Kitabı oku: «Nach Corona – Unsere Zukunft neu gestalten», sayfa 2

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3. Die Grenzen des Wachstums

1972 veröffentlichte der renommierte Wissenschaftsklub »Club of Rome« seine berühmten »Grenzen des Wachstums«. 30 Millionen Mal wurde dieses wichtige Buch gekauft. Darin heißt es: »Wenn man sich entscheidet, nichts zu tun, entscheidet man sich in Wirklichkeit, die Gefahren des Zusammenbruchs zu vergrößern.« Die Kernthese des »Club of Rome«: Auf einem begrenzten Planeten kann es kein unbegrenztes Wachstum geben. Sonst wachsen wir uns zu Tode. In unserer materiellen Welt wächst nur der Krebs ewig. Oder aktuell: Eine Gesellschaft, welche die Grenzen des Wachstums nicht beachtet, bekommt Corona.

Damit aber Technik und Ethik zusammenfinden, bedarf der »Club of Rome« vielleicht der Ergänzung durch einen »Club of Pope« und seine zeitkritischen Enzykliken. Der energetische Imperativ bedarf des energethischen Imperativs, um erfolgreich zu werden.

Wachstumswirtschaft ist also eine Krebswirtschaft. 45 Jahre später publiziert der damalige Präsident des »Club of Rome«, Ernst Ulrich von Weizsäcker, das Buch »Wir sind dran« und schreibt: »Heute, eigentlich erst seit Mitte des 20. Jahrhunderts, leben wir in einer vollen Welt. Die Grenzen sind greifbar, fühlbar in allem, was wir tun. Und doch, … verfolgt die Welt immer noch eine Wachstumspolitik, als ob wir in der leeren Welt lebten.« 2019 erklärt die 16-jährige Schwedin Greta Thunberg, bekannt geworden durch ihren »Schulstreik für das Klima«, vor den verblüfften Repräsentanten beim UNO-Gipfel in New York: »Ihr habt meine Träume und meine Kindheit gestohlen mit euren leeren Worten. Und dennoch bin ich eine von denen, die Glück haben. Menschen leiden. Menschen sterben. Ganze Ökosysteme brechen zusammen. Wir sind am Anfang eines Massensterbens, und alles, worüber ihr redet, sind Geld und Märchen über ewiges Wirtschaftswachstum. Wie könnt ihr es wagen?« »How dare you?«, fragt die Klima-Aktivistin mehrfach in ihrer weltweit publizierten Rede.

Greta Thunberg redete den Mächtigen dieser Welt mit einer Radikalität ins Gewissen wie sonst noch niemand: »Wir stehen vor einer Katastrophe unaussprechlichen Leidens für eine riesige Anzahl von Menschen. Und jetzt ist nicht die Zeit, um höflich zu sprechen oder sich darauf zu fokussieren, was wir sagen oder nicht sagen können. Jetzt ist die Zeit, um Klartext zu reden. Die Klimakrise zu lösen, ist die größte und komplexeste Herausforderung, vor der homo sapiens je stand. Die wichtigste Lösung aber ist so einfach, dass selbst ein kleines Kind sie verstehen kann. Wir müssen die Treibhausgas-Emissionen stoppen. Und entweder wir machen das, oder wir machen es nicht …

Wir müssen in unseren gegenwärtigen Gesellschaften fast alles ändern. Je größer euer CO2-Fußabdruck, desto größer eure moralische Verpflichtung … Erwachsene sagen immer wieder: »Wir schulden es den jungen Menschen, ihnen Hoffnung zu geben.« Aber ich will eure Hoffnung nicht. Ich will nicht, dass ihr hoffnungsvoll seid. Ich will, dass ihr Panik habt. Ich will, dass ihr die gleiche Angst spürt, die ich jeden Tag spüre. Und dann will ich, dass ihr handelt. Ich will, dass ihr handelt, wie ihr es in einer Krise tun würdet. Ich will, dass ihr handelt, als stünde euer Haus in Flammen. Denn das tut es.«

Die Wut-Rede der jungen Schwedin erinnert mich an den Slogan der Umweltbewegungen in den Achtzigern, der sich angeblich auf Häuptling Seattle bezieht: »When the last tree is cut down, the last fish eaten, and the last stream poisoned, you will realize that you cannot eat money.« – »Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fisch gegessen, der letzte Fluss vergiftet ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.«

Panik ist wenig hilfreich, sie lähmt eher. Mit Panik legen wir kein einziges Kohlekraftwerk still. Aber in allem anderen, liebe Greta Thunberg, stimme ich Ihnen völlig zu, gerade deshalb, weil Sie auch emotional argumentieren.

Greta Thunberg und ihrer »Fridays for Future«-Bewegung wird oft vorgeworfen, viel zu emotional zu argumentieren. Warum eigentlich?

Als die junge Frau diese Rede hielt, wussten wir noch nichts von Corona. In der Corona-Krise mussten die Politiker auf der ganzen Welt dann tatsächlich so handeln, als stünde unser gemeinsames Haus, die Welt, in Flammen. Und sie taten es wirklich. Sofort.

4. Die Vorgängerin von Greta heißt Angela

Greta Thunberg hatte eine Vorgängerin. Ihr Name: Angela Merkel. Die spätere Kanzlerin hat 21 Jahre bevor Greta vor dem schwedischen Reichstag ihre Klimaproteste begann, das Buch publiziert »Der Preis des Überlebens«, in dem sie als Umweltministerin mehr Klimaschutz als Überlebensfrage der Menschheit anmahnte. Das klang damals beinahe so radikal wie Greta Thunberg heute.

Angela Merkel erklärte 1997 den Klimawandel zu einer Sache von Leben und Tod. Der jungen Schwedin wird heute ein alarmistischer Ton vorgeworfen, wenn sie dasselbe sagt. Dabei wiederholt sie nur, was die deutsche Umweltministerin lange zuvor schon geschrieben und gefordert hatte. Merkels Forderungen damals:

 eine CO2-Steuer;

 Klimaschutz sei nicht zum Nulltarif zu haben;

 eine weltweite Aufforstung als Mittel, um CO2 zukompensieren;

 Förderung des öffentlichen Verkehrs.


Angela Merkels Gedanken und Gespräche über zukünftige Aufgaben der Umweltpolitik

Schon 1995 hatte ich Angela Merkel 750.000 Unterschriften übergeben, welche die deutschen Umweltverbände in der Aktion »Globaler ökologischer Marshallplan« gesammelt hatten. Eine unserer Forderungen hieß Flugbenzinsteuer. Angela Merkel dazu wörtlich: »Da stimme ich Ihnen voll zu.«


Angela Merkel 1995 mit dem Autor

© bundesregierung.de /Guido Bergmann

Also: Schon zwei Jahrzehnte, bevor Greta Thunberg ihren berühmtesten Satz sagte: »Unser Haus brennt«, war Klimaschutz für Angela Merkel eine Frage des Überlebens. O-Ton Merkel damals: »International wird es nur möglich sein, andere Länder zum Handeln zu bewegen, wenn wir in den Industriestaaten wirklich an unserem Lebensstil etwas ändern.« Vor 23 Jahren wollte Merkel eine CO2-Steuer. Doch bis vor Kurzem stand im CDU-Klimakonzept: »Eine CO2-Steuer lehnen wir ab.«

1997 schrieb Angela Merkel: Wenn man beim Klimaschutz zu lange abwartet, »kann es eines Tages unter Umständen zu spät sein«. Schon 1997 lagen alle wichtigen Klimadaten auf dem Tisch; die Klimawissenschaft hatte gut gearbeitet. Und heute? Sicher ist, dass die Bundesregierung mit dem jetzigen Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien das Paris-Ziel grandios verfehlen wird. Wenn also heute die Bundeskanzlerin noch als »Klimakanzlerin« bezeichnet wird, dann immer mit dem Zusatz »a.D.«.

Dennoch haben sich Angela Merkel und Ursula von der Leyen mehrmals mit Greta Thunberg und ihrem deutschen Pendant Luisa Neubauer zum gemeinsamen Thema Klima getroffen. Ob Angela Merkel sich dabei an ihr damaliges Buch erinnert hat? Wächst zwischen den vier Frauen doch noch etwas zusammen?, hat »Die Zeit« gefragt. Es klang wie eine ganz vage Hoffnung. Wie zu hören war, ist der Respekt der vier Frauen voreinander gewachsen. Und es soll weitere Treffen geben. Immerhin – europäische Macht und europäisches Gewissen reden miteinander. Und die Gesetze der Politik und die der Physik streiten wohl auch miteinander. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Unser Haus brennt tatsächlich. Fritz Habekuss dazu in »Die Zeit«: »Die Menschheit steht am Anfang eines pandemischen Zeitalters, in dem Sars-CoV-2 die Warnung dafür ist, dass die Belastungsgrenzen des Planeten überschritten wurden.«

Wir Menschen können viel. Und vieles ist anzupacken. Am schwersten fällt uns aber das Nichtstun, das jetzt ansteht: Wälder einfach Wälder sein lassen, statt sie weiter abzuholzen; Meere in Ruhe lassen, statt sie zu überfischen; Moore sich regenerieren lassen, damit sie wieder CO2-Senken werden können. Für Fritz Habekuss sind die Antworten auf diese Fragen entscheidend: »Können sich Tierpopulationen erholen? Wachsen mehr Wälder? Hört das Artensterben auf? Darf Wildnis wild bleiben?« Die Pandemie hat uns vor allem eines gelehrt: Die Natur braucht uns nicht, wir aber sie.

Auch in der Klimapolitik stimmt es, dass »unser Haus brennt«. Und zwar schon heute. Doch die deutsche Politik beschließt den Kohleausstieg für 2038, bestellt also die Feuerwehr für das Jahr 2038. Welchen Sinn macht das denn? Wie intelligent soll das sein? Das ist etwa so, als hätte die deutsche Politik den Impfstoff gegen Corona für das Jahr 2038 bestellt. Das Urteil über diese Politik, liebe Leserinnen und Leser, überlasse ich Ihnen.

Was aber ist nun mit den Grenzen des Wachstums? Brauchen wir eine Wende zum Weniger? Viele afrikanische Staaten brauchen noch viel Wachstum, um der Hunger- und Armutsfalle zu entkommen. Die Industriestaaten brauchen für die solare Energiewende viel Wachstum bei erneuerbaren Energien, und die ganze Welt braucht viel geistiges Wachstum. Wenn die Schulden eines Landes viel schneller wachsen als die Wirtschaft, dann ist dies künstliches Wachstum und nicht nachhaltig. Ich plädiere also für einen differenzierten Wachstumsbegriff.

Viel wichtiger als die ewigen Diskussionen um mehr oder weniger oder gar kein Wachstum scheinen mir also die Themen: Wachstum wofür und die Gerechtigkeitsdiskussion zu sein. Es geht dabei nicht nur um einen Mindestwohlstand, sondern auch um einen Maximalbesitz an Natur oder Immobilien. Auf neue Fragen werden wir neue Antworten finden müssen. Weit wichtiger als die Frage nach den Grenzen des Wachstums scheint mir eine Antwort auf die Notwendigkeit eines anderen Wirtschaftens zu sein, die Antwort auf die Frage: Was heißt eigentlich nachhaltig wirtschaften? Dafür brauchen wir neue Perspektiven, neue Energie und neue Kreativität.

Der ökologische Untergang wird nun schon seit über 50 Jahren prognostiziert. Wir brauchen weniger Angst und mehr Vertrauen in die menschliche Wandlungsfähigkeit. Wir leben auf einem sehr reichen Planeten. Unser eigentliches Thema ist nicht Verzicht, sondern Gewinn. Gewinn an Lebensqualität und Gewinn für die Umwelt. Gewinn nicht für wenige, sondern Gewinn für alle.

Nein zu Corona kann ein Ja zur Klimapolitik beinhalten: Ja zur Artenvielfalt, Ja zu guter Luft und sauberem Wasser, Ja zu mehr Gerechtigkeit, Ja zu einer atomwaffenfreien Welt. Ja! Ja! Ja!

5. Die Angst ist ein Gottesgeschenk

Die »FAZ« vermutete vor Kurzem, 79 Prozent der Beiträge zum Klimawandel in den sozialen Medien zeigten eine ängstliche Haltung. Aber Angst sei doch kein guter Ratgeber für die Zukunft. Jede und jeder habe doch die Möglichkeit, »die Raumtemperatur zu regulieren oder sein Geld nachhaltig anzulegen«.

Der Autor dieses Artikels, ein Wirtschaftsredakteur, beweist gleich zweifach, dass er die Herausforderung nicht verstanden hat. Mit harmlosen Maßnahmen allein lässt sich die Klimaerhitzung nicht aufhalten. Zudem ist er Gefangener einer Denktradition, wonach Verstand und Gefühle ein Gegensatz sind. Wir Menschen bestehen aber aus Verstand und Gefühlen. Und unter den Gefühlen ist die Angst eines der wichtigsten.

Wenn wir unseren Verstand richtig einsetzen, dann fragen wir: Wie berechtigt ist die Angst? Die realistische Antwort: Diese Angst ist nach allem, was wir heute von der Wissenschaft lernen können, sehr berechtigt. Nur unsere Gefühle helfen uns, die Angst richtig zu verstehen und sie rational durchzuarbeiten. Also: Keine Angst vor der Angst. Es ist eher irrational, die Gefühle weiter zu verdrängen. Erst über unsere Gefühle können wir lernen, mit unserer Angst rational zu arbeiten und gegen den Klimawandel effektiv vorzugehen.

Die Klimadebatte wird nicht »zu emotional« geführt oder gar »hysterisch«, wie ebenfalls oft unterstellt wird, sondern zu verstandeseinseitig. Über 30 Jahre lang wurde uns gesagt, das Klima sei vielleicht in Gefahr, aber wir hätten noch viel Zeit, uns damit zu beschäftigen. So geriet das Thema immer weit weg, geografisch, historisch und in unserem Denken. Die Klimaerhitzung wird seit 30 Jahren verdrängt, verschlafen und in die Zukunft verschoben.

Klimaangst, Wut über das Verdrängen der berechtigten Angst und Trauer darüber sind angemessene Reaktionen – im Gegensatz zur Einstellung des »FAZ«-Kollegen.

Unsere Gefühle müssen doch nicht unseren Verstand vernebeln, wenn sie berechtigt sind. Es gilt im Gegenteil die Erkenntnis der Tiefenpsychologie, wonach wir mit unserem Verstand allein nicht zur Vernunft kommen. Greta Thunberg bringt mit ihren Klartext-Reden auch deshalb viele Menschen aus der Fassung, weil sie die Politiker beim Wort nimmt und fordert: Tut doch endlich, was ihr selbst beschlossen habt. Das ist sehr rational.

Anfang 2021 wurde Greta Thunberg 18 Jahre alt. Ihr vormaliges Kindsein besetzte einen zentralen Platz in der weltweiten veröffentlichten Aufmerksamkeit. Von denen, die sie hassen, wurde sie als »verzogene Göre« beschimpft und als Marionette dubioser Kräfte angefeindet. Für ihre Fans hingegen war sie die Klimaheldin, die gerade vom Himmel herabgestiegen ist.

Die »Süddeutsche Zeitung« zu diesem Phänomen: »Als bräuchte es die Hilfe eines Gotteskindes, um die Katastrophe abzuwenden, die der Mensch dadurch lostrat, dass er selbst sich zu gottgleicher Anmaßung verleiten hatte lassen: Wir lassen die Ozeane steigen und verändern das Wetter.«

Andererseits wurde die junge Frau innerhalb weniger Tage von Donald Trump, von Wladimir Putin und von Tayyip Erdoğan verunglimpft. Welch eine Ehre. Das muss man erst mal schaffen.

In solchen Zuschreibungen äußern sich typische Abwehrstrategien, zumal gegenüber kämpferischen Frauen: Greta Thunberg wird als jungfräuliche Retterin à la Jeanne d’Arc verehrt oder als von ihrem Thema besessen abgewertet – beides Distanzierungen, die das eigene Handeln vermeiden.

Tatsächlich wirkt Greta Thunberg immer auch wie eine Nervensäge, weil sie unermüdlich mit wissenschaftlichen Fakten auf die Folgen der Klimaerhitzung und auf die Folgen unseres Tuns hinweist. Viele wollen ihr einfach nicht verzeihen, dass sie recht hat. Faktisch ist sie wie ein Stachel im Fleisch der alten, wirkmächtigen, regierenden Männer und unser aller Bequemlichkeit.

Die inzwischen Volljährige will weiter als Klimaaktivistin kämpfen: »Wir betteln nicht bei Entscheidungsträgern. Sie haben uns in der Vergangenheit ignoriert, und sie werden es weiterhin tun. Aber die Dinge werden sich ändern, ob es ihnen gefällt oder nicht.«

Hand aufs Herz, liebe Leserin und lieber Leser: Hätten Sie 2017 geglaubt, dass ein 17-jähriges Mädchen mit Zöpfen und einem selbst beschrifteten Pappschild »Skolstrejk för Klimatet« die ganze Welt beim Thema Klimaschutz aufrütteln kann?

Auch der alte Arnold Schwarzenegger erklärte Greta zu seiner »Heldin«, der Formel-1-Rennfahrer Sebastian Vettel sieht in ihr seine »Inspiration«, und der britische »Guardian« macht aus ihr einen »Rockstar«. Der Papst trifft sie, und der Dalai Lama lädt mit ihr und mit Klimaforschern zu einer Video-Konferenz. Greta selbst nennt sich »uninteressant«, und genau das macht sie für viele junge Leute interessant und glaubwürdig.

Die Angst ist jedem Menschen angeboren, für mich ist sie ein Geschenk Gottes. Sie gehört für Menschen und für Tiere zur Urausstattung. Ohne die Realität der Angst hätte ich in meinem langen Leben noch viel mehr Fehler gemacht. Ich habe erst in der Mitte meines Lebens in einer Jung’schen Traumtherapie gelernt, keine Angst mehr vor der Angst zu haben und dabei auf meine Träume zu achten. Ich lernte mich vielmehr zu fragen, wie berechtigt die Angst in bestimmten Gefahrensituationen ist. Erst dadurch konnte ich auch mehr Vertrauen ins Leben aufbauen.

»Eine gefühlsgeladene Klimadebatte«, so die Psychologin Rebecca Fleischmann und die Soziologin Judith Pape in der »TAZ« zum Artikel in der »FAZ«, »bedeutet, dass zunehmend mehr Menschen verstanden haben: Die ökologische Katastrophe ist nichts Abstraktes, sondern wird in den nächsten Jahrzehnten massive Auswirkungen auf unsere eigenen Lebenspläne haben.«

Die Angriffe, denen Greta Thunberg nach ihrer UNO-Rede ausgesetzt war, zeigen, dass immer noch viele Menschen die drohende Gefahr eher verdrängen, als sich ihrer uneingestandenen Angst davor zu stellen. Die Abwertung und Abwehr emotionaler Lernprozesse ist nicht neu, sie wurzelt in der westlichen Denktradition seit der Aufklärung – einer Denktradition, in der Gefühl und Vernunft lange als Gegensätze galten.

Sowohl in unserem Privatleben als auch in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft führt die Angst oft ein Eigenleben. Rational mit diesem Gefühl umzugehen, ist geradezu ein Schlüssel zur Zukunft. Nur so werden wir mit kluger Gelassenheit lernen, die Zukunft neu zu gestalten.

Die Angst vor der Angst ist noch immer dieselbe Denktradition, in der Frauen als »emotionale Wesen« diffamiert wurden und die zu den größten Katastrophen der Menschheitsgeschichte geführt hat. Ihre wichtigsten Repräsentanten zu meiner Lebenszeit hießen und heißen: Hitler, Stalin, Mussolini, Franco – vertraute Namen für uns Vorkriegskinder – oder in neuester Zeit: Trump, Putin, Xi oder Erdoğan. Ausschließlich Männer. Zufall?

Auch nach 16 Jahren, in denen Angela Merkel Bundeskanzlerin war, sind die Machtspiele in Politik, Wirtschaft und Religion überall auf der Welt weitgehend eine Angelegenheit der Männer. Anna Mayr recherchierte für »Die Zeit« im Januar 2021: »Es gibt in Deutschland 14 Ministerpräsidenten und zwei Ministerpräsidentinnen. Der Frauenanteil in deutschen Landtagen liegt bei etwa 30 Prozent. 91 Prozent der Bürgermeister sind Männer. Und in allen deutschen Parteien sind unter den Mitgliedern mehr Männer als Frauen, bei der FDP und der Linken ist der Frauenanteil seit den Neunzigern sogar zurückgegangen. Es muss also etwas geben, das Frauen von der Politik fernhält, das aber gleichzeitig nicht öffentlich besprochen werden kann. Und wenn es doch besprochen wird, dann so, als hätte es nichts mit Politik zu tun, sondern nur mit Befindlichkeiten. Oder auch: Empfindlichkeiten.«

Zu unserem Glück stehen inzwischen auch eine Reihe von klugen Frauen an der Spitze von Staaten: Jacinda Ardern in Neuseeland, Sanna Marin in Finnland, Angela Merkel in Deutschland, Tsai Ing-wen in Taiwan, Sophie Wilmes in Belgien, Katrin Jakobsdottir in Island und Mette Frederiksen in Dänemark. Eine Studie untersuchte 2020 den Umgang verschiedener Staaten mit der Corona-Krise. Das Ergebnis: Die Staaten, in denen Frauen regierten, hatten sechsmal geringere Todeszahlen.

Im von Angela Merkel regierten Deutschland freilich waren auch beim zweiten Lockdown die Corona-Todeszahlen überdurchschnittlich hoch. Der Hauptgrund: Angela Merkel hatte sich mit ihrer konsequent harten Corona-Politik nicht immer gegen die mehrheitlich männlichen Ministerpräsidenten durchsetzen können und musste gestehen: »Das Ding ist uns entglitten.«

Eine andere Studie, für die 5000 Unternehmensvorstände aus 60 Ländern befragt wurden, zeigte auf, dass Firmen mit einem ausgewogenen Verhältnis von Männern und Frauen innovativer waren.

Die Gesellschaften entwickeln sich weiter, und die alten Denktraditionen stoßen heute immer mehr auf Kritik. Auch in der Umwelt- und Klimabewegung oder in der Demokratiebewegung in Belarus spielen Frauen eine immer wichtigere Rolle. Diese Bewegungen reagieren nicht »überemotional«, sondern so emotional wie rational, also intelligent.

Rebecca Fleischmann und Judith Pape: »Emotionales Verständnis ist keine Schwäche, sondern ein Fortschritt, den wir verteidigen sollten, wenn im öffentlichen Diskurs Klimagefühle diskreditiert und im selben Atemzug eine zerstörerische Politik als ›vernünftig‹ dargestellt wird.«

6. »Unser Haus brennt«

2020 stand unser Haus tatsächlich in Flammen. In Australien brannten monatelang riesige Waldflächen und zerstörten mindestens 70 einheimische Tierarten. Im selben Jahr brannte die halbe Welt. Die sibirische Stadt Werchojansk war bisher für ihren Kälte-Weltrekord von minus 76 Grad bekannt. Am 20. Juni 2020 wurde dort, nördlich des Polarkreises, eine ganz andere Rekordtemperatur gemessen: plus 38 Grad, 18 Grad über den jahreszeitlichen Mittelwerten.

Auf dem virtuellen Weltwirtschaftsforum 2021 in Davos hieß das Motto »It’s the climate«. Klimaerhitzung und Umweltschäden seien die größten Gefahren für die Wirtschaft der Zukunft. Beim Wiederaufbau der Wirtschaft nach der Pandemie müsse der Klimaschutz zwingend berücksichtigt werden. Das letzte Jahrzehnt war das heißeste seit 1880. Seit 1980 werde jedes Jahrzehnt wärmer, ermittelte die Weltmeteorologiebehörde WMO. In den letzten 150 Jahren sei es global bereits um 1,2 Grad wärmer geworden. Schon in wenigen Jahren, vielleicht sogar schon 2024, könnte die globale Temperatur nahe am Paris-Ziel von 1,5 Grad angelangt sein.

Alle Umfragen zur Umwelt, aber auch die praktizierte Willkommenskultur gegenüber einer Million Flüchtlingen im Jahr 2015 zeigen, dass die Zivilgesellschaft offener, flexibler, hilfsbereiter und zukunftsfähiger ist als die Institutionen, welche diese Gesellschaft abbilden sollen. Sie ist oft viel weiter als die Agrarlobby, die Autolobby, die Kohlelobby oder die Autobahnlobby und oft auch weiter als die Politik. Deshalb besteht gerade jetzt die Chance, dass der Kampf gegen die Klimaerhitzung aus den Lektionen der Corona-Krise Energie bezieht für eine gerechtere und ökologischere Welt. Der Green New Deal der Europäischen Union könnte hierfür ein Anfang sein. Daraus können sich ungewöhnliche Allianzen ergeben für eine wirkliche Transformation. Eine bessere Welt ist möglich.

Während ich dieses Buch schrieb, wurde ich von einem US-amerikanischen Magazin gefragt, was Eltern tun können, um ihre Kinder bei der »Fridays for Future«-Bewegung zu unterstützen. Meine Antwort:

»Erstens: Eltern sollten zusammen mit ihren Kindern auf die Straße gehen und für eine effizientere Klimaschutzpolitik ihrer Regierung demonstrieren.

Zweitens: Eltern und Kinder sollten gemeinsam überlegen, wie viel Energie sie in ihrer Wohnung einsparen können.

Drittens: Eltern und Kinder sollten gemeinsam versuchen, möglichst viel Energie über Sonne und Wind selbst zu erzeugen oder Ökostrom zu beziehen.

Viertens: Gemeinsam sollen sie überlegen: Brauchen wir wirklich ein großes Auto, oder steigen wir auf ein kleineres Elektro-Auto um? Können wir für das E-Auto den Strom selbst produzieren? Und …

Fünftens: Wir sollten unser Essen auf gesunde biologische Nahrung umstellen.«

Unter meinen Leserinnen und Lesern wird es kaum jemanden geben, der diese Vorschläge, zumindest teilweise, nicht umsetzen könnte. Wir haben so viel selbst in der Hand.

Die nächste Frage lautete: Was kann ein Unternehmen für mehr Nachhaltigkeit tun? Und meine Antwort:

»Erstens: Den Papierverbrauch reduzieren.

Zweitens: Wasserverbrauch und Energieverbrauch minimieren.

Drittens: Weniger Dienstreisen und mehr Video-Konferenzen.

Viertens: E-Autos statt Benziner.

Fünftens: Mehr Arbeit im Homeoffice.«

Niemand hindert Sie daran, liebe Leserin und lieber Leser, für diese Vorschläge in Ihrem Betrieb zu werben.

2021 ist ein gutes Jahr, um für das 21. Jahrhundert damit zu beginnen. Aus den Erfahrungen in und mit der Corona-Krise können wir Energie und Inspirationen für die gegenwärtigen Krisen gewinnen. Die Dynamik der Marktkräfte kann auch das Positive, wie die erneuerbaren Energien, exponentiell wachsen lassen, wenn die Politik dafür die richtigen Rahmenbedingungen schafft, zum Beispiel eine allmählich ansteigende CO2-Steuer.

Trotzdem: Die katastrophalen Auswirkungen der Massentierhaltung sind uns längst bekannt, aber handeln wir bei unseren Einkäufen danach? Die Welt zu retten, fängt auf dem Teller an. Doch die Mehrheit von uns konsumiert noch immer nach dem Motto »Hauptsache billig«. Dabei ist nichts so teuer wie billiges Essen. Jahr für Jahr müssen wir Deutschen 75 Milliarden Euro für Gesundheitskosten aufbringen wegen des billigen, aber ungesunden Essens. Alle Mediziner sind sich einig: Wir essen zu viel Fleisch. Mit weniger oder keinem Fleisch »schenken wir uns selbst Gesundheit, Tieren das Leben und der Welt Frieden, weil wir damit Hungernden nichts mehr wegessen und der Umwelt eine Verschnaufpause gewähren« (Rüdiger Dahlke).

Der erste Schritt zur Rettung ist die Erkenntnis, dass die Klimakrise letztlich eine Menschenkrise ist. Deshalb ist der Klimawandel in uns die Voraussetzung für den Klimawandel um uns. Wir leben im Zeitalter der Mensch-Natur-Krise. Deshalb die Klimaerhitzung, deshalb das Artensterben, deshalb die Corona-Krise!

99 Prozent der Wissenschaftler geben uns noch 15 Jahre Gnadenfrist, 15 Jahre für eine mögliche Umkehr. Ökologisches Leid entsteht überall auf der Erde, es nimmt Jahr für Jahr zu und trifft alle Lebewesen. Die ganz große Frage ist: Schaffen wir die Umkehr im Sinne von Konfuzius durch Nachdenken, durch Nachahmen und durch Erfahrung? Der bekannteste deutsche Klimaforscher, Hans Joachim Schellnhuber, hat das Buch »Selbst-Verbrennung – Die fatale Dreiecksbeziehung zwischen Klima, Mensch und Kohlenstoff« publiziert. Tatsächlich benehmen wir uns wie Pyromanen, denn wir verbrennen heute an einem Tag so viel Kohle, Gas und Erdöl, wie die Natur in einer Million Tagen angesammelt hat. Damit verbrennen wir die Zukunft unserer Kinder, Enkel und Urenkel. Tatsächlich ist die Klimakrise eine Menschenkrise. Nicht das Klima ist das Problem, sondern der von Menschen gemachte Klimawandel.

Das schwierigste politische Problem ist, dass die Klimaschmutz-Lobby (Autoproduzenten, Agrarverbände, Energiekonzerne) noch immer stärker ist als die Klimaschutz-Lobby (Umweltverbände wie Greenpeace oder BUND, die Vertreter der erneuerbaren Energien und Energiegenossenschaften). Während der Legislaturperiode 2013 bis 2017 hatten in Berlin die Vertreter der Klimaschmutzverbände 43 Termine im Kanzleramt und im Wirtschaftsministerium, die Vertreter der Klimaschutzverbände vier Termine. Verhältnis zehn zu eins! Alles klar?

