Kitabı oku: «Der Junge mit dem Feueramulett: Der heilige Vulkan», sayfa 2
»Ist vielleicht ganz gut so?«
Wie schafft es Madad nur, immer so fröhlich zu klingen?
»Wieso gut, Madad? Wie sind Haarmonster. Schau dich mal an. Überall Haare. Wir sehen ja aus wie wandelnde Riesenperücken.«
»Genau. Und das ist doch nicht schlecht. Ich glaube nicht, dass Laoch oder jemand anderes nach zwei wandelnden Riesenperücken sucht. Oder?«
Da hatte Madad natürlich recht. Das war ein Vorteil. Aber auch der einzige.
»Aber ich kann ja noch nicht einmal zwei Schritte gehen, ohne über die eigenen Füße… äh Haare zu fallen. So kommen wir nie zur Alten Stadt.«
»Das stimmt.« Jetzt wirkte auch Madad etwas ratlos.
»Aber ich habe eine Idee. Wir gehen zu dieser Credna-Priesterin zurück und die soll uns ein Haarschrumpfmittel verkaufen. Muss es doch geben, oder? Wenn es Haarwuchsmittel gibt, muss es auch Haarschrumpfmittel geben!« Zwischen seinen Haaren blickte Kard seinen Freund verzweifelt an. Er würde doch jetzt nicht bis ans Ende seines Lebens als Riesenperücke herumlaufen müssen? Der Fellhaufen schüttelte sich, anscheinend hatte Madad genickt.
»Das machen wir, Kard. Gute Idee. Aber ich finde, wir sollten das als Zeichen des Schicksals sehen. So wie wir jetzt sind, erkennt uns keiner. Ich könnte mir vorstellen, dass man einen ganz anständigen Wahter aus dir machen könnte. Überall Haare und so groß bist du auch nicht. Und ich bin ein zahmer Faol! Die Wahter könnten zahme Faols haben. Für die Jagd. Oder als Abschreckung. Das weiß hier doch auch keiner.«
Kard überlegte. Madads Plan könnte klappen. Die Wahter lebten im Dunklen Wald am Fuße des Drachengebirges. Es waren kleine, scheue Waldmenschen, die man nur selten in den Städten sah. Das wäre eine gute Tarnung. Trotzdem brauchten sie auch dieses Haarschrumpfmittel. Wer weiß, wie viel ihre Haare sonst noch wuchsen? Am Ende würden sie die ganze Stadt noch mit ihren Haaren überfluten.
Nachdem sie ihre Mähne notdürftig gestutzt hatten, verließen Kard und Madad das Haus des Tischlers und machten sich auf zu der Credna-Gova, die ihnen das Mittel verkauft hatte. In dem kleinen Laden stapelten sich in den Regalen dutzende von Schälchen und Kästchen mit undefinierbaren Ingredienzien. Eine Unzahl verschiedenster Parfums, Haarfärbemittel oder Pinsel in allen Größen wurde genauso zum Kauf angeboten wie Pasten und Pillen zur Verschönerung der äußeren Erscheinung. Der helle Schrei der Gova unterbrach Kards Verwunderung über die Mannigfaltigkeit des Angebots. Als Kard und Madad den winzigen Laden betreten hatten, war die Gova gerade nicht hinter dem Verkaufstresen gewesen, sondern hatte im Dunkel dahinter fluchend in irgendwelchen Kisten gewühlt. Offensichtlich hatte sie nicht bemerkt, wie die beiden riesigen Haarbüschel den Laden betreten hatten, denn als sie jetzt den Verkaufsraum wieder betrat, hatte ihr der Anblick der haarigen Wesen einen riesigen Schreck versetzt. Die Gova, eine kleine Menschenfrau mit ersten grauen Strähnen, trug ein einfaches dunkelblaues Kleid, das mit vielen roten Herzen bestickt war.
»Du bist… du bist doch die…?« Weiter kam die Gova nicht, denn eine Lachsalve schüttelte sie derart, dass die tausend Herzen auf ihrem Kleid wild durcheinander hüpften.
Jetzt meldete sich auch Madad zu Wort. »Yo, also sooooo lustig ist das nicht.«
Kard gab dem zweiten Haarbüschel einen Tritt und Madad verstand und hielt fortan die Schnauze. Es musste nicht jeder wissen, dass sich hier ein Cu versteckte. Die Gova schien bisher noch nicht bemerkt zu haben, dass sich unter den Haaren zwei Wesen versteckt hatten.
