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Materialien- und Rechtsquellenverzeichnis


Abkommen betreffend die Rechte und Pflichten der neutralen Mächte und Personen im Falle eines Landkriegs Abgeschlossen in Den Haag am 18. Oktober 1907, von der Bundesversammlung genehmigt am 4. April 1910, Schweizerische Ratifikationsurkunde hinterlegt am 12. Mai 1910, in Kraft getreten für die Schweiz am 11. Juli 1910 SR 0.515.21
Abkommen betreffend die Rechte und Pflichten der neutralen Mächte im Falle eines Seekriegs Abgeschlossen in Den Haag am 18. Oktober 1907, von der Bundesversammlung genehmigt am 4. April 1910, Ratifikationsurkunde von der Schweiz hinterlegt am 12. Mai 1910, in Kraft getreten für die Schweiz am 11. Juli 1910 SR 0.515.22
Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der internationalen Atomenergieorganisation über die Anwendung von Sicherungsmassnahmen im Rahmen des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen vom 6. September 1978 SR 0.515.031
Botschaft des Bundesrates vom 15. Februar 1995 zur Volksinitiative «für ein Verbot der Kriegsmaterialausfuhr» und zur Revision des Bundesgesetzes über das Kriegsmaterial BBl 1995 II 1027
Botschaft des Bundesrates vom 20. Dezember 2000 zum Bundesgesetz über die Durchsetzung von internationalen Sanktionen BBl 2001 1433
Botschaft des Bundesrates vom 22. Februar 1995 betreffend das Bundesgesetz über die Kontrolle zivil und militärisch verwendbarer Güter (Güterkontrollgesetz, GKG) BBl 1995 II 1301
Botschaft des Bundesrates vom 24. Mai 2000 betreffend das Bundesgesetz über die Straffung der Bundesgesetzgebung im Bereich von Waffen, Kriegsmaterial, Sprengstoff sowie zivil und militärisch verwendbarer Güter BBl 2000 3369
Botschaft des Bundesrates vom 28. Februar 2001 zu den Volksinitiativen «MoratoriumPlus – Für die Verlängerung des Atomkraftwerk-Baustopps und die Begrenzung des Atomrisikos (MoratoriumPlus)» und «Strom ohne Atom – Für eine Energiewende und die schrittweise Stilllegung der Atomkraftwerke (Strom ohne Atom)» sowie zu einem Kernenergiegesetz BBl 2001 2665
Botschaft des Bundesrates vom 6. Juni 2011 zur Genehmigung des Übereinkommens über Streumunition und zu einer Änderung des Kriegsmaterialgesetzes BBl 2011 5905
Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 30. März 1911 (Fünfter Teil: Obligationenrecht, OR) SR 220
Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (Bundesgerichtsgesetz, BGG) SR 173.110
Bundesgesetz über das Kriegsmaterial (Kriegsmaterialgesetz, KMG,) Änderung vom 16. März 2012 AS 2013 295
Bundesgesetz über das Kriegsmaterial vom 13. Dezember 1996 (Kriegsmaterialgesetz, KMG) SR 514.51
Bundesgesetz über das Kriegsmaterial vom 30. Juni 1972 (aKMG von 1972) [Ausser Kraft] AS 1973 108
Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht vom 22. März 1974 (VStrR) SR 313.0
Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren vom 20. Dezember 1968 (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) SR 172.021
Bundesgesetz über die Durchsetzung von internationalen Sanktionen vom 22. März 2002 (Embargogesetz) SR 946.231
Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte vom 23. Juni 2000 (Anwaltsgesetz) SR 935.61
Bundesgesetz über die friedliche Verwendung der Atomenergie vom 23. Dezember 1959 (Atomgesetz, AtG) [Ausser Kraft] AS 1960 541
Bundesgesetz über die Kontrolle zivil und militärisch verwendbarer Güter sowie besonderer militärischer Güter vom 13. Dezember 1996 (Güterkontrollgesetz, GKG) SR 946.202
Bundesgesetz über die Straffung der Bundesgesetzgebung über Waffen, Kriegsmaterial, Sprengstoff sowie zivil und militärisch verwendbare Güter vom 22. Juni 2001 AS 2002 248
Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. März 1981 (Rechtshilfegesetz, IRSG) SR 351.1
Bundesgesetz über die Teilung eingezogener Vermögenswerte vom 19. März 2004 (TEVG) SR 312.4
Bundesgesetz über aussenwirtschaftliche Massnahmen vom 25. Juni 1982 SR 946.201
Bundesratsbeschluss über das Kriegsmaterial vom 28. März 1949 [Ausser Kraft] AS 1949 315
Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV) SR 101
Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874 (aBV) [Ausser Kraft] AS 1 1
Erläuternder Bericht des Bundesamts für Energie zur Totalrevision der Safeguardsverordnung vom 13. Oktober 2011
Internationale Übereinkunft betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs Abgeschlossen in Den Haag am 29. Juli 1899, von der Bundesversammlung genehmigt am 17. Juni 1907, Schweizerische Beitrittsurkunde hinterlegt am 18./28. Juni 1907, in Kraft getreten für die Schweiz am 28. Juni 1907 SR 0.515.111
Kernenergiegesetz vom 21. März 2003 (KEG) SR 732.1
Kernenergieverordnung vom 10. Dezember 2004 (KEV) SR 732.11
Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) Abgeschlossen in Rom am 4. November 1950, von der Bundesversammlung genehmigt am 3. Oktober 1974, Schweizerische Ratifikationsurkunde hinterlegt am 28. November 1974, in Kraft getreten für die Schweiz am 28. November 1974 SR 0.101
Mitteilung Labor Spiez vom 21. August 2013
Safeguardsverordnung vom 18. August 2004 [Ausser Kraft] AS 2005 267
Safeguardsverordnung vom 21. März 2012 SR 732.12
Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) SR 312.0
Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) SR 272
Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 (StGB) SR 311.0
Strahlenschutzgesetz vom 22. März 1991 (StSG) SR 814.50
Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und von Toxinwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen (Biologiewaffenübereinkommen, BWÜ) Abgeschlossen in London, Moskau und Washington am 10. April 1972, von der Bundesversammlung genehmigt am 26. Juni 1973, Schweizerische Ratifikationsurkunde hinterlegt am 4. Mai 1976, in Kraft getreten für die Schweiz am 4. Mai 1976 SR 0.515.07
Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen (Chemiewaffenübereinkommen, CWÜ) Abgeschlossen in Paris am 13. Januar 1993, von der Bundesversammlung genehmigt am 7. Oktober 1994, Schweizerische Ratifikationsurkunde hinterlegt am 10. März 1995, in Kraft getreten für die Schweiz am 29. April 1997 SR 0.515.08
Verordnung über Begriffsbestimmungen und Bewilligungen auf dem Gebiet der Atomenergie vom 18. Januar 1984 (Atomverordnung, AtV) [Ausser Kraft] AS 1984 209
Verordnung über Begriffsbestimmungen und Bewilligungen im Gebiete der Atomenergie vom 17. Mai 1978 [Ausser Kraft] AS 1978 767
Verordnung über das Kriegsmaterial vom 10. Januar 1973 (VKM von 1973) [Ausser Kraft] AS 1973 116
Verordnung über das Kriegsmaterial vom 25. Februar 1998 (Kriegsmaterialverordnung, KMV) SR 514.511
Verordnung über den Nachrichtendienst des Bundes ­(V-NDB) vom 4. Dezember 2009 AS 2009 6937
Verordnung über die Aus-, Ein- und Durchfuhr zivil und militärisch verwendbarer Güter sowie besonderer militärischer Güter vom 25. Juni 1997 (Güterkontrollverordnung, GKV) SR 946.202.1
Verordnung über die Aus-, Ein- und Durchfuhr zivil und militärisch verwendbarer Güter sowie besonderer militärischer Güter (Güterkontrollverordnung, GKV), Änderung vom 21. November 2001 AS 2002 349
Verordnung über die Kontrolle von Chemikalien mit ziviler und militärischer Verwendungsmöglichkeit vom 21. August 2013 (Chemikalienkontrollverordnung, ChKV) SR 946.202.21
Verordnung über die Kontrolle von Chemikalien mit ziviler und militärischer Verwendungsmöglichkeit (Chemikalienkontrollverordnung, ChKV) vom 21. August 2013 AS 2013 2803
Verordnung über die Kontrolle von Chemikalien mit ziviler und militärischer Verwendungsmöglichkeit vom 3. September 1997 (Chemikalienkontrollverordnung, ChKV) [Ausser Kraft] AS 1997 2090
Verordnung über die Kontrolle von Chemikalien mit ziviler und militärischer Verwendungsmöglichkeit (Chemikalienkontrollverordnung, ChKV) vom 17. Oktober 2007 [Ausser Kraft] AS 2007 5057
Verordnung über die Statistik des Aussenhandels vom 12. Oktober 2011 SR 632.14
Zollgesetz vom 18. März 2005 SR 631.0
Zusatzprotokoll zum Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Internationalen Atom­energieorganisation über die Anwendung von Siche­rungsmassnahmen im Rahmen des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen vom 16. Juni 2000 SR 0.515.031.1

1. Einleitung

1

Die wenigsten Bürger wissen, dass es ein Güterkontrollgesetz, genauer gesagt, ein «Bundesgesetz über die Kontrolle zivil und militärisch verwendbarer Güter sowie besonderer militärischer Güter» gibt. Noch weniger Menschen wissen, was das Güterkontrollgesetz überhaupt regelt – und in wie viele Bereiche des täglichen Lebens die durch diese Gesetzgebung geregelten Produkte hineinspielen. Angesichts der Normendichte in der westlichen Welt im Allgemeinen und der in der Schweiz im Besonderen ist dies nicht wirklich erstaunlich.

2

Interessanterweise wissen auch Anwälte, die Unternehmen beraten, welche unmittelbar von den Regelungen des Güterkontrollgesetzes betroffen sind, bisweilen nicht, dass es dieses Gesetz überhaupt gibt. Einige wissen zwar von dessen Existenz, und auch, dass es die Tätigkeit ihrer Klientschaft unmittelbar beschlägt, gehen aber davon aus, dass der Klient selbst über dessen Anwendbarkeit Bescheid weiss.

3

Die vorliegende Monografie entstand aus der Idee, die Rechtslage im Exportkontrollrecht mit Schwerpunkt im Güterkontrollrecht in der Schweiz einerseits so umfassend wie nötig und andererseits so knapp wie möglich darzustellen. Gleichzeitig sollte das Werk einen hohen Praxisbezug aufweisen, insbesondere im Bereich der Regelungen des für die schweizerische Industrie sehr wichtigen Zweigs der Maschinenindustrie.

4

Die Komplexität des Güterkontrollrechts wirkt sich vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen, welche keine eigenen Rechtsabteilungen haben, bisweilen sehr problematisch aus. Diese Unternehmen haben zwar in aller Regel einen Verantwortlichen für die Exportkontrolle, werden jedoch in Rechtsfragen meistens durch Anwälte beraten, die zwar in irgendeiner Weise einen persönlichen (oftmals langjährigen) Bezug zum Unternehmen respektive den Inhabern haben, mit der güterkontrollrechtlichen Thematik jedoch oftmals nicht oder nur hinlänglich vertraut sind. Eines der Ziele der vorliegenden Monografie ist es daher auch, Anwälten und Exportkontrollverantwortlichen bei konkreten Problemstellungen als Nachschlagewerk dienen zu können.

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Um diese Zielsetzungen zu erfüllen, enthält das Buch daher zuerst einen kurzen Abriss zum Thema Exportkontrolle, danach werden die völkerrechtlich (verbindlichen und nicht verbindlichen) sowie die binnenrechtlichen Rechtsgrundlagen der Exportkontrolle dargestellt. Grundbegriffe und Grundlagenwissen der Exportkontrolle werden in einem eigenen Kapitel dargestellt, ebenso wie der Begriff der Compliance im Exportkontrollrecht. Erst danach wird die Güterkontrollgesetzgebung der Schweiz im engeren Sinne, das Güterkontrollgesetz, die Güterkontrollverordnung und die in der Praxis äusserst wichtigen Anhänge zur Güterkontrollverordnung (die sogenannten Güterlisten) behandelt. Letztere werden sehr ausführlich behandelt, insbesondere Anhang II zur Güterkontrollverordnung, die Liste der Dual-Use Güter. An geeigneter Stelle werden Beispiele aus der Praxis dargestellt und Lösungsansätze aufgezeigt.

