Kitabı oku: «Die Vampirschwestern – Ein bissfestes Abenteuer», sayfa 2

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Vampirische Beweise


Silvania und Daka saßen auf dem Fußboden vor der Badtür. Eine halbe Stunde war vergangen, seit Helene dahinter verschwunden war. Die Schreie hatten nach ein paar Minuten aufgehört. Stattdessen hörten die Schwestern ein Schluchzen und Schnaufen. Dann wurde es still hinter der Badezimmertür.

Silvania klopfte vorsichtig. „Helene? Geht es dir wieder besser?“

Keine Antwort.

Daka versuchte, durch das Schlüsselloch zu spähen, doch da der Schlüssel steckte, sah sie nichts. „Bist du eingeschlafen?“

Keine Antwort.

„Vielleicht ist sie aus dem Badezimmerfenster gesprungen“, sagte Silvania.

Daka sah ihre Schwester entsetzt an.

„Nein, bin ich nicht“, kam plötzlich eine dumpfe Stimme aus dem Bad.

„Sie lebt!“, rief Silvania.

„Sie redet!“, rief Daka.

Die Mädchen pressten die Ohren an die Badtür. Sie hörten, dass Helene etwas von der Klopapierrolle abriss und hineinschnaufte. „Ihr seid also echte … echte Vampire?“, fragte sie.

„Nein. Ein echter Vampir ist bloß unser Papa. Wir sind nur Halbvampire, keine Panik“, erwiderte Daka.

Als Antwort schnaufte Helene laut.

„Man könnte also auch sagen, wir sind Halbmenschen“, fügte Silvania hinzu.

„Und was machen Halbmenschen oder Halbvampire so?“, fragte Helene. „Ich meine, wovon ernährt ihr euch denn genau?“

„Von ganz normalen Sachen. Brot, Nudeln, Reis, Eier, Marmelade, Butter, Kartoffeln …“, begann Silvania.

„Am liebsten aber von blutigem Fleisch und Zartbitterschokolade“, warf Daka ein und fuhr sich mit der Zunge über die Oberlippe.

„Und dieses Fleisch, ist das …“ Helene holte tief Luft. „Lebt das noch?“

„NEIN!“, riefen Silvania und Daka.

„Wie kommst du denn darauf?“, fragte Silvania.

„Ich dachte immer, Vampire ernähren sich von Blut. Frischem Menschenblut“, erwiderte Helene.

„Die Ernährungsmethode ist total veraltet“, erklärte Silvania. „So haben das Vampire vor etlichen Jahrhunderten gemacht.“

„Manche machen es heute aber auch noch so“, warf Daka ein. Als sie den entsetzten Blick ihrer Schwester sah, fügte sie hinzu: „Das sind nur ein paar altmodische Vampire. Und außerdem: Wir sind Halbvampire. Sozusagen die Vegetarier unter den Vampiren.“

„Und was ist mit der Fliege?“

„Welche Fliege?“, fragte Daka.

„Die du vorhin gegessen hast“, erinnerte sie Helene.

„Das war doch nur ein Snack. Das zählt nicht.“

„Also würdet ihr mich nicht beißen?“, fragte Helene.

„Nein, niemals!“, rief Silvania.

„Dich beißen? Bäh! Wie kommst du denn darauf?“, sagte Daka.

Einen Moment blieb es still hinter der Badezimmertür. „Versprecht ihr es?“

„Ja“, antworteten die Zwillinge.

„Wirklich?“

„Ich verspreche es bei der Kette von Oma Zezci“, sagte Silvania.

„Und ich verspreche es bei Karlheinz“, sagte Daka.

Helene wusste, wie sehr Daka an ihrem Lieblingsblutegel hing. Und sie wusste, wie viel Silvania die Kette ihrer Oma bedeutete.

Es verging eine halbe Minute. Dann hörten die Zwillinge ein Klacken im Schloss. Der Schlüssel wurde herumgedreht, und kurz darauf öffnete sich zögerlich die Tür einen kleinen Spalt.

Helenes blasse Nase tauchte in dem Spalt auf. „Ich komme jetzt raus.“

„Das ist schön“, sagte Silvania.

Helene schob sich langsam durch den Spalt. Dabei ließ sie die Schwestern nicht aus den Augen und hielt ihre beiden Zeigefinger vor ihrem Hals über Kreuz.

„Das hilft nicht, das mit den Kreuzen. Das hat sich nur irgendein Filmregisseur mal ausgedacht“, sagte Daka.

„Außerdem haben wir dir doch versprochen, dass wir dir nichts tun“, erinnerte sie Silvania.

Helene ließ langsam die Hände sinken. Sie hielt gut einen Schritt Abstand von den Zwillingen. „Zeigt ihr mir mal eure Zähne?“

Daka und Silvania grinsten breit, sodass ihre Eckzähne hervortraten.

„Die sind ja gar nicht so groß.“ Helene klang fast enttäuscht.

„Hier in Deutschland feilen wir sie immer regelmäßig ab“, erklärte Silvania.

„Dentiküre“, fügte Daka hinzu.

„Wäh, tut das nicht weh?“

„Nö. Es quietscht nur“, sagte Daka.

„Und was ist mit der Sonne? Zerfallt ihr nicht zu Staub, wenn ihr rausgeht?“ Helene schienen die abgefeilten Zähne zu beruhigen. Ihre Nase bekam wieder Farbe.

„Die Sonne nervt schon. Aber bis wir zu Staub zerfallen, müssen wir schon mehrere Stunden prall in der Sonne liegen“, antwortete Silvania.

„Außerdem kleistern wir uns ja immer mit Sonnencreme ein. Lichtschutzfaktor 100 natürlich“, sagte Daka.

„Deswegen hast du auch immer eine Sonnenbrille auf“, sagte Helene zu Daka, „und du immer einen Hut“, fügte sie an Silvania gewandt hinzu.

Die Schwestern nickten.

„Jetzt verstehe ich auch, warum ihr in der Schule immer so müde seid. Ihr schlaft normalerweise tagsüber, stimmt’s?“

„Genau. Halbvampire sind nachtaktiv. Aber hier gibt es keine Schule, in der nachts unterrichtet wird. Also müssen wir uns umstellen“, sagte Silvania.

„Ihr seid in Transsilvanien nachts zur Schule gegangen?“ Helenes Augen funkelten wieder.

„Klar. Und was heißt gegangen? Wir sind geflogen“, erwiderte Daka.

Helene hatte ihren Sicherheitsabstand vollkommen vergessen. Bei dem Wort „geflogen“ kam sie selbst wie im Sturzflug auf die Schwestern zu. Sie kniete sich neben sie auf den Fußboden und sah sie mit großen Augen an. „Ihr könnt fliegen?“

„Logisch“, sagte Daka.

„Na ja, so ein bisschen“, meinte Silvania. Sie war auf dem Gebiet nicht gerade der Überflieger. Zum einen fand sie Fliegen viel zu unmenschlich, zum anderen hatte sie immer Angst, mit Tauben, Windrädern oder UFOs zusammenzustoßen. Oder abzustürzen. Sie fand, ihr Körper mit den kleinen Rundungen und Puffern auf der Hüfte war einfach nicht aerodynamisch genug.

„DAS will ich sehen!“, rief Helene.

Silvania seufzte. Sie hatte es befürchtet.

„Du willst uns fliegen sehen? Jetzt, sofort?“, fragte Daka. Ihre Augen glänzten vor Vorfreude.

Helene nickte. „Könnt ihr von hier zu eurem Zimmer fliegen?“ Sie deutete den schmalen Flur entlang.

„Mit so einem Kinderquatsch fange ich gar nicht erst an. Hier ist es viel zu eng. Lasst uns aufs Dach gehen“, schlug Daka vor.

„Aufs Dach?“ Silvania riss entsetzt die Augen auf.

„Klar, es ist doch sowieso schon dunkel. Wir haben nur Tagflugverbot. Außerdem kann ich Helene dann ein paar Loopings zeigen“, sagte Daka.

„Genau!“ Helene nickte.

Silvania zuckte die Schultern. Eine Schwester und eine Freundin zu haben, hatte einen entscheidenden Nachteil: Man konnte überstimmt werden. Daran hatte sie nicht gedacht. „Okay, gehen wir aufs Dach. Aber nur ganz kurz.“

„Ja, ja.“

„Und wir fliegen nicht weit weg.“

„Nein, nein.“

Die heimliche Hellseherin


Herr Tepes reichte seiner Frau ein Glas Prosecco und spritzte sich unauffällig einen Schuss Blut in seinen Rotwein. Für alle Fälle hatte er meistens eine Ampulle dabei. Wenn der Hunger kam, war es besser, gewappnet zu sein.

Er sah sich im Theaterfoyer um. Viele Frauen zeigten Hals. Herrn Tepes ließ das kalt. Wie immer stellte er fest, dass Elvira die schönste Frau war. Er fand auch, dass er der schönste Mann war. Zufrieden strich er seine pechschwarze Mähne nach hinten. Kein Wunder, dass sie sich vor 17 Jahren Knall auf Fall ineinander verliebt hatten.

„Und, wie fandest du ,Die Ratten‘ bis jetzt?“, fragte Elvira Tepes.

„Sehr interessant“, erwiderte Herr Tepes und nahm schnell einen Schluck Rotwein. Er wollte nicht zugeben, dass er ein wenig enttäuscht war, weil er insgeheim gehofft hatte, dass in dem Stück echte Ratten vorkamen. Aber sie hatten bis jetzt nur die ersten drei Akte gesehen. Laut Programmheft folgten zwei Akte. Es bestand noch Hoffnung.

Frau Tepes nippte dreimal zügig an ihrem Prosecco. Dann kramte sie in ihrer Handtasche.

„Was suchst du?“

„Mein Handy.“

„Wozu?“

Frau Tepes hatte ihr Handy gefunden. „Meinst du nicht, wir sollten mal kurz zu Hause anrufen?“

„Und unseren Töchtern Bescheid sagen, dass uns die ersten drei Akte gefallen haben?“

„Nein, einfach nur Hallo sagen und mal sehen, was sie so machen.“

Herr Tepes schüttelte den Kopf. „Was sollen sie schon machen? Wahrscheinlich gucken sie Fernsehen, lesen oder essen den Kühlschrank leer. Womöglich sind sie schon im Bett und du weckst sie nur auf.“

„Meinst du nicht, dass sie sich nachts allein zu Hause fürchten?“

„Gumox! Sie haben mein Blut in den Adern. So schnell fürchten sie sich nicht. Und schon gar nicht in der Nacht.“

„Und du meinst auch nicht, dass sie vielleicht irgendwelche Dummheiten anstellen?“

Herr Tepes zog die Augenbrauen zusammen. Das hielt er zwar schon eher für möglich – genau genommen hielt er es für wahrscheinlich –, aber er wollte seine Frau nicht beunruhigen. Es war ihr Theaterabend. Sie sollte ihn genießen. „Daka und Silvania sind aus dem Alter raus, wo sie Dummheiten machen. Vertrau mir, die liegen jetzt in ihren Betten und träumen von der transsilvanischen Heimat.“

Frau Tepes sah ihren Mann ungläubig an. Doch dann ließ sie das Handy langsam wieder in die Handtasche gleiten. „Wahrscheinlich hast du recht. Ich mache mir zu viele Sorgen. Ich hatte nur gerade die verrückte Vorstellung, dass unsere Töchter Freunde eingeladen haben und eine Flugshow auf dem Dach veranstalten oder Ähnliches.“ Frau Tepes lachte und schüttelte den Kopf über diese Idee.

Elvira Tepes hatte hellseherische Fähigkeiten. Leider wusste sie nichts davon. Hätte sie es gewusst, hätte sie den Prosecco ausgetrunken, ihren Mann geschnappt und wäre nach Hause gefahren. Die Ratten hätten in den letzten beiden Akten auf ihre Anwesenheit verzichten müssen.

Flugshow


In der Reihenhaussiedlung herrschte sternenklare Nacht. Weit und breit war kein Bewohner mehr zu sehen. Die meisten Nachbarn hatten die Jalousien heruntergelassen oder das Licht bereits ausgeschaltet. Es war mucksmäuschenstill. Nur ein gescheckter Hund jaulte hin und wieder aus der Hundehütte, in die er sich verkrochen hatte, sobald drei dunkle Gestalten auf einem der Dächer aufgetaucht waren. Er war kein Wachhund und wollte in der Nacht seine Ruhe haben.

Silvania und Helene standen auf dem Dach des Reihenhauses Nummer 23 und sahen Daka zu, die mit ausgebreiteten Armen vor ihnen Runden flog. Wie ein Spielzeugauto auf einer Modellrennbahn. Helene stand der Mund offen und sie ließ Daka keine Sekunde aus den Augen. Silvania zupfte gelangweilt am Lederriemen ihrer Fliegerhaube.

„Und jetzt passt auf!“, rief Daka. Sie flog ein Stück aufs Feld hinaus und blieb in der Luft stehen, als würde sie Anlauf nehmen. Dann senkte sie den Kopf, drückte das Kinn auf die Brust und flog mit doppelter Geschwindigkeit auf Silvania und Helene zu.

Helene griff unwillkürlich nach Silvanias Arm. Silvania tätschelte Helenes Hand. Sie wusste, was gleich kommen würde.

Nur ein paar Meter vor ihnen verschwand Dakas Kopf nach unten. Ihr Körper schlängelte sich blitzschnell wie ein Ringelwurm hinterher. Dann tauchte Dakas Kopf wieder auf. Bevor Helene richtig begriff, was eben geschehen war, stand Daka vor ihnen.

„Tatatataaa! Mein Looping“, sagte sie und verbeugte sich.

Helene klatschte. „Cool! Das ist der absolut abgefahrenste Wahnsinn, den ich jemals gesehen habe.“

Silvania unterdrückte ein Seufzen. Helene übertrieb. Und Daka war eine olle Angeberin. Zumindest manchmal. Allerdings war ihr Looping wirklich klasse.

„Was ist mit dir?“, fragte Helene Silvania. „Kannst du auch so was?“

„Ich … ich bin sozusagen eine Sonntagsfliegerin. Du weißt schon, eher zum Genuss als für den Kick.“

Daka, die von der Flugangst ihrer Schwester wusste, fügte hinzu: „Silvania fliegt lieber langsam, dafür aber schön.“

„Also eine Kunstfliegerin“, sagte Helene und sah Silvania begeistert an.

„Genau.“ Silvania hoffte, dass Helene jetzt keinen Kunstflug sehen wollte. „So“, sagte sie schnell und rieb sich die Hände. „Dann können wir ja auch wieder runtergehen, nicht wahr?“

„Warte!“, sagte Helene. „Ich …“ Sie blickte angespannt von Silvania zu Daka. „Ich will auch fliegen.“

Silvania verschlug es die Sprache.

Daka lachte. „Du? Fliegen? Wie soll denn das gehen? Du fliegst höchstens auf den Pops. Du bist doch ein ganz normaler Mensch, oder nicht?“

„Schon. Aber ich dachte, mit euch beiden zusammen …“ Helene kratzte sich am Arm, auf den sie mit Kugelschreiber ein fettes, warziges Monster gemalt hatte. „Ihr könnt mich doch in die Mitte nehmen. Oder huckepack. Irgendwie geht es bestimmt. Bitte, ich will es nur mal versuchen.“

Daka und Silvania sahen sich ratlos an. Ein Mensch wollte fliegen. Mit zwei Halbvampiren. Freiwillig. So etwas hatten sie noch nie gehört.

„Bist du dir sicher?“, fragte Silvania, die sich nicht vorstellen konnte, warum jemand überhaupt fliegen wollte.

Helene nickte kräftig. „Es muss ja nicht so hoch und nicht so weit sein. Nur ein Stückchen über das Feld. Es ist bestimmt toll, in der Luft zu schweben. Ich will nur mal sehen, wie das ist.“

Silvania könnte ihr erzählen, wie es ist, ständig in Panik vor Tauben mit müden Armen durch die Luft zu eiern und dabei immer die Augen nach Bäumen, Windrädern oder Strommasten offenzuhalten, die sich einem plötzlich in den Weg stellten.

Daka tippte sich mit dem Zeigefinger mehrmals an die Lippe und starrte auf einen unbestimmten Punkt in der Luft. „Wir könnten eine von Mamas Klobrillen zwischen uns festbinden und Helene setzt sich drauf“, sagte sie schließlich.

„WAS? Nie im Leben!“ Silvania fuhr sich vor Entsetzen durch die rotbraunen Haare.

„Natürlich müsste Helene sich anschnallen und einen Helm tragen“, fügte Daka hinzu.

„Dadurch wird es auch nicht besser“, fand Silvania. „Das ist die absolut blödeste Idee, die ich jemals gehört habe.“

„Also, ich finde die Idee gut“, schaltete sich Helene ein.

„Aber … aber das ist total gefährlich“, wandte Silvania ein. „Und außerdem … wenn uns jemand sieht und wenn Helene nicht schwindelfrei ist oder wir abstü…“

Helene unterbrach sie. „Wer ist für den Klobrillenflug?“, fragte sie und hob die Hand.

Eine Sekunde später schoss Dakas Hand in die Höhe.

Silvania seufzte. Jetzt war sie schon zum zweiten Mal überstimmt worden. Entweder sie brauchte noch eine Freundin oder sie musste die Demokratie in der Freundschaft abschaffen.

Drei kleine Engelein


Herr Tepes schaltete in den dritten Gang und der Motor heulte auf. „Ruhig, Grüner, immer schön ruhig“, sagte er und streichelte das Armaturenbrett des Dacias.

Elvira sah versonnen in den Nachthimmel. „Das war wirklich ein toller Abend.“

„Hm“, brummte ihr Mann. Auch in Akt vier und fünf waren keine echten Ratten aufgetaucht. Der Titel des Stücks war einfach irreführend.

Als sie in den Lindenweg bogen, fuhr Elvira mit einer Hand unter die halblangen Haare ihres Mannes und kraulte ihn im Nacken.

Mihai Tepes brummte. Er parkte quer auf dem Rasen vor dem Reihenhaus Nummer 23 ein, flopste sich zur Beifahrertür und öffnete sie galant.

Elvira stieg aus und atmete die kühle Nachtluft ein. „Was für ein wunderschöner Sternenhimmel!“

„Wie wäre es mit einem Mondscheinspaziergang?“ Herr Tepes lächelte, und unter seinem Lakritzschnauzer blitzte ein Eckzahn auf.

Elvira schielte zum Haus. Kein einziges Licht brannte.

Herr Tepes bemerkte den Blick seiner Frau. „Siehst du, sie schlafen. Wie die Engelein.“

Elvira zögerte. Dann hakte sie sich bei ihrem Mann ein. Gemeinsam gingen sie Richtung Feldweg.

Wie die Engelein – da hatte Herr Tepes gar nicht so unrecht. Es gab nur einen kleinen, aber entscheidenden Unterschied: Seine Töchter schliefen nicht wie die Engelein, sie flogen wie die Engelein.

Sie waren auf ausdrücklichen Wunsch von Helene direkt vom Dach gestartet. So hatten sie gleich eine ordentliche Höhe und mussten sich nicht mühsam Höhenmeter um Höhenmeter nach oben kämpfen. Die ersten Minuten hielt sich Helene mit beiden Händen krampfhaft an der Klobrille fest. Ihr Gesichtsausdruck sah ein wenig danach aus, als hätte sie Durchfall. Sie hatte die Augen weit aufgerissen und schrie alle paar Sekunden: „Oh nein, ich fliege! Oh nein, ich fliege wirklich!“

Daka und Silvania konzentrierten sich aufs Fliegen. Sie hatten die Klobrille mit jeweils zwei Seilen um ihre Oberkörper und um ihre Taillen festgebunden. Dabei hatten sie darauf geachtet, dass für ihre Arme genug Platz zum Steuern blieb. Am Anfang war es sehr ungewohnt, mit der zusätzlichen Last zu fliegen, denn der Transport von Menschen auf Klobrillen gehörte nicht zur gängigen Flugausbildung.

Silvania verlor das Gleichgewicht, kippte einmal kurz weg und flog ein Stück in Seitenlage. Dabei wäre Helene beinahe von der Klobrille gerutscht. Wie gut, dass sie mit einem Gürtel von Herrn Tepes angeschnallt war. Es dauerte ein paar Versuche, bis es den Schwestern gelang, geradeaus zu fliegen. Das Gewicht des Fluggastes zog sie immer wieder nach innen und führte dazu, dass sie erst mal ein paar Minuten im Kreis flogen.

Doch je länger sie in der Luft waren, desto besser flogen sie. Es war noch kein Kunstflug, aber Helene war begeistert. Das war die Hauptsache. Sie entspannte sich, baumelte mit den Beinen und wagte sogar ab und zu einen Blick auf die Erde. Nebenbei stellte sie alle möglichen Fragen.

„Konntet ihr sofort fliegen, als ihr auf die Welt gekommen seid?“

„Nein, das lernt man so mit fünf oder sechs Jahren“, antwortete Daka.

„Ist das schwierig?“

„Nein!“ (Das war Daka.)

„Ja!“ (Das war Silvania.)

„Wie gebt ihr beim Fliegen Gas?“

„Man muss den Kopf senken oder die Arme anlegen“, erklärte Silvania.

„Oder beides. Dann geht man richtig ab“, fügte Daka hinzu.

„Und wie bremst man?“

„Man richtet den Oberkörper etwas auf“, sagte Silvania.

„Und dreht die Handflächen nach vorn“, ergänzte Daka.

„Und Lenken?“

„Das macht man mit dem ganzen Körper, als ob man sich in eine Kurve legt“, sagte Daka. „So zum Beispiel.“ Daka legte sich in eine steile Linkskurve. Silvania konnte ihr gerade noch schnell genug folgen. WUSCH!, schossen die Halbvampire mit ihrem Klobrillenfluggast durch die Nacht.

„Juchuuu!“, schrie Helene. Sie hatte die Arme ausgebreitet und lehnte sich nach vorn. Man hätte meinen können, sie wäre ein echter, fliegender Vampir. Ein Vampir, der sich eine Klobrille an den Popo gebunden hatte.

„Boi, boi, boi!“, schrie Daka und setzte zu einer rasanten Rechtskurve an.

Silvania, die sich gerade von der Linkskurve erholt hatte, folgte in letzter Sekunde. Sie atmete schwer. Schweißtropfen bildeten sich unter der Fliegerhaube auf ihrer Stirn. Der nächtliche Ausflug war ihr zu anstrengend, zu rasant und zu gefährlich. Sie flogen zwar nur über das Feld hinter dem Reihenhaus und es war unwahrscheinlich, dass plötzlich aus dem Nichts ein Windrad oder ein UFO auftauchte, aber trotzdem. So, wie ihre Schwester die Kurven flog, überschlugen sie sich womöglich noch.

Silvania hatte sich den Abend mit ihrer gemeinsamen, allerbesten Freundin anders vorgestellt. Nicht so sportlich und nicht so … so vampirisch. Warum konnten sie nicht richtig spannende Sachen machen, wie zusammen in Zeitschriften blättern, Frisuren ausprobieren und über die Liebe reden?

„Schneller!“, rief Helene.

Daka senkte den Kopf und legte die Arme an. „Rrrapedadi!“

Silvania blieb nichts anderes übrig, als ebenfalls zu beschleunigen. Dabei wäre ihr eine Pause viel lieber gewesen. Die Erdanziehung schien bei ihr stärker zu sein als bei Daka. Ihre Arme fühlten sich so schwer an, als würden Kartoffelsäcke daran hängen. Sie kam sich vor wie ein fliegender Pottwal. So elegant. So leicht. So flugtauglich. „Na gut, noch eine Runde“, sagte sie. „Dann setzen wir zur Landung an, okay?“

„Schon?“ Helene stülpte die Lippen nach außen. Sie sah kurz zu Silvania, die Schweißperlen auf der Stirn hatte. „Einverstanden, aber erst eine extraschnelle Runde mit extravielen Kurven! Bitte!“

Silvania nahm ihre letzte Kraft zusammen. Nur noch eine Runde über das Feld. Das schaffte sie. Gleichzeitig mit Daka senkte sie den Kopf und die zwei Halbvampire, Helene und eine Klobrille schossen wie ein Blitz durch die Nacht. Sie flogen eine Linkskurve. WUSCH! Sie flogen eine Rechtskurve. WUSCH! Die Halbvampire, Helene und die Klobrille wurden immer schneller. Die Kurven wurden immer steiler.

Helene kreischte vor Vergnügen.

Daka schrie: „Boi, boi, boi!“

Silvania riss die Augen weit auf und sah voller Panik in die Nacht. Sie flogen nur noch knapp über dem Erdboden. Das war gut. Aber sie flogen viel zu schnell. Das war schlecht. Plötzlich, nach einer scharfen Rechtskurve, sah Silvania etwas. Es war nur wenige Meter von ihnen entfernt, stand auf dem Feld und schrie. Es war weder ein Windrad noch ein UFO. Es waren zwei dunkle Gestalten, auf die sie direkt mit Höchstgeschwindigkeit zudonnerten.

„AAAAH!“, schrie Frau Tepes.

„OOOOH!“, schrie Herr Tepes.

Für alles andere war es zu spät. Sie konnten nicht mehr zur Seite springen oder sich auf den Erdboden werfen.

WOMM!, sauste das unbekannte Flugobjekt auf sie zu. KNALL! RUMS! BUMS!, prallte es mit ihnen zusammen.

„AUUU!“, schrie Frau Tepes.

„OIOIOI!“, schrie Herr Tepes.

„Eijeijeijei, aaaaah, Fumpfs!“, schrie das unbekannte Flugobjekt.

Herr und Frau Tepes landeten mit den Hinterteilen auf dem Feld. Einen Moment blieb alles ganz still. Sie rieben sich die Köpfe. Sie wussten nicht, ob die Sterne, die sie sahen, wirklich am Himmel waren.

Dann hörten sie ein Stöhnen hinter sich. Herr und Frau Tepes drehten sich um. Sie musterten die drei Gestalten, die auf dem Feld lagen und sich Ellbogen, Kopf und Beine rieben. Zwei der Gestalten kamen ihnen sehr bekannt vor. Sie hätten fast ihre Töchter sein können. Ein drittes Mädchen lag zwischen ihnen. Es hatte ein metallenes Nudelsieb auf dem Kopf, das bis zur Nase gerutscht war. Das Mädchen war mit einem Gürtel an einer Klobrille festgeschnallt.

„Mihai, ich glaube, das war kein Komet“, sagte Frau Tepes, ohne den Blick von den stöhnenden Gestalten zu lassen.

Mihai schüttelte den Kopf. „Ich habe gerade eine total verrückte Erscheinung: Ich bilde mir ein, ich sehe unsere Töchter!“

„Und ich die Tochter meines Vermieters mit meiner Klobrille und meinem Nudelsieb“, sagte Frau Tepes.

Daka kam als Erste wieder zu sich. Sie strich sich ein paar Getreidehalme aus den Haaren und spuckte Helene dreimal auf den Ellbogen und Silvania auf den Kopf, wie es in Transsilvanien Brauch war, wenn man sich verletzt hatte. Dann setzte sie ein breites Lächeln auf. „Hallo! Wie waren die Ratten?“

Silvania hatte sich ebenfalls aufgerichtet und versuchte ein unschuldiges Gesicht zu machen.

Mihai Tepes funkelte seine Töchter an wie ein Raubtier. „Ins Haus mit euch, aber RAPEDADI!“, sagte er mit donnernder Stimme.

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Yaş sınırı:
18+
Litres'teki yayın tarihi:
31 ekim 2024
Hacim:
143 s. 6 illüstrasyon
ISBN:
9783732003051
Yayıncı:
Telif hakkı:
Bookwire
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