Kitabı oku: «Das Auge des Feinschmeckers», sayfa 3
Alles, was Sie mit Scotch kochen können – Teil 1: Cullen Skink
»Das war unerträglich. Auf eine derartige Verkörperung der Küchenunterwelt habe ich nie zuvor beißen müssen. Mir ist jetzt noch ganz schlecht davon. Psychisches Nachbeben, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ich werde mich darum kümmern, dass die Verantwortlichen bei Wasser und Brot in einer Zelle darben, während ihnen von außen der Duft feiner Spezereien zugefächelt wird. Inzwischen glaube ich sogar, meine Besprechung ist zu milde ausgefallen. Sie halten das hier für eine gute Idee, ja?«, wollte MacDonald wissen. Die Expedition auf Arthur’s Seat ließ ihn vor Anstrengung kleine Wölkchen auspusten. Vom 822 Fuß hohen Berg hatte man einen wunderbaren Ausblick auf die Stadt. »Absolut, es wird ausgezeichnet wirken auf den Fernsehschirmen, glauben Sie mir«, erwiderte Jim Robertson, der Regisseur des Fernsehteams, ruhig. Er hatte sich an die improvisierten Vorträge seines Hauptdarstellers mittlerweile gewöhnt.
»Ich komme mir vor wie der Yeti auf der Suche nach seinen Ersparnissen«, klagte der Genießer, freute sich aber durchaus über den schönen Blick in die Ferne.
»Der wohnt ganz woanders, glauben Sie mir. Und eine Kochsendung würde er bestimmt nicht moderieren.«
»Mister Robertson. Ich bin nicht mit einem Ansager zu vergleichen, sehe mich mehr als passionierten Koch, der sich bereit erklärt hat, mit den werten Zuschauern einige seiner Küchengeheimnisse zu teilen.«
»Ist klar.«
»Erklären Sie mir noch einmal, warum wir auf Arthur’s Seat drehen und nicht in den Highlands?«
»Aber sehr gerne. Sie sind doch ein leibhaftiger und überzeugter Bürger dieser Stadt, nicht wahr?«
MacDonald rückte seine Seidenkrawatte gerade. »Das kann man mit Fug und Recht sagen.«
»Sehen Sie. Und das Programm heißt ›Alles, was Sie mit Scotch kochen können‹. Präsentiert von ... na?«
»Von mir«, sagte MacDonald nicht ohne Stolz.
»Exakt«, erwiderte Robertson und wischte sich unter seinem Käppi die Stirn. »Sie sind der Mittelpunkt der Sendung. Nur weil der Scotch, mit dem wir kochen, im Hochland hergestellt wird, müssen wir nicht in die Berge reisen.«
»Sie glauben nicht, dass die Zuschauer Einwände hegen gegen einen ausgebrannten Vulkan als Kulisse für meine Rezepte?«
»Nein, Mister MacDonald, das denke ich wirklich nicht, denn dieser ausgebrannte Vulkan ist zufällig eines der Wahrzeichen unserer Stadt. Kaum eine Metropole kann einen derartigen Ort vorweisen, nicht wahr?«
»In der Tat«, erwiderte er, nun endlich überzeugt. Was der Regisseur verschwieg, war die Tatsache, dass der Etat keine Reisekosten enthielt. So erklomm das Produktionsteam nebst fünf Möbelpackern den höchsten Punkt der Kette von breiten Hügeln, ein selbst für die BBC Scotland ungewöhnliches Unterfangen. Zwei der massigen Männer stemmten einen Schreibtisch in die Höhe, der Rest trug einen Campingtisch und eine Topfsammlung, deren Anblick jeden Hobbykoch zu Tode gedemütigt hätte. MacDonald bildete zusammen mit seinem Regisseur das Schlusslicht. Sein Blutdruck stieg mit jedem Schritt wie das Quecksilber eines gereizten Thermometers. »Lassen Sie mich nur noch einen Moment den wunderschönen Blick genießen, Mister Robertson. So viel Zeit muss sein.« Er griff zu seinem silbernen Flachmann, den er gewöhnlich nur bei extremer Kälte einsetzte, und gönnte sich einen Doppelschluck Scotch. »Möchten Sie auch einen?«
»Nein, danke, ich gewöhne es mir gerade ab«, sagte Robertson, wenig überzeugend.
Der Gourmet wich erschrocken einen Schritt zurück. »Ein Freund beschritt diesen Weg auch einmal. Von dem Zeitpunkt an konnte man nichts mehr mit ihm anfangen. Saß nur noch in der Ecke und schwieg vor sich hin, ein schreckliches Schicksal. So möchte ich nicht enden.«
»Können wir weiter?«
»Aber ja, ich habe nichts dagegen. Nur wacker voran.«
Der Tross hatte sich in der Zwischenzeit unaufhaltsam dem Gipfel genähert. Auf dem letzten, schmalen Pfad mimten die Packer Hannibals Elefanten bei der Überquerung der Alpen, sich fragend, wozu der ganze Unsinn veranstaltet wurde. Möbel, gut, aber Pfannen und dergleichen Kram? Die präzisen Anweisungen Robertsons brachten Licht ins Trägerdunkel. »Den Schreibtisch bitte mit dem Rücken zum Berg, den kleineren Tisch zwei Fuß davor, danke.« MacDonald nahm hinter dem gewichtigen Sekretär Platz, vor sich einen dekorativen Halbkreis mit erlesenen Whiskys. Ähnlichkeiten mit einer beliebten britischen TV-Serie namens »Monty Python’s Flying Circus« waren keinesfalls zufällig. »Gut, fangen wir einfach an wie besprochen«, sagte der unermüdliche Mister Robertson.
»Ich bin bereit«, verkündete MacDonald. »Die Frage, wer den Whisky erfunden hat, ist fast so alt wie das Rätsel um Huhn und Ei, aber doch sehr klar zu beantworten. Natürlich waren es die Schotten. Wer sonst? Die Legende behauptet, dass eines wunderschönen Tages, als zur Erntezeit Getreide gedroschen wurde, unbeabsichtigt etwas Gerste im Wasser landete. Die Körner begannen zu keimen. Unsere werten Ahnen beliebten, dieses Gemisch zu kochen, der Dampf traf auf eine kalte Oberfläche, kondensierte zu einer kristallklaren Essenz, und siehe da, der Scotch war geboren. Ein denkwürdiger Tag in der Geschichte der Schotten und auch der Menschheit. Ein halbes Jahrtausend ist das nun her. Doch keine Angst, meine lieben Zuschauer, ich habe nicht vor, Sie zu Tode zu langweilen mit einem Übermaß an Historie. Ganz und gar nicht, denn diese können Sie viel besser nachlesen. Was ich Ihnen biete, ist eine Reise durch die Whisky-Küche. Bei mir erfahren Sie in den nächsten Wochen, welche schmackhaften Gerichte sich mit der goldenen Flüssigkeit kreieren lassen. Heute beginnen wir mit einer veredelten Form des Ihnen wohlbekannten Cullen Skink.«
»Schnitt, okay, das haben wir im Kasten«, rief Robertson freudig. »Jetzt wird das Süppchen gekocht.«
»Als ob es so einfach wäre, eine ansprechende Vorspeise zu zaubern«, sagte MacDonald halb beleidigt. »Das mag im Dosenzeitalter eine gar häufige Annahme sein, aber ich sage Ihnen, frische Kost ist weitaus anspruchsvoller. Kochen ist eine Kunst, wie meine Tante Beatriz in Lissabon immer zu sagen pflegt. Zweifeln Sie etwa daran?«
»Aber nein, Mister MacDonald, im Gegenteil, ich freue mich nur, dass alles so reibungslos geklappt hat. Das erleben wir selten. Sie sind wirklich ein Naturtalent.«
»Bei dem Wind hier oben macht sich das wahrscheinlich bezahlt.«
»Sie kriegen das schon hin.«
»Vielen Dank für Ihr unerschütterliches Vertrauen, aber bedenken Sie, Ihre Kameraausrüstung wiegt bestimmt eine Tonne. Und erst meine Kochtöpfe! Wenn es die in prallem Zustand vom Berg weht, denken die Leute, der Vulkan sei wieder ausgebrochen.«
»Der würde bei weitem nicht so gut riechen. Aber wer weiß, vielleicht können die Bewohner der Stadt vom Duft ihrer Kreation auf den richtigen kulinarischen Weg gebracht werden.«
MacDonald faltete sorgfältig sein dunkelblaues Jackett und legte es auf den Schreibtisch. »Falls meine Suppe misslingt, werde ich mich im Fallschirmspringen üben oder ich beginne eine Karriere als Koch im ›Welcome to TexMex‹. Die Voraussetzungen dafür würde ich auch mit halb so viel Gehirnzellen und nur einer Hand noch mitbringen!«
»Das ›Welcome to TexMex‹, sagen Sie?«
»Ja, kennen Sie das Etablissement etwa?«
»Es hat seit Kurzem einen neuen Besitzer. Sein Name ist Francis Drake, ein knallharter Geschäftsmann.«
»Haben Sie jemals in dem sogenannten Restaurant diniert, Mister Robertson?«
»Ich nicht. Allerdings war mein Bruder schon dort.«
»Hat es ihm geschmeckt?«
»Lassen Sie es mich so sagen: Es war nicht überragend.«
»Hatte Ihr Herr Bruder danach Probleme mit seiner Verdauung?«
Der Regisseur wollte bereits zu einer Antwort ansetzen, überlegte es sich aber sehr plötzlich anders. »Mein lieber Mister MacDonald, ich möchte gerne mit Ihnen über so viele Themen sprechen. Aber leider müssen wir mit unserer Aufnahme fertig werden.« Das leuchtete MacDonald durchaus ein. Doch die Hast war selbst für Robertson übertrieben. Vielleicht hatte er am Morgen zu viel Kaffee getrunken. Das wäre noch die einfachste Erklärung gewesen.
»Manche Menschen werden geboren, um zu feiern, und nicht um zu kämpfen.«
Count Basil in Joanne Baillies Stück »Eine Tragödie«
India, warum?
»Hallo«, sagte MacDonald bärbeißig ins Telefon, das ihn aus einer Meditation über grünen Papaya-Salat gerissen hatte.
»Wer spricht da«, rief es unfreundlich zurück.
»Nun, das würde ich gerne von Ihnen wissen«, erwiderte der Gestörte und hielt den Hörer wie eine faule Banane von sich.
»Was ist los?«
»Ich sagte, wenn Sie bei mir anrufen, sollten Sie zuerst Ihren Namen offenbaren.«
»Tut nichts zur Sache. Aber wenn Sie dieser Schreiberling sind, habe ich eine Nachricht für Sie.«
»Sie gleichen demnach Hermes aus dem alten Griechenland, sind gar ein direkter Verwandter von ihm? Mir scheint, das Glück ist mir heute gewogen.«
»Hören Sie auf, so einen Mist zu schreiben!«
»Wäre es Ihnen möglich, semantisch ein wenig in die Tiefe zu schreiten, Verehrtester?«
»Hä?«
»Was wollen Sie eigentlich«, sagte MacDonald gereizt.
Im Hintergrund hörte man den anonymen Anrufer kräftig schnäuzen. Durch den forschen Ton schien er aus dem Konzept gebracht. »Wie wäre es, wenn wir anstatt eines Telefons zwei Blechdosen mit einer Schnur benutzten? Kräftig genug brüllen Sie ja bereits. Also, was denn jetzt?«, insistierte er und schüttelte den Hörer, aus dem es unangenehm knisterte.
»Sie erwähnen nichts mehr mit ›verkorkst produziert‹ und so. Haben Sie verstanden?«
»Das haben Sie sich doch nicht etwa alleine ausgedacht? Vermutlich hat Ihnen sogar jemand beim Ablesen geholfen, oder?«
»Wir haben Sie gewarnt. Sagen Sie später nicht, wir hätten es nicht getan.«
»Aber das würde ich niemals tun. Obwohl ich gestehen muss, dass ich noch immer nicht weiß, wovon Sie reden. Es könnte allerdings auch damit zusammenhängen, dass Sie jede zweite Silbe verschlucken.«
»Sie wissen Bescheid!«
»Einen Teufel tue ich, und ich habe auch keine Lust mehr, mit Ihnen zu reden. Ihr Grundwortschatz reicht bei weitem nicht aus, um eine halbwegs vernünftige Konversation zu führen«, erwiderte MacDonald und knallte den Hörer auf die Gabel. Dennoch machte ihn das Gespräch stutzig. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, welcher Widerling ihn kurz vor der Dinnerzeit behelligte!
Sir Bruce konnte nichts zur Aufklärung beitragen. »Wohlan, Robert, du Tapferer.« Der Hausherr platzierte ihm eine Portion katzenmundgerechten Tunfisch in den Napf, über die der Kater mampfend herfiel. MacDonald betrachtete seinen Mitbewohner nachdenklich. »Du genießt dein Leben. So schön möchte ich es auch einmal haben.« Der Edelmann auf Pfoten ließ sich durch die blasphemische Rede nicht von seinem Trog abbringen. MacDonald wollte etwas Gutes tun für die Völkerverständigung und entschied sich für ein indisches Abendessen im Bombay Palace. Auf Höhe der North Bridge stieg er aus dem Bus, um den Rest der Strecke zu Fuß zu gehen. Kurz fiel sein Blick auf die Waverley Station, der einzige Bahnhof der Welt, der von oben wie eine Kollektion Treibhäuser aussah. Das Restaurant am Nicholson Square zählte zu der Art von Gaststätten, die man niemals ohne Empfehlung aufgesucht hätte. Weder Möbel noch Steinfußboden strahlten eine besondere Behaglichkeit aus. In der Ecke flimmerte leise ein Fernsehgerät und an der Wand hingen Schnappschüsse von indischen Märkten mit Menschen, die ebenso konzentriert kuckten wie die Ober im Restaurant. MacDonald ignorierte das Interieur, weil er einen authentischen Schmaus serviert bekam. Die meisten der roten Plastikstühle hielten ihre Sitzfläche erwartungsvoll unter den Tischen, denn das Abendgeschäft lag noch vor ihnen. Mister Pischpangpeng, der Besitzer, grüßte seinen Gast euphorisch, noch die entlegensten weißen Zähne zeigend, um dann wieder zur traurigen Miene eines Fakirs heimzukehren. Für sein Leiden gab es keine Kur. Wenn er in Edinburgh lebte, hatte er Sehnsucht nach Indien und in seiner Heimat vermisste er Schottland. Er war wie immer tadellos in ein weißes Leinenhemd und schwarze Wollhosen gekleidet, sah aber sehr nervös aus, als er seinen Gast begrüßte. »Oh, Mister MacDonald, welch Ehre, Sie wieder einmal bewirten zu dürfen. Mir geht es ausgezeichnet und Ihnen?«
»Ich sterbe vor Hunger«, hätte er gerne gesagt. Weil er aber gute Kenntnisse hatte vom Kulturkreis, den er betrat, milderte er seinen Satz ab und erwiderte: »Ganz gut, danke. Allerdings bin ich ein wenig hungrig«, was sich um die Untertreibung des Jahrhunderts handelte.
»Das können wir schnell beheben. Nehmen Sie doch bitte Platz«, sagte der Wirt, auf die Armada leerer Stühle weisend. »Wo immer Sie möchten.«
MacDonald leistete dieser Bitte, einer, die er im Restaurant nach »Guten Appetit« am liebsten hörte, auf dem Fuße Folge. Auch bei diesem Besuch brach der Stuhl wieder nicht unter seiner enormen Last zusammen. Mister Pischpangpeng kannte seinen beleibten Gast nur zu gut, und sorgte dafür, dass sich in MacDonalds favorisierter Ecke immer die stabilsten Exemplare der Spezies tummelten. Selbst als er die Beine nach links und rechts streckte, um eine möglichst bequeme Position zu erlangen, gab die Sitzgelegenheit aus der Hippie-Ära kaum mehr als ein verstimmtes Knacken von sich. Obwohl MacDonald sehr genau wusste, was er zu sich nehmen würde, studierte er die Karte. Ständig darauf aus, der Welt der Kulinarik Geheimnisse zu entlocken, schätzte er auf dem Teller von Zeit zu Zeit die Wiederkehr des Immergleichen, denn auch der feinste Gaumen wollte einmal Feierabend haben. Er schaute erwartungsvoll zum Wirt, um seine Bestellung aufzugeben. Mister Pischpangpeng kassierte bei zwei Schotten ab, die einen neuen Rekord im Schnellessen aufgestellt hatten und vermutlich kurz vor dem Anruf bei der Redaktion des Guinessbuches standen. Langsam fiel sein Blutzuckerspiegel in bedrohliche Tiefen, und ein leichter Druck schlich sich in den vorderen Teil des Kopfes, den auch seine Wunderwaffe Traubenzucker nicht mehr hätte beseitigen können. Noch eine Viertelstunde ohne feste Nahrung, und er würde keinen grammatikalisch wohlgeformten Satz mehr drechseln können. Für einen sprachlich orientierten Menschen wie ihn ein einziges Gräuel. Matt dämmerte er seinem Schicksal entgegen, griff nervös wieder zur Karte, um die gute Wahl durch ein Nicken zu bestätigen. »Victory«, rief er freudig, als sich der Wirt seinem Tisch näherte.
»Äh, wie meinen?«, fragte Mister Pischpaschpeng, der ein wenig in der Geschichte des englischen Königshauses beschlagen war und »Victoria« verstanden hatte.
»Vi ... äh, wie schön, dass Sie kommen, meinte ich.«
Pischpaschpeng fasste sich sofort wieder: »Ich empfehle Ihnen unser vegetarisches Curry. Eine Neuheit, die im Moment gerne gegessen wird. Alleine heute wurden Dutzende Portionen verspeist.«
MacDonald war erstaunt über die Beratungsfreudigkeit seines sonst so wortkargen Gastgebers. Hatte er vielleicht diese Woche zu viel Gemüse eingekauft? »Ah, ja. Das klingt sehr interessant, aber wenn Sie nicht böse sind, nehme ich doch lieber ein Hühner-Curry mit Cashewnüssen, Nanbrot, Reis und einen Becher Lassi, salzig bitte.«
Der Wirt erhob, den Block zwischen rechten Daumen und Mittelfinger eingeklemmt, beide Hände und sagte: »Ich bitte Sie, Mister MacDonald. Ich mache nur Vorschläge. Selbstverständlich liegt die Entscheidung ganz bei Ihnen.« Kurze Zeit später erschien sein Essen. In einem anderen Restaurant hätte er skeptisch reagiert auf die prompte Bedienung. Aber hier war er sicher, dass der Koch alles frisch und flink zubereitete. Er breitete graziös die Serviette auf seinen Knien aus und griff zu Messer und Gabel. Beim ersten Bissen hoffte er noch, aus einem Alptraum aufzuwachen. Doch dieses Glück war ihm nicht vergönnt. Pischpangpeng verdankte sein Überleben letztlich einer Yoga-Übung, die MacDonald seit Kurzem ausübte. »Tief durchatmen, tief durchatmen, Angus, das hilft.« Fast blies er die Speisekarte vom Tisch. Mit gespielter Geduld harrte er aus, bis der Besitzer wieder erschien. Der Wirt erkundigte sich in einer konturierten Diplomatie, die nicht einmal Disraeli hätte überbieten können, ob es mundete. »Das ist kein Hühnchen, kein Hühnchen, kein Hühnchen!« MacDonald schob den Teller von sich und zückte seine Geldbörse.
»Aber nein, ich bitte Sie, Mister MacDonald. Wenn es Ihnen nicht geschmeckt hat, dann zahlen Sie heute auch nichts. Dreht es sich um Fleisch, sind mir momentan leider die Hände gebunden.«
»Irgendetwas in dieser Stadt läuft verkehrt. Bekommt man denn nur noch Kunstfleisch vorgesetzt? Das geht wirklich nicht mehr mit rechten Dingen zu! So nicht, meine Herren! Wo Huhn drauf steht, muss auch Huhn drin sein!«
Als er am Morgen erwachte, legte er sich vorsichtig die Hand auf den geräumigen Bauch. Soweit schien alles in Ordnung zu sein. Die Alpträume von berstenden Körpern gehörten einmal mehr zur Nacht. Hätte er die Schlimmspeise gänzlich zu sich genommen, befände er sich nun höchstwahrscheinlich mit einer Lebensmittelvergiftung im Hospital. Er zog den Bademantel über den karierten Pyjama und ging nach unten, um sich eine Kanne Tee zu kochen. Eine Schale Müsli mit Bananen musste genügen. Mit einem großen Becher Tee und der aktuellen Ausgabe des »Scotsman« erschien er im Arbeitszimmer und schaltete seinen Computer ein, damit er sich warmlaufen konnte. Er hatte mittlerweile den Verdacht, dass man dem Fleisch etwas sehr Ungewöhnliches zugesetzt hatte. Die sicherste Methode, herauszufinden, was es war, blieb ihm verwehrt. Denn wie sollte er an Proben gelangen, die er in ein Labor schicken konnte? Keiner der Zulieferer der betreffenden Restaurants würde ihm den Gefallen tun. Nun, wo er sich bereits stark darüber entrüstet hatte. Beim Großmarkt stieß er mit seiner Frage auf Unverständnis. Dramatischer wurde es noch bei den Metzgern der Stadt, die er ebenfalls anläutete. Sie waren sensible Menschen. Und obwohl er Samthandschuhe um seine Worte legte, reagierten sie beleidigt. »Fleisch, das sich nicht identifizieren lässt, sagen Sie? Es ist sehr nett, dass Sie dabei an uns gedacht haben, Mister MacDonald. Nein, damit können wir Ihnen nicht dienen. Wir wissen, wo unsere Ware herkommt. Immerhin suchen wir sie selbst aus. Auf Wiederhören und einen recht schönen Tag noch für Sie!