6

Eine für die Praxis bisweilen sehr wichtige Materie wird im vorliegenden Werk nicht behandelt, das US-(Re-)Exportkontrollrecht. Das US-(Re-)Exportkontrollrecht kontrolliert zwar primär die Exportaktivitäten aus den USA heraus, ist also quasi das amerikanische Pendant zum Güterkontrollgesetz. Es enthält jedoch auch Regelungen für die Ausfuhren aus Drittländern (also auch aus der Schweiz), wenn die Ausfuhrgüter einen gewissen Anteil amerikanischer Teile aufweisen und dadurch (aus amerikanischer Sicht) als US-Güter einzustufen sind, was als (Re-)Export bezeichnet wird. Die Vereinigten Staaten von Amerika nehmen damit für die Kontrolle von Lieferungen amerikanischer Waren, Software und Technologien grundsätzlich eine weltweite Zuständigkeit für sich in Anspruch. Eine umfassende Darstellung hätte den Rahmen der vorliegenden Monografie gesprengt, während eine bloss schematische Bearbeitung der Thematik der Bedeutung, welche diese Materie in der Praxis haben kann, nicht Genüge getan hätte.

7

Das Güterkontrollgesetz ist mit verhältnismässig scharfen Strafbestimmungen versehen. Verstösse gegen Exportkontrollbestimmungen können daher – wenn nachgewiesen – zu empfindlichen Strafen führen. Aus diesem Grunde behandelt das letzte Kapitel ausschliesslich die Situation von (behaupteten) Verstössen gegen das Güterkontrollgesetz. Ziel dieses Kapitels ist es, auch mit der Materie wenig vertraute Anwälte in die Lage zu versetzen, sich rasch ein Bild über die sich stellende Problematik machen zu können. Dies soll es ihnen ermöglichen, in einem solchen Fall die Interessenwahrung des Klienten in optima forma zu gewährleisten, und zwar noch während sich der Fall im Untersuchungsverfahren befindet – und der Anwalt damit Möglichkeiten zur Einflussnahme hat.

2. Exportkontrollregelungen

2.1 Geschichtliches

8

Mit zunehmender Regelungsdichte und -komplexität trat die Bedeutung des Fachs Rechtsgeschichte in der juristischen Ausbildung in den Hintergrund. Dabei gibt es wenig Rechtsgebiete, welche die Bedeutung der Geschichte (und damit auch der Rechtsgeschichte) eingehender darzulegen vermögen, als es die Exportkontrollregelungen tun. Für das Verständnis der Materie als solche sind weltgeschichtliche Kenntnisse von grossem Nutzen; für das Verständnis der Güterlisten der Dual-Use Güter ist die Kenntnis ihrer geschichtlichen Entwicklung schlichtweg unerlässlich. Im vorliegenden Werk wird – aus Platzgründen – auf geschichtliche Bezüge jedoch nur soweit Bezug genommen, als sie zum Verständnis der Materie jeweils unentbehrlich sind.

9

Die Exportkontrolle ist keine Erfindung der Neuzeit, soll doch das Verbot von Kaiser Marc Aurel (121–180), Waffen wie Schwerter, Schilde, Pfeile und Bogen an Barbaren zu verkaufen, die erste bekannte Exportkontrolle gewesen sein.[1] Als zweites Beispiel wird das Verbot von Papst Innozenz II. (1088–1143) aus dem Jahre 1139 erwähnt, die Armbrust zu benutzen.[2] Letzteres Beispiel ist jedoch insofern nicht richtig, weil es hier weniger um die Exportkontrolle ging als um die Ächtung eines Kriegsgerätes.[3] Diese ist von der Exportkontrolle scharf zu unterscheiden, verfolgt sie doch völlig andere Ziele.

10

Unter Ächtung von Kriegsmitteln versteht man ein selbst auferlegtes Verbot oder Übereinkommen von Staaten, bestimmte Waffen oder Munition ganz generell oder zumindest in einem bestimmten Konflikt nicht zu verwenden. Die Ächtung gilt auch dann, wenn der Einsatz dieser Waffen militärisch gesehen vorteilhaft wäre.[4] Die Gründe für solche Ächtungen haben sich im Laufe der Zeit verändert. War im Mittelalter deren Ziel v.a. die Aufrechterhaltung der Standesordnung, so hielt mit dem Aufkommen des Humanismus der Gedanke Einzug, menschliches Leid zu lindern und selbst in einem bewaffneten Konflikt wenn immer möglich dieses auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Seit dem Aufkommen der Massenvernichtungswaffen ist in erster Linie die Angst vor völliger gegenseitiger Vernichtung die treibende Kraft solcher Ächtungen.

