Kitabı oku: «Internationales Strafrecht», sayfa 17
6. Antrag auf Festsetzung einer gerechten Entschädigung
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Neben der Feststellung eines eingetretenen Konventionsverstoßes kann der Gerichtshof in seinem das Verfahren abschließenden Urteil eine dem Bf. vom verurteilten Vertragsstaat zu gewährende gerechte Entschädigung festsetzen (Art. 41 EMRK; zu den ersatzfähigen Schäden und zum Kostenersatz siehe noch Rn. 481 ff). Dies erfolgt jedoch nicht automatisch, sondern nur in den Fällen, in denen das nationale Recht eine vollständige Wiedergutmachung der eingetretenen Schäden nicht ermöglicht und sich der Ausspruch einer Entschädigungsleistung durch den Gerichtshof als notwendig erweist („if necessary“). Die näheren Einzelheiten ergeben sind aus Rule 60 und der Practice Direction – Just Satisfaction Claims (PD-JS).
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Für die Festsetzung einer solchen Entschädigung ist grundsätzlich ein spezieller Antrag des Bf. erforderlich (specific claim for just satisfaction, Rule 60 Abs. 1). Ausnahmsweise kann der Gerichtshof eine Entschädigung gemäß Art. 41 EMRK auch von sich aus festsetzen;[95] darauf darf es der Verteidiger jedoch nicht ankommen lassen.
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Häufig ist es sinnvoll, den Antrag erst später im Verfahren zu stellen, insbesondere nachdem die Beschwerde für zulässig erklärt wurde, weil einige Schadensposten – insbesondere die Auslagen im Verfahren vor dem EGMR – zu einem früheren Zeitpunkt im Verfahren noch nicht vorhersehbar geschweige denn entstanden oder bezifferbar sind. Der Antrag muss aber spätestens, wenn der Kammerpräsident nichts anderes anordnet, im Schriftsatz zur „Begründetheit der Beschwerde“ innerhalb der hierfür von der Kammer gesetzten Frist gestellt werden (Rule 60 Abs. 2).[96] Da aber die gemeinsame Entscheidung über Zulässigkeit und Begründetheit heute den Regelfall darstellt (Art. 29 Abs. 1 Satz 2; Rule 54A), ist auch eine gesonderte Frist für die Stellungnahme zur Begründetheit nur noch die Ausnahme.
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Ohnehin können aber schon in der Beschwerdeschrift Anmerkungen zu eingetretenen Schäden gemacht werden. Dem Gerichtshof schon in der Beschwerdeschrift eine (vorläufige) Zusammenstellung der einzelnen Schadenspositionen zu präsentieren, ist ohnehin in einigen Fällen durchaus ratsam[97]; allerdings befreit diese frühere Mitteilung den Bf. nicht von einer späteren (s.o.) förmlichen Antragstellung (§ 5 PD-JS a.E.).
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Im förmlichen Antrag sind die einzelnen Schadensposten detailliert aufzuschlüsseln (itemised particulars of all claims), zu beziffern und nach Rubriken[98] zu ordnen. Als Nachweis für den Eintritt der Schäden und die Entstehung von Kosten sind entsprechende Belege (appropriate docmentary evidence) beizufügen (Rule 60 Abs. 2; §§ 5, 11, 21 PD-JS). Kommt der Bf. diesen Vorgaben nicht nach, kann die Kammer den Antrag ganz oder teilweise zurückweisen (Rule 60 Abs. 3).
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In der Antragsschrift sollte der Bf. auch ein Bankkonto angeben, auf das die vom Vertragsstaat zu leistende Entschädigung fließen soll. Für einzelne Entschädigungssummen können separate Konten angegeben werden. Der Bf. kann ferner bestimmen, dass die für Gebühren und sonstige Auslagen des Verteidigers festzusetzende Geldsumme (cost and expenses) direkt auf ein Konto des Verteidigers überwiesen werden soll (§ 22 PD-JS).
7. Information und Ladung der Verfahrensbeteiligten
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Mitteilungen und Zustellungen des Gerichtshofs erfolgen an die Prozessbevollmächtigten bzw. Rechtsbeistände der Parteien. Sie gelten damit als an die Parteien gerichtet (Rule 37 Abs. 1).
