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Kitabı oku: «Die Grundlagen der Arithmetik», sayfa 3

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Sind die Gesetze der Arithmetik synthetisch apriori oder analytisch?

§ 12. Wenn man den Gegensatz von analytisch und synthetisch hinzunimmt, ergeben sich vier Combinationen, von denen jedoch eine, nämlich

analytisch aposteriori

ausfällt. Wenn man sich mit Mill für aposteriori entschieden hat, bleibt also keine Wahl, sodass für uns nur noch die Möglichkeiten

synthetisch apriori

und

analytisch

zu erwägen bleiben. Für die erstere entscheidet sich Kant. In diesem Falle bleibt wohl nichts übrig, als eine reine Anschauung als letzten Erkenntnissgrund anzurufen, obwohl hier schwer zu sagen ist, ob es eine räumliche oder zeitliche ist, oder welche es sonst sein mag. Baumann22 stimmt Kant, wenngleich mit etwas anderer Begründung, bei. Auch nach Lipschitz23 fliessen die Sätze, welche die Unabhängigkeit der Anzahl von der Art des Zählens und die Vertauschbarkeit und Gruppirbarkeit der Summanden behaupten, aus der inneren Anschauung. Hankel24 gründet die Lehre von den reellen Zahlen auf drei Grundsätze, denen er den Charakter der notiones communes zuschreibt: »Sie werden durch Explication vollkommen evident, gelten für alle Grössengebiete nach der reinen Anschauung der Grösse und können, ohne ihren Charakter einzubüssen, in Definitionen verwandelt werden, indem man sagt: Unter der Addition von Grössen versteht man eine Operation, welche diesen Sätzen genügt.« In der letzten Behauptung liegt eine Unklarheit. Vielleicht kann man die Definition machen; aber sie kann keinen Ersatz für jene Grundsätze bilden; denn bei der Anwendung würde es sich immer darum handeln: sind die Anzahlen Grössen, und ist das, was man Addition der Anzahlen zu nennen pflegt, Addition im Sinne dieser Definition? Und zur Beantwortung müsste man jene Sätze von den Anzahlen schon kennen. Ferner erregt der Ausdruck »reine Anschauung der Grösse« Anstoss. Wenn man erwägt, was alles Grösse genannt wird: Anzahlen, Längen, Flächeninhalte, Volumina, Winkel, Krümmungen, Massen, Geschwindigkeiten, Kräfte, Lichtstärken, galvanische Stromstärken u. s. f., so ist wohl zu verstehen, wie man dies einem Grössenbegriffe unterordnen kann; aber der Ausdruck »Anschauung der Grösse« und gar »reine Anschauung der Grösse« kann nicht als zutreffend anerkannt werden. Ich kann nicht einmal eine Anschauung von 100000 zugeben, noch viel weniger von Zahl im Allgemeinen oder gar von Grösse im Allgemeinen. Man beruft sich zu leicht auf innere Anschauung, wenn man keinen andern Grund anzugeben vermag. Aber man sollte dabei den Sinn des Wortes »Anschauung« doch nicht ganz aus dem Auge verlieren.

Kant definirt in der Logik (ed. Hartenstein, VIII, S. 88):

»Die Anschauung ist eine einzelne Vorstellung (repraesentatio singularis), der Begriff eine allgemeine (repraesentatio per notas communes) oder reflectirte Vorstellung (repraesentatio discursiva).«

Hier kommt die Beziehung zur Sinnlichkeit gar nicht zum Ausdrucke, die doch in der transcendentalen Aesthetik hinzugedacht wird, und ohne welche die Anschauung nicht als Erkenntnissprincip für die synthetischen Urtheile apriori dienen kann. In der Kr. d. r. V. (ed. Hartenstein III, S. 55) heisst es:

»Vermittelst der Sinnlichkeit also werden uns Gegenstände gegeben und sie allein liefert uns Anschauungen.«

Der Sinn unseres Wortes in der Logik ist demnach ein weiterer als in der trancendentalen Aesthetik. Im logischen Sinne könnte man vielleicht 100000 eine Anschauung nennen; denn ein allgemeiner Begriff ist es nicht. Aber in diesem Sinne genommen, kann die Anschauung nicht zur Begründung der arithmetischen Gesetze dienen.

§ 13. Ueberhaupt wird es gut sein, die Verwandtschaft mit der Geometrie nicht zu überschätzen. Ich habe schon eine leibnizische Stelle dagegen angeführt. Ein geometrischer Punkt für sich betrachtet, ist von irgendeinem andern gar nicht zu unterscheiden; dasselbe gilt von Geraden und Ebenen. Erst wenn mehre Punkte, Gerade, Ebenen in einer Anschauung gleichzeitig aufgefasst werden, unterscheidet man sie. Wenn in der Geometrie allgemeine Sätze aus der Anschauung gewonnen werden, so ist das daraus erklärlich, dass die angeschauten Punkte, Geraden, Ebenen eigentlich gar keine besondern sind und daher als Vertreter ihrer ganzen Gattung gelten können. Anders liegt die Sache bei den Zahlen: jede hat ihre Eigenthümlichkeit. Inwiefern eine bestimmte Zahl alle andern vertreten kann, und wo ihre Besonderheit sich geltend macht, ist ohne Weiteres nicht zu sagen.

§ 14. Auch die Vergleichung der Wahrheiten in Bezug auf das von ihnen beherrschte Gebiet spricht gegen die empirische und synthetische Natur der arithmetischen Gesetze.

Die Erfahrungssätze gelten für die physische oder psychologische Wirklichkeit, die geometrischen Wahrheiten beherrschen das Gebiet des räumlich Anschaulichen, mag es nun Wirklichkeit oder Erzeugniss der Einbildungskraft sein. Die tollsten Fieberphantasien, die kühnsten Erfindungen der Sage und der Dichter, welche Thiere reden, Gestirne stille stehen lassen, aus Steinen Menschen und aus Menschen Bäume machen, und lehren, wie man sich am eignen Schopfe aus dem Sumpfe zieht, sie sind doch, sofern sie anschaulich bleiben, an die Axiome der Geometrie gebunden. Von diesen kann nur das begriffliche Denken in gewisser Weise loskommen, wenn es etwa einen Raum von vier Dimensionen oder von positivem Krümmungsmaasse annimmt. Solche Betrachtungen sind durchaus nicht unnütz; aber sie verlassen ganz den Boden der Anschauung. Wenn man diese auch dabei zu Hilfe nimmt, so ist es doch immer die Anschauung des euklidischen Raumes, des einzigen, von dessen Gebilden wir eine haben. Sie wird dann nur nicht so, wie sie ist, sondern symbolisch für etwas anderes genommen; man nennt z. B. gerade oder eben, was man doch als Krummes anschaut. Für das begriffliche Denken kann man immerhin von diesem oder jenem geometrischen Axiome das Gegentheil annehmen, ohne dass man in Widersprüche mit sich selbst verwickelt wird, wenn man Schlussfolgerungen aus solchen der Anschauung widerstreitenden Annahmen zieht. Diese Möglichkeit zeigt, dass die geometrischen Axiome von einander und von den logischen Urgesetzen unabhängig, also synthetisch sind. Kann man dasselbe von den Grundsätzen der Zahlenwissenschaft sagen? Stürzt nicht alles in Verwirrung, wenn man einen von diesen leugnen wollte? Wäre dann noch Denken möglich? Liegt nicht der Grund der Arithmetik tiefer als der alles Erfahrungswissens, tiefer selbst als der der Geometrie? Die arithmetischen Wahrheiten beherrschen das Gebiet des Zählbaren. Dies ist das umfassendste; denn nicht nur das Wirkliche, nicht nur das Anschauliche gehört ihm an, sondern alles Denkbare. Sollten also nicht die Gesetze der Zahlen mit denen des Denkens in der innigsten Verbindung stehen?

§ 15. Dass Leibnizens Aussprüche sich nur zu Gunsten der analytischen Natur der Zahlgesetze deuten lassen, ist vorauszusehen, da für ihn das Apriori mit dem Analytischen zusammenfällt. So sagt er25, dass die Algebra ihre Vortheile einer viel höhern Kunst, nämlich der wahren Logik entlehne. An einer andern Stelle26 vergleicht er die nothwendigen und zufälligen Wahrheiten mit den commensurabeln und incommensurabeln Grössen und meint, dass bei nothwendigen Wahrheiten ein Beweis oder eine Zurückführung auf Identitäten möglich sei. Doch diese Aeusserungen verlieren dadurch an Gewicht, dass Leibniz dazu neigt, alle Wahrheiten als beweisbar anzusehen27: »… dass jede Wahrheit ihren apriorischen, aus dem Begriff der Termini gezogenen Beweis hat, wiewohl es nicht immer in unserer Macht steht, zu dieser Analyse zu kommen.« Der Vergleich mit der Commensurabilität und Incommensurabilität richtet freilich doch wieder eine für uns wenigstens unüberschreitbare Schranke zwischen zufälligen und nothwendigen Wahrheiten auf.

Sehr entschieden im Sinne der analytischen Natur der Zahlgesetze spricht sich W. Stanley Jevons aus28: »Zahl ist nur logische Unterscheidung und Algebra eine hoch entwickelte Logik.«

§ 16. Aber auch diese Ansicht hat ihre Schwierigkeiten. Soll dieser hochragende, weitverzweigte und immer noch wachsende Baum der Zahlenwissenschaft in blossen Identitäten wurzeln? Und wie kommen die leeren Formen der Logik dazu, aus sich heraus solchen Inhalt zu gewinnen?

Mill meint: »Die Lehre, dass wir durch kunstfertiges Handhaben der Sprache Thatsachen entdecken, die verborgene Naturprocesse enthüllen können, ist dem gesunden Menschenverstande so entgegen, dass es schon einen Fortschritt in der Philosophie verlangt, um sie zu glauben«.

Gewiss dann, wenn man sich bei dem kunstfertigen Handhaben nichts denkt. Mill wendet sich hier gegen einen Formalismus, der kaum von irgendwem vertreten wird. Jeder, der Worte oder mathematische Zeichen gebraucht, macht den Anspruch, dass sie etwas bedeuten, und niemand wird erwarten, dass aus leeren Zeichen etwas Sinnvolles hervorgehe. Aber es ist möglich, dass ein Mathematiker längere Rechnungen vollführt, ohne unter seinen Zeichen etwas sinnlich Wahrnehmbares, Anschauliches zu verstehen. Darum sind diese Zeichen noch nicht sinnlos; man unterscheidet dennoch ihren Inhalt von ihnen selbst, wenn dieser auch vielleicht nur mittels der Zeichen fassbar wird. Man ist sich bewusst, dass andere Zeichen für Dasselbe hätten festgesetzt werden können. Es genügt zu wissen, wie der in den Zeichen versinnlichte Inhalt logisch zu behandeln ist, und wenn man Anwendungen auf die Physik machen will, wie der Uebergang zu den Erscheinungen geschehen muss. Aber in einer solchen Anwendung ist nicht der eigentliche Sinn der Sätze zu sehen. Dabei geht immer ein grosser Theil der Allgemeinheit verloren, und es kommt etwas Besonderes hinein, das bei andern Anwendungen durch Anderes ersetzt wird.

§ 17. Man kann trotz aller Herabsetzung der Deduction doch nicht leugnen, dass die durch Induction begründeten Gesetze nicht genügen. Aus ihnen müssen neue Sätze abgeleitet werden, die in keinem einzelnen von jenen enthalten sind. Dass sie in allen zusammen schon in gewisser Weise stecken, entbindet nicht von der Arbeit, sie daraus zu entwickeln und für sich herauszustellen. Damit eröffnet sich folgende Möglichkeit. Statt eine Schlussreihe unmittelbar an eine Thatsache anzuknüpfen, kann man, diese dahingestellt sein lassend, ihren Inhalt als Bedingung mitführen. Indem man so alle Thatsachen in einer Gedankenreihe durch Bedingungen ersetzt, wird man das Ergebniss in der Form erhalten, dass von einer Reihe von Bedingungen ein Erfolg abhängig gemacht ist. Diese Wahrheit wäre durch Denken allein, oder, um mit Mill zu reden, durch kunstfertiges Handhaben der Sprache begründet. Es ist nicht unmöglich, dass die Zahlgesetze von dieser Art sind. Sie wären dann analytische Urtheile, obwohl sie nicht durch Denken allein gefunden zu sein brauchten; denn nicht die Weise des Findens kommt hier in Betracht, sondern die Art der Beweisgründe; oder, wie Leibniz sagt29, »es handelt sich hier nicht um die Geschichte unserer Entdeckungen, die verschieden ist in verschiedenen Menschen, sondern um die Verknüpfung und die natürliche Ordnung der Wahrheiten, die immer dieselbe ist.« Die Beobachtung hätte dann zuletzt zu entscheiden, ob die in dem so begründeten Gesetze enthaltenen Bedingungen erfüllt sind. So würde man schliesslich eben dahin gelangen, wohin man durch unmittelbare Anknüpfung der Schlussreihