Kitabı oku: «Turrinis Herz», sayfa 3

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IIII

„Blutsau, blutige!“ ist ein ganz ein arger Fluch. Sagt man nur im äußersten Notfall. Wenn aber wirklich alles total verschissen ist. Und eigentlich ziemlich ordinär. Weil es nichts anderes heißt, als dass ein Mann nicht zum Schnackseln kommt, weil die Frau ausgerechnet an diesem Tag die Regel hat. Wird aber auch im übertragenen Sinn verwendet: Wenn halt irgendwas hint und vorn nicht hinhaut. Praktisch ziemliche Wut vorhanden.

So arg ist es aber gar nicht, dass der Fuzzi jetzt unbedingt „Blutsau, blutige!“ plärren müsste. Ist ja nur, dass der Gucki ihr Moped nicht anspringen will. Das kann bei einer Puch MS 50, Baujahr 1962 schon einmal vorkommen. Aber das ist es ja auch nicht, was den Fuzzi so ärgert. Ärgern tut ihn, dass seine Hände beim Vergaser-Putzen zittern wie ein Lampelschweif. Mit dem Alkohol selber hat er ja keine Probleme, wenn man von der einen oder anderen Führerscheinabnahme absieht. Nur mit dem Entzug. Fürcht-er-lich! Kaum aber hat ihm die Gucki ein Frühstücksbier gebracht, hört das Zittern auch schon auf, und die Ausfahrt kann losgehen.

Heute ist nämlich 1. Mai. Und da ist nicht nur Maibaumaufstellen und Tag der Fahne, da ist ja auch die mittlerweile schon traditionelle Ausfahrt der CHU St. Anton. Das muss ich jetzt vielleicht ein bisserl erklären. CHU heißt Chicken-Hunter Union. Chicken-Hunter heißt Hühner-Stauber. Auf Englisch halt. Und Union Verein. Ein Hühner-Stauber wiederum ist nichts anderes als ein altes Moped, nämlich die Puch MS 50. Das heißt so, weil in den 60er Jahren im Mühlviertel praktisch jeder Mann so ein Moped gehabt hat und Tag und Nacht wie wild herumgefahren ist und sogar in den kleinsten Bauerndörfern damit die Hühner aufgescheucht hat.

Weil aber so eine Puch MS 50 praktisch unverwüstlich ist, haben dann später noch ein paar Generationen mit so einem Hühner-Stauber das Mopedfahren gelernt. Und eigentlich siehst du auch heute noch genug zehnjährige Buben mit einem Hühner-Stauber auf den Feldwegen und Waldwegen herumfahren. Hören tust du sie sogar noch besser. Weil Zweitakter: macht so ein hohes knatterndes Geräusch. Wenn man will, kann man auch sagen: macht einen Höllenlärm. Gefällt aber den meisten trotzdem. Weil schöne Jugenderinnerung.

Das wird ja auch der Grund für die Chicken-Hunter Union sein. Hat halt einer eine besonders schöne Jugenderinnerung gehabt – sagen wir einmal: erster Sturz mit einem Moped im ersten Vollrausch – und der kauft sich dann ein paar Ersatzteile für die MS 50 und richtet sie wieder her. Und fährt dann damit ein bisserl herum. Sehen das seine Spezln und wollen natürlich auch so ein Spielzeug. Sobald aber einmal mehr als drei Leute dasselbe tun, wird bei uns auch schon ein Verein gegründet. Weil man sich im Rudel halt doch wohler fühlt. Drum gibt es ja bei uns fast so viele Vereine wie Einwohner. Und einer, der bei zehn Vereinen dabei ist, ist keine Seltenheit. Wenn einer aber gleich bei zwanzig Vereinen dabei ist, der ist entweder Bürgermeister oder will es werden.

Wenn du bei ein paar Vereinen dabei bist, dann hat das auch den Vorteil, dass dir die Freizeit nimmer auf den Schädel fallen kann. Ein Pflichttermin nach dem anderen! Weil das, was man spontan nennt, sind die Mühlviertler wirklich nicht. Und bei einem Verein ist nix spontan, sondern alles geplant. Die Mitglieder der CHU fahren nicht aus, wenn das Wetter schön ist, sie fahren am 1. Mai. Weil da ist die erste Ausfahrt. Wurscht, wie das Wetter ist!

Heute haben sie eh ein Glück. Ist zwar noch saukalt, wie sie in der Früh wegfahren, aber wenigstens schneit es nicht. War ja auch schon da. Und außerdem gibt es im Nachbarort St. Moritz schon die erste Rast. Kann man ein wärmendes Getränk zu sich nehmen. Von den 24 Fahrern entscheiden sich 24 für ein Bier. Ist halt ein Verein, wo zusammengehalten wird! Sogar die einzige Fahrerin, die Gucki, traut sich keinen Tee mit Rum bestellen.

Außerdem wird ihr sowieso innerlich ganz warm, wenn sie an den Sigi denkt. Und sie denkt ziemlich viel an den Sigi. Genauer gesagt die ganze Zeit.

Drum hat sie dann auch keine Augen für den Oldtimer-Flohmarkt in Freistadt. Das ist nämlich das nächste Ziel der CHU. Erstens kann man dort alte Mopeds oder auch nur die einzelnen Teile erwerben, zweitens aber kann man dort das eigene möglichst originalgetreu oder originell restaurierte Moped vor einer fachkundigen Zuschauerschar zur Schau stellen. Und außerdem sollen ruhig alle sehen, was für ein fesches Leiberl die CHU St. Anton hat: schwarz, mit einem weißen Kreis auf der Brust, in dem ein schwarzer Hühner-Stauber erkennbar ist. Drunter natürlich der Vereinsname in prächtigem Grün. Und wirklich: Die Leute schauen, dass ihnen die Augen herauskommen. Hauptsächlich aber auf das eine Leiberl, das die Gucki anhat. Oder ist es womöglich gar nicht wegen dem Leiberl, sondern weil die Gucki schon seit der fünften Klasse Gymnasium keinen BH mehr trägt? Und weil sie praktisch die einzige Frau auf dem Oldtimer-Flohmarkt ist?

So alte Mopeds sind halt doch eher was für Männer. Frauen sind da wahrscheinlich mehr für alte Puppen zum haben. Die Gucki nicht. Die hat schon als Kind nicht mit Puppen gespielt. Und wenn, dann Stalingrad: Kaum hat sie von irgendeiner Verwandtschaft eine Barbiepuppe gekriegt, ist auch schon mit der Laubsäge feinsäuberlich ein Fuß oder eine Hand oder beides amputiert worden. Geht ja nicht anders bei Erfrierungen. Weil der Gucki ihr Opa schon gern von Stalingrad erzählt hat. Weil er überhaupt gern vom Krieg erzählt hat. Ist die Gucki statt mit Märchen mit Kriegsgeschichten aufgewachsen. Statt Hans im Glück der Blitzkrieg in Frankreich, statt Der Wolf und die sieben Geißlein die Einkesselung von Stalingrad. Drum hat ja die Gucki im Kindergarten auch nie so Sätze gesagt wie „Großmutter, warum hast du so große Ohren?“, sondern: „Seit 5 Uhr 45 wird zurückgeschossen!“

Was hat denn das alles mit einem Oldtimer-Flohmarkt zu tun? Wird man sich jetzt fragen. Das hat sehr wohl was damit zu tun! Weil nämlich die Gucki dort den Leo getroffen hat. Und der Höllerer Leo verkauft da auf dem Flohmarkt keine Mopedteile, sondern Helme, Stiefel und Lederjacken. Alles Deutsche Wehrmacht. Ist der Gucki natürlich gleich der Opa eingefallen. Hat ja beim Mopedfahren immer dem Opa seine Fliegerhaube auf. Statt einem richtigen Helm. Ist zwar nicht erlaubt, aber was soll’s? Außerdem hat mindestens die Hälfte von ihren Moped-Kameraden auch keinen Helm auf. Weil das lässiger ist. Und weil die Verletzung der Helmpflicht auch wurscht ist, wenn sie dich mit zehn Bier erwischen. Zehn Bier ist aber das Mindeste, was ein Mitglied der CHU bei einer Ausfahrt so trinkt.

Akkurat der Fuzzi scheint sich jetzt aber doch Gedanken um die Helmpflicht zu machen. Weil er beim Leo seinem Standl einen Stahlhelm nach dem anderen probiert. Ist aber leider weniger auf sein Sicherheitsdenken als auf seine politische Gesinnung zurückzuführen. Scheiße, Scheiße, Scheiße! Da ist der Fuzzi so ein gescheiter und witziger und feinfühliger Kerl und dann lässt er sich immer mehr von diesen verfickten Rechtspopulisten anstecken und schimpft Tag und Nacht nur mehr auf die Ausländer. Wie wenn die an allem schuld wären, was bei uns schiefrennt.

Die Gucki kann da nicht zuschauen! Und schon hat sie ihr Geldtaschl in der Hand und hat dem Fuzzi auch schon eine wunderschöne Fliegerhaube gekauft. Damit schaut er zwar noch blöder aus wie normal, aber wenigstens nicht so rechtsradikal wie mit einem Stahlhelm. Und freuen tut er sich auch, der Fuzzi. Weil er wieder einmal blöd daherreden kann. „Mein Weiberl und ich gehen immer im Partnerlook!“, erklärt er sämtlichen Flohmarktbesuchern, die es hören wollen. „Wir haben sogar dieselbe Unterhosen an: so ein Spitzenhöschen! Sollen wir es euch zeigen?

Kann ihn die Gucki nur mit Müh und Not davon abhalten, dass er seine Hose auszieht. Und das auch nur, weil sie ihn auf ein Bier einlädt. Der kommt ihr heute ganz schön teuer, der kleine Fuzzi. Ist ihr aber völlig wurscht. Das Geld inklusive dem elendigen Altbausanierungskredit, für den sie noch sieben Jahre lang brennen kann wie ein Luster, ist ihr wurscht, ihre Karriere, besser gesagt: ihre Nicht-Karriere als jämmerliche Provinzjournalistin, ist ihr wurscht, der kalte Wind am Würstelstand ist ihr wurscht – die Gucki ist verliebt.

„Süß oder scharf?“ Das ist nur die Würstelfrau, die da fragt. Für die Gucki ist es sowieso klar, dass die Liebe süß ist und scharf. Und heiß wie die Debreziner. Und kleschkalt wie das Bier. Und – und – und! Sie muss sich ziemlich zusammenreißen, dass sie dem Fuzzi nicht auf der Stelle von ihrer großen Liebe erzählt. „Hast du das schon einmal erlebt: Wie soll ich meine Seele halten, dass sie nicht an deine rührt?“, rutscht ihr dann aber doch heraus. Glücklicherweise mit vollem Mund. Weil doch ziemlich peinlich.

Hat aber extrem feine Ohren, der Fuzzi. Da glaubt man immer, ein Automechaniker hört schlecht, weil die Ohren durch den dauernden Motorenlärm mit der Zeit taub werden müssen. Ganz im Gegenteil! Der muss sogar noch besser hören wie ein normaler Mensch. Damit er in dem ganzen Motorenlärm die einzelnen Töne heraushören kann, damit er weiß, was dem Motor fehlt. Und der Fuzzi hat nicht nur ein feines Gehör, sondern auch ein feines Gespür. Sonst hätt er ja gar nicht verstanden, um was es da überhaupt geht. Hat er aber. Sonst hätt er nicht gesagt: „Wie soll ich nur mein Flaschl halten, dass es nicht an deines klescht?“ Und dann mit der Gucki angestoßen, dass das Bier nur so gespritzt ist.

Hat die Gucki so lachen müssen, dass sie ihm nicht einmal bös sein hat können. Weil eigentlich braucht man sich über die Liebe nicht lustig machen! Und der Fuzzi schon gar nicht! Weil einer, der unter der Woche jeden Abend und jede Nacht pfuscht und am Wochenende nur in Wirtshäusern herumkugelt und Frauen höchstens von der Weiten kennt, braucht bei dem Thema wirklich nicht den Mund aufreißen!

Bevor ihm die Gucki das aber unter die Nase reiben kann, sind sie auch schon von den Mitgliedern der CHU umringt, die vom vielen Schauen, Handeln und Kaufen alle einen rechten Durst gekriegt haben. Und nach ein paar Runden Bier wird es auch schon Zeit für die nächste Etappe der 1.-Mai-Ausfahrt. Aufsitzen! Auf nach Kefermarkt!

Interessant! Da meint man, so ein Moped-Verein fährt nur ein bisserl in der Gegend herum – nur so aus Freude am Fahren – und dann fahren die doch tatsächlich nach Kefermarkt? Eh schon wissen: weltberühmter Flügelaltar, Hochgotik, praktisch Kultur. Stimmt aber dann doch nicht so ganz. Weil das Ziel der CHU ist eigentlich nicht direkt der Kefermarkter Flügelaltar, sondern mehr die Kefermarkter Wirtshausbrauerei. Den Flügelaltar hat ja eh schon ein jeder in seiner Hauptschulzeit einmal gesehen, die Wirtshausbrauerei aber kann man gar nicht oft genug sehen. Und wenn die gewaltigen kupfernen Sudpfannen auch nicht aus der Hochgotik stammen, imposant sind sie trotzdem!

Die Einzige, die sich in die Kirche verirrt, ist die Gucki. Erstens ist der geschnitzte Altar wirklich wunderschön, zweitens will sie einmal ein bisserl allein sein, drittens aber kann sie keinen Vollrausch haben, wenn heute Abend der Sigi kommt. Weil sie ja kochen muss. Normal kann sie ja im Notfall auch mit 1,8 Promille noch kochen wie ein Einser – nur: Für den Sigi muss es was Besonderes werden. Ist ja sogar beim SPAR in Freistadt stehen geblieben, um ein paar Sachen zu kaufen. Zitronengras und Kokosmilch. Für die Zitronengrassuppe. Die Langusten für die Suppe hat sie eingefroren daheim, das Weißbrot muss sie dann beim Heimfahren in St. Moritz kaufen. Gut, dass sie am Hühner-Stauber einen Gepäckträger hat! Als Hauptspeise gibt es dann Zitronen-Hendl, und eine Nachspeise wird ihr auch noch einfallen. Wär doch gelacht, wenn sie den Sigi nicht einkochen könnt!

Viel mehr Sorgen macht ihr da die passende Kleidung. Weil sie doch ein bisserl was zugenommen hat, seit sie im Mühlviertel ist. Was heißt da ein bisserl? Ziemlich! Eh kein Wunder, wenn man sich hauptsächlich von Mühlviertler Speck und Freistädter Bier ernährt! Auf die Waage hat sie sich zwar schon seit Jahren nimmer gestellt, aber die Hosen von früher, die passen ihr alle schon längst nicht mehr. Und die Hosen, die sie jetzt so anhat, sind alles Mögliche – robust, praktisch, eventuell sogar cool – nur erotisch, also erotisch sind sie ganz bestimmt nicht!

Jetzt aber plötzliche Erleuchtung. Natürlich nicht durch den heiligen Geist, sondern durch die Gotik. Die ganzen Heiligenfiguren auf diesem Flügelaltar sind ja alle miteinander in weite Gewänder gehüllt, die einen Haufen Falten werfen. Sieht man praktisch nix von der Figur. Wenn das nicht die Lösung ist! Ein Kleid muss her, aber dalli! Die einzigen zwei Kleider, die die Gucki besitzt, sind ihr nämlich bestimmt auch schon zu eng. Ist ja schon sieben Jahre her, dass sie ihr schwarzes Minikleid und ihr rotes Ballkleid zum letzten Mal angehabt hat. Und außerdem hat sie sich damals geschworen, dass sie sich nie wieder so herrichtet. Praktisch Fleischbeschau. Aber gegen ein elegantes Kleid, in dem sie nicht gleich ausschaut wie eine Nutte, ist ja nichts einzuwenden. Die Gucki braucht sich also nur auf ihr Moped schmeißen und …

Genau in dem Moment ist die schöne Seifenblase auch schon zerplatzt. Erstens müsste sie mindestens bis nach Linz fahren, um halbwegs ein Kleid aufzutreiben, zweitens aber kriegt sie in Linz heute zwar jede Menge roter Nelken, aber kein einziges Kleid. Weil 1. Mai heißt immer noch Tag der Arbeit und nicht Shopping-Tag!

Bleibt der Gucki also nichts anderes über, als dass sie sich auf ihren Hühner-Stauber schmeißt und möglichst schnell in die Gasthausbrauerei kommt. Damit sie die peinliche Kleider-Geschichte möglichst schnell vergisst. Und wirklich – nach einem ordentlichen Schweinsbraten und nach dem dritten Bier geht es ihr besser. „Wenn ich dem Sigi nicht so gefall, wie ich bin, dann kann er sich sowieso schleichen, der Wichser!“ Das sagt sie natürlich nicht zum Fuzzi oder zum Maxi oder zum Johnny oder sonst zu irgendeinem von ihren Moped-Kameraden, das sagt sie zu ihrem Spiegelbild. Auf dem Damenklo von der Wirtshausbrauerei. Da sieht man, dass drei Bier genauso wirken wie ein sauteures Kleid. Für das Selbstbewusstsein nämlich. Wenn sich das bei allen Frauen herumsprechen tät? Da könnten dann die ganzen Modegeschäfte zusperren und die Brauereiarbeiter müssten Überstunden machen!

Aber solange es Burschen gibt wie die von der CHU St. Anton, müssen sich die Brauereiarbeiter sowieso keine Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen. Weil alle miteinander das Bier hinunterschütten, wie wenn es am nächsten Tag keines mehr geben tät. Obwohl die CHU doch noch ein Stückerl zum Heimfahren hat. Ich mein: Nicht dass es jetzt von Kefermarkt nach St. Anton so weit wäre, aber sie müssen ja noch zwei Mal einkehren, bevor sie dann wirklich heimfahren dürfen. Alles feinsäuberlich geplant. Mittagessen – Wirtshausbrauerei in Kefermarkt, erster Zwischenstopp – Hanslwirt in Elz, zweiter Zwischenstopp – Frankys Bar in St. Moritz, Abschluss – Gasthaus Weiß in St. Anton. Und einkehren heißt halt einmal nicht Kracherl trinken oder Kaffee trinken – einkehren heißt Bier und sonst gar nix!

Da heißt es dann auch gleich „Was tust du denn auf einmal so mädchenhaft?“, wie die Gucki in Frankys Bar jetzt ausnahmsweise einen Kaffee bestellt. Der Johnny ist es, der sie anstänkert. Das ist einer von den Nachbarbuben, mit denen sie am Dienstag immer tarockiert. In der Meierhansl-Hütte. Wobei Nachbarbuben vielleicht ein bisserl irreführend ist. Weil die Herren Buben alle doch schon so um die Vierzig sind. Aber abgesehen vom Alter sind sie wirklich wie ein Haufen Buben: rührend ernsthaft und gleichzeitig extrem kindisch. Und außerdem sind sie alle miteinander nicht verheiratet und haben auch keine Freundin. Obwohl bei den meisten die Eltern schon ziemlich lästig sind und ihren Buben jeden zweiten Tag da­ran erinnern, dass er sich endlich einmal eine Frau suchen muss. Ist aber gar nicht so leicht, wenn du nicht einfach eine nette Sexualpartnerin suchst, sondern eine Frau, die in eine Nebenerwerbslandwirtschaft einheiraten möchte. Sprich, eine, die bereit ist, dass sie die ganze Arbeit auf dem Hof macht, weil ja der Mann arbeiten gehen muss.

Jetzt natürlich blöd, dass ausgerechnet der Johnny da die Ausnahme ist. Ist zwar auch völlig tarocknarrisch und ein Kindszapfen wie aus dem Bilderbuch, aber halt leider verheiratet. Kann die Gucki nicht gut sagen: „Was tust du denn da so bubenhaft mit deinem Bier herum, statt dass du dich wie ein richtiger Mann mit den Frauen beschäftigst?“ Sagt es aber trotzdem. Was anderes ist ihr leider nicht eingefallen.

Hätte sie nicht tun sollen. Weil in der Gaststube neben der Bar wirklich ein ganzer Tisch Frauen sitzt. So sieben oder acht werden es sein. Genauer gesagt sind es Damen. Sieht man ja gleich am Gwand, dass die Golf spielen. Hat aber keiner von der CHU bemerkt, dass die überhaupt da sind. Weil man ja in ernsthafte Gespräche über Vergaser und Bremsseile verstrickt ist. Und einen Durst hat man schließlich auch. Jetzt aber, wo die Gucki den Johnny aufgehusst hat, fühlen sich natürlich alle in ihrer Männerehre angesprochen. Nicht dass man mit solchen – na ja: eben – Damen anbandeln tät. Das sind ja lauter Bessere: Abteilungsleiterinnen, Managerinnen, Chefinnen oder zumindest Gattinnen von einem Chef. Aber anstänkern kann man sie auf jeden Fall!

So schnell können die Damen, die übrigens alle Aperol-Spritz, das gummibärliorange funkelnde Modegetränk schlürfen, gar nicht schauen, sind sie auch schon von einer Horde Männer umringt, die in ihren staubigen Lederkluften doch ziemlich bedrohlich wirken. Instinktiv rücken die Damen näher zusammen. Eine kleine Herde Schafe von Wölfen umzingelt.

„Grüß euch, Mentscha! Warts ihr heute auch beim Maiaufmarsch für die Rechte der Arbeiter demonstrieren?“ Das ist der Johnny, der das sagt. Und dabei ein ausgesprochen unschuldiges Gesicht macht. Das macht er immer, wenn er wen anstänkert. Da muss man jetzt wissen, dass der Johnny der sogenannte rote Bauer von St. Anton ist. Das heißt, er ist zwar beim Bauernbund, aber in der SPÖ-Fraktion. Und außerdem sitzt er für die SPÖ im Gemeinderat. Da hast du es dann nicht so leicht bei den anderen Bauern. Weil Verräter. Noch dazu sind ja die meisten anderen Bauern in Wirklichkeit auch Arbeiter. Weil sie ja arbeiten gehen müssen, damit sie ihre Landwirtschaft überhaupt derhalten können. Nur fühlen sie sich halt nicht als Arbeiter, sondern nach wie vor als Bauern. Und sind daher logischerweise bei der ÖVP. Und haben daher normalerweise keine Freude mit so klassenkämpferischen Sprüchen wie denen vom Johnny. Nur halt: normalerweise. Jetzt sind sie sogar hocherfreut, dass diese arroganten Gänse endlich einmal gerupft werden. Weil mögen, so richtig mögen tut die Besseren eigentlich keiner. Da kann man hundertmal bei derselben Partei sein!

„Oder feierts ihr den Tag der Arbeit gar nicht, weil ihr gar nicht wissts, was eine Arbeit ist?“ Der Johnny ist schon ein Fuchs, das muss man ihm lassen!

„Die Rechnung!“ Endlich ist eine der Damen aus ihrer Leichenstarre erwacht.

Ist aber leider auch schon das Stichwort für den Fuzzi: „Eh klar, dass sie keine Arbeit kennen, dafür kennen sie sich mit dem Geld aus. Bei denen heißt es die Rechnung! Und nicht – wie bei uns – zahlen! Weil zahlen tut immer nur der kleine Mann!“

„Groß bist du wirklich nicht! So eins sechsundfünfzig, eins siebenundfünfzig schätz ich.“ Das ist natürlich keine von den feinen Damen, die da dem Fuzzi eine auflegt. Das kann nur die Gucki sein! Aber wirklich nicht, weil ihr die blöden Golftussis leidtun, nur weil sie verhindern will, dass der Fuzzi jetzt wieder eine von seinen peinlichen Reden zur Lage der Nation hält, die alle darin gipfeln, dass die Ausländer an allem schuld sind. Das hat sie sich schon oft genug anhören müssen, von dem hat sie die Nase voll!

Der Fuzzi ist im ersten Moment sprachlos. Und das kommt bei ihm sonst nie vor. Dass ihm ausgerechnet die Gucki in den Rücken fällt? Ist die jetzt auch schon so eine links-linke Emanzen? Bevor er aber auch nur den Mund aufmachen kann, hat ihn die Gucki schon dort gepackt, wo er am leichtesten zu packen ist. Bei seinem Stolz nämlich: „Na, was ist, kleiner Mann? Zahlst du mir jetzt einen Whiskey oder übernimmst du die Rechnung?“

„Das sind Hände, die arbeiten!“, plärrt der Fuzzi und schwenkt seine Pratzen in Siegerpose durch die Luft. „Da kann man sich dann auch was leisten! Einen Whiskey für alle Damen und von mir aus auch für das Weib in der Lederjacken!“

Und weil der Franky ein Wirt mit dem richtigen Gespür für seine Gäste ist und jeder Golf-Lady nicht nur einen Whiskey, sondern auch eine rote Nelke serviert, ist die Stimmung im Nu entschärft. Ja, es gibt sogar – über die Klassengrenzen hinweg – so was wie ein Sich-Näherkommen, indem die eine oder andere Dame vorsichtig dem Fuzzi seine Armmuskeln angreift und sich ehrfürchtig seiner Diagnose „Händ wie ein Schraubstock!“ anschließt.

Wird es doch noch so richtig gemütlich. Die Damen lassen sich eine Hühner-Stauber-Besichtigung nicht entgehen, und eine besonders schneidige dreht sogar mit dem Johnny seinem Moped eine Runde durch den Markt. Dafür gelingt es dem Fuzzi schon beim dritten Versuch, mit einem Golfball ein Fenster von Frankys Bar einzuschießen. Kurzum: ein Mordshallo!

Aber nix dauert ewig! Und so mahnt der Meierhansl-Charly auch schon zum Aufbruch. Weil er als Obmann der CHU für die Planung verantwortlich ist. Und laut Planung müssten sie schon seit zwei Stunden beim Abschlussgetränk im Gasthaus Weiß in St. Anton sein. Also: „Zahlen und aufsitzen!“ Wenn es halt sein muss: zahlen! Nur der Fuzzi verlangt: „Die Rechnung!“

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