11

Die Exportkontrolle von Dual-Use Gütern in ihrer heutigen Form und Ausgestaltung kann als eine Resultante verschiedener Ereignisse der Achtziger- und Neunzigerjahre des letzten Jahrhunderts angesehen werden. Wichtig für das Verständnis der Materie ist jedoch zu wissen, dass die Exportkontrolle von Dual-Use Gütern bereits kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges begann und seine Wurzeln im Beginn des Kalten Krieges hatte.

12

Als Vorläufer der heutigen Exportkontrolle kann und muss das Koordinationskomitee für multilaterale Exportkontrollen (CoCom)[5] angesehen werden.[6] Dieses erste Kontrollregime, welches Dual-Use Güter einschloss, war ein auf Betreiben der USA initiierter Ausschuss mit Sitz in Paris. Es wurde am 22. November 1949 gegründet und nahm seine Arbeit per 1. Januar 1950 auf; zum Zeitpunkt seiner Auflösung Ende März 1994 gehörten ihm alle NATO-Staaten (mit Ausnahme Islands) sowie Japan und Australien an. Wie auch die heutigen Kontrollregime war das CoCom ein informelles und vertraglich nicht abgesichertes Gremium. Im Zeitpunkt seiner Gründung war der Ostblock der NATO zahlenmässig weit überlegen, weshalb es die Zielsetzung der Kontrollmassnahmen des CoCom war, diese zahlenmässige militärische Überlegenheit durch einen technologischen Vorsprung zu neutralisieren. Die restriktive Ausfuhrpolitik des CoCom ging jedoch weit über den Bereich der Massenvernichtungswaffen hinaus. So war das Ziel dieser Politik nicht nur, den Technologievorsprung der CoCom-Länder zu wahren, sondern auch den Rüstungswettlauf für potentielle Feinde zu verteuern. Die Massnahmen des CoCom richteten sich des Weiteren nicht nur gegen sämtliche Mitglieder des Warschauer Paktes, sondern auch gegen die kommunistischen Regime in China, Nordkorea, Vietnam, Albanien, Kuba und die Mongolei.[7]

13

Das CoCom hatte drei Hauptfunktionen:

1.Erstellung und Revision der Ausfuhrkontrolllisten:

Es gab deren drei: die Internationale Rüstungsgüterliste, die Internationale Atomenergieliste sowie die Internationale Industrieliste, in der Güter (Waren und Technologien) aufgeführt waren, die sowohl für zivile als auch militärische Zwecke verwendet werden konnten (Dual-Use Güter). Ergänzung und Revision der Listen erfolgte an den regelmässigen Treffen der technischen Experten.[8]

2.Entscheidfällung über die von den Mitgliedstaaten eingereichten Ausfuhrgesuche:

Die der Kontrolle unterstellten Güter waren – gem. ihrer strategischen Bedeutung – in drei Kategorien eingeteilt:[9]

a.Für Güter der strategisch kritischsten Kategorie war eine Ausfuhr nur möglich, wenn alle CoCom-Staaten zustimmten (Prinzip der general exception).[10]

b.Für die Ausfuhr von Gütern der zweiten Kategorie galt das Prinzip der favorable consideration; die Ausfuhr war nur erlaubt, wenn kein Mitgliedstaat des CoCom dagegen Einspruch erhob.[11]

c.Für die Ausfuhr von strategisch unproblematischeren Gütern galt das Prinzip der national discretion; es brauchte keine Ausfuhrgenehmigung des CoCom; die Notifikation der Ausfuhr genügte.[12]

3.Koordination der nationalen Exportkontrollverfahren.[13]

14

Während der allgemeinen Entspannung des Ost-West-Konflikts in den Siebzigerjahren wurden die Kontrollen des CoCom verhältnismässig grosszügig gehandhabt. Erst die Invasion Afghanistans durch die Sowjetunion veranlasste den damaligen US-Präsidenten Jimmy Carter zu einer restriktiveren Haltung zurückzukehren. Die Reagan-Administration war es jedoch, die nicht nur der amerikanischen Exportkontrollpolitik eine noch striktere Ausrichtung gab, sondern auch das CoCom zu einer entsprechenden Haltung veranlasste. Im Jahre 1985 begannen die USA, auch Länder, welche nicht dem CoCom angehörten, mittels wirtschaftlichen Drucks zur Einführung einer restriktiveren Politik anzuhalten.[14]

15

Im CoCom selbst erfolgte dann im Januar 1988 eine grössere Weichenstellung, welche insb. folgende vier Massnahmen betraf:[15]

1.Kürzung der Güterlisten;

2.Verstärkung der Kontrollen für die verbleibenden strategisch kritischen Güter;

3.Erleichterung des Handels von CoCom-Gütern zwischen den einzelnen Mitgliedern; und

4.Harmonisierung bei gleichzeitiger Verstärkung der gültigen Zollkontrollen und -verfahren in den einzelnen CoCom-Staaten.

16

Die Kürzung der Güterlisten bezog sich in erster Linie auf die Internationale Industrieliste, welche zuletzt die neun folgenden Produktkategorien umfasste:

–Hochleistungsstoffe,

–Werkstoffbearbeitung,

–Elektronik,

–Rechner,

–Telekommunikation und Informationssicherheit,

–Sensoren und Laser,

–Navigation und Avionik,

–Meeres- und Schiffstechnik sowie

–Antriebstechnik.[16]

17

Die politischen und marktwirtschaftlichen Reformen in den mittel- und osteuropäischen Staaten und den Ländern der ehemaligen Sowjetunion, insb. aber die Auflösung des Warschauer Paktes, führten zu einer weiteren Lockerung der CoCom-Politik, welche sich einerseits in der Kürzung der CoCom-Listen niederschlug, andererseits aber auch in einer Vereinfachung der Bewilligungsverfahren.[17]

18

Im November 1992 tagte erstmals ein auf Initiative der USA geschaffenes CoCom-Cooperations-Forum (CCF). Sein Ziel war es, neue Wege der Zusammenarbeit mit den Regierungen in Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion, welche zu effektiven Reformen Hand boten, zu erarbeiten. Anlässlich eines gemeinsamen Treffens stellten die Mitgliedstaaten des CoCom den bisher von den Exportkontrollen betroffenen Staaten einen schrittweisen Abbau und schliesslich die Aufhebung der Kontrollen in Aussicht. Bedingung dafür war, dass sie den zivilen Endverbrauch der vom CoCom kontrollierten Waren und Technologien garantierten und darüber hinaus selbst wirksame Exportkontrollen einführten. Die diesbzgl. Vorschläge der von den Exportkontrollen betroffenen Staaten lösten grundsätzlich positive Reaktionen aus. Das CoCom wurde schliesslich am 31. März 1994 aufgelöst, noch bevor alle davon betroffenen Staaten selbst über wirksame Exportkontrollen verfügten.[18]

19

Aus neutralitätspolitischen Gründen konnte sich die Schweiz dem CoCom nie anschliessen. Im Hotz-Linder-Agreement von 1951[19] erklärte sie sich jedoch gegenüber den USA bereit, Vorkehrungen dafür zu treffen, dass ihr Territorium nicht als Drehscheibe für eine Umgehung der CoCom-Kontrollen benutzt werde. Der Bundesrat argumentierte damals, dass ein Ausnutzen der Kontrollmassnahmen die Glaubwürdigkeit der schweizerischen Neutralitätspolitik, wonach die Schweiz sich grundsätzlich nicht an Embargomassnahmen einzelner Staatengruppen beteilige, beeinträchtigt hätte. Das erklärte Ziel der Schweiz war es, ihrer Industrie den undiskriminierten Zugang zu modernster Technologie in den CoCom-Staaten und insb. in den USA zu sichern, da der Zugang zu diesen Gütern für den Erhalt der Konkurrenzfähigkeit der betroffenen schweizerischen Wirtschaftszweige von grösster Bedeutung war.[20]

20

Zum Erreichen dieser Ziele wurden 1951 folgende autonome Überwachungsmassnahmen getroffen:

1.Die Einfuhr bestimmter Waren wurde der amtlichen Überwachung unterstellt, und die Wiederausfuhr solcher Waren nur mit dem Einverständnis des Lieferlandes gestattet. Damit diese Massnahme durchgesetzt werden konnte, wurden sog. Einfuhrzertifikate ausgestellt. In diesen wurde gegenüber dem Lieferland amtlich garantiert, dass die Waren in die Schweiz eingeführt und ohne Einverständnis des Lieferlandes nicht wieder exportiert würden.[21]

2.Sodann wurden Vorkehrungen getroffen, die verhindern sollten, dass handelsbeschränkende Massnahmen des einen Mächteblockes gegenüber dem anderen durch Lieferungen von Gütern schweizerischen Ursprungs unterlaufen wurden. Um dies zu erreichen, wurde die schweizerische Industrie veranlasst, sich bei der Ausfuhr von kontrollierten Waren eine gewisse Selbstbeschränkung aufzuerlegen.[22]