»Aaah, haaa, aaah, haaa.« Die Frau hielt sich den Bauch und kam aus dem Prusten gar nicht mehr heraus. »Das hatte ich schonmal, ist aber schon eine ganze Weile her. Du musst mir gar nichts sagen. Ich weiß schon. Die ganze Packung. Aaah, haaa, aaah, haaa.«
Kard kam sich ganz schön dumm vor und war froh, dass die Haare sein ganzes Gesicht bedeckten. Wahrscheinlich war er darunter rot wie eine Tomate.
»Und…äh…?«
»Ja, ja, ich weiß schon. Ein Gegenmittel, ha, ha, ha. Du hast Glück, junge Frau. Weißt du, wir Frauen rennen immer einem Ideal hinterher und sind nie mit uns so zufrieden, wie wir sind. Die einen haben zu kurze Haare, die anderen einen zu dicken Bauch, die einen sind zu groß, die anderen zu klein. Und für alles habe ich ein Mittelchen. Weißt du, Mädchen. Liebe ist eine Illusion. Wir machen uns schön für unser Spiegelbild und für die Männer und am Ende glauben wir an die von uns selbst geschaffene Illusion. Mir soll es recht sein, ist mein Geschäft. Und für die, die schönes wallendes Haar haben wollen, gibt es Haarwuchsmittel und für die, denen Damenbart und Haare auf den Beinen nicht gefällt, gibt es auch verschiedene Mittelchen. Lass uns mal schauen.« Immer noch vor sich hin glucksend führte die Gova die behaarte Kardania zu einem Regal und holte, nachdem sie die verschiedensten Aufschriften durchgegangen war, ein Kästchen hervor.
»Aber diesmal nicht alles auf einmal nehmen. Verstan-den?«
Das Haarbündel nickte und Kard las leise die Aufschrift. »Grottenolmextrakt. Nur bei Neumond einnehmen.«
»Genau. Nur bei Neumond. Und diesmal würde ich dir raten, dich auch daran zu halten. Kennst du Grottenolme?«
Die Haare schüttelten sich.
»Sie leben tief in den Höhlen von Schtalyr, der Heimat der Vampyre. Kein Lichtstrahl dringt je in ihren Lebensbereich. Wird ein Grottenolm auch nur wenige Augenblicke dem Licht, dem Fluch Branus, ausgesetzt, dann schmilzt seine Haut wie Eiszapfen in der Sonne.« Mit vielsagendem Blick schaute die Gova auf die starre Riesenperücke vor ihr. »Und wenn du so dumm bist, eine dieser Pillen nicht in der dunkelsten Nacht der dunkelsten Nächte zu nehmen, wird sich deine Haut auflösen wie die eines Grottenolms.«
Die Gova wartete, bis sich die schaurige Wirkung ihrer Worte auch schön in Kards Gehirn eingeätzt hatte.
»Angesichts der Beschwerden kannst du dann aber gleich drei dieser Pillen nehmen. Normalerweise nimmt man nur eine. Aber du bist… ein Sonderfall.« Schon wieder musste die Gova lachen und verbarg dies nur schlecht hinter ihrer hohlen Hand.
Kard war das Lachen vergangen. So ein Mist, das alles hier. Er nahm die Pillen und dann machten sich er und Madad so schnell wie möglich aus dem Staub. Die Kosmetik- und Schönheitsartikelverkäuferin sah verwundert, wie sich im Dickicht der großen Perücke noch ein zweites Wesen zu bewegen schien. Nachdem sie wieder allein war, bildete sie sich ein, dass ihr Laden nach nassem Hundefurz roch. Aber im Lauf der Jahre hatte ihr die Nase auch schon so manchen Streich gespielt, sodass sie hier keinen weiteren Gedanken verschwendete.
Es mag unheimlich unpraktisch sein, mit so langen Haaren durch die Gegend laufen zu müssen. Dauernd stolpert man darüber, bleibt an jeder Ecke damit hängen und wird von den Leuten komisch angeguckt. Aber es hatte eben auch seine Vorteile. Niemand erkannte einen! Kard und Madad waren einfach zwei wandelnde Wischmopps. Sie waren weder Mensch noch Torak noch Cu noch Hund. Die meisten hielten sie tatsächlich für Wahter, die man derart selten zu Gesicht bekam, dass niemand genau sagen konnte, wie sie aussahen. Da die Wesen bestrebt sind, alles Unbekannte in Bekanntes zu verwandeln, waren Kard und Madad nun eben langhaarige Wahter. Da den beiden dies absolut recht war, hatten sie sich auch entschlossen, die Haare nicht vollkommen abzuschneiden. Jeder weiß ja, dass Haare um so schneller wieder nachwachsen je öfter man sie rasiert. Immerhin hatten sich die beiden entschlossen, die Haare dann auf Fußhöhe zu kürzen, damit sie wenigstens ohne großes Stolpern durch die Welt kamen. Aber bereits mittags waren die Pracht auf eine Länge gewachsen, dass sie sich beim Gehen vorsehen mussten.