UNO-Generalsekretär Guterres sagte im Dezember 2020 an der Columbia-Universität in New York drastisch: »Die Menschheit führt einen Krieg gegen die Natur. Lassen Sie uns klar sagen: Menschliche Aktivitäten sind die Wurzel unseres Abstiegs ins Chaos … Unser Planet ist kaputt. Die neue Realität sind apokalyptische Feuer und Überschwemmungen.« Die Corona-Krise biete aber auch eine Chance: »Die Corona-Erholung und die Reparatur des Planeten können zwei Seiten derselben Medaille sein.« In diesem Sinne könne Corona »eine Generalprobe für die Welt der kommenden Herausforderungen« sein. Könne! Beides ist möglich: Wir können den Gestaltungsraum nutzen oder ihn auch verschlafen. (Eine solche Weckruf-Rede war zuvor – außer vielleicht von Greta Thunberg – vor der UNO noch nie gehalten worden. Leider hat sie auch in den deutschen Medien eine viel zu geringe Beachtung gefunden. Deshalb ist sie im Anhang dieses Buches komplett abgedruckt, s. S. 272 ff.)

Seit 20 Jahren warnen die Generalsekretäre der UNO, »jetzt« sei endlich Zeit zu handeln beim Klimaschutz. Die Staaten sollten endlich »den Klimanotstand ausrufen«, mahnte Guterres. Seine Rede klang wie die Worte eines Verzweifelten. Der Klimanotstand ist schon längst da. »Ob man ihn so nennt oder nicht, macht keinen Unterschied«, schrieb die »Süddeutsche Zeitung«.

Das gilt beim Klimaschutz genauso wie bei den vielen Reden zur Abrüstung, die seit Jahrzehnten vor der UNO gehalten werden.

Hinzu kommt: Nach großen Erfolgen bei der Abrüstung der Atomwaffen in den Neunzigern stehen wir heute vor einem erneuten atomaren Wettrüsten und damit vor der Gefahr eines Atomkriegs.

Doch es gab und gibt auch Lichtblicke und Hoffnungszeichen für eine bessere Zukunft:

 Am 7. Juli 2017 haben 123 Staaten in der UNO den Atomwaffen-Verbots-Vertrag beschlossen. Er trat am 22. Januar 2021 in Kraft, nachdem ihn 50 Staaten ratifiziert haben. Das ist ein großer Erfolg für die Friedensbewegung und ist ein wichtiger Schritt hin zu einer Welt ohne Atomwaffen, das bisher deutlichste Zeichen für eine atomwaffenfreie Welt. Ein Sieg für die Menschheit.

 Seit dem Jahr 2000 hat sich der Solarstrom global mehr als ver-120-facht und der Windstrom ver-80-facht. Das 21. Jahrhundert wird das Jahrhundert der erneuerbaren Energien. Das könnte der konstruktive Beitrag für den Rettungsprozess sein.

 In Deutschland wurden zur Jahrtausendwende etwa fünf Prozent Ökostrom produziert, heute über 50 Prozent.

 Selbst unter dem Klimaleugner Donald Trump, der Kohle, Öl und Fracking-Gas favorisierte, ist in den Jahren 2016 bis 2020 die Solarenergie in den Vereinigten Staaten etwa 5-mal schneller gewachsen als die US-Wirtschaft im selben Zeitraum. Warum? Weil die Menschen es so wollten und selbst organisierten. Das ist »Unsere Zukunft neu gestalten« ganz konkret und praktisch.

 Die Unternehmensberatung McKinsey hat errechnet, dass durch die Energiewende bis 2050 in der EU sechs Millionen Jobs wegfallen, aber elf Millionen neue Jobs hinzukommen.

 Seit Ende 2020 gibt es endlich Hoffnung für den Klimaschutz: Der Fantasterei völlig unverdächtige Regierungen haben innerhalb weniger Monate bekannt gegeben, dass sie bis zur Mitte des Jahrhunderts »klimaneutral« werden wollen: China, Südkorea, Japan und nach Bidens Sieg auch die USA. Die EU hat sich mit dem Green Deal diesem Ziel schon 2019 verschrieben. Damit haben sich immerhin zwei Drittel der Weltwirtschaft zum effektiven Schutz des Weltklimas entschieden. Vielleicht ist 2021 das Wendejahr, um beim Klimaschutz gerade noch die Kurve zu kriegen. »Die Zeit« dazu: »Zukunft passiert nicht, sie wird gemacht.« Klimaneutralität meint: Weniger Treibhausgase emittieren, mehr zurückholen. Immer mehr Firmen werben mit klimaneutralen Produkten. Die Klimawissenschaft sagt uns freilich: Um noch das Schlimmste zu verhindern, müssen sich alle komplett von fossilen Rohstoffen verabschieden, und zwar bereits spätestens zwischen 2035 und 2040. Nie gab es so viele ökonomische Anreize, in die richtige ökologische Richtung zu denken, zu handeln und zu investieren. Es ist bereits erwiesen, dass ein höherer CO2-Preis verhindert, dass wir weiterhin die Atmosphäre als Müllkippe missbrauchen. Das ist ein Grund zur Hoffnung. Die Chance ist groß, dass die Zwanzigerjahre unseres Jahrhunderts das Jahrzehnt der erneuerbaren Energien werden. Donald Trumps Plan, das Pariser Klimaabkommen kaputt zu machen, ist krachend gescheitert.

 14 Länder – darunter wichtige maritime Nationen, wie Japan, Kanada, Australien, Norwegen, Kenia, Chile und Indonesien, aber auch kleine Inselstaaten, wie Fidschi und Palau – haben beschlossen, bis 2025 eine zu 100 Prozent nachhaltige Bewirtschaftung der Meere vor ihren Küsten zu erreichen. Nur wenn es gelingt, die Erwärmung bei 1,5 Grad gegenüber 1880 zu stoppen, können diese Ziele auch erreicht werden. Zudem will diese »G14«, dass künftig mindestens 30 Prozent der gesamten Meeresfläche unter Schutz gestellt wird. Das heißt, dass hier zum Schutz der Meeresumwelt Bergbau und andere Formen der Ausbeutung von Ressourcen verboten sind. Meere zu schützen, zahlt sich langfristig ökonomisch und ökologisch aus. Bisher sterben weltweit die Korallen. Doch sie sind die Baumeister am Meeresgrund. Ausgedehnte Reservate können das Artensterben und die Klimaerhitzung bekämpfen.

 Corona hat unerträglich überlaute Lärmmaschinen beseitigt: die viel zu vielen Flugzeuge am Himmel. Die Zahl der Flugreisenden ging 2020 global um zwei Drittel zurück.

 Der Abstand zwischen Europa und Afrika wird kleiner. Die Lebenserwartung steigt, die Sterblichkeitsrate von afrikanischen Müttern und Kindern sinkt. Es entstehen mehr innerafrikanische Handelsbeziehungen. Die afrikanische Mittelschicht wächst. Europäische Medien befassen sich zu wenig mit den positiven Veränderungen in Afrika. Afrika kam mit seinen langen Pandemie-Erfahrungen besser durch die Corona-Krise als Europa. »Europa hätte von Afrika lernen können«, sagt die frühere Ministerpräsidentin von Senegal, Aminata Touré, dem »Spiegel«.

 Äthiopien hat im Jahr 2019 innerhalb von zwölf Stunden 345 Millionen Bäume gepflanzt. Davon inspiriert und von der kenianischen Umweltpolitikerin und Friedensnobelpreisträgerin Wangari Muta Maathai beeindruckt, gründete der damals neunjährige Felix Finkbeiner die Kinder- und Jugendorganisation »Plant-for-the-Planet«; sie hat in den letzten zwölf Jahren über sechs Millionen Bäume gepflanzt (s. S. 150 ff.). Ihr Ziel: 1000 Milliarden Bäume pflanzen! Wir können »Eine Kultur der Freude bauen« (Rony Lüthi).

 Eine kleine kirchliche Jugendorganisation in Kenia hat, finanziell unterstützt von einer bayerischen Kirchengemeinde, eine Million Bäume gepflanzt. Der Organisator, Engelbert Groß, ein deutscher Theologie-Professor, schrieb über das Ergebnis: »Die Gegend war durch enorme Waldrodungen zur Halbwüste geworden. In den Jahren zwischen 1985 und 1997 haben wir eine Million Bäume gepflanzt. Heute sind die Bäume groß gewachsen und haben ein dichtes Blätterwerk. Das Klima in der Region hat sich durch den neuen Bewuchs verändert. Es gibt mehr Regen, die Flüsse führen mehr Wasser, die Ernten sind ertragreicher. Die Einkommen der Menschen sind gestiegen. Früher gab es in dieser Gegend eine weiterführende Schule. Heute gibt es sechs davon … Unsere Bäume gedeihen prächtig. Sie dienen nicht nur den Menschen, sondern auch den Tieren. Sie spenden Schatten, und in der Trockenzeit können die Blätter an die Ziegen, Schafe und Kühe verfüttert werden.« Solche Beispiele können wir millionenfach wiederholen.

 Im Januar 2021 beschlossen 50 Staaten auf dem »One Planet Summit« in Paris, Afrika dabei zu helfen, eine »große grüne Mauer« in der Sahelzone zu errichten, eine Wand aus Milliarden Bäumen vom westafrikanischen Senegal bis zum ostafrikanischen Dschibuti aufzuforsten, ein 15 Kilometer breiter und 8000 Kilometer langer Wald.

 Zugleich wurde beschlossen, bis zum Jahr 2030 dreißig Prozent der Land- und Meeresfläche unseres Planeten unter Schutz zu stellen.

 Afrika und die Sonne! Unser südlicher Nachbar kann ein Kontinent der Hoffnung werden. Deshalb habe ich in einem »Offenen Brief an Papst Franziskus und an die Bischöfe aller Konfessionen« vorgeschlagen s. S. 280), dass sich die Kirchen und alle Weltreligionen an die Spitze einer weltweiten Aufforstungs-Aktion stellen. Kein Netzwerk ist weltweit so gut aufgestellt wie das der Kirchen. Wälder sind die Zierde der Erde. Sie bieten ein Obdach für Kriechtiere und Vögel, für Insekten und Menschen und Nahrung in Hülle und Fülle.

 Die ganz große Hoffnung für die Zukunft heißt »Fridays for Future«. Weltweit treibt die Ignoranz der Alten eine ganze Generation auf die Straße.

 Die G20-Staaten einigten sich auf die gerechte Verteilung des knappen Impfstoffs gegen Corona – auch an die armen Länder des Südens.

 Der Verkauf von Elektro-Autos ist in Deutschland von 2019 auf 2020 um mehr als das Doppelte gestiegen, der Verkauf von Diesel- und Benzin-Autos um 44 Prozent zurückgegangen. Erstmals werden in der EU mehr E-Autos gekauft als Diesel. Noch einige Jahre zuvor war die Antwort der deutschen Autowirtschaft auf die Zukunft des Autos: Diesel-Manipulation statt Innovation. In Norwegen fahren im Jahr 2020 bereits 60 Prozent aller neu gekauften Autos elektrisch.

 Die Regierung des klassischen Kohle-Landes England hat beschlossen, bis 2025 komplett aus der Kohle auszusteigen und ab 2030 keine Benzin-Autos mehr produzieren zu lassen. Englands Premierminister Boris Johnson kündigte am 8. Dezember 2020, am fünften Jahrestag des Pariser Klimaschutzabkommens an, sein Land werde die Treibhausgase »schneller als jede andere führende Wirtschaft der Welt reduzieren. Damit übernehmen wir heute die weltweite Führung.« Seine Regierung strebe an, die CO2-Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um mindestens 68 Prozent zu verringern. Bislang waren 57 Prozent Reduktion vorgesehen.

 Corona hat die deutsche Wirtschaft hart getroffen. Doch viele Unternehmer glauben, dass sie ihre Marktposition gehalten oder sogar verbessert haben – mit Ausnahme der Autofirmen. »Der Spiegel« titelte: »Deutsche Industrie wird gestärkt aus der Pandemie hervorgehen.«

 2020 ist das Glücksniveau der Deutschen trotz Corona- be­dingter Einschnitte kaum gesunken. 80 Prozent der Befragten gaben an, sie seien froh, während der Corona-Krise in einem Land wie Deutschland zu leben. Die meisten Deutschen vermuten, dass sie 2021 wieder genauso zufrieden sein werden wie vor der Pandemie.

 Die Wähler in den USA haben Donald Trump abgewählt. Der neue US-Präsident Joe Biden und seine Vize-Präsidentin Kamala Harris haben angekündigt, dass die stärkste Volkswirtschaft der Welt bis 2035 im Strombereich klimaneutral sein werde. Joe Biden ist der erste Klima-Präsident der USA. Biden und Harris haben mit dem Thema Klimaschutz die Wahl am 3. November 2020 gewonnen. Präsident Trump war ein Klimawandel-Leugner. Mit John Kerry ist nun erstmals ein »Sonderbeauftragter für das Klima« berufen, der als Außenminister unter Präsident Obama das Nuklear-Abkommen mit dem Iran, aber auch das Pariser Klimaschutz-Abkommen vorantrieb.

 Laut der Albert-Schweitzer-Stiftung verpflichten sich die Lebensmittel-Discounter Aldi-Süd und Aldi-Nord zu mehr Tierwohl für Hähnchen in ihrem Sortiment. Schon 350 Konzerne haben sich der Masthuhn-Initiative der Stiftung angeschlossen, darunter auch Nestlé. Die Stiftung hofft, dass sich weitere Konzerne anschließen. Sie setzt auf mehr Tierwohl und auf eine vegane Lebensweise.

 Im Dezember 2019 wählte das finnische Parlament die 34-jährige Sanna Marin zur jüngsten Regierungschefin der Welt. Ihre Koalition besteht aus fünf Parteien, die allesamt von Frauen geführt werden, welche um die 35 Jahre alt sind. Im finnischen Parlament sitzen etwa gleich viele Frauen und Männer. Eine größere Balance zwischen Männern und Frauen auf allen Ebenen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ist die zentrale Voraussetzung für eine bessere Welt. Wenn es uns gelingt, die feminine und die maskuline Schöpferkraft, die in beiden Geschlechtern schlummert, zu integrieren, schaffen wir die eigentliche Voraussetzung für eine bessere, ökologische und friedlichere Welt. 6000 Jahre Patriarchat hat unsere Welt dorthin gebracht, wo wir heute stehen: an den Abgrund! Die Natur sieht immer Ausgewogenheit, Vielfalt und Balance vor, nicht Einseitigkeit, Einfalt und Ungleichgewicht. Alle Umfragen zeigen: Vor allem Frauen und Jugendliche fordern von ihren Regierungen mehr Umwelt- und Klimaschutz.

 Keiner der 30 Dax-Vorstände in Deutschland wurde Ende 2020 von einer Frau geführt. Deutsche Chefetagen sind so einseitig männlich besetzt wie ein Männergesangsverein. Die Unterrepräsentation von Frauen in Politik und Wirtschaft wurde bisher als so selbstverständlich hingenommen wie ihre Überrepräsentation im Niedriglohnsektor, bei der Hausarbeit und bei der Armut. Doch 2020 hat die Große Koalition eine Frauenquote beschlossen. Für die 600 größten Konzerne heißt das: In Vorstände mit mehr als drei Mitgliedern müssen sie künftig mindestens eine Frau berufen. Noch lange keine Gleichberechtigung, aber immerhin ein Durchbruch zu diesem Ziel.

 In Belarus haben 2020 vor allem mutige Frauen den Diktator Lukaschenko ins Wanken gebracht; seine Wahlmanipulation war offenkundig. Die eigentliche Wahlsiegerin Swetlana Tichanowskaja sagt: »In unseren Köpfen hat eine Revolution stattgefunden … Uns sind förmlich Flügel gewachsen.« Sie ist überzeugt: »Die friedliche Revolution wird siegen.« Die gewaltfreie Revolution in Belarus hat ein Gesicht: Es ist weiblich, hat funkelnde Augen, ist mutig, freundlich und entschlossen zugleich. Es strahlt Kraft und Klugheit aus. Die Heldentaten der friedlich demonstrierenden Belarussinnen und Belarussen werden zu fortschrittlichen Ergebnissen führen. Hoffentlich auch bei den Helden des arabischen Frühlings, der auch nach zehn Jahren nicht vergessen ist. 2011 verdichtete sich der Abscheu gegenüber Repression und staatlicher Willkür von Tunis über Kairo bis nach Tripolis, von Damaskus bis nach Sanaa in dem Slogan: »Das Volk will den Sturz des Regimes.« Diese Freiheitsrufe wirken ansteckend. Solange die Rufe nach Brot, Freiheit und Gerechtigkeit nicht gehört werden, ist die Frage nicht, ob es zu neuen Aufständen kommt, sondern wann. Der nächste Aufstand kommt bestimmt.

 Zum Jahresende 2020 schrieb eine Frau in einem Leserbrief der Süddeutschen Zeitung: »Corona hat mir 2020 vor allem gezeigt, was wichtig im Leben ist: Freundschaft, Liebe und ein achtsamer Umgang miteinander. Und natürlich die Gesundheit.« Viele Menschen in unserer Umgebung erlebten auch eine lustvolle Renaissance des Spaziergangs. Gehen ist mehr als Bewegung, Zeitvertreib und Zerstreuung.

 Am 1. Januar 2021 lebten 7.837.693.000 Menschen auf unserem Planeten. Viele Menschen fürchten, dass wir bald über zehn Milliarden sind, und sehen im Bevölkerungswachstum das größte Problem unserer Zeit. Zehn Milliarden sind nicht auszuschließen. Aber auch hier zeichnet sich in der Ferne eine Lösung ab: In den letzten 50 Jahren hat sich das Wachstum der Weltbevölkerung bereits halbiert. Die Ursachen: Die Verteilung moderner Verhütungsmittel und der Zugang zu Bildung für Frauen und Mädchen haben sich weltweit verbessert. Bevölkerungssoziologen gehen davon aus, dass ab etwa 2050 die Erdbevölkerung nicht weiter wächst und in vielleicht 50 Jahren zurückgeht, sodass wir in etwa 200 Jahren noch drei bis vier Milliarden Menschen sein werden.

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