Kitabı oku: «Hume. Eine Einführung», sayfa 2

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[21]Grundbegriffe und Methodik

Der Schlüssel zum Verständnis einer philosophischen Theorie liegt in der Klärung ihrer zentralen Begriffe.11 Nach der groben Einbettung der Hume’schen Philosophie in ihren geistesgeschichtlichen Kontext gilt es daher als Nächstes, sich Klarheit über die von Hume verwendete Sprache zu verschaffen. Im Gegensatz zu vielen anderen philosophischen Autoren bedient er sich keiner komplizierten Fachsprache, sondern greift überwiegend auf Begriffe der Alltagssprache zurück. Gerade das macht es jedoch oftmals schwer, zu erkennen, welche der von ihm verwendeten Ausdrücke austauschbar sind und welche er als Termini technici verwendet, also als Fachausdrücke, denen er innerhalb seiner Theorie eine ganz bestimmte, vom Alltagsgebrauch mehr oder weniger stark abweichende Bedeutung zuweist.

Den Ausgangspunkt für Humes gesamte Philosophie bilden die sogenannten Perzeptionen (perceptions).12 Darunter versteht er alle Gefühle, Gedanken, Wahrnehmungen, Wünsche und sonstigen Bewusstseinsinhalte. Der Begriff des Perzipierens umfasst damit all das, was bei Descartes unter den Begriff des Denkens (cogitare) gefasst wird. Wie Descartes geht auch Hume davon aus, dass wir an der Existenz dieser Bewusstseinsinhalte, mithin an der Tatsache, dass es so etwas wie Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen gibt, nicht sinnvoll zweifeln können. Der Rationalist Descartes meint jedoch, die Unbezweifelbarkeit der Existenz von Bewusstseinsinhalten, zum Beispiel des geistigen Aktes des Zweifelns selbst, versichere uns der Existenz eines Ichs, also einer denkenden Substanz als Träger dieser Bewusstseinsinhalte. Daher der berühmte Satz: Cogito, ergo sum. – Ich denke, also bin ich.13 Diesen Schritt geht Hume nicht mit. Unmittelbar einsehbar ist für ihn nur die Existenz konkreter Perzeptionen, [22]nicht jedoch die Existenz von etwas so Allgemeinem wie einer Substanz.

Die Perzeptionen unterteilt Hume in Eindrücke (impressions) und Vorstellungen bzw. Ideen (ideas). (Vgl. T 1.1.1.1; SBN 1; EHU 2.3; SBN 18.) Unter Eindrücken versteht er Perzeptionen, die unmittelbar und mit großer Lebhaftigkeit erfahren werden. Sie repräsentieren nichts, sondern sind ursprüngliche Entitäten.14 Zu ihnen gehören Gefühle, Wünsche und Sinneswahrnehmungen. Vorstellungen sind hingegen die schwächeren und weniger lebhaften Abbilder von Eindrücken. Von Vorstellungen spricht Hume, wenn wir uns etwa an ein Gefühl erinnern, das nicht mehr gegenwärtig ist, oder uns lediglich vorstellen, einen bestimmten Gegenstand zu sehen.

Eindrücke und Vorstellungen lassen sich jeweils weiter in einfache (simple) und zusammengesetzte (complex) unterteilen. Während Sie dieses Buch in Händen halten und diese Zeilen lesen, haben Sie nach Hume den komplexen Eindruck eines Buches, der sich aus verschiedenen haptischen und visuellen (einfachen) Eindrücken zusammensetzt. Wenn Sie das Buch weglegen, die Augen schließen und an das Buch denken, ist es Ihrem Geist als eine zusammengesetzte Vorstellung präsent. Aus dieser können Sie einfache Vorstellungen isolieren, indem Sie beispielsweise gezielt daran denken, wie sich das Buch angefühlt hat.

Humes weitere Unterteilung der Perzeptionen ist einigermaßen komplex, für ein angemessenes Verständnis seiner Philosophie jedoch unverzichtbar. Das folgende Schema mag dabei als grobe Orientierungshilfe dienen:


[23]Gemäß der von Hume gewählten Reihenfolge gehe ich zunächst auf den Bereich der Vorstellungen ein. Ein zentraler Streitpunkt zwischen Rationalisten und Empiristen ist die Frage, ob es angeborene Ideen gibt. Descartes hält das für erwiesen, der Empirist Locke hingegen bestreitet es.15 Hume gibt im Wesentlichen Locke recht, kritisiert jedoch, dass der Begriff der Idee (idea) bei Locke auch diejenigen Perzeptionen einschließt, die Hume selbst als Eindrücke bezeichnet. Bestimmte Eindrücke, zum Beispiel Emotionen oder das Hungergefühl eines Säuglings, können nach Hume durchaus als angeboren bezeichnet werden. Für Vorstellungen gilt genau das jedoch nicht. Nach Hume muss zumindest jeder einfachen Vorstellung ein ihr zeitlich vorangehender, einfacher Eindruck entsprechen.16 Man bezeichnet das auch als Copy-These.17 Ein von Geburt an Blinder kann keine Vorstellung von etwas Rotem haben, weil er noch nie eine Farbwahrnehmung hatte.

Mithilfe unserer Einbildungskraft (imagination) können wir allerdings verschiedene einfache Vorstellungen zu immer komplexeren Vorstellungen kombinieren. Um mir ein goldenes Einhorn vorstellen zu können, muss ich also nicht unbedingt schon einmal eines gesehen haben; es reicht aus, wenn ich schon einmal etwas Goldenes, ein Pferd und ein Horn gesehen habe. Ein mindestens ebenso wichtiges Vermögen ist [24]für Hume das Erinnerungsvermögen (memory), das im Vergleich zur Einbildungskraft deutlich lebhaftere Vorstellungen hervorbringt.18 Auf diese Weise ist es uns möglich, zwischen der Erinnerung an reale Erlebnisse und bloßen Fiktionen zu unterscheiden. So erkennen wir die Vorstellung eines Einhorns nach Hume als Fantasieprodukt, weil wir sie ganz anders (weniger lebhaft) perzipieren als etwa die Vorstellung eines Nashorns (sofern wir schon einmal eines gesehen haben).

Durch diesen Ansatz meint Hume die Entstehung all unserer Vorstellungen erklären zu können. Doch was ist mit allgemeinen Vorstellungen wie denen von Obst, Werkzeug oder Säugetieren? Liegen derartigen Vorstellungen ebenfalls Eindrücke zugrunde? In gewisser Weise ist das so. Hume folgt hier im Wesentlichen der Theorie von George Berkeley.19 Er vertritt die Auffassung, dass uns allgemeine oder abstrakte Vorstellungen (abstract or general ideas) stets in Form von konkreten Vorstellungen präsent sind. (Vgl. T 1.1.7.1–18; SBN 17–25.) Wenn ich Sie jetzt zum Beispiel auffordere, an ein Werkzeug zu denken, so wird der allgemeine Begriff »Werkzeug« bei Ihnen die Vorstellung an ein bestimmtes Werkzeug hervorrufen, möglicherweise an den Hammer, den Sie unlängst verwendet haben. Stelle ich den Begriff »Werkzeug« dann allerdings in einen bestimmten Kontext, etwa in den der Elektroinstallation, so wird jene konkrete Vorstellung in Ihrem Geist vielleicht durch eine andere, passendere Vorstellung ersetzt, zum Beispiel durch die eines kleinen, roten Schraubenziehers. Ihr Begriff und Ihre allgemeine Vorstellung von Werkzeug ändern sich nicht, doch die konkrete Vorstellung, durch die Ihnen die abstrakte Vorstellung mental präsent ist, passt sich dem jeweiligen Kontext an.

Nach Hume gibt es noch eine zweite Art, wie wir zu abstrakten Vorstellungen kommen können. Woher stammt beispielsweise Ihre Vorstellung von »rund«? Haben Sie jemals einen [25]einfachen Eindruck von Rundheit gehabt? Hume bestreitet das. Sie haben jedoch die Erinnerung an Einzeldinge, die rund sind. Die Vorstellung des Runden ist Ihnen stets durch eines dieser konkreten Einzeldinge präsent, durch die Vorstellung eines gezeichneten Kreises oder einer weißen Marmorkugel etc. Wir alle haben gelernt, dass Begriffe wie »rund« bestimmte Gemeinsamkeiten dieser Einzeldinge bezeichnen. Rund ist für uns nach Hume das, was der Fußball im Garten, der Teller auf dem Tisch und der Buchstabe O gemeinsam haben. Wann immer wir den Begriff hören, tritt die Vorstellung einzelner runder Dinge in unser Bewusstsein, und wir abstrahieren von allen Eigenschaften, die diese Dinge nicht miteinander gemeinsam haben.

Doch wie kommt es überhaupt, dass die Erwähnung eines bestimmten Wortes die Vorstellung eines bestimmten Einzeldings hervorruft? Und wie gelangen wir in unserem Denken von einer Vorstellung zu einer anderen? Nach Hume vollzieht sich der Übergang zwischen zwei Vorstellungen nach drei Assoziationsprinzipien (principles of association). (Vgl. T 1.1.4.1; SBN 10 f.; EHU 3.2; SBN 24.) Bei diesen handelt es sich um Ähnlichkeit (resemblance), raum-zeitliche Nähe (contiguity) und das Prinzip von Ursache und Wirkung (cause and effect). Wenn Sie an einen Ort zurückkehren, an dem Sie lange nicht waren, wird Ihr Denken in der Regel auf Dinge gelenkt, die Sie während Ihres letzten Aufenthalts dort oder in der unmittelbaren Umgebung gesehen oder getan haben. Als Kleinkinder lernen wir die Bedeutung vieler Wörter, indem Erwachsene das Wort aussprechen, während wir einen Eindruck des Gegenstandes haben, den es bezeichnet. Durch das zeitliche Nebeneinander von Wort und Gegenstand werden die Vorstellungen von beidem so eng miteinander verknüpft, dass die Vorstellung des Wortes unser Denken unwillkürlich auf die Vorstellung des Gegenstandes lenkt. (Die Stärke dieser Verknüpfung lässt sich [26]leicht an einem Beispiel demonstrieren: Versuchen Sie einmal, jetzt nicht an einen Fußball zu denken!) Ähnlich liegt der Fall, wenn man Kindern Wörter mithilfe eines Bilderbuchs beibringt. Hier kommt das Prinzip der Ähnlichkeit zwischen dem Bild und dem Abgebildeten hinzu. Die Ähnlichkeit ist es auch, die Kindern die Erkenntnis erlaubt, dass nicht jedem Einzelding ein eigener Begriff entspricht, sondern dass verschiedene Einzeldinge oft durch denselben Begriff bezeichnet werden oder dass zwei nahezu identische, zeitlich auseinanderliegende Eindrücke oft Perzeptionen desselben Gegenstandes sind. Das dritte Assoziationsprinzip schließlich sorgt beispielsweise dafür, dass uns die Erwähnung der Mona Lisa unwillkürlich an Leonardo da Vinci als ihren Erschaffer denken lässt.

Doch warum ist das so? Warum funktioniert das menschliche Denken gerade nach diesen Prinzipien? Nach Hume lässt sich diese Frage nicht mehr sinnvoll beantworten. Wenn wir die grundlegenden Prinzipien der menschlichen Natur erst einmal entdeckt, sie angemessen beschrieben und in ihrer genauen Funktionsweise erklärt haben, haben wir alles geleistet, was von einem Philosophen legitimerweise erwartet werden kann.

Das klingt einfach, erweist sich in der Praxis jedoch als durchaus kompliziert. Die drei Assoziationsprinzipien stellen zwar die unverzichtbare Grundlage des Denkens dar, stehen diesem zuweilen jedoch auch geradezu im Wege. Vor allem die Ähnlichkeit bringt uns immer wieder dazu, verschiedene Vorstellungen miteinander zu verwechseln. Besonders anschaulich lässt sich dies an folgendem antikem Paralogismus vorführen: »Keine Katze hat zwei Schwänze. Eine Katze hat einen Schwanz mehr als keine Katze. Also hat eine Katze drei Schwänze.«20 Die Erfahrung lehrt uns, dass das Ergebnis dieser Argumentation falsch sein muss. Doch wo genau liegt der Denkfehler? Frei nach Hume könnten wir sagen, er liegt in der [27]Verwechslung zweier einander ähnlicher Vorstellungen, die beide mit dem sprachlichen Ausdruck »keine Katze« assoziiert werden. Im ersten Satz meint der Begriff eine leere Menge ({ }), im zweiten eine bestimmte Anzahl (0) von Katzen.

Die Gefahr für den Philosophen liegt nun darin, dass die Verwechslung zweier Vorstellungen im Bereich philosophischer Theoriebildung oft nur schwer zu entdecken ist. Anders als in dem gerade behandelten Beispiel ist es im Fall von abstrakten Gedankengängen nur selten auf den ersten Blick offensichtlich, dass sie der Erfahrung widersprechen. Je allgemeiner und abstrakter die Vorstellungen sind, desto leichter werden sie miteinander verwechselt. Im schlimmsten Fall entstehen dabei Begriffe, die bei näherer Betrachtung vollkommen sinnlos sind, da sie keinerlei Bezug zur Erfahrung mehr aufweisen.

Hume schlägt daher ein Testverfahren für philosophische Begriffe vor: Wann immer wir den Verdacht hegen, dass ein bestimmter philosophischer Begriff bedeutungslos sein könnte, müssen wir uns fragen, auf welchem Eindruck die Vorstellung beruht, auf die er sich bezieht.21 Wenn sich kein solcher Eindruck finden lässt, haben wir es mit einem sinnlosen Begriff zu tun. Dies ist der Kern von Humes philosophischer Methode in nahezu allen Bereichen seiner Philosophie.

Begriffe wie »rot«, »Furcht«, »Pferd«, »rund« oder »Werkzeug« bestehen den von Hume vorgeschlagenen Test auf ihre je eigene Weise. Der im Zusammenhang mit Descartes bereits erwähnte Begriff der Substanz besteht ihn hingegen nicht. (Vgl. T 1.1.6.1–3; SBN 15–17.) Der Begriff »Materie« mag noch als allgemeine Vorstellung von körperlichen Dingen durchgehen. Doch da Descartes zwischen einer ausgedehnten und einer geistigen Substanz unterscheidet, müsste der Begriff der Substanz etwas bezeichnen, das sowohl körperlicher als auch geistiger Realität zugrunde liegt. Ein Eindruck, der als »Kopiervorlage« für eine solche Vorstellung dienen könnte, ist nicht zu finden. Wir [28]haben daher keinen Grund anzunehmen, dass es ein reales Etwas gibt, das die Bezeichnung als Substanz verdient.

Die Vorstellung des eigenen Ichs hat für Hume daher auch nichts mit einer immateriellen Seelensubstanz als Träger unserer Perzeptionen zu tun. Denn es lässt sich kein einzelner Eindruck entdecken, der der Vorstellung von einem Ich zugrunde liegen könnte. Der abstrakte Begriff »Ich« bezeichnet nach Hume vielmehr ein Bündel von Perzeptionen (bundle of perceptions), genauer gesagt diejenigen Eindrücke und Vorstellungen, die ein Mensch im Laufe seines Lebens perzipiert.22 Das Ich ist nicht das Theater, in dem die Perzeptionen als Schauspieler auf- und abtreten; es ist die Bezeichnung für die Gruppe der Darsteller, die Art und Weise und die Geschichte ihres Spiels. Denkt man sich die Schauspieler weg, so bleibt keine leere Bühne zurück, sondern gar nichts.23

Mit diesem Ansatz erteilt Hume der Substanz-Metaphysik seiner Zeit eine deutliche Absage. Die lange Zeit kontrovers diskutierte Frage, ob es nur eine einzige Substanz gibt, ob diese materiell oder immateriell ist oder ob es, wie die Dualisten meinen, eine materielle und eine zweite, von ihr verschiedene immaterielle Seelensubstanz gibt, kann und braucht nach Hume nicht beantwortet zu werden, weil es schlicht nicht sinnvoll ist, sie zu stellen.

In dieser Weise untersucht Hume mehrere zentrale Begriffe aus verschiedenen Bereichen der Philosophie wie »Kausalität«, »Freiheit«, »Schönheit«, »Tugend« oder »Gott«. Seine Ausführungen hierzu lassen sich stets als Antwort auf die Frage verstehen, welche konkreten Vorstellungen mit diesen allgemeinen Begriffen verbunden sind und auf welchen Eindrücken diese Vorstellungen letztlich beruhen.

So viel zunächst zum Bereich der Vorstellungen. Um Humes Testverfahren zur Rückführbarkeit von Begriffen auf die ihnen zugrunde liegenden Eindrücke richtig zu verstehen und sicher [29]anwenden zu können, ist es allerdings unabdingbar, sich vor der Auseinandersetzung mit konkreten Anwendungsbeispielen auch über die verschiedenen Arten von Eindrücken klar zu werden.

Eindrücke werden von Hume in primäre und sekundäre unterteilt. (Vgl. T 2.1.1.1; SBN 275.) Die primären Eindrücke (original impressions or impressions of sensation) entstehen, ohne dass ihnen andere Perzeptionen vorausgehen müssen. Zu den primären Eindrücken gehören Sinneswahrnehmungen (sensations), körperliche Lust- und Schmerzempfindungen, aber auch Gefühle wie Hunger oder Müdigkeit. All diese Eindrücke entstehen nicht aus Reflexion, sondern aus der Beschaffenheit unserer Natur. Die sekundären Eindrücke oder Eindrücke der Selbstwahrnehmung (secondary or reflective impressions) gehen hingegen entweder aus primären Eindrücken oder aus deren Vorstellung hervor. Zu ihnen gehören alle Affekte (passions).

Für die Affekte interessiert sich Hume in besonderem Maße. Er sieht in ihnen den Schlüssel zum Verständnis unseres Handelns und unserer Werturteile. Hume teilt sie hinsichtlich ihrer Intensität in ruhige (calm) und heftige (violent) ein. (Vgl. T 2.1.1.3; SBN 276.) Ruhige Affekte werden im Gegensatz zu heftigen eher an ihrer Wirkung als an ihrer Empfindungsqualität erkannt. Zu ihnen gehören zum Beispiel ästhetische und moralische Empfindungen, die Liebe zum Leben oder die allgemeine Bevorzugung des Guten gegenüber dem Schlechten. (Vgl. T 2.3.3.8; SBN 417.) Die Intensität eines Affekts darf nicht mit seiner Stärke verwechselt werden. (Vgl. T 2.3.4.1; SBN 419.) Wenn es zu einem Widerstreit zwischen ruhigen und heftigen Affekten kommt, können sich auch die ruhigen Affekte durchsetzen.

Das zweite Kriterium zur Unterscheidung der Affekte ist die Art und Weise ihrer Entstehung. Hier differenziert Hume [30]zwischen direkten (direct) und indirekten (indirect) Affekten. (Vgl. T 2.1.1.4; SBN 276 f.) Direkte Affekte wie Verlangen und Abneigung oder Hoffnung und Furcht entstehen unmittelbar aus Lust bzw. Unlust oder aus einem natürlichen, nicht näher erläuterbaren Instinkt. Nach Hume gibt es auch zwischen Eindrücken so etwas wie eine natürliche Assoziation, die anders als im Bereich der Vorstellungen allerdings nur auf dem Prinzip der Ähnlichkeit beruht.24 Diese Ähnlichkeit kann die Empfindungsqualität oder auch die Intensität betreffen. Der Geruch einer leckeren Speise weckt den Affekt des Verlangens, weil sich beide Eindrücke hinsichtlich ihrer positiven Empfindungsqualität ähneln. Andererseits wird heftige Liebe eher in heftigen Hass umschlagen als in Gleichgültigkeit.

Indirekte Affekte wie Stolz und Scham, Liebe und Hass oder Mitleid und Schadenfreude erfordern neben einem ihnen ähnlichen Affekt, der ihnen vorangeht, zusätzlich einen gedanklichen Gegenstand besonderer Art. (Vgl. T 2.1.2.4; SBN 278.) Die Entstehung dieser Affekte beruht nach Hume auf einem doppelten Impuls (double impulse; vgl. T 2.1.4.4; SBN 284.), nämlich einerseits auf einer Assoziation von Vorstellungen (association of ideas) und andererseits – wie die direkten Affekte – auf einer Assoziation der Gefühle (association of impressions or emotions). Wenn das Essen gut schmeckt, so reicht diese Tatsache allein noch nicht aus, um Stolz (in Humes Sinne) zu empfinden. Wenn Sie das Essen jedoch selbst gekocht haben, so werden Ihre Gedanken vom angenehmen Geschmack des Essens auf Sie selbst als dessen Ursache gelenkt. Erst aus diesem doppelten Impuls entsteht der Affekt des Stolzes. Überlegungen dieser Art werden insbesondere im Zusammenhang mit Humes Konzeption des moralischen Gefühls wichtig werden.

[31]Die Vernunft und ihre Grenzen

Ein wiederkehrendes Thema in Humes Philosophie ist die Frage nach der Art des Zusammenspiels zwischen Vernunft und Gefühl. Hume versucht zu zeigen, dass viele Prozesse, die wir traditionell auf das Wirken der Vernunft zurückführen, erst durch die Mitwirkung oder sogar unter Leitung des Gefühls zustande kommen. Sein schwacher Vernunftbegriff hat Hume vonseiten seiner Kritiker seit jeher den Ruf eines Skeptikers eingebracht. Diese Einschätzung entspricht durchaus seinem Selbstbild. Wer Hume allerdings auf diesen Aspekt seiner Philosophie reduziert, wie dies bei vielen Interpreten bis weit ins 20. Jahrhundert hinein üblich war, tut ihm Unrecht. Die Vernunft ist für ihn zwar tatsächlich die »Sklavin der Affekte« (slave of the passions; vgl. T 2.3.3.4; SBN 415). Als Historiker wusste Hume jedoch nur zu gut, dass Sklaven in der antiken Gesellschaft durchaus wichtige Arbeiten zu verrichten hatten. Seine Sklaven-Metapher soll lediglich verdeutlichen, dass die zentralen Entscheidungen nicht von der Vernunft, sondern vom Gefühl getroffen werden.

Abgesehen davon betrachtet Hume die Vernunft durchaus als ein wichtiges und sowohl in der Philosophie als auch im Alltag hoch geschätztes Werkzeug. Die Vernunft arbeitet den Affekten zu, indem sie möglichst korrekte und vollständige Informationen über die Situation liefert, in der wir uns befinden. Diese Informationen rufen ihrerseits bestimmte Affekte hervor oder weisen ihnen die Richtung, zeigen also die Mittel zum Erreichen eines durch die Affekte vorgegebenen Zwecks auf. (Vgl. T 3.1.1.12; SBN 459.)

In erster Linie ist die Vernunft für Hume jedoch einfach das Vermögen, zwischen Wahrheit und Irrtum zu unterscheiden. Dies gelingt ihr, indem sie Urteile daraufhin überprüft, ob sie mit den realen Vorstellungsbeziehungen (relations of ideas) [32]bzw. den realen Tatsachen (matters of fact) übereinstimmen.25 Die Unterscheidung zwischen Vorstellungsbeziehungen und Tatsachen (vgl. EHU 4.1; SBN 25.) wird oft als »Humes Gabelung« (Hume’s fork) bezeichnet. Was ist mit diesen Ausdrücken gemeint?

Mit Vorstellungsbeziehungen haben wir es vorwiegend im Bereich der Mathematik zu tun. Eine Aussage drückt eine Vorstellungsbeziehung aus, wenn ihre Wahrheit oder Falschheit intuitiv oder demonstrativ erkannt werden kann. Die Aussage »1 = 1« kann intuitiv als wahr erkannt werden. Der Satz des Pythagoras ist zwar nicht intuitiv als wahr erkennbar, seine Wahrheit kann jedoch demonstriert werden, indem man eine lückenlose Kette von Beweisschritten bildet, die jeder für sich genommen intuitiv als wahr erkannt werden. Sätze, die Vorstellungsbeziehungen ausdrücken, liefern uns keine neuen Erkenntnisse über ihr Subjekt, sondern stellen lediglich eine erläuternde Analyse der verwendeten Begriffe dar. In der Philosophie werden solche Sätze daher als analytisch26 bezeichnet. Die Wahrheit einer analytischen Aussage hängt nicht von der Erfahrung ab. Dass die Winkelsumme eines Dreiecks 180 Grad beträgt oder dass ein Junggeselle ein unverheirateter Mann ist, sind a priori wahre Aussagen, ganz unabhängig davon, ob Dreiecke oder Junggesellen tatsächlich existieren. Das Gegenteil dieser Aussagen lässt sich zwar in Worte fassen, kann jedoch nicht klar vorgestellt werden, da eine solche Vorstellung einen Widerspruch enthalten würde. Wer ernsthaft behauptet, die Vorstellung eines verheirateten Junggesellen bilden zu können, hat nicht verstanden, was ein Junggeselle ist.

Sobald wir behaupten, dass etwas existiert oder in der Welt der Fall ist, reden wir nach Hume jedoch nicht mehr über Vorstellungsbeziehungen, sondern über Tatsachen. Die Wahrheit einer Aussage, die eine Tatsache ausdrückt, kann nur durch Rückgriff auf die Erfahrung, also a posteriori überprüft werden. [33]Um zu entscheiden, ob ein Satz wie »Morgen wird es regnen« wahr ist, genügt es nicht, die Bedeutung der verwendeten Begriffe zu kennen. Die Vorstellung des morgigen Tages lässt sich ebenso widerspruchsfrei mit der Vorstellung von Regen wie ohne sie denken. Derartige Sätze werden daher auch als synthetisch bezeichnet, weil in ihnen zwei Vorstellungen miteinander verknüpft werden, die nicht notwendigerweise zusammengehören. Anders als im Fall von Vorstellungsbeziehungen ist das Gegenteil einer Tatsache stets vorstellbar und damit möglich. Eine Tatsache lässt sich daher niemals intuitiv oder durch Demonstration als wahr oder falsch erkennen. Ob es draußen gerade regnet oder nicht, kann nicht durch reines Nachdenken, sondern nur durch Nachschauen festgestellt werden.

Hume geht davon aus, dass alle Urteile entweder analytisch a priori oder synthetisch a posteriori sind. Ein synthetisches Urteil a priori im Sinne Kants27 hält Hume für unmöglich. Er kritisiert, dass einige seiner Zeitgenossen philosophische Fragen auch dann wie Fragen der Mathematik behandeln, wenn sie Tatsachen wie das Wesen der Moralität oder die Existenz Gottes betreffen. Diese Autoren reden in analytischen Sätzen über die Beziehung zwischen Begriffen, die keine Grundlage in der Erfahrung haben. Ihre so entwickelten Systeme mögen in sich konsistent sein, verhelfen uns aber zu keinerlei Erkenntnissen über uns selbst oder über die Welt. Wenn es um Tatsachenfragen geht, darf sich der Philosoph, so Hume, nicht an der Mathematik, sondern nur an der experimentellen Methode der Naturwissenschaften (im bereits erläuterten Sinne) orientieren.

Aus diesem Ansatz ergeben sich schwerwiegende Konsequenzen für die Grenzen sinnvollen Philosophierens: Wahre Wissenschaft ist nach Hume nur in zwei Bereichen möglich. Der erste ist der Bereich des logisch-mathematischen Denkens, in dem wir es mit rein analytischen Urteilen zu tun [34]haben. Der zweite ist der Bereich der Tatsachenwissenschaften, deren Grundlage allein die Erfahrung sein kann. Alle Fragen, die Tatsachen und Existenz betreffen, zu deren Beantwortung jedoch nicht auf Erfahrung zurückgegriffen werden kann, sind kein Gegenstand seriöser Wissenschaft. Wer sich dennoch mit ihnen beschäftigt und beispielsweise meint, als Philosoph Aussagen über das Wesen Gottes machen zu können, betreibt nutzlose, spekulative Metaphysik. Hume geht so weit, zu empfehlen, alle Bücher, die in dieser oder ähnlicher Weise die Grenzen des sinnvollen Denkens überschreiten, ins Feuer zu werfen. (Vgl. EHU 12.34; SBN 165.)

Die Unterscheidung zwischen Vorstellungsbeziehungen und Tatsachen ist insbesondere dort wichtig, wo es um die Frage nach der Gewissheit von Urteilen geht. Hume unterscheidet drei Arten einer solchen Gewissheit: Wissen (knowledge), Beweis (proof) und Wahrscheinlichkeit (probability). (Vgl. T 1.3.11.2; SBN 124.) Wirklich sicheres Wissen ist nur im Bereich von Vorstellungsbeziehungen möglich, da das Gegenteil einer Tatsache (theoretisch) stets möglich ist. In der Praxis gibt es jedoch auch Tatsachen, an denen wir faktisch niemals zweifeln würden, weil sie durch einen Beweis belegt sind. Unter einem Beweis versteht Hume die vielfach wiederholte Erfahrung einer ausnahmslosen Regelmäßigkeit. Als Beispiel nennt er das tägliche Aufgehen der Sonne. An der Tatsache, dass die Sonne morgen wieder aufgehen wird, würden wir nach Hume nur dann zweifeln, wenn auch ihr Gegenteil durch einen Beweis belegbar wäre. Ein solcher Fall, in dem Beweis gegen Beweis steht, hat sich faktisch aber noch nie ereignet. In den Bereich bloßer Wahrscheinlichkeit fallen schließlich alle Annahmen über Tatsachen, an denen zu zweifeln möglich und angebracht ist. Beim Wurf mit einem sechsseitigen Würfel ist es wahrscheinlicher, dass keine Sechs fällt, als dass sie fällt – aber sie könnte trotzdem fallen. Hume nennt diese [35]mathematische Art der Wahrscheinlichkeit die Wahrscheinlichkeit des Zufalls (probability of chances). Von ihr unterscheidet er die Wahrscheinlichkeit der Ursachen (probability of causes), die sich nicht aus bloßem Nachdenken ergibt, sondern Erfahrung voraussetzt. Der Verzehr von Rhabarber wirkt meistens abführend, aber keineswegs immer. Daher ist es nicht sicher, sondern nur wahrscheinlich, dass dieser Effekt bei einem erneuten Verzehr wieder eintritt. Es wäre auch möglich, dass andere, uns unbekannte Ursachen diese Wirkung im Einzelfall verhindern. (Vgl. T 1.3.11.3–13; SBN 124–130; EHU 6.1–4; SBN 56–59.)

Die Aufgabe der Vernunft ist es also, zu ermitteln, ob eine bestimmte Überzeugung wahr oder falsch ist und welche Art von Gewissheit ihr zugestanden werden kann. Wie genau macht sie das? Hume charakterisiert die Vernunft zum einen als die Ursache der Wahrheit,28 zum anderen als eine Teilmenge der Prinzipien der Einbildungskraft. Zur Vernunft zählen nach Hume diejenigen Prinzipien der Einbildungskraft, die dauerhaft (permanent), unwiderstehlich (irresistable) und allgemein (universal) sind. Dazu gehört beispielsweise der Schluss von einer Ursache auf ihre Wirkung, auf den später noch einzugehen sein wird. Stellt man eine vernünftige Gedankenkette einer unvernünftigen direkt gegenüber, so wird sich die vernünftige natürlicherweise durchsetzen und die weniger vernünftige aus dem Denken verdrängen. (Vgl. T 1.4.4.1; SBN 225.)