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Zeugen, Sachverständige und sonstige Personen, deren Vernehmung die für die Behandlung der Rechtssache gebildete Kammer oder ihr Präsident beschließt, werden durch den Kanzler geladen. In der Ladung sind die betreffende Rechtssache, der Gegenstand der Untersuchung, des Gutachtens oder der sonstigen von der Kammer oder ihrem Präsidenten angeordneten Maßnahmen sowie die der geladenen Person zustehende Entschädigungszahlung anzugeben (Rule A5 Abs. 2 u.U. i.V.m. Rule A1 Abs. 4).
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Hält der Gerichtshof für eine Mitteilung, Zustellung oder Ladung, die an eine andere Person als die Verfahrensbevollmächtigten oder Rechtsbeistände der Parteien gerichtet ist, die Hilfe des Staates für erforderlich, in dessen Hoheitsgebiet die Mitteilung, Zustellung oder Ladung Wirkung entfalten soll, so wendet sich der Präsident des Gerichtshofs unmittelbar an die Regierung dieses Staates, um die notwendige Unterstützung zu erhalten (Rule 37 Abs. 2).
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Wenn der Gerichtshof im Hoheitsgebiet eines Staates an Ort und Stelle Feststellungen treffen (lassen) oder Beweise erheben will oder wenn er das Erscheinen von Personen anordnet, die im Hoheitsgebiet eines Staates ihren Wohnsitz haben oder es überqueren müssen, so wendet sich der Präsident des Gerichtshofs ebenfalls unmittelbar an die Regierung dieses Staates, um die notwendige Unterstützung zu erhalten (Rule 37 Abs. 3).
Teil 1 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte › C. Behandlung der Beschwerde durch den EGMR › IV. Ablauf der mündlichen Verhandlung
IV. Ablauf der mündlichen Verhandlung
1. Grundsätze
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Eine mündliche Verhandlung über die Begründetheit der Beschwerde findet von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei statt (Rule 59 Abs. 3).[99] Aufgrund der Arbeitsbelastung des Gerichtshofs verzichten die Kammern zunehmend auf die Durchführung einer solchen Verhandlung unter Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten. Ob ein schriftliches oder mündliches Verfahren stattfindet, entscheidet der Präsident der Kammer (Rule 59 Abs. 4). An den Antrag eines Verfahrensbeteiligten ist er dabei nicht gebunden.
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Grundsätzlich findet eine mündliche Verhandlung – so denn eine solche anberaumt wird – vor der Kammer am Sitz des Gerichtshofs im Human Rights Building in Straßburg statt. Allerdings kann die Kammer, wenn sie es für zweckmäßig hält, ihre Tätigkeit auch in einem anderen Vertragsstaat des Europarats ausüben (Rule 19; Rule A2 Abs. 2). Außerhalb seines ständigen Sitzes stattfindende Ortsbesichtigungen werden meist von einer Delegation, also nicht durch den gesamten Spruchkörper durchgeführt (Rule A1).
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Der Kammerpräsident bzw. der Leiter der Delegation leitet die mündliche Verhandlung und bestimmt ihren konkreten Ablauf[100], d.h. die Reihenfolge, in der den Parteien, ihren Verfahrensbevollmächtigten, Rechtsbeiständen und Beratern sowie den sonstigen erschienen Personen (Zeugen, Sachverständige, Drittbeteiligte) das Wort erteilt wird (Rules 64 Abs. 1, A4). Meist dauern die Verhandlungen einen Vor- oder Nachmittag.
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Die jeweiligen Redezeiten werden meist im Vorhinein mit den Verfahrensbeteiligten abgestimmt. Die übliche Redezeit beträgt zwischen 45 Minuten und einer Stunde. Im begründeten Einzelfall ist auch ein längeres Plädoyer möglich.
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Auch nach der Festsetzung eines Termins für die mündliche Verhandlung kann der Gerichtshof eine Beschwerde jederzeit zurückweisen, die er für unzulässig hält (Art. 35 Abs. 4 EMRK). Ebenso ist er befugt, noch im Stadium der Begründetheitsprüfung die ohnehin nur noch ausnahmsweise bereits vorab getroffene Entscheidung über die Zulässigkeit einer Beschwerde zu ändern, wenn diese aus einem der in Art. 35 Abs. 1–3 EMRK genannten Gründe für unzulässig hätte erklärt werden müssen.[101] Andererseits hat der Gerichtshof geäußert, dass ein Abweichen von der ursprünglichen Zulässigkeitsentscheidung nur bei Vorliegen neuer Gesichtspunkte bzw. unter außergewöhnlichen Umständen in Betracht komme.[102]
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Auf Antrag der Parteien oder von Amts wegen können mehrere Beschwerden miteinander verbunden werden (joinder). Neben einer förmlichen Verbindung kommt – nach Anhörung der Parteien – auch die gleichzeitige Prüfung (simultaneous examination) von Beschwerden in Betracht, die derselben Kammer zugeteilt sind (Rule 42).
2. Öffentlichkeit der Verhandlung
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Findet eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, so ist diese grundsätzlich öffentlich und für jedermann zugänglich (Rule 63 Abs. 1). Von Amts wegen bzw. auf Antrag[103] einer Partei oder einer anderen betroffenen Person können Presse und Öffentlichkeit während der ganzen oder eines Teiles der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen werden (Rule 63 Abs. 2),
• | wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, |
• | wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Parteien es verlangen oder |
• | soweit die Kammer es für unbedingt erforderlich hält – wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde. |
3. Anwesenheit der Parteien
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Grundsätzlich muss der Bf. nicht zur mündlichen Verhandlung erscheinen sondern kann sich durch seinen Verfahrensbevollmächtigten vertreten lassen. Erscheint weder der Bf. noch sein Verfahrensbevollmächtigter zur mündlichen Verhandlung – bzw. zur Untersuchung einer Delegation des Gerichtshofs (Rule A3) –, führt dies nicht zwingend zur Einstellung des Verfahrens. Bleibt eine Partei – oder eine andere zur Verhandlung geladene Person – ohne Angabe hinreichender Gründe von der Verhandlung fern, so kann die Kammer diese gleichwohl fortsetzen, wenn ihr dies mit einer geordneten Rechtspflege vereinbar erscheint (Rule 65). Ein Fernbleiben des Bf. sollte allerdings – sofern seine Anwesenheit vorher angekündigt worden war – vorsorglich (nachträglich) entschuldigt werden, da es ansonsten vom Gerichtshof als Indiz für dessen fehlendes Interesse an der Aufrechterhaltung der Beschwerde gedeutet werden kann (Art. 37 Abs. 1 Satz 1 lit. c EMRK; Rn. 349). Prinzipiell ist aber das Auftreten des Verfahrensbevollmächtigten ausreichend.
4. Obligatorische Vertretung
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Grundsätzlich muss der Bf. in jeder von der Kammer beschlossenen mündlichen Verhandlung durch einen Verfahrensbevollmächtigten, durch den in einem Vertragsstaat zugelassenen Rechtsbeistand (advocate) oder eine andere vom Kammerpräsidenten zugelassene Person (other person approved) vertreten sein (Rule 36 Abs. 4 lit. a; vgl. Rn. 391). Ausnahmsweise kann dem Bf. auch jetzt noch gestattet werden, seine Interessen selbst zu vertreten, falls erforderlich mit Unterstützung eines Rechtsbeistands oder einer anderen Person (Rule 36 Abs. 3; vgl. Rn. 390).
5. Beweiserhebung
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Sämtliche Tatsachen, deren Kenntnis für die Entscheidung über die Zulässigkeit und Begründetheit der Beschwerde notwendig ist, müssen durch den Gerichtshof festgestellt werden. Der EGMR befasst sich also nicht lediglich mit der Überprüfung von Rechtsfragen sondern nimmt eine eigene Tatsachenfeststellung vor. Obwohl er den auf nationaler Ebene festgestellten Sachverhalt grundsätzlich nicht überprüft, muss er die der Beschwerde zugrunde liegenden Tatsachen grundsätzlich selbst ermitteln. Im Wesentlichen stützt sich der EGMR dabei auf die Ausführungen der Parteien, ist an diese jedoch – selbst wenn sie übereinstimmend sind – in keiner Weise gebunden. Bereits auf nationaler Ebene erfolgte behördliche Ermittlungen oder gerichtliche Beweiserhebungen fließen in die Untersuchung ebenfalls mit ein, sind aber für die Entscheidung über das Vorliegen eines Konventionsverstoßes nicht ausschlaggebend.
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Lediglich ergänzend erfolgt eine unmittelbare Beweisaufnahme vor dem Gerichtshof, wobei die Parteien die Einvernahme von Zeugen, Sachverständigen oder anderen Personen beantragen können (zur Kostenfrage siehe Rule A5 Abs. 6).[104] Eine unmittelbare Einvernahme von Zeugen geschieht in der Praxis aber eher selten. Sie kommt vor allem dort in Betracht, wo die Sachverhaltsermittlung auf nationaler Ebene hinsichtlich eines für die Einhaltung der Konvention maßgeblichen Umstandes unzureichend gewesen ist.
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Hinweis
Allein ein Aufklärungsmangel hat häufig einen eigenständigen Konventionsverstoß zur Folge.[105] Keinesfalls kann und darf eine Aufhellung des Sachverhalts durch den Gerichtshof eine gründliche Aufklärung auf nationaler Ebene ersetzen. Die Beweiserhebung und -verwertung ist und bleibt vorrangig eine Angelegenheit der nationalen Instanzen.
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Die (in der Praxis ohnehin seltene) Erhebung von Beweisen findet meist in der mündlichen Verhandlung im Gerichtsgebäude in Straßburg statt, kann aber auch durch Delegationen, d.h. beauftragte Mitglieder der Kammer oder andere Richter des Gerichtshofs erfolgen (Rules A1-A8).[106] Der Gerichtshof kann solche Untersuchungen oder andere Beweiserhebungen in jedem Verfahrensstadium an jedem beliebigen Ort durch eines oder mehrere seiner Mitglieder durchführen (Rule 19 Abs. 2). Das gilt insbesondere für die Kammer, die über die Begründetheit der Beschwerde entscheidet.
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Die Kammer kann auf Antrag einer Partei, eines Dritten sowie von Amts wegen alle Beweise erheben, die sie für geeignet hält, den Sachverhalt aufzuklären, ohne dabei an bestimmte Beweismittel oder gar an Vorschriften und Grundsätze des jeweiligen nationalen Strafprozessrechts gebunden zu sein (Rule A1 Abs. 1). Die Parteien haben die Kammer – bzw. die beauftragte Delegation – bei der Feststellung des der Beschwerde zugrunde liegenden Sachverhaltes zu unterstützen (Art. 38 Hs. 2 EMRK; Rule A2).
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Recht häufig werden die Parteien aufgefordert, Urkunden oder sonstige schriftliche Beweise für ihr Vorbringen vorzulegen. Dass angeforderte Unterlagen nach nationalem Recht „Verschlusssache“ sind, kann nicht eingewandt werden.[107] Jede Person, deren Angaben oder Erklärungen für die Aufklärung des behaupteten Konventionsverstoßes nützlich erscheinen, kann als Zeuge, Sachverständiger oder in anderer Eigenschaft gehört werden (Rule A1 Abs. 1), was in der Praxis jedoch recht selten geschieht. Gleiches gilt für Ortsbesichtigungen oder Inaugenscheinnahmen. Außerdem kann die Kammer Personen oder Institutionen ersuchen, zu einer bestimmten Frage Auskünfte einzuholen, eine Stellungnahme abzugeben oder der Kammer Bericht zu erstatten (Rule A1 Abs. 2).[108]
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Zeugen, Sachverständige und andere Personen, die vor dem Gerichtshof auftreten, dürfen sich ihrer eigenen Sprache bedienen, wenn sie keine der beiden Amtssprachen hinreichend beherrschen. Der Kanzler trifft die notwendigen Vorkehrungen für die mündliche und schriftliche Übersetzung (Rule 34 Abs. 6).
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Die Parteien können die Vernehmung eines bestimmten Zeugen oder Sachverständigen nur unter engen Voraussetzungen ablehnen (z.B. wegen Befangenheit). Über den Antrag entscheidet die Kammer. Sie kann eine Person, die nicht als Zeuge oder Sachverständiger vernommen werden kann, gleichwohl zu Informationszwecken anhören (Rule A7 Abs. 5).
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Insbesondere zur Überprüfung von Haftbedingungen wird die Kammer erwägen, eines oder mehrere ihrer Mitglieder oder andere Richter des Gerichtshofs zu beauftragen, eine Untersuchung, eine Ortsbesichtigung, eine sonstige Inaugenscheinnahme oder eine andere Maßnahme zur Beweiserhebung durchzuführen.[109] Zur Unterstützung der Tätigkeit einer solchen Delegation – die grundsätzlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgt (Rule A1 Abs. 5)[110] – können unabhängige externe Sachverständige bestellt werden (Rule A1 Abs. 3).
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Der Gerichtshof ist nicht an bestimmte (nationale) Beweis- oder Beweislastregeln gebunden, sondern entscheidet über das Vorliegen eines Konventionsverstoßes aufgrund freier richterlicher Beweiswürdigung. Obwohl er keine prozessuale Beweislast im engeren Sinne trägt, muss der Bf. grundsätzlich den behaupteten Konventionsverstoß substantiiert darlegen und die entsprechenden tatsächlichen Umstände überzeugend nachweisen. In Fällen, in denen die Tötung eines Menschen, die Anwendung physischer Gewalt gegenüber inhaftierten Personen oder deren Unauffindbarkeit behauptet wird, besteht für den betroffenen Konventionsstaat allerdings eine qualifizierte Darlegungslast,[111] deren Umfang je nach Einzelfall bis zu einer echten Beweislastumkehr und entsprechender Exkulpationspflicht reichen kann (plausible/satisfactory and convincing explanation)[112].[113] Lässt sich in einem solchen Fall der vom Bf. behauptete Sachverhalt nicht zuverlässig aufklären, so unterstellt der Gerichtshof das entsprechende Vorbringen, wenn der Vertragsstaat gegen seine aus Art. 2, 3 EMRK bzw. Art. 5 EMRK abzuleitende Organisations- oder Dokumentationspflicht verstoßen hat.[114]
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Beweiserhebungen (vor einer Delegation), die der betroffene Vertragsstaat beantragt, muss dieser grundsätzlich selbst bezahlen. Das gilt jedoch nicht für den Bf., dem die Kosten einer von ihm beantragten Beweiserhebung nur höchst selten auferlegt werden. Meist werden diese Kosten vom Europarat getragen. Die Höhe der Kosten bestimmt der Kammerpräsident (Rule A5 Abs. 6).
6. Beteiligung Dritter
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Entscheidet sich der Gerichtshof, die eingegangene Beschwerde dem vom Bf. als Beschwerdegegner bezeichneten Vertragsstaat zur Kenntnis zu bringen (Rule 54 Abs. 2 lit. b; vgl. Rn. 328), so wird die Beschwerde durch die Kanzlei zusätzlich auch dem Vertragsstaat übermittelt, dessen Staatsangehörigkeit der Bf. besitzt (Rule 44 Abs. 1 lit. a).[115] Möchte diese Vertragspartei von ihrem Recht auf schriftliche Stellungnahme oder auf Teilnahme an mündlichen Verhandlungen (Art. 36 Abs. 1 EMRK) Gebrauch machen, muss sie dies als „third-party intervention“ gegenüber der Kanzlei des Gerichtshofs grundsätzlich innerhalb von 12 Wochen zum Ausdruck bringen (Rule 44 Abs. 1 lit. b).[116]
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Im Interesse der Rechtspflege kann der Präsident des Gerichtshofs darüber hinaus auch andere Vertragsstaaten oder Personen, die in dem konkreten Verfahren nicht Partei sind, auffordern oder ermächtigen, schriftlich zum Gegenstand der Beschwerde Stellung zu nehmen oder, falls außergewöhnliche Umstände vorliegen, ihnen die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung gestatten (Art. 36 Abs. 2 EMRK; Rule 44 Abs. 3 lit. a).[117]
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Eine Beteiligung nach Art. 36 EMRK führt nicht zu einer Bindung an das Urteil (zu den allgemeinen Urteilswirkungen siehe noch Rn. 463 ff.).
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In allen bei einer Kammer oder der Großen Kammer anhängigen Rechtssachen kann der Kommissar für Menschenrechte des Europarats schriftliche Stellungnahmen abgeben und an den mündlichen Verhandlungen teilnehmen. Er hat dies ebenfalls innerhalb von 12 Wochen gegenüber der Kanzlei anzuzeigen. Eine Vertretung durch einen Repräsentanten ist möglich (Rule 44 Abs. 2).
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In der Praxis kommt ein solcher Beitritt Dritter zum Verfahren durchaus vor. Insbesondere NGOs machen von dieser Möglichkeit Gebrauch; es besteht aber auch die Möglichkeit, als (strafprozessualer) Nebenkläger im Ausgangsverfahren (§§ 395 ff. StPO) einen Antrag auf Beteiligung am Verfahren zu stellen.[118]
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Entsprechende Erklärungen oder Anträge Dritter müssen bestimmten Form- und Fristvorgaben entsprechen (Rule 44 Abs. 3-6). Werden diese Bedingungen nicht eingehalten, so wird die jeweilige Stellungnahme meist nicht in die Verfahrensakte aufgenommen (Rule 44 Abs. 5). Schriftliche Erklärungen Dritter, die den Vorgaben entsprechen, werden den Parteien mitgeteilt, die unter Einhaltung einer bestimmten Frist ihrerseits schriftlich Stellung nehmen können (Rule 44 Abs. 6).