, und zwar der allerempfindlichsten, der moralischen Nichtigkeit. Das Bewußtsein der göttlichen Allmacht und Ewigkeit im Gegensatze zu meiner Beschränktheit in Raum und Zeit tut mir nicht wehe; denn die Allmacht gebietet mir nicht, selbst allmächtig, die Ewigkeit nicht, selbst ewig zu sein. Aber der moralischen Vollkommenheit kann ich mir nicht bewußt werden, ohne derselben zugleich als eines Gesetzes für mich bewußt zu werden. Die moralische Vollkommenheit hängt, wenigstens für das moralische Bewußtsein, nicht von der Natur, sondern allein vom Willen ab, sie ist eine Willensvollkommenheit, der vollkommne Wille. Den vollkommnen Willen, den Willen, der eins mit dem Gesetze, der selbst Gesetz ist, kann ich nicht denken, ohne ihn zugleich als Willensobjekt, d. h. als Sollen für mich zu denken. Kurz, die Vorstellung des moralisch vollkommnen Wesens ist keine nur theoretische, friedliche, sondern zugleich praktische, zur Handlung, zur Nachahmung auffordernde, mich in Spannung, in Zwiespalt mit mir selbst versetzende Vorstellung; denn indem sie mir zuruft, was ich sein soll, sagt sie mir zugleich ohne alle Schmeichelei ins Gesicht, was ich nicht bin. Und dieser Zwiespalt ist in der Religion um so qualvoller, um so schrecklicher, als sie des Menschen eignes Wesen ihm als ein andres Wesen entgegensetzt und noch dazu als ein persönliches Wesen, als ein Wesen, welches die Sünder von seiner Gnade, der Quelle alles Heils und Glücks, ausschließt, haßt, verflucht.

Wodurch erlöst sich nun aber der Mensch von diesem Zwiespalt zwischen sich und dem vollkommnen Wesen, von der Pein des Sündenbewußtseins, von der Qual des Nichtigkeitsgefühles? Wodurch stumpft er der Sünde ihren tödlichen Stachel ab? Nur dadurch, daß er sich des Herzens, der Liebe als der höchsten, als der absoluten Macht und Wahrheit bewußt wird, daß er das göttliche Wesen nicht nur als Gesetz, als moralisches Wesen, als Verstandeswesen, sondern vielmehr als ein liebendes, herzliches, selbst subjektiv menschliches Wesen anschaut.

Der Verstand urteilt nur nach der Strenge des Gesetzes; das Herz akkommodiert sich, ist billig, nachsichtig, rücksichtsvoll, ανδοωπον. Dem Gesetze, das nur die moralische Vollkommenheit uns vorhält, genügt keiner; aber darum genügt auch das Gesetz nicht dem Menschen, dem Herzen. Das Gesetz verdammt; das Herz erbarmt sich auch des Sünders. Das Gesetz bejaht mich nur als abstraktes, das Herz als wirkliches Wesen. Das Herz gibt mir das Bewußtsein, daß ich Mensch, das Gesetz nur das Bewußtsein, daß ich Sünder, daß ich nichtig bin. Das Gesetz unterwirft sich den Menschen, die Liebe macht ihn frei.

Die Liebe ist das Band, das Vermittlungsprinzip zwischen dem Vollkommnen und Unvollkommnen, dem sündlosen und sündhaften Wesen, dem Allgemeinen und Individuellen, dem Gesetz und dem Herzen, dem Göttlichen und Menschlichen. Die Liebe ist Gott selbst und außer ihr ist kein Gott. Die Liebe macht den Menschen zu Gott und Gott zum Menschen. Die Liebe stärket das Schwache und schwächt das Starke, erniedrigt das Hohe und erhöhet das Niedrige, idealisiert die Materie und materialisiert den Geist. Die Liebe ist die wahre Einheit Gott und Mensch, von Geist und Natur. In der Liebe ist die gemeine Natur Geist und der vornehme Geist Natur. Lieben heißt vom Geiste aus: den Geist, von der Materie aus: die Materie aufheben. Liebe ist Materialismus; immaterielle Liebe ist ein Unding. In der Sehnsucht der Liebe nach dem entfernten Gegenstand bekräftigt der abstrakte Idealist wider Willen die Wahrheit der Sinnlichkeit. Aber zugleich ist die Liebe der Idealismus der Natur; Liebe ist Geist, Esprit. Nur die Liebe macht die Nachtigall zur Sängerin; nur die Liebe schmückt die Befruchtungswerkzeuge der Pflanze mit einer Blumenkrone. Und welche Wunder tut nicht die Liebe selbst in unserm gemeinen bürgerlichen Leben! Was der Glaube, die Konfession, der Wahn trennt, das verbindet die Liebe. Selbst unsre hohe Noblesse identifiziert humoristisch genug die Liebe mit dem bürgerlichen Pöbel. Was die alten Mystiker von Gott sagten, daß er sei das höchste und doch das gemeinste Wesen, das gilt in Wahrheit von der Liebe, und zwar nicht einer erträumten, imaginären Liebe, nein! von der wirklichen Liebe, von der Liebe, die Fleisch und Blut hat.

Ja nur von der Liebe, die Fleisch und Blut hat, denn nur diese kann die Sünden erlassen, welche Fleisch und Blut begangen. Ein nur moralisches Wesen kann nicht vergeben, was gegen das Gesetz der Moralität ist. Was das Gesetz negiert, wird selbst vom Gesetze negiert. Der moralische Richter, welcher nicht menschliches Blut in sein Urteil einfließen läßt, verurteilt unnachsichtlich, unerbittlich den Sünder. Indem daher Gott als ein sündenvergebendes Wesen angeschaut wird, so wird er gesetzt zwar nicht als ein unmoralisches, aber als ein nicht, ein mehr als moralisches, kurz, als ein menschliches Wesen. Die Aufhebung der Sünde ist die Aufhebung der abstrakten moralischen Gerechtigkeit – die Bejahung der Liebe, der Barmherzigkeit, der Sinnlichkeit. Nicht abstrakte, nein! nur sinnliche Wesen sind barmherzig. Die Barmherzigkeit ist das Rechtsgefühl der Sinnlichkeit. Darum vergibt Gott nicht in sich als abstraktem Verstandesgott, sondern in sich als Menschen, im Fleischgewordnen, im sinnlichen Gott die Sünden der Menschen. Gott als Mensch sündigt zwar nicht, aber er kennt doch, er nimmt doch auf sich die Leiden, die Bedürfnisse, die Not der Sinnlichkeit. Das Blut Christi reinigt uns in den Augen Gottes von unsern Sünden, ja nur sein menschliches Blut macht Gott barmherzig, stillt seinen Zorn; d.h.: unsre Sünden sind uns vergeben, weil wir keine abstrakten Wesen, sondern Wesen von Fleisch und Blut sind.

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