Aber wie kamen sie jetzt in die Alte Stadt, ohne dauernd über die eigenen Füße zu fallen? Da sie dank ihrer Haarpracht quasi inkognito reisten, konnten sie nun auch öffentliche Verkehrsmittel benutzen. So konnten sie als Deckmatrosen auf einem Frachtschiff anheuern, das die Klatsch bis zum Wasserfall befuhr, der sich aus der Hochebene von Asch-by-lan herabstürzte. Denn sie waren die besten Deckschrubber weit und breit. Indem sie einfach mit den Füßen über die Planken schlurften und die eigenen Haare dabei als Putzlappen benutzten, erzielten Kard und Madad eine Sauberkeit, die dieses Frachtschiff, die Morana, bisher noch nicht kennengelernt hatte. Zweimal am Tag kürzten sie ihre Haare beziehungsweise diese matschige, verklebte Pampe, zu denen die Haarenden sich inzwischen verwandelt hatten, und legten ein kleines Päuschen ein. Die reichte aus, damit wieder putzfähiges Material nachwachsen konnte. Zwar blieben sie oft an Astlöchern und Kerben hängen und erfreuten die Mannschaft dann mit Jaulen und Flüchen, aber nach einer Weile hatten sie ein Tempo und ein Haarspitzengefühl, dass sie diese Unannehmlichkeiten großteils vermeiden konnten. Der Kapitän der Morana, ein Torak namens Kslam, der in seinem ganzen Leben noch nie weiter als bis zu den Klatschfällen gereist war, war ganz begeistert von den Wathern, die er nun an Bord hatte.
Madad wusste, natürlich von Mama, dass die Wahter eine dunkle, singende Stimme hatten, also versuchten sich die beiden in solch einer Tonlage. Am Abend ihres ersten Tages, als die zwei Bos-Ochsen, die das Schiff gegen die Strömung zogen, abgeschirrt und die Morana am Ufer vertäut war, versammelte sich die Mannschaft um die beiden augenlosen Riesenperücken, um alles aus dem Leben der Wahter zu erfahren. Kard war ein wenig hilflos, denn er wusste selbst ja nichts über die richtigen Wahter. Außer eben, dass es kleine behaarte Wesen waren, die tief in den Wäldern des Drachengebirges hausten. Aber der kleine Bucklige, so nannte die Mannschaft Madad, die nicht sehen konnte, was sich hinter dem Haarvorhang tatsächlich befand, wusste natürlich, dank Mama und einer übersprudelnden Fantasie, doch einiges zu berichten.
»Nein, nein«, sang Madad in dunklem Bariton, jede Silbe so lange wie möglich hinziehend, »wir sehen nicht alle so aus. Wir haben eine Wette verloren.« Pause, Pause, Pause. Alle Vokale nachklingen lassen. Pause. Pause. Pause. Die Mannschaft war ganz Ohr. »Natürlich ging es um ein Mädchen.« Ein Mädchen? Oh, jetzt wurde es interessant. Die Mannschaft, die wie der Namen ja schon sagt, aus lauter Männern, Toraks, Menschen und sogar einem Ichto-Lotsen, bestand, platzte vor Neugier. Einer wagte es sogar, eine Frage zu stellen. In Bemühen, sich dem Sprachtempo der vermeintlichen Wahter anzupassen, sprach der Matrose sehr, sehr, sehr langsam.
»Also gibt es bei euch auch Mädchen?«
Pause.
Pause.
Pause.
»Ja.«
Pause.
Pause.
Pause.
»Aha.«
Madad erfand dann eine dramatische Geschichte, in der er sich mit dem Langen, so hatte man Kard dann hier an Bord getauft, um die Gunst eines Mädchens stritt. Um sie zu beeindrucken habe er, der Bucklige, behauptet, dass er es wagen würde, sich über den Waldrand hinaus zu trauen und bis in die Alte Stadt zu gehen. Etwas, was jeder normale Wahter tunlichst vermied, auch wenn die Alte Stadt die einzige Ansammlung fremder Wesen war, die sie überhaupt besuchten. Aber der Lange hier, hatte ein große Klappe. Jedenfalls wenn es um Mädchen ging, nicht wahr? Kard ließ ein Grunzen vernehmen, das man als Zustimmung werten konnte. Der hätte dann behauptet, dass er sich sogar bis auf die Hochebene vor der Alten Stadt wagen würde. Man musste sich das mal vorstellen. Nirgends ein Baum oder ein Felsen, auf den man klettern konnte. Nur dieses flache Land, ab und zu ein Strauch oder eventuell ein vereinzelter Baum. Sonst diese Leere. Diese Weite. Ein Alptraum für jeden Wahter. Schließlich hätten die beiden sich derart hochgeschaukelt, dass man am Ende lauthals verkündete, man würde sich bis ans Meer trauen. Bis nach Klatschmünde. Nur die großen Helden der Wahter hatten das bisher gewagt. Und ein paar Händler. Und ein paar Abenteurer. Und der Onkel des Schwiegervaters der Tochter von dem einen, von dem sie mal gehört hatten. Aber vor allen Dingen die Helden. Und leider hätte dieses Mädchen mit den mandelbraunen Augen und dem samtweichen Fell sie nicht etwas angstvoll zurückgehalten und sich allein an ihren Worten ergötzt. Nein, dieses wunderhübsche aber völlig mitleidlose Mädchen wollte, dass den Worten nun auch Taten folgten. Und der ganze Stamm schien das ebenfalls zu erwarten. Also war ihnen nichts weiter übrig geblieben, als loszuziehen. Hinaus aus dem schützenden Wald, hinaus auf die leere Ebene und bis zu diesem schrecklichen, schrecklichen Meer, dessen schiere Unendlichkeit sie bis in ihre tiefsten Träume nun verfolge. Zum Glück habe ihr Govan, jeder weiß, dass die Wahter eher Branu zugeneigt sind, ihnen diesen Haarzauber verpasst. So mussten sie nicht dauernd in die Leere schauen, sondern konnten sich in ihr eigenes Dunkel zurückziehen, was sie an die Heimeligkeit ihres schützenden Waldes erinnerte. Daher die langen Haare, dessen Wachstum tatsächlich magisch sei. Nein, nicht alle Wahter sähen aus wie sie, etwas kürzer wären die Haare normalerweise schon. Die Hälfte der Mannschaft schnarchte schon, als der Bucklige endlich endete. Aber die, die noch wach waren, nickten verständnisvoll. Ja, man soll den Mund nicht zu voll nehmen. Das konnte ein böses Ende nehmen.
Ganze sieben Tage dauerte es, bis die Bos-Ochsen es geschafft hatten, die schwere Morena gegen die Strömung bis zu den Klatschfällen zu ziehen. Die Deckplanken glänzten, als käme das Schiff frisch aus der Werft. Niemand wollte mehr Wahtergeschichten hören. Jeden Abend dieser gleiche monotone Singsang, die Mannschaft hatte jetzt wirklich genug und betrachtete abends doch lieber die schweigenden Sterne.
Während Kslam bald wieder mit neuer Ladung zurück nach Klatschmünde fahren würde, mussten sich Kard und Madad nun eine neue Mitfahrgelegenheit zur Alten Stadt suchen. Zuvor aber freuten sie sich, dass diese Nacht endlich Neumond war und sie nun endlich das Haarschrumpfmittel einnehmen konnten. Da die Nacht lauwarm zu werden versprach, suchten sie sich ein Lager im Freien, ein wenig abseits vom Umschlagplatz, denn auch nach Sonnenuntergang wurde weiterhin Ladung gelöscht oder die leeren Schiffe mit neuer Ware beladen. Im schummrigen Licht der Abenddämmerung las Kard nochmals genau den Beipackzettel. Die Gova in Klatschmünde hatte ihnen eingeschärft, diesmal wirklich alles genau nach Vorschrift zu machen, da sonst unerwartete Nebenwirkungen auftreten könnten. Kard und Madad hatten erstmal genug von allen Nebenwirkungen und waren erpicht darauf, alles genau nach Vorgabe zu erledigen. Da Madad zwar wie ein Buch reden aber nicht lesen konnte, war es Kards Aufgabe, alles zu entziffern.
»Eine Stunde vor, bis eine Stunde nach Mitternacht…«, grummelte Kard vor sich hin. Sie hatten sich eine Anhöhe in der Nähe der Klatsch ausgesucht, ein kleiner Hügel, der von einem kleinen, krummen Baum gekrönt war und auf dem das Gras, wahrscheinlich von Schafen, gemäht worden war. Die sogenannten Mäh-Schafe waren in ganz Haragor beliebte Mittel der Flurpflege, schmeckten gut und ihr Fell gab wunderbare Liegekissen für Säuglinge her. So hatten die Freunde eine gute Sicht auf Treidelpfad und Fluss und in dieser Nacht auch einen funkelnden Sternenhimmel, der sich gerade langsam ankündigte.
»Goiba zu Ehre, Goiba zu loben, Goiba zu preisen dreimal laut singen, wenn möglich in C-Dur.«
Kard führte seine Finger über die Buchstaben, er konnte zwar lesen, aber seine herausragendste Fähigkeit war das nicht gerade.
»Dabei siebenmal einen Hampelmann machen. Also Beine und Arme springend auseinander breiten und wieder zusammen klatschen.«
»Und wie soll ich das machen?« Der Haarberg, unter dem sich Madad befand, wackelte seltsam, wahrscheinlich versuchte er gerade, die genannte Übung auszuführen.
»Credna für die viele Liebe, die sie in die Welt bringt, danken. Und Luchta für den ganzen Reichtum. Falls man weder Liebe verspürt, noch reich ist, genügt es, wenn man sich einfach so bei den Schwestern von Goiba bedankt. Danach aber Goiba um so mehr danken.«
Kard murmelte leise vor sich hin und übte schonmal die Danksagungen. Dann vertiefte er sich wieder in den Zettel. Seufzend blickte er auf.
»Also, wenn wir bei Wallas damals ab und zu Branu gedankt haben, brauchte man nicht so viele Worte. Ein Räucherstäbchen anstecken und fertig. Erinnert mich aber doch ganz schön an das Waisenhaus damals. Die Govas bekamen gar nicht genug vom Beten. Morgens, mittags, abends und zur Nacht mussten wir alle niederknien. Hatte ich ganz vergessen.«
»Aber Wallas hat erzählt, dass du bei jeder Kleinigkeit in die Tempel gerannt bist.«
»Hat er das?« Kard strich sich die Strähnen aus dem Gesicht und wollte Madad anblicken, sah aber nur diese riesige Perücke. »Stimmt schon. Habe ich mir damals wohl so angewöhnt. Nichts machen ohne den Segen der Götter. Der Göttinnen, eher gesagt. Und in Conchar haben das alle gemacht. Goiba hier, Goiba da. Hallo? Conchar ist die Stadt von Tsarr. Das Goiba-Zentrum des Reiches. Nacht und Kälte gib uns deinen Segen, Goiba unser im Himmel und so, das haben da alle gemacht.«
»Ja, ja, ist ja schon gut, Kard. Dann bist du ja der richtige Mann für dieses Ritual hier, oder?«
»Genau!« Kard warf sich in die Brust.
»Die Pille nicht lutschen, sondern sofort mit einigen Schlucken Wasser herunterspülen«, las Kard weiter vor.
»Entweder schmecken die diesmal abscheulich oder wieder so gut, dass man süchtig wird«, knurrte Madad.
»Ich werde es nicht ausprobieren. Ich folge den Anweisungen. Wenn ich mir das recht überlege, hätte ich das sowieso machen sollen. Dann wäre ich nicht hier und müsste mich nicht um dieses Minas-Schwert kümmern. Einfach den Geboten folgen, das wäre das Beste gewesen.«
»Brav, brav, brav, du armes kleines Schaf.«
»Was heißt hier brav, selber Schaf. Ihr Cus haltet euch sowieso an keine Regeln.«
»Doch, doch. Mama sagt immer, folge immer deinen eigenen Regeln.«
»Ja, sage ich doch.«
»Wieso, sind doch auch Regeln, halt die eigenen.«
»Ja, aber jeder normale Mensch schaut doch, dass er den Geboten der Götter folgt. Wo kämen wir denn da hin, wenn jeder macht, was er will?«
Die Diskussion mit Madad ermüdete Kard. Außerdem wusste er, dass sie sowieso nichts bringen würde. Madad war einfach ein Dickkopf. Und hörte, wenn überhaupt, nur auf seine Mama. Goiba, Branu, sollten die Götter sich doch erst einmal untereinander einig werden. Jetzt galt es erstmal, die Haarpracht wieder loszuwerden. Ob mit Goiba oder Branu oder welchem Gott auch immer, war Kard gerade ziemlich gleichgültig. Die Haare mussten weg! Auch wenn sie zugegebenermaßen Vorteile brachten.
Kards innerer Wecker klingelte genau eine Stunde vor Mitternacht. Erschrocken stellte er fest, dass er eingenickt war, auch die Perücke neben ihm schnarchte lautstark.