« Ein wenig mulmig war ihm nun zumute, denn mit seinen Leib- und Magenlieferanten wollte er es sich nicht verscherzen. Als er einige ihm gut bekannte Restaurant- und Pub-Besitzer befragte, hatte er seine Fragetechnik bereits stark verfeinert und sprach mit vielen Blümchen um die Worte. Keiner fühlte sich auf den Schlips getreten. Doch Informationen wurden auch nicht beigesteuert. Nach den Gesetzen der Logik musste er seine Recherche jetzt in der kulinarischen Unterwelt fortsetzen. Aus dem »Scotsman« fischte er die Werbebeilagen. Zwei deutsche Billig-Supermärkte mit vierbuchstabigen Namen buhlten um die Gunst des Lesers. Fleisch in Hülle und Fülle. Zu Preisen, die jedem vernünftigen Menschen zu denken geben mussten. Nicht, dass es nur eine Untugend der deutschen Großunternehmer gewesen wäre, gastronomische Fragwürdigkeiten zu veräußern. Auch britische Ketten mit kurzen Namen schlugen in diese Bresche. Und die Edel-Supermärkte mit ausgewachsenen, englischen Namen präsentierten günstige, exotische Fertigmenüs für Freunde der indischen, italienischen oder britischen Küche. Alle getränkt mit Zucker, Fett, Salz, Konservierungs- und Farbstoffen. Schon vor langer Zeit hatte er aufgehört, ignorante Bekannte zur biologischen Kost bringen zu wollen. Zu teuer, zu viele Schwindler, zu schwierig zu besorgen. Die Ausreden waren Legion. Außerdem meinte doch die Food Standards Agency, dass Ökonahrung keine Vorteile bringe und die Behandlung mit Pestiziden oft ein akzeptables Risiko für die Gesundheit sei! Da lobte er sich Prinz Charles, der bereits vor zwanzig Jahren auf die
ökologische Produktion umgestiegen war. In den gedruckten Werbebeilagen fand er keine Angaben zum Inhalt der Fleischpackungen. Er aktivierte seinen Internetbrowser und ging auf die Website eines Hypermarktes. Auch hier nicht die winzigste Information. Stattdessen wurde man aufgefordert, das Kleingedruckte im Supermarkt vor den Toren der Stadt zu studieren. Für Lebensmüde gab es die Möglichkeit, die Produkte via Internet, ohne Begutachtung, zu bestellen. Eine wahre Groteske war das. Die Industrie konnte machen, was sie wollte. Und am liebsten verkaufte sie Imitate. Zusammengeklebte Fleischreste durften sich Schinken nennen. Garnelen bestanden aus gepresstem Fischeiweiß. Käse war eine Schmiere, die in zwanzig Minuten gänzlich ohne Milch zusammengerührt wurde und mit dem gereiften Originalprodukt nur den Namen teilte. Wenn es so weiterginge, würde er sich auf eine Farm zurückziehen und zum Selbstversorger werden. Warum verstanden die Menschen nicht, dass ein ängstliches und gestresstes Tier aus der Massenhaltung nur minderwertiges Fleisch liefern konnte? War es doch erwiesen, dass der extrem hohe Energieverbrauch aufgrund von Panikattacken zu schlimmen Reaktionen im Körper führte. Ganz zu schweigen davon, dass Tiere nur mit Kollegen zur letzten Station ihres Lebens reisen sollten. Rinder mussten spätestens drei Stunden nach dem Schlachten verarbeitet werden, Schweine sogar bereits nach zwei Stunden. Nur dann befand sich das Fleisch im Warmfleischzustand und besaß die natürliche Fähigkeit, Wasser und Fett zu binden. Mit etwas Salz entstand eine einheitliche Masse höchsten Geschmacks. Fand die Verarbeitung später statt – bei Supermarktfleisch leider ein übliches Faktum – musste mit Phosphaten, Zitraten, Emulgatoren und Geschmacksverstärkern nachgeholfen werden. Jammern und Wehklagen brachte ihn nicht weiter. Hier war das Motto seines Vaters zu beherzigen: Hartnäckigkeit macht sich bezahlt. Er duschte, zog sich an und stieg in sein braves Auto, um sich in die Höhlen der Löwen zu wagen.
»Die Sitte, die Eingeweide eines Tieres in seinem Magen zu kochen, lässt sich bis in die Antike zurückverfolgen, mindestens bis zu den Römern.«
Laura Mason und Catherine Brown in »The Taste of Britain«
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