Nimmt man all diese Beschreibungen der Vernunft zusammen, so stellt sich Hume die Funktion der Vernunft offenbar so vor: »Vernunft« ist ein allgemeiner Begriff, unter dem wir die besonders zuverlässigen und intersubjektiv einheitlich funktionierenden Prinzipien des Denkens zusammenfassen. Diese erzeugen wahre Urteile, die uns wiederum als Maßstab für Urteile dienen können, die anderen Quellen entstammen. Wenn wir mit einer Aussage konfrontiert werden, deren [36]Wahrheitsgehalt fraglich ist, beurteilen wir sie durch den Vergleich mit denjenigen Urteilen, zu denen uns der (ungestörte) Gebrauch der Vernunft führt. Stimmt sie mit diesen Urteilen überein, halten wir sie für wahr, tut sie es nicht, halten wir sie für falsch.

Doch wie äußert sich dieses Fürwahrhalten? Nach Hume liegt der Unterschied zwischen einer rein fiktiven oder für falsch gehaltenen Vorstellung und einer für wahr gehaltenen Überzeugung in der Art und Weise, wie die fragliche Vorstellung perzipiert wird. Die Überzeugung, dass Hume ein Philosoph war, unterscheidet sich von der Vorstellung, dass er ein Außerirdischer war, nicht nur ihrem Inhalt nach, sondern auch hinsichtlich der Lebhaftigkeit, mit der sie perzipiert wird. Eine für wahr gehaltene Vorstellung wird nach Hume als lebhafter erfahren, weil sie von einem besonderen Gefühl begleitet wird. Hume nennt dieses Gefühl Glaube (belief).29

Die konkrete Arbeitsweise der Vernunft lässt sich damit in etwa so veranschaulichen: Wenn ich behaupte, dass Silvester im nächsten Jahr auf einen Montag fallen wird, dann können Sie diese Behauptung beurteilen, indem Sie den fraglichen Wochentag selbst errechnen und meine Behauptung mit dem Ergebnis Ihrer Berechnungen vergleichen. Wenn Ihr Ergebnis von meiner Behauptung abweicht, so werden Sie Ihr durch vernünftige Überlegungen gewonnenes Urteil nach Hume lebhafter perzipieren, sodass es die Vorstellung des von mir genannten Wochentages aus Ihrem Denken verdrängt.

Doch was ist, wenn Sie sich verrechnen, weil Ihr Denken von weniger zuverlässigen Prinzipien der Einbildungskraft gestört wird? Einen Irrtum kann in der Praxis niemand vollkommen ausschließen. Die Erfahrung lehrt uns schließlich, dass Menschen sich zuweilen in ihrem Urteil irren. Die empirischen Ergebnisse menschlicher Überlegungen sind daher streng genommen immer nur mit einer gewissen [37]Wahrscheinlichkeit korrekt, nie jedoch über jeden Zweifel erhaben. (Vgl. T 1.4.1.1–12; SBN 180–187.)

Diese Feststellung kann zu der Ansicht verleiten, dass in der Praxis letztlich nichts gewiss und alles anzweifelbar ist. In diesem Fall hätte uns Humes Ansatz in einen unauflöslichen Skeptizismus geführt. Doch ist es wirklich vernünftig, an allem zu zweifeln?

Ein entscheidendes Kriterium für die Vernünftigkeit eines Gedankengangs ist nach Hume, dass er sich bei der direkten Gegenüberstellung mit anderen, weniger vernünftigen Gedankengängen durchsetzen wird, da seine Ergebnisse mit größerer Lebhaftigkeit perzipiert werden. Besteht der allumfassende Zweifel diesen empirischen Test? Wohl kaum. In der Theorie kann ein radikaler Skeptiker zwar behaupten, dass es keine Gewissheit gibt. Es wird ihm jedoch nicht gelingen, wirklich daran zu glauben und sein Verhalten in der alltäglichen Praxis konsequent an dieser Erkenntnis auszurichten. (Vgl. EHU 12.17–23; SBN 155–160.) Die Prinzipien unserer Natur erlauben es uns nicht, an allem und jedem zu zweifeln und uns stets eines Urteils zu enthalten. Selbst ein Skeptiker kann nicht verhindern, dass einige seiner Vorstellungen vom Gefühl des Glaubens begleitet werden und andere nicht. Der radikale Skeptizismus gehört also nicht zu den dauerhaften, unwiderstehlichen und allgemeinen Prinzipien des Denkens und damit nicht zu den Prinzipien der Vernunft.

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