»Madad.«
»Was, wie, wo?«
»Es ist so weit, wir können jetzt die Pillen nehmen.«
Kard und Madad begannen die Göttinnen zu preisen. Eine Eule, die sich den krummen Baum als Aussichtsplatz für ihre nächtliche Jagd ausgesucht hatte, flog erschrocken davon. Auch einige Wühlmäuse, die den Hügel bevölkerten, suchten das Weite. Dann die rituelle Gymnastik, die auch die Gnome im Inneren des Hügels aufrüttelte und sie veranlasste, sich fluchend noch tiefer ins Erdreich zurückzuziehen. Schließlich das Gebet. Goiba, Goiiiiibaaaaa. Du Allerhöchste Gööööööttttin. Dann schälten sich Hände und Pfoten aus dem haarigen Gestrüpp, Kard öffnete die Pillenschachtel, nahm eine heraus und legte sie Madad auf die Zunge und schüttete ihm danach Wasser in den offenen Schlund. Auch für sich selbst nahm Kard dann eine Pille heraus, warf sie sich zwischen die Zähne und nahm einen kräftigen Schluck aus der Wasserflasche. Hoffentlich gibt es diesmal keine überraschenden Nebenwirkungen.
Eine Weile verharrten die Freunde in Ehrfurcht davor, dass sie den Anweisungen der Packungsbeilage so brav Folge geleistet hatten. Doch dann spürten beide, wie sich die Wirkung der Pille in ihrem Inneren entfaltete. Ein übler Brechreiz gepaart mit dem Geschmack von mehreren Litern Verdauungsresten stieg beiden in die Kehle. Die zwei Riesenperücken begannen zu stöhnen und zu fluchen und rollten erst auf der Kuppe des Hügels herum, dann aber, da sie offensichtlich keine Kontrolle mehr über ihre Körperbewegungen hatten, den Hügel hinab und hinein in das hohe Gras. Wie auf ein Kommando standen sie dann auf, stolperten, hüpften, rannten zum Ufer der Klatsch und tranken auf dem Bauch liegend den halben Fluss leer.
»Mann, das ist ja so ekelhaft.« Kard war der erste, der wieder seine Stimme gefunden hatte. Von Madad kamen nur einige gurgelnde Geräusche.
»Wenn ich überlege, wie lecker die Haarwuchspillen waren, scheint es irgendwie logisch, dass das Haarschrumpfmittel dann das Gegenteil bewirkt.«
»Oh, Madad ist jetzt ein Philosoph.« In Kards Stimme kämpften Ironie und Ekel miteinander.
»Yo, genau. Alles hat seinen Preis. Man bekommt nichts geschenkt. Und so weiter.« Madad schien es schon wieder besser zu gehen, wenn er zu solch tiefsinnigen Erkenntnissen kommen konnte.
»Auf Nacht folgt Tag, auf Leckereien Ekel. Oder so.« Kard wollte es sich nicht nehmen lassen, auch seine philosophischen Qualitäten zum Besten zu geben.
»Du sagst es, lieber Freund. In dem Sinne würde ich sagen. Jetzt sind wir wach. Lass uns schlafen gehen.«
»Gut gesprochen, du kluger Cu. Lass uns zum Hügel hochgehen und in die Sterne schauen.«
Am nächsten Morgen wachten die beiden nicht wie sonst die vergangenen Tage in einem Nest neuer Haare auf, sondern fanden sich in der gleichen Haarpracht wieder, in der sie eingeschlafen waren. Das stetige Haarwachstum war gestoppt. In ihren Mündern hatte sich aber auch der schlechte Geschmack nach alten Füßen gemischt mit Essenzen getrockneter Kuhfladen gehalten. Selbst nachdem sie sich den Rachen erst mit reinem Flusswasser, dann mit einer Mischung aus nach Minze duftender Wiesengräser mehrfach gespült hatten, blieb ein Rest des unangenehmen Geschmackes unter der Zunge hängen. Nachdem sie das Haar dann auf Knöchelhöhe gestutzt hatten, noch wagten sie sich nicht aus der Anonymität heraus, zottelten sie daher missmutig zum Pfad, der entlang der Klatschfälle zum Hochplateau führe.
Der Weg schlängelte sich in vielen Serpentinen den steilen Abhang hinauf bis zum Hochplateau von Asch-by-lan. Obwohl sie bereits am frühen Morgen aufgebrochen waren, benötigten sie bis zum Nachmittag, bis sie ihr Ziel erreichten. Auf dem Weg waren ihnen einige Karawanen entgegengekommen, die ihre Last zum unteren Umschlagplatz transportierten, und die sie alle für seltsame Wahter hielten, denn was sollten diese behaarten Gestalten sonst sein? Kard gab ihnen auch mit verstellter Stimme bereitwillig Auskunft und bestätigte den Reisenden ihre Herkunft.
»Jetzt gehen wir zurück nach Hause, in den Dunklen Wald.«
Auch auf dem Hochplateau gab es einen Umschlagplatz für die Waren, die aus der Alten Stadt kamen oder dorthin sollten. Der Wasserfall unterbrach hier den Fluss, der bis zu dieser Stelle schiffbar war. Er war es wesentlich voller, als bei Kards letztem Besuch vor wenigen Wochen. Damals war er Rosie hinterhergeeilt, die den Cu als Trophäe nach Amazonien geschleppt hatte. Madad konnte sich kaum noch an seinen letzten Aufenthalt hier erinnern. Die listige Rosie hatte ihm damals ein Betäubungsmittel ins Futter gegeben. In seiner Erinnerung war alles verschwommen.
Auf dem damals leeren Gelände, auf dem die Waren für den Transport ins Tal gesammelt wurden, konnte Kard jetzt verschiedene Lager von Reisenden entdecken, die offensichtlich nicht hinunter ins Tal wollten, sondern in die Alte Stadt. Auf jeden Fall feilschten einige von ihnen mit den wenigen Lastkahn-Kapitänen, die in der Anlegebucht festgemacht hatten. Und zum ersten Mal seit ihrer Flucht aus Conchar beziehungsweise ihrer Stippvisite in Bo-Baoghalta entdeckten sie auch wieder die schwarzen Uniformen der Wachen. Instinktiv duckte sich Kard und schaute gehetzt in alle Richtungen. Aber weder Laoch oder andere Schergen noch die Faolskis waren zu sehen. Die Wachen standen bei den Booten und kontrollierten die Reisenden. Manche wurden abgewiesen und liefen dann fluchend zurück zum Lagerplatz. Offensichtlich hatte sich hier die Oberste Verwaltungsbehörde eingemischt, denn ohne offizielle Reisegenehmigung ließen die Wachen niemanden an Bord. Kard entspannte sich ein wenig, als er feststellte, dass die Wachen tatsächlich nur an der Anlegestelle standen und dort überwachten, wer auf dem Wasserweg in die Alte Stadt wollte.
Auch eine fluchende kleine Gestalt, die ein Riesenkaninchen hinter sich her zerrte, war abgewiesen worden.
»Hey du! Warum haben sie dich nicht auf das Schiff gelassen?«
»Hey du. Wieso hast du so lange Haare?« Der Kleinwüchsige war schlecht gelaunt, das war klar, aber er war offensichtlich auch neugierig.
»Wir sind Wahter.«
»Aha, eher eine Fatamorgana. Ha. Ha.« Der Kleine schlug sich auf die speckige Lederhose, die er trug und lachte herzhaft über seinen eigenen Witz. »Ich habe schon Wahter gesehen, die waren zwar haarig, aber nicht so haarig wie ihr. Seid ihr verflucht, habt ihr Filzläuse, sollen die Vögel Nester in euren Haaren bauen?« Wieder lachte der kleine Mann, offensichtlich ein geborener Scherzbold.
Kard erzählte kurz die Geschichte von der Wette, dem Mädchen und der langen Reise.
»Aha, und jetzt geht es zurück in den heimatlichen Wald. Schön. Wir würden ja auch gerne in die Richtung. Zur Alten Stadt. Da findet der Kongress der Respektlosen statt. Natürlich ganz geheim. Aber jeder weiß es. Alle Respektlosen Haragors versammeln sich. Jawohl!«
»Respektlose?« Kard hatte zwar mehr zu sich selbst gesprochen, aber natürlich hatte der kleine Kerl seine Worte gehört.
»Sag nicht, du hast noch nie von den Respektlosen gehört? Den Scherzkeksen? Den Unsinn-Machern? Den Troubadouren der Sinnlosigkeit? Den königlichen Hofnarren?«
Kard zuckte unter seiner Haarpracht die Schultern, was der Kleine ganz richtig deutete. Der gute Mann summte dann kurz, um sich in die richtige Tonlage zu bringen und fing dann an zu singen.
»Wir kennen keine Herren und auch keine Frau
denn dafür sind wir nä-ähmlich viel zu schlau.
Wir kennen keine Gesetze und auch keinen Richter,
denn dafür sind wir nä-ähmlich viel zu helle Lichter.
Wir kennen keine Götter und zahlen keine Steuer,
und dafür nennen uns die anderen schreckliche Ungeheuer.«
Stolz warf sich der kleine Mann, nachdem der letzte Ton verklungen war, in die Brust. »Darf ich mich vorstellen, Oiklihd, ehemaliger Hofnarr im Dienste Flanakans, jetzt Riesenkaninchen-Rebell.«
»Äh, ja, wir sind…«, Kard überlegt, er hatte keine Ahnung, welche Namen die Wahter trugen. »Nenn uns einfach Tim und Tom, unsere Waldnamen kann kein Mensch aussprechen.«
»Tim und Tom?«
»Genau! Ich bin Tim und der Bucklige ist Tom. Und entschuldige die Frage, aber was macht man denn so als Respektloser.«
Der Kleine schaute Kard erstaunt an.
»Ihr Hinterwäldler bekommt ja wohl auch gar nichts mit, oder? Die Respektlosen, die Gesetzlosen, die Gottlosen? Noch nie von gehört?«
Anscheinend wollte Oiklihd schon wieder anfangen zu singen, doch Madad kam ihm zuvor.
»Yo, doch, doch, Kaaaa.. äh Tim. Diese Spaßvögel, die nur Unsinn im Kopf haben.«
»Unsinn?« Oiklihd sah den buckligen Haarschopf entrüstet an. »Du sagst das, als ob Unsinn etwas Sinnloses wäre. Etwas, was keinen Zweck hat, was man einfach mal so macht. Aber das stimmt nicht. Wir bringen den Wesen Haragors das Lachen. Aber bei euch im Wald gibt es wohl nicht viel zu lachen. Da fallt ihr noch von den Bäumen, was?« Und Oiklihd schlug sich wieder prustend auf die Schenkel und selbst sein Riesenkaninchen schien belustigt zu schnauben.
»Und lacht man etwa über Steuern? Über Wachen? Über Könige? Oder gar über Götter? Hä? Hä? Hä?«
Kard und Madad aka Tim und Tom schüttelten ihre Mähnen.
»Seht ihr, seht ihr. Deswegen nennt man uns die Respektlosen. Wir lachen über alles und machen uns über jeden lustig. Und deswegen mögen uns die Wachen nicht da hinten. Wir lachen über sie. Das ist besser als jedes Schwert, versteht ihr. Wir lachen über die Wachen, über Flanakan und sogar über Goiba.«
Kards Herz machte einen Sprung.
»Was, ihr lacht sogar über Goiba? Seid ihr verrückt? Fürchtet ihr nicht ihren Zorn?«
»Nein, nein. Wir lachen auch über Branu, das gleicht sich wieder aus. Das ist wie in der Mathematik. Minus mal Minus macht Plus.«
»Mathe… was?« Madad/Tom hatte offensichtlich davon noch nie gehört.
»Mathematik? Zahlenzauber?« Jetzt wurde die Stimme von Oiklihd plötzlich ganz leise. »Eine Magie, die aus einem Land jenseits von Haragor kommt.« Vielsagend hob Oiklihd die linke Augenbraue und schaute die Freunde an.
Kard/Tim begann als Erster zu lachen. Madad/Tom setzte mit ein. »Magie, die außerhalb von Haragor… ha, ha, ha. Das ist ein Scherz, oder?« Die Riesenperücke schüttelte sich, als ob unter ihren Füßen die Erde beben würde. »Jeder weiß, dass jenseits des Meeres oder jenseits der Südlichen Wüste, das Große Nichts ist, das Reich der Götter, das Große Unvorstellbare.«
»Sagt wer?« Oiklihd ließ sich vom Gelächter der beiden nicht aus der Ruhe bringen.
»Du willst uns zum Lachen bringen, oder, Oiklihd, der Respektlose? Oder? Das kannst du nicht ernst meinen, oder?«
Oiklihd kniff die Augen zusammen. »Wer sagt denn, das da nichts ist? Flanakan? Dem glauben wir nicht. Die Govas, Govans und sonstige Götzendiener? Denen glauben wir nicht. Wir glauben nur unseren Ohren und Augen und Nasen. So ist das bei uns.«
Madad wälzte sich auf dem Boden. Der Kerl war zu komisch. Ein echter Scherzkeks. »Wieso bist du nicht mehr Hofnarr bei Flanakan? Ich finde dich großartig. Königlich. Göttlich.«
»Danke, danke, ich weiß.« Oiklihd, offensichtlich geschmeichelt, verneigte sich in Richtung der rollenden Fellkugel.