3.1986 wurde das Überwachungssystem um ein beschränktes Durchfuhrverbot für Listenwaren ergänzt. Dieses kontrollierte die unrechtmässige Umleitung von Transitsendungen über die Schweiz, ohne jedoch die Durchfuhrmöglichkeiten unangemessen zu erschweren.[23]

4.1991 wurde die Möglichkeit geschaffen, die Wiederausfuhr ausländischer CoCom-Güter unabhängig vom Vorliegen eines Einfuhrzertifikates zu verweigern.[24]

21

Diese Massnahmen gewährleisteten den weitgehend undiskriminierten Zugang der schweizerischen Industrie zu hochsensiblen Gütern. Im Jahre 1991 wurde die Schweiz (zusammen mit Irland, Österreich und Finnland) von den USA in die Liste der Länder aufgenommen, die neben den CoCom-Staaten 90 Prozent der auf der CoCom-lndustrieliste befindlichen Güter unter einer sog. Generallizenz beziehen konnten. Das Erfordernis einer individuellen Ausfuhrlizenz und die Einreichung eines Einfuhrzertifikates waren damit obsolet geworden.[25]

22

Für die geschichtliche Betrachtung der Exportkontrollregelungen sind insb. die Umstände des CoCom-Endes von grosser Bedeutung. Das CoCom wurde wie bereits erwähnt auf gemeinsamen Beschluss seiner Mitglieder per 31. März 1994 aufgelöst, da es mit der Beendigung des Ost-West-Konflikts, ausgelöst durch den Zusammenbruch der Sowjetunion, keine Aufgabe mehr hatte. Jedoch sahen die Mitglieder des CoCom bereits damals neue Probleme, u.a. in der Verfügbarkeit von Dual-Use Gütern, und beschlossen bei der Auflösung des CoCom, eine Nachfolgeorganisation zu gründen. Diese trug in der Vorbereitungsphase den Namen «New Forum» und sollte zur Vermeidung des Exports von konventionellen Rüstungsgütern und Waren oder Technologien in politisch unzuverlässige Entwicklungsländer und Schwellenländer wie Nordkorea, Irak oder Libyen dienen.[26] Das «New Forum» führte schliesslich als Nachfolgeorganisation des CoCom zur Vereinbarung von Wassenaar.[27]

23

Die Umstände der Auflösung des CoCom sowie die Ende der Achtziger- resp. Anfang der Neunzigerjahre in Kraft getretenen Exportkontrollmechanismen (worauf sogleich zurückgekommen wird) zeigen deutlich auf, dass die Ost-West-Kontrollen durch Nord-Süd-Kontrollen ersetzt wurden[28], welche auch heute noch einen zentralen Inhalt der Exportkontrollen darstellen.

24

Bei den in den CoCom-Listen aufgeführten Gütern, welche im Übrigen in fast allen Mitgliedstaaten in nationale Kontrolllisten umgesetzt wurden, handelte es sich weitgehend um verhältnismässig klar definierte Erzeugnisse, so etwa bestimmte Chemikalien oder ihre Vorprodukte sowie Spaltmaterial oder Ausrüstung für dessen Erzeugung. Der Anteil von Dual-Use Produkten war zwar bereits damals beträchtlich, allerdings handelte es sich um strategische Dual-Use Güter, also solche, welche mehr oder weniger unmittelbar sowohl zivil als auch militärisch eingesetzt werden konnten.[29] Die Erkenntnis, dass v.a. die Zahl der Länder der Dritten Welt zunahm, die technisch in der Lage waren, sich ihre Massenvernichtungswaffen und die dazu erforderlichen Trägersysteme (Raketen) bereits aus Komponenten herzustellen, hat nicht nur den Kontrollbedarf für strategische Dual-Use Waren verschärft. Diese Erkenntnis hat auch dazu geführt, bereits einfache Erzeugnisse bei der Ausfuhr in bestimmte Länder zu überwachen, wenn sie für den Einsatz in proliferationsverdächtigen Projekten geeignet sind. Letztlich führte dies zum folgenden Paradigmenwechsel in der Exportkontrolle von Dual-Use Gütern: Basierte die Exportkontrolle in der Vergangenheit vorwiegend auf produktbezogenen Kontrollen, so wird sie heute auch um verwendungsbezogene Kriterien ergänzt.[30], [31]

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