Kitabı oku: «Der Racheengel - Ein Aachen Krimi», sayfa 2
Kapitel 3
Etwa eine viertel Stunde, nachdem Hansen den Tatort in der Soers verlassen hatte, erreichte er das Polizeipräsidium in der Innenstadt. Er stellte sein Auto auf dem Präsidiumsparkplatz ab und betrat das Gebäude aus dem Jahr achtzehnhunderteinundneunzig, das bis zum Einzug der Polizei vor einigen Jahren ursprünglich das alte Postgebäude gewesen war . Wie er nicht anders erwartet hatte, war außer dem wachhabenden Beamten niemand im Foyer zu sehen. Er nickte ihm zur Begrüßung zu. Hansen war dem jungen Kollegen dankbar, dass er ihm kein Gespräch aufdrängte, um sich nach dem Mord zu erkundigen, von dem er zweifelsohne gehört haben musste.
In seinem Büro in der zweiten Etage angekommen, beschränkte sich Hansen zunächst einmal darauf, die Fakten der ersten beiden Mordfälle auf einem Notizblatt zusammenzufassen: Das erste Opfer war der Student Michael Kämper, vierundzwanzig Jahre alt, ledig, gewesen. Er wurde vor knapp drei Wochen erschossen in einem Waldstück in Aachen aufgefunden. Er studierte im siebten Semester Maschinenbau an der Technischen Hochschule. Stabiles soziales Umfeld, keine Vorstrafen, keine finanziellen Probleme. Die befragten Kommilitonen hatten Kämper übereinstimmend als hilfsbereiten, sympathischen jungen Mann beschrieben. Er galt als fleißig, was nicht zuletzt dadurch unterstrichen wurde, dass er zwei Nebenjobs hatte, um sein Studium zu finanzieren. Er arbeitete in zwei Cafés als Aushilfskellner.
Hansen legte den Stift beiseite und dachte nach. Keiner der Befragten aus dem familiären Bereich oder im Freundes- und Bekanntenkreis konnte sich erklären, warum jemand Michael Kämper hätte töten wollen. Auch die Ermittler hatten bisher nicht fündig werden können.
Anfänglich hatten sie überlegt, ob sie es mit einem Auftragsmörder zu tun hatten. Die Vorgehensweise des Mörders sprach dafür. Der Mörder tötete kaltblütig und sehr professionell. Die Visitenkarten erinnerten an Mafiamorde, wo die Täter zuweilen eine Spielkarte bei ihren Opfern hinterließen. Zum einen, um zu zeigen, wer für den Mord verantwortlich war, zum anderen, um eine Warnung an all diejenigen auszusprechen, die sich gegen die Auftraggeber stellten. Also hatten sie in den Datenbanken nach ähnlichen Fällen gesucht, aber nichts gefunden.
Hansen glaubte auch nicht, dass es die Taten eines religiösen Fanatikers waren, wie die Presse mutmaßte.
Das zweite Opfer war der Geschäftsmann Hans-Josef Körlings, der eine Firma mit dem Namen Körlings CarSystem Technology besaß, in der Zulieferteile für die Autoindustrie hergestellt wurden. Achtundvierzig Jahre alt, ledig und tot in der Nähe der Panzersperren des alten Westwalls bei Oberforstbach gefunden.
Sie hatten keine Hinweise für mögliche Hintergründe der Mordtat finden können. Weder im privaten Bereich - Körlings hatte einen festen Platz in den wohlhabenden Kreisen der Aachener Gesellschaft inne - noch im Geschäftlichen. Körlings galt als integrer Geschäftsmann.
Darüber hinaus war er stark sozial engagiert. Neben seinen obligatorischen großzügigen Jahresspenden für in- und ausländische Hilfsprojekte hatte er in Aachen sogar ein eigenes Projekt ins Leben gerufen. Hier sollte straffällig gewordenen Jugendlichen und Straßenkindern geholfen werden, sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren. »Reborn e. V.« war der Name der Einrichtung. Die Recherchen hatten ergeben, dass der Verein beachtliche Erfolge feiern konnte, was die Resozialisierung von Jugendlichen anging. Jedenfalls lag die Erfolgsquote weit über dem Landesdurchschnitt staatlicher Einrichtungen.
Dass der Täter aus den Kreisen der Jugendlichen stammte, konnte Hansens Team relativ schnell ausschließen. Sicherlich gab es diverse Kandidaten, die schon in jungen Jahren so einiges auf dem Kerbholz hatten, aber ein Profikiller war ganz sicher nicht dabei gewesen.
Wäre nicht die Visitenkarte des Mörders gefunden worden und hätte die Obduktion nicht ergeben, dass der Geschäftsmann mit der gleichen Waffe erschossen worden war wie der Student zuvor, wäre es dem Ermittlerteam wohl nie in den Sinn gekommen, eine Verbindung zwischen den beiden Morden herzustellen. Es gab einfach nicht die geringsten Gemeinsamkeiten hinsichtlich sozialer Herkunft, Lebensstil oder anderer Aspekte! Der Täter hatte ihnen die Verbindung selbst liefern müssen.
Unglücklicherweise waren unmittelbar nach dem zweiten Mord Details bezüglich der Visitenkarte mit dem Bibelzitat an die Presse durchgedrungen. Eigentlich hatte Hansen dieses Detail aus ermittlungstechnischen Gründen geheim halten wollen, um Trittbrettfahrer auszuschließen. Aber irgendwie war diese Information nach außen gelangt.
Die Boulevardpresse schien mit ihrem „Racheengel“ immerhin recht zu haben, was die Motivation der Taten anging. Dass es um Rache ging, hatte der Mörder von Anfang an klar gemacht. Aber Rache wofür? In welcher Verbindung stand der Täter zu Michael Kämper, Hans-Josef Körlings und jetzt Mathias Bender?
Sie mussten die gesamten Ermittlungen noch einmal komplett von vorne aufrollen, daran führte kein Weg vorbei. Fast drei Wochen hatten sie bereits an den Fällen gearbeitet und sie waren noch nicht weitergekommenn. Und jetzt hatte man schon wieder ein neues Opfer zu beklagen. Wenn sein Team nicht schnellstmöglich einen Ermittlungserfolg vorweisen konnte, mussten sie jederzeit damit rechnen, dass sich das LKA in die Ermittlungen einschalten und sie an sich reißen würde. Die Zampanos könnten sich wieder aufspielen und sie selbst ständen als inkompetent da.
Der Kommissar erhob sich von seinem Schreibtischstuhl und öffnete das Bürofenster. Eine kühle Brise Frühlingsluft wehte ihm ins Gesicht. Er atmete ein paar Mal tief durch und spürte, wie gut ihm der Sauerstoff tat. Ein Blick auf seine Armbanduhr verriet ihm, dass es kurz nach sechs Uhr war. Es blieb also noch reichlich Zeit, bis die Kollegen im Präsidium eintreffen würden.
Also widmete er sich wieder seinen Notizen. Aber so sehr er sich auch bemühte, irgendeinen neuen Ansatz für die Ermittlungen zu finden, es wollte ihm einfach nicht gelingen. Er starrte minutenlang auf sein Notizblatt und nickte schließlich ein.
Als der Hauptkommissar wieder aufwachte, zeigte seine Armbanduhr bereits sieben Uhr an. Er hatte also mehr als eine halbe Stunde geschlafen. Da das Fenster in seinem Büro immer noch offen stand, war es mittlerweile empfindlich kalt geworden. Er stand auf, um es wieder zu schließen. Hansen beschloss in die Stadt zu gehen, um zu frühstücken. Ein leerer Bauch studiert nicht gerne hatte sein Vater immer gesagt. Also machte er sich auf in Richtung Marktplatz, wo sein Stammcafé lag. Nach knapp zehn Minuten Fußmarsch hatte er den Platz vor dem altehrwürdigen Aachener Rathaus, das neben dem Aachener Dom das markanteste Bauwerk im historischen Stadtkern von Aachen war, erreicht. Das im gotischen Stil errichtete Bauwerk aus dem vierzehnten Jahrhundert hatte diverse Brände, Plünderungen und zwei Weltkriege - mal mehr oder weniger unbeschadet – überstanden und gehörte zu Hansens Lieblingsgebäuden in Aachen . Er betrat das Café und bestellte sich ein großes Standardfrühstück. Zwei Brötchen, Käse, Marmelade, ein hart gekochtes Ei, ein Glas Orangensaft und eine große Tasse Kaffee sollten die Grundlage für einen langen Arbeitstag bilden. Er hatte keine Ahnung, wann er wieder etwas essen könnte. Unregelmäßige Mahlzeiten gehörten leider zu den Nachteilen seines Berufes, den er im Grunde liebte.
Gegen halb acht fasste er den Entschluss, seine Frau anzurufen. Sie war vermutlich schon aufgestanden, da sie um halb neun im Büro sein musste. Christine war Sekretärin bei einer Firma, die Süßwaren herstellte. Sie ging sofort ans Telefon, sichtlich erleichtert, dass es ihm gut ging. Sie hatte immer noch Angst, wenn er so plötzlich das Haus verließ, um zu einem Tatort zu fahren. Diese Angst konnte er seiner Frau anscheinend nicht nehmen. Damit zu leben war wohl das Schicksal einer jeden Frau, die mit einem Polizisten verheiratet war. Hansen wusste, viele Ehen seiner Kollegen waren nicht zuletzt deswegen und wegen der Dienstzeiten gescheitert. Er selbst war aber davon überzeugt, dass er seine fünfzehn Jahre währende glückliche Ehe mit seiner Christine noch einige Zeit fortsetzen würde. Nach etwa zwei Minuten beendete Hansen das Gespräch wieder und setzte sein Frühstück fort. Während Hansen so aß und nachdachte, vergaß er völlig die Zeit. Erst als die Kellnerin ihn ansprach, ob er noch etwas bestellen wollte, bemerkte er, wie spät es inzwischen war. Er hatte noch knapp zwanzig Minuten Zeit bis zur Frühbesprechung. Hansen beendete sein Frühstück, bezahlte und machte sich auf den Weg zurück ins Präsidium.
Kapitel 4
Gerade als Hansen die Tür seines Büros aufschließen wollte,
hörte er, dass jemand seinen Namen rief. Er drehte sich um und erkannte Richard Hellhausen, den Kriminalrat des Präsidiums und sein Chef. Der siebenundfünfzigjährige leicht untersetzte Mann trug wie immer einen tadellos sitzenden Anzug. Das dunkelbraune, von leicht grauen Strähnen durchzogene Haar, war perfekt frisiert. Und im Gegensatz zu ihm selbst, war sein Chef rasiert und machte schon alleine deshalb rein äußerlich einen deutlich besseren Eindruck, als er. Hellhausens Gesichtsausdruck verriet Hansen, dass der Kriminalrat schlechte Laune hatte.
»Morgen Karl. Du siehst ziemlich geschafft aus. Hast du letzte Nacht wieder durchgearbeitet?«, fragte Hellhausen eher rhetorisch.
»Ich hätte ohnehin nicht mehr schlafen können, nachdem ich den Tatort verlassen habe. Also habe ich die Zeit genutzt und ein wenig gearbeitet«, antwortete Hansen.
»Und wo kommst du jetzt her?«, erkundigte sich der Kriminalrat skeptisch. »Ich habe dich mehrfach vergeblich in deinem Büro gesucht.«
»Und jetzt hast du mich ja auch gefunden. Ich war in der Innenstadt. Frühstücken, wenn du es genau wissen willst. Das wird ja wohl noch erlaubt sein, wenn ich mir schon die halbe Nacht hier um die Ohren schlage«, erwiderte Hansen leicht gereizt angesichts des scharfen Untertons in Hellhausens Stimme. »Ich wollte gerade meine Notizen für die Frühbesprechung holen. Warum hast du mich gesucht?«
»Das kannst du dir doch wohl denken, oder? Verdammt noch mal Karl, wir brauchen langsam Ergebnisse bei den Ermittlungen. Der Staatsanwalt hängt mir im Nacken, von der Presse mal ganz zu schweigen.«
Sag mir mal was Neues, dachte Hansen.
»Du klingst geradeso, als ob wir hier nur Däumchen drehen würden«, entgegnete er so ruhig, wie er nur konnte. »Und du weißt ganz genau, dass das nicht der Fall ist!«
»Natürlich weiß ich das. Es war ja auch nicht so gemeint, wie es sich vielleicht angehört hat. Aber mittlerweile haben wir es mit drei Mordopfern zu tun und ihr habt immer noch keine brauchbare Spur. Und seit heute Morgen setzt mich dann auch noch der Polizeipräsident unter Druck. Er erwartet, rate mal, vorzeigbare Ergebnisse. Und um ehrlich zu sein, erwarte ich das allmählich auch von euch! Mensch Karl, drei Wochen und noch immer keine heiße Spur. Ich weiß nicht, wie lange ich euch da noch den Rücken freihalten kann. Das LKA wartet geradezu darauf, dass es hier hereinspazieren darf.«
»Das weiß ich doch alles, das will natürlich keiner von uns Richard. Wir werden die gesamten Ermittlungen noch einmal ganz neu aufrollen. Eine andere Möglichkeit sehe ich momentan nicht. Ich werde dem Team gleich mitteilen, wie ich mir das vorstelle.«
»Gut. Und bitte entschuldige, dass ich meine schlechte Laune an dir ausgelassen habe. Es war nicht so gemeint.«
»Entschuldigung angenommen«, sagte Hansen mit einem versöhnlichen Lächeln.
»Um elf Uhr ist übrigens eine Pressekonferenz. Ich möchte, dass du daran teilnimmst.«
»Ich werde es einrichten, wenn du darauf bestehst. Und im Übrigen kannst du mir glauben, dass ich als leitender Ermittler genauso unglücklich über den Stand der Ermittlungen bin, wie du ...«
»Ich weiß Karl, ich weiß. Ich fürchte nur, dass euer Bestes im Moment nicht gut genug ist. Ich erwarte dich um elf Uhr im Presseraum«, sagte Hellhausen und ging.
»Euer Bestes ist nicht gut genug«, äffte Hansen Hellhausen leise nach. Aber er wusste ja, dass der Kriminalrat recht hatte. Er holte seine Notizen und machte sich auf den Weg zum Besprechungsraum, wo sich außer seinem Partner Stefan Riedmann noch kein anderer Kollege eingefunden hatte. Er war das jüngste Mitglied seines Teams und bekannt für seinen Ehrgeiz. Riedmann hatte es mit seinen gerade einmal vierunddreißig Jahren zu Hansens Stellvertreter gebracht. Die Beförderung zum Hauptkommissar war wohl nur noch eine Frage der Zeit. Mit seinen ein Meter zweiundachtzig überragte er Hansen um ein paar Zentimeter. Und im Gegensatz zu seinem Vorgesetzten war er eine Sportskanone. Er joggte und ging regelmäßig ins Fitnessstudio. Sein dunkelblondes, ehemals schulterlanges Haar war erst vor ein paar Wochen einer modischen Kurzhaarfrisur gewichen. Obwohl er sehr attraktiv war, fristete er sein Leben als Single, was Hansen nicht nachvollziehen konnte.
»Morgen Stefan«, begrüßte Hansen seinen jungen Kollegen freundlich, als der Hauptkommissar den Besprechungsraum betrat.
»Guten Morgen, Chef«, entgegnete Riedmann. »Geht’s dir gut? Du siehst ein bisschen fertig aus, wenn ich das so sagen darf!«
»Nachdem ich den Tatort verlassen hatte, hätte ich sowieso nicht mehr schlafen können. Deshalb habe ich versucht, die Zeit sinnvoll zu nutzen und mir noch mal ein paar Gedanken über die bisherigen Ermittlungen gemacht. Nach meinem Dafürhalten müssen wir mit unseren Recherchen noch einmal ganz von vorne anfangen und nach neuen Ansätzen suchen. Aber lass uns das vertiefen, wenn Beck, Marquardt und Mertens hier sind.«
Kaum, dass Hansen den Satz ausgesprochen hatte, betrat das Trio auch schon den Besprechungsraum.
Hansen kannte den dreiundvierzigjährigen Markus Beck bereits seit zwölf Jahren. Der verheiratete Vater von zwei Kindern galt im Gegensatz zu seinem Partner Jens Marquardt als grundsolide. Vier Jahre jünger, ledig und mit Hang zur Selbstüberschätzung war Marquardt ein Schürzenjäger vor dem Herrn. Ständig wechselten seine diversen Liebschaften. Außerdem trank er gerne einmal ein Glas Bier zu viel. Hansen war froh, dass er ihm den introvertierten Beck zur Seite stellen konnte und hoffte seit geraumer Zeit auf einen Lerneffekt bei Marquardt.
Nachdem Hansen kurz auf die Ereignisse der vergangenen Nacht eingegangen war, fasste er ausführlich zusammen, welche Erkenntnisse er in der vergangenen Nacht zusammengetragen hatte. Dafür schrieb er einzelne Punkte an die Dokumentationstafel des Besprechungsraums. Anschließend diskutierten sie über die verschiedenen Punkte, die Hansen zusammengetragen hatte, und legten eine neue Strategie fest, um die Ermittlungen neu aufzurollen. Riedmanns Aufgabe war es, die Ermittlungen im Fall von Michael Kämper noch einmal neu anzugehen. Dabei sollte er sich vor allem auf das Umfeld des Studenten konzentrieren.
Beck und Marquardt wurden von Hansen angewiesen, sich mit dem aktuellsten Fall zu beschäftigen und Informationen über Mathias Bender zusammenzutragen. Hansen selbst wollte sich noch mal um den Mord an den Geschäftsmann Hans-Josef Körlings kümmern.
Um zehn vor elf beendete Hansen die Besprechung und machte sich auf den Weg zur Pressekonferenz. Er hasste PKs, wie sie im Umgangston genannt wurden, aber Hellhausen hatte ihm diesbezüglich keine Wahl gelassen. Die leidigen Fragen der Reporter kannte Hansen schon vom letzten Mal. Dass man es mit einem Serienkiller zu tun hatte, war ein gefundenes Fressen für die Aasgeier der Presse, man hatte förmlich ihre Schnäbel klappern gehört.
Als Hansen den Presseraum betrat, winkte Hellhausen ihm schon zu. Er setzte sich neben den Kriminalrat aufs Podium. Einige Reporter in der ersten Reihe kannte Hansen schon von der letzten Pressekonferenz. Vor allem die Lokalreporter. Aber da der Raum heute nahezu bis auf den letzten Platz gefüllt war, blickte er in eine ganze Reihe unbekannter Gesichter.
Nachdem Hellhausen und er sich noch über einige Punkte verständigt hatten, eröffnete der Kriminalrat pünktlich um elf Uhr die Konferenz und gab den aktuellen Ermittlungsstand zum Besten. Er schmückte die wenigen Fakten, die den Ermittlern derzeit bekannt waren, wortreich aus und übergab dann das Wort an Hansen. Zunächst waren es vor allem die Reporter der ortsansässigen Lokalpresse, die sich nach den aktuellen Geschehnissen erkundigten. Erst als sich ein Journalist eines überregionalen Blattes zu Wort meldete, wurde es für Hansen unangenehm.
»Bremser vom Abendblatt«, ergriff der Mann das Wort. »Soweit ich das bisher verstanden habe, ist es Ihnen noch nicht gelungen, eine Verbindung zwischen den mittlerweile drei Opfern herzustellen. Und ein Motiv für die Taten haben Sie auch noch nicht ermitteln können. Es könnte ja durchaus sein, dass der Mörder weiter töten wird. Ohne jetzt Panik verbreiten zu wollen, aber das bedeutet doch im Klartext, dass jeder aus der Bevölkerung ein nächstes potenzielles Opfer sein könnte?!«
Hansen musste einen Moment innehalten, bevor er antwortete.
»Sicherlich«, begann er, seine Worte vorsichtig abwägend, »besteht diese potenzielle Gefahr. Aber wir sind davon überzeugt, dass der Täter nach einem bestimmten Muster vorgeht und die Opfer keine Zufallsopfer sind. Wir haben diesbezüglich neue Erkenntnisse«, log Hansen. »Aber bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir aus gegebenem Anlass diesbezüglich noch keine Einzelheiten an die Presse weitergeben können. Es gibt überhaupt keinen Grund dafür, dass Sie für eine verkaufsfördernde Schlagzeile Panik in der Bevölkerung verbreiten. Im Gegenteil, Herr Bremser. Ich möchte Sie und die anderen hier anwesenden Kollegen bitten, in Ihren Artikeln keine Spekulationen anzustellen, die unsere Arbeit nur unnötig erschweren würden. Das letzte was wir nämlich jetzt brauchen können, ist eine hysterische Bevölkerung, die kein Vertrauen in die Polizeiarbeit hat.«
»Entschuldigen Sie bitte, Herr Hansen«, meldete sich der Reporter des Abendblattes erneut zu Wort. »Aber wenn drei Morde kein Grund zur Panik sind, was bitte dann? Sie haben nach drei Wochen Ermittlungsarbeit keinen Verdächtigen ermitteln können, wie Sie eben selbst eingeräumt haben. Sie wissen, so wie es für mich aussieht, nicht einmal, nach welchen Gesichtspunkten die Opfer vom Mörder ausgesucht werden. Und jetzt versuchen Sie die Gefahr herunterzuspielen und fordern uns auf, unsere journalistische Pflicht, die Bevölkerung zu informieren, zu vernachlässigen!«
Hansen war klar gewesen, dass sich die Veranstaltung in diese Richtung entwickeln würde. Die Kombination aus Müdigkeit, grundsätzlicher Ablehnung gegen Pressekonferenzen und der Einsicht, dass der lästige Bremser im Grunde recht hatte, zerrte an seinen Nerven.
»Es ist sicherlich nicht so, dass ich die Gefahr herunterspielen möchte. Aber Panik hilft uns auch nicht. Deshalb appelliere ich an Sie alle, sich in Ihren Berichten nur auf die Fakten zu beschränken, die wir Ihnen heute mitgeteilt haben. Alles andere wird eine Genugtuung für den Täter darstellen, weil man ihm diese Aufmerksamkeit schenkt. Ich bitte Sie lediglich, unsere Arbeit nicht zu behindern. Ich hatte nicht vor, die journalistische Meinungsfreiheit in irgendeiner Weise zu beschneiden. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich habe noch einiges zu tun. Weitere Informationen erhalten Sie bei Bedarf von der Pressestelle unserer Dienststelle.«
Damit beendete Hansen seinen Teil der Pressekonferenz und übergab das Wort wieder an Hellhausen. Anschließend verließ er den Presseraum. Selten kam er sich so vorgeführt vor. Er schaute auf seine Uhr. Es war jetzt kurz vor halb zwölf. Er beschloss nach Hause zu fahren, um zu duschen. Anschließend würde er mit neuer Kraft an die Ermittlungen gehen und Bremser und allen anderen beweisen, dass sie sich irrten.