Kitabı oku: «Die Vampirschwestern – Finale Randale», sayfa 2
Unheil liegt in der Luft
Ein wunderbarer, sonniger Tag brach in Bindburg an. Der Himmel leuchtete blau, als könnte nichts und niemand ihn trüben. Die Sonne blinzelte frisch und sorglos, kitzelte die Bäume, Blumen und Vögel. In den Häusern in der Wohnsiedlung am nördlichen Rand von Bindburg wurden die Vorhänge aufgezogen, die Kaffeemaschinen schäumten und röchelten, duftende Toastbrote sprangen durch die Küche, Zahnpasta spritzte an die Badezimmerspiegel, Haare wurden gekämmt, Schuhe geschnürt, Jacken übergeworfen und eilige Küsschen verteilt.
Keiner der Bewohner von Bindburg ahnte, dass ein Tag begonnen hatte, an dem sich alles ändern würde. Und nicht zum Guten.
Herr Tepes und Franz konnten gar nichts ahnen, da sie beide noch im Keller vom Reihenhaus Nummer 23 im Lindenweg schliefen. Elternzeit – Schlafenszeit!
Armin Schenkel, der mit Frau Janina und Sohn Linus gegenüber von Familie Tepes wohnte, fuhr gerade mit seinem roten Kombi rückwärts aus der Einfahrt. Beim Blick in den Rückspiegel vergewisserte er sich nicht nur, dass die Straße frei war, sondern auch, dass keiner seiner transsilvanischen Nachbarn zufällig abhob. Natürlich war Armin Schenkel klar, dass seine Nachbarn nicht wirklich abheben konnten. Nein, nur Armin Schenkels Wahrnehmung hob manchmal ab. Aber solange er sich sonst im Griff hatte und seinen Job im Büro ordentlich erledigte und sein Sohn ihn nicht für vollkommen durchgeknallt hielt, konnte er damit leben. Manche Menschen sahen UFOs, manche Geister und manche einfach zu viel Fernsehen – und Armin Schenkel sah eben ab und zu mal Vampire.
Vielleicht hatte das etwas mit seiner wilden Jugend zu tun, in der er sich mehrmals bei einem Konzert mit ausgebreiteten Armen von der Bühne in die Menschenmenge gestürzt hatte, als könne er fliegen. Seine Jugend war längst vorbei, aber Armin noch gut im Gedächtnis. Obwohl sein Kombi eine Klimaanlage hatte, ließ Armin Schenkel das Fahrerfenster herunter, als er den Lindenweg entlangfuhr. Er wollte den Wind in den Haaren spüren, wie damals, als sie zu acht in einem kleinen Zweitürer ans Meer gefahren waren.
Armin Schenkel atmete tief ein. Natürlich roch es im Lindenweg nicht nach Meer. Doch es roch auch nicht nach Lindenweg, stellte Armin Schenkel irritiert fest. Es roch irgendwie faulig, modrig, seltsam fremd. Armin Schenkel ließ das Fenster wieder hochsurren, schaltete Musik aus alten Tagen an und fuhr ins Büro. Nicht zu schnell, damit er sein Lieblingslied noch zu Ende hören konnte.
Auch der Nachbar, der links neben Familie Tepes wohnte, war in sein Auto gestiegen und auf dem Weg zur Arbeit. Der Nachbar hieß Dirk van Kombast und das Auto war ein silberner Sportwagen. Genau wie Armin Schenkel hatte auch Dirk van Kombast die transsilvanischen Mitbürger bereits mehrere Male abheben sehen. Doch im Gegensatz zu Armin Schenkel war sich Herr van Kombast sicher, dass er nicht unter Wahrnehmungsstörungen litt.
Dirk van Kombast hatte den Durchblick. Sowohl im Beruf – er war ein charmanter, erfolgreicher Pharmavertreter – als auch beim Hobby – Dirk van Kombast war Vampirjäger (weniger charmant und weniger erfolgreich). Dass Mihai Tepes ein Vampir und seine Kinder Silvania, Daka und Franz Halbvampire waren, stand für ihn außer Frage. Herr van Kombast musste es nur noch den anderen Menschen begreiflich machen und beweisen. Und das würde er, es war nur eine Frage der Zeit. Wenn die Menschen nur nicht mit Scheuklappen durchs Leben gehen und mal die Augen richtig aufmachen würden!
Doch als Dirk van Kombast jetzt auf die dreispurige Schnellstraße bog und durch einen Tunnel fuhr, war er es, der die Augen aufriss. Da war was! Eine Bewegung! Ein pechschwarzer Schatten huschte über die Tunnelwand. Dirk van Kombast fuhr beinahe auf seinen Vordermann auf, bremste in letzter Sekunde und starrte erschrocken auf dessen Kofferraum, der bedrohlich dicht vor ihm war. Fahr nie schneller, als dein Schutzengel fliegen kann, stand auf dem Kofferraum.
Als Dirk van Kombast mit genügend Abstand weiterfuhr und den Tunnel nach dem Schatten absuchte, war er verschwunden. Herr van Kombast fuhr sich mit der Zunge über den goldenen Backenzahn. „Ein Schutzengel war das nicht, möchte ich wetten“, murmelte er und nahm die nächste Ausfahrt, um pünktlich in der Praxis von Dr. Kubitz anzukommen.
Auch Elvira Tepes war an diesem Morgen unterwegs zu einem Termin. Sie saß in der U-Bahn und besetzte vier Plätze. Was nicht daran lag, dass Frau Tepes zugenommen hatte, sondern dass sie zehn Klobrillen dabeihatte, die sie im Krankenhaus abliefern wollte. Frau Tepes bemerkte die neugierigen Blicke der anderen Mitfahrenden nicht, da sie aus dem Fenster starrte und in Gedanken bereits bei der nächsten Klobrille war, die sie heute gestalten würde. Sie wollte kleine Duftkissen auf der Sitzfläche einarbeiten, die eine beruhigende Wirkung auf die Patienten haben sollten.
Als die U-Bahn durch den zweigleisigen Tunnel zwischen den Stationen fuhr, zuckte Elvira Tepes zusammen, als etwas am Fenster vorbeiflog. Eine Taube? Eine Fledermaus? Oder nur eine Plastiktüte? In der Dunkelheit des Tunnels war nichts zu erkennen. Bevor Frau Tepes weiter darüber nachdenken konnte, hatte die U-Bahn die nächste Station erreicht. Elvira klemmte sich fünf Klobrillen links und fünf Klobrillen rechts unter den Arm und stieg aus. Ihr Auftraggeber wartete auf die Lieferung.
Schlimmer als Menschenpups
Auch Silvania und Daka waren unterwegs. Sie saßen in der Straßenbahn, die sie bis zur Gotthold-Ephraim-Lessing-Schule brachte. Wie immer ruckelte die Straßenbahn so sanft, dass Daka beinahe wieder eingeschlafen wäre. Sie hatte die Augen hinter der schwarzen Sonnenbrille geschlossen, während Silvania ihren Blick auf ein Buch auf ihrem Schoß gerichtet hatte.
Doch aus irgendeinem Grund konnte Silvania sich heute nicht auf den Text konzentrieren (obwohl das Buch sehr spannend war und die Hauptheldin sich gerade in einem wilden Gefühlschaos befand und drohte, die falsche Entscheidung zu treffen). Immer wieder blickte Silvania auf und sah aus dem Fenster. „Findest du nicht auch, dass die Stadt heute irgendwie verändert ist?“, fragte sie Daka.
Daka grunzte.
„Es sieht alles normal aus und doch ist etwas anders“, überlegte Silvania laut.
Daka machte „hm“.
„Und auf dem Weg zur Straßenbahn, hast du das auch gerochen? Es roch irgendwie … na ja, nach etwas ganz Unheilvollem.“
„Nach Schule?“
Wie aufs Stichwort hielt die Straßenbahn vor der Gotthold-Ephraim-Lessing-Schule. Die Vampirschwestern stiegen aus und schlurften zur ersten Stunde. Der Schultag begann mit zwei Stunden Sport. Die Sportlehrerin Frau Renneberg, wie immer mit Pferdeschwanz und Trillerpfeife ausgestattet, war bereits in Höchstform. Was man von den Schülern nicht sagen konnte.
Silvania und Helene versuchten sich beim Aufwärmspiel so wenig wie möglich zu bewegen. Daka und Ludo nutzten beim Kreistraining die Gelegenheit, in den dunklen Geräteraum abzubiegen, wo sie hofften, mal fünf Minuten verschnaufen zu können. Daka wollte sich gerade kopfüber an den Stufenbarren hängen, als sie die Nase verzog. „Boah, was riecht hier denn so? Warst du das?“
Ludo schüttelte den Kopf.
„Stimmt, Menschenpups riecht besser.“ Daka wedelte vor ihrer Nase. „Riecht irgendwie ranzig, verfault. Aber auch irgendwie … vertraut. Vielleicht hat jemand seine verschwitzten Socken im Geräteraum liegen gelassen.“
Ludo runzelte die Stirn und spähte in die Dunkelheit, wo nur die Umrisse vom Sprungkasten, Balken und anderen Sportgeräten auszumachen waren. „So ähnlich hat es heute Morgen in der alten Bahndammunterführung auch gerochen.“
„Dann liegt hier die eine Stinkesocke und dort die andere.“
Ludo wiegte den Kopf. „Ich weiß nicht, ob es wirklich nur Socken sind.“
Daka sah Ludo tief in die Augen und flüsterte: „Hast du wieder eine Vorahnung?“
Ludo blickte ernst zurück und nickte. „Ja, und keine gute.“
Plötzlich knarzte etwas in den dunklen Tiefen des Geräteraums. Im selben Moment schrillte die Trillerpfeife von Frau Renneberg. Ludo und Daka spurteten aus dem Geräteraum. Zum ersten Mal waren sie froh, dass sie sich in einer Reihe aufstellen und am zackigen Unterricht von Frau Renneberg teilnehmen durften.
Silvania wusste gar nicht, wie recht sie mit ihrer Vermutung heute Morgen in der Straßenbahn gehabt hatte: Etwas Unheilvolles lag in der Luft. Und nicht nur dort.
Überraschungsparty
Die Vampirschwestern waren froh, als der Schultag vorbei war. Daka war grundsätzlich immer froh, wenn ein Schultag vorbei war. Aber an diesem Tag war selbst Silvania die Schule besonders anstrengend vorgekommen.
Nicht nur, dass Silvania sich schlecht hatte konzentrieren können, alle Schüler schienen heute besonders unruhig gewesen zu sein. Und die Lehrer erst! Mehrmals verloren sie den Faden und noch öfter die Geduld und ihr Klassenlehrer Herr Graup verlor sogar eine Zahnfüllung, als er in einen Apfel biss. Er hatte den Rest des Tages miese Laune. Und miese Laune bedeutete miesen Unterricht.
Erschöpft vom harten Schultag bogen Silvania und Daka in den Lindenweg ein.
„Jetzt hau ich mich erst mal in meinen Schaukelsarg, Kopfhörer auf die Ohren und den Nachmittag schön wegdröhnen“, sagte Daka.
„Es sei denn, Franz ist da“, sagte Silvania.
Obwohl Franz mit Mihai als Tagespapa vollauf glücklich und zufrieden war, gab es etwas, das er noch mehr liebte als die Ausflüge mit Papa: mit seinen Schwestern spielen. Daka baute für Franz einen wilden Flug-Parcours im Haus. Silvania knetete mit Franz Würmer, Spinnen und andere niedliche Tierchen. Oder sie kochten zusammen experimentelle Salami-Sahne-Seifen-Suppen. Die Vampirschwestern liebten ihren kleinen Bruder. Aber sie mussten zugeben, dass er Energie für zwei hatte und ihnen ein freier Nachmittag auch mal ganz recht war.
„Ach, bestimmt schlafen Papa und Franz noch im Keller“, meinte Daka. „Oder sie verschrecken andere Kinder auf dem Spielplatz.“
„Oder sie …“ Silvania blieb stehen und starrte ihr Haus an. „Was ist denn da los?“
Im Reihenhaus Nummer 23 waren alle Rollläden heruntergelassen.
„Vielleicht spielen sie im Dunkeln Verstecken. Eins, zwei, drei, vier Eckzahn, Vampire im Versteckwahn!“, sang Daka.
Kurz darauf betraten Silvania und Daka das Haus. Es war totenstill. Und stockduster. „Hinter mir, vor mir, über mir gilt nicht, ich komme!“, rief Daka.
Silvania schaltete das Licht im Wohnzimmer an.
„SCHNAUZE!“
„LICHT AUS!“
„STRUNZ!“
Silvania und Daka erstarrten. Der Anblick, der sich ihnen bot, war unglaublich. Das Wohnzimmer war voller Vampire. Sie hingen kopfüber an der Gardinenstange, am Kronleuchter und an der Schrankwand. Ein kleiner Vampir baumelte sogar an der Zimmerpflanze, als wäre er Weihnachtsbaumschmuck. Auf dem Sofa lagen drei Vampire übereinander. Ein anderer Vampir hatte sich in den Wohnzimmerteppich eingerollt. Unter dem Esstisch lungerte ein Vampir, der sich einen Pappkarton über den Kopf gestülpt hatte. Es konnte offenbar nicht finster genug sein.
„S…S…Skyzati.“ Silvania machte ein entschuldigendes Gesicht. „Aber, wir wohnen hier … dachten wir zumindest.“
„Wir konnten ja nicht ahnen, dass sich unser Wohnzimmer plötzlich in eine Vampirhöhle verwandelt hat“, sagte Daka.
„Was, wenn ich fragen darf, hat Sie denn alle hierhergeführt?“ Silvania musterte die Vampire, die noch im Halbschlaf waren.
„Ist das so was wie eine spontane Vampirparty?“, fragte Daka. Wobei sie zugeben musste, dass es eine ziemlich lahme Party war.
„Party?“, donnerte auf einmal eine Stimme von der Kellertreppe. „Keine Party ohne Vati!“ Mihai Tepes schwebte mit seinem Sohn (den er wie meistens liebevoll kopfüber an den Beinen hielt) ins Wohnzimmer. Beim Anblick seiner guten Stube ließ er vor Schreck den noch schlafenden Franz fallen, den Daka in letzter Sekunde auffing.
„SCHLOTZ ZOPPO!“, rief Mihai Tepes und zog sich mit beiden Händen am Schnauzbart.
„Was ist denn das für eine Begrüßung?“, kam es dumpf aus dem Pappkarton. Der Vampir mit dem Karton auf dem Kopf richtete sich schwungvoll auf, stieß an die Unterseite der Tischplatte und ging wieder zu Boden. „FUMPFS!“
Daka grinste. Vielleicht wurde es ja doch noch eine Party.
Der Vampir streifte sich den Pappkarton vom Kopf, krabbelte unter dem Tisch hervor, richtete sich auf und klemmte sich sein Monokel vors rechte Auge.
„Onkel Vlad?“, fragte Silvania ungläubig.
„Mein Bruder!“ Mihai gab seinem Bruder Vlad eine kräftige Kopfnuss, umarmte ihn und gab ihm noch eine Kopfnuss.
Vlad stöhne leise (die Kopfnüsse trafen genau auf die Stelle, mit der er an die Tischplatte gestoßen war), erwiderte die Kopfnüsse aber freundlich. „Mihai, wie schön, dich zu sehen. Und euch natürlich, meine Nichten.“ Vlad gab Silvania und Daka je eine Kopfnuss und klopfte behutsam auf den Windelpopo von Franz, der sich davon nicht beim Schlafen stören ließ.
Mihai schielte zur Schrankwand. Der Vampir, der daran hing, schnarchte sehr laut und die Schrankwand wackelte bedrohlich. „Vlad, du weißt, du und deine Familie, ihr seid jederzeit bei uns willkommen. Aber was, zum Bluterguss, haben all diese Vampire in unserem Wohnzimmer zu suchen?“
Unterschlupf
Onkel Vlad sah seinen Bruder erschöpft und verzweifelt an. „Wir dachten, wir können bei euch Unterschlupf finden. So viele sind wir doch gar nicht. Und die meisten kennt ihr auch.“ Onkel Vlad zeigte auf die Teppichrolle. „Tante Karpa zum Beispiel.“
Silvania und Daka war der Teppich gleich etwas dick vorgekommen. Jetzt erkannten sie auch den goldblonden Haarturm ihrer Tante, der aus der Teppichrolle ragte. Mit zarten 1120 Jahren war Tante Karpa Miss Vampire gewesen. Jetzt war sie Vampir-Sushi.
„Das sind alles gute Freunde oder Nachbarn, alles Anhänger des Blutigen Einheitsflügels. Für jeden lege ich meinen Eckzahn ins Feuer“, fuhr Onkel Vlad fort. „Sie wissen sich zu benehmen.“
Der Vampir an der Schrankwand hatte aufgehört zu schnarchen. In der entstandenen Stille war dafür ein kräftiger Furz zu hören. Im gleichen Moment krachte die Gardinenstange entzwei. Der Vampir, der daran gehangen hatte, stürzte zu Boden, landete kopfüber auf einem Sitzsack und schlief unbeirrt weiter.
Onkel Vlad blinzelte hinter seinem Monokel. „Das … muss an dem langen Flug liegen. Sonst ist ihr Verhalten wirklich tadellos.“
„Deine Freunde und Nachbarn können sich von mir aus benehmen, wie sie wollen“, sagte Mihai Tepes. „Mich interessiert nur, warum sie in meinem Wohnzimmer hängen!“
Onkel Vlad riss die Augen auf, das Monokel fiel heraus und baumelte an einer Kette auf seiner schwarzen Weste. „Mihai, ja bist du denn völlig ahnungslos? Weißt du denn nicht, was in unserer geliebten transsilvanischen Heimat vor sich geht? Es ist ein Skandal! Eine Katastrophe! Eine Tragödie!“
Mihai legte seinem Bruder die Hand auf die Schulter. „Jetzt beruhig dich erst mal. Silvania, sei so gut und mache deinem Onkel und mir einen Kaffee mit Blut und Zucker, pitschko.“
Silvania war froh, dass sie einen Grund hatte, das von Vampiren bevölkerte Wohnzimmer zu verlassen. Sie war ein Halbvampir, deshalb fühlte sie sich unter Vampiren auch nicht so ganz wohl. Ihrer Schwester Daka erging es anders. Sie fühlte sich unter Menschen nicht so ganz wohl.
Auch in der Küche waren die Rollläden heruntergelassen. Silvania schaltete das Licht ein, stellte den Wasserkocher an und nahm zwei saubere Tassen aus der Spülmaschine. Dann ging sie zum Schrank, in dem auf einer Seite Zucker, Müsli und Honig aufbewahrt wurden und auf der anderen die Küchenschürzen, Besen und anderes Putzzeug. Sie öffnete die Schranktür, starrte in ein pausbäckiges Gesicht mit gelben Augen und stieß einen Schrei aus.
„Boi motra, Cousine!“
„Woiwo, lass den Unfug!“, rief Onkel Vlad aus dem Wohnzimmer.
Woiwo war der Sohn von Onkel Vlad und Tante Karpa und ein paar Jahre jünger als die Vampirschwestern. Er hing kopfüber zwischen Besen und Kittelschürzen im Schrank.
„Freust du dich, mich zu sehen?“, fragte Woiwo und grinste, dass man seine Zahnlücke sehen konnte (natürlich fehlte kein Eckzahn, sondern ein Schneidezahn).
„Und wie“, sagte Silvania trocken, nahm den Zucker aus dem Schrank und knallte die Tür wieder zu. Schnarchende Vampire im Wohnzimmer und ein Cousin im Küchenschrank – was kam wohl als Nächstes?
Als Nächstes brachte Silvania ihrem Vater und Onkel Vlad erst einmal den Kaffee mit Schuss. Sie schlürften genüsslich und Onkel Vlad ging es gleich sichtlich besser.
„Hat die Tragödie etwas mit dieser Fiesen Vampirpartei zu tun?“, fragte Daka.
Onkel Vlad nahm einen großen Schluck Kaffee und nickte. „Wie ihr wisst, hat die FVP bei den Wahlen gewonnen. Ein Skandal!“
„Aber wenn die meisten Vampire in Bistrien sie nun einmal gewählt haben“, sagte Silvania. „Das ist Demokratie.“
„Das ist Wahlbetrug, wenn du mich fragst.“ Onkel Vlad schnaufte. „Seit die FVP an der Macht ist, macht sie allen Anhängern des Blutigen Einheitsflügels das Leben schwer.“
Daka nickte wissend. „Sie panieren und schinden euch, wo es nur geht.“
„All die neuen Verbote und Regeln. Wir können uns kaum noch frei bewegen, noch nicht einmal friedlich protestieren dürfen wir“, fuhr Onkel Vlad fort. „Wir haben es einfach nicht mehr ausgehalten. Wir mussten fliehen.“
„Nach Bindburg?!?“ Silvania sah ihren Onkel entsetzt an.
„Natürlich nach Bindburg. Wohin denn sonst? Schließlich lebt mein geliebter Bruder hier schon seit einiger Zeit glücklich und zufrieden. Es ist der ideale Ort für Vampire.“
„Äh …“, machte Mihai, doch bevor er noch etwas Sinnvolleres hinzufügen konnte, flog die Haustür auf und ungefähr sieben Klobrillen kamen herein. Und Elvira Tepes.
Eins und eins ist zweihundert
Elvira Tepes reichten drei Sätze zur Belagerung ihres Wohnzimmers und sie war im Bilde. Beruhigt war sie allerdings keineswegs. Denn auch wenn sie es eher mit Kunst und weniger mit Mathe hatte, konnte sie trotzdem eins und eins zusammenzählen. Beziehungsweise die Vampire in ihrem Haus und die seltsamen Schatten, die sie auch auf der Heimfahrt mit der U-Bahn wieder gesehen hatte.
„Vlad, ich frage dich nur ein Mal und erwarte eine ehrliche Antwort von dir: Wie viele Vampire sind mit dir aus Bistrien nach Bindburg geflohen?“ Elvira sah Vlad so eindringlich an, dass es auch nichts half, dass er sein rechtes Auge wieder hinter dem Monokel versteckt hatte.
„Nun ja, genau nachgezählt habe ich natürlich nicht“, begann Vlad. „Auf der Flucht musste alles schnell gehen, liebste Schwägerin. Es war eben eine Flucht und kein Schulklassenausflug, bei dem noch mal nachgezählt werden kann.“
„WIE VIELE?“
Onkel Vlad räusperte sich. „Vermutlich, so circa, mal ganz grob geschätzt, Pi mal Eckzahn, würde ich sagen, an die hundert. Es könnten auch zweihundert sein. Der BEF hat nun einmal viele Anhänger.“
„ZWEIHUNDERT Vampire in Bindburg?“ Elvira sank auf die Couch und fuhr sofort wieder hoch, weil dort bereits drei übereinandergestapelte Vampire schliefen.
„Und ungefähr einundzwanzig bei euch im Haus“, fügte Vlad hinzu.
Mihai stützte seine Frau, die sehr blass und beinahe selbst wie ein Vampir aussah. „Du musst jetzt ganz stark sein, El Virus“, flüsterte Mihai ihr zu.
„Nenn mich bloß nicht El Virus!“, zischte sie. „Ich bin nicht wütend, ich bin … sprachlos.“
„Das ist sicher die Wiedersehensfreude!“, krähte Tante Karpa aus der Teppichrolle.
Elvira schluckte. „Und wie lange, wenn ich fragen darf, wollt ihr bleiben?“
„Ihr wollt doch irgendwann wieder zurück nach Bistrien, oder?“, fragte Silvania argwöhnisch.
„Natürlich wollen wir zurück nach Bistrien. Jeder Vampir will in seine Heimat! Nicht nur wegen der Heimaterde“, donnerte Onkel Vlad und nickte seinem Bruder zu. „Aber erst müssen wir dort wieder als freie Vampire leben können. Die Fiese Vampirpartei muss gestürzt werden!“
„Und wie wollt ihr das machen, hier von unserem Wohnzimmer aus?“, fragte Elvira. „Wollt ihr ihnen böse Gedanken schicken oder böse Beschwerdebriefe schreiben?“
„Zunächst einmal müssen wir uns vom langen Flug ausruhen. Dann müssen wir uns versammeln und danach muss ein Programm her“, sagte Vlad entschlossen.
„Ein Fernsehprogramm?“, fragte Daka.
„Nein, ein Parteiprogramm. Ein Plan, wie wir die schändlichen Taten der FVP entlarven und sie entmachten können.“
„Ich bin für Revolution!“ Daka streckte die Faust in die Höhe.
„Und ich für Wackelpudding“, sagte Silvania.
Daka sah sie verstört an.
„Na, das ist doch alles Gumox. Wir wohnen hier in Bindburg, Tausende Kilometer entfernt von Bistrien. In einer völlig anderen Welt mit lauter Menschen“, sagte Silvania.
„Ist dir das alles egal? Interessiert dich die Lage in unserer alten Heimat gar nicht?“, schnaufte Daka.
„Schon. Aber im Moment interessiert mich die Lage bei uns im Wohnzimmer mehr“, erwiderte Silvania.
„Mal abgesehen davon, dass überall bei uns im Haus Vampire herumhängen, sie durch die Bindburger U-Bahn-Tunnel fliegen und wer weiß wo noch“, begann Elvira. „Wie, bitteschön, sollen sich denn all diese Vampire hier ernähren?“
„Keine Sorge, liebste Schwägerin“, sagte Vlad. „Ich habe alles unter Kontrolle. Vor unserer Flucht gelang es mir noch, in einer heimlichen Aktion ausreichend Blutfässer aus Oktavians Gruft zu entwenden, zu leihen, sozusagen. Des Weiteren habe ich einige Säcke Heimaterde mitgebracht. Es besteht nicht der geringste Grund zur Beunruhigung.“
„Ich finde, es gibt allerhand Grund zur Beunruhigung, und zwar ungefähr zweihundertundeinundzwanzig Gründe“, erwiderte Elvira und Silvania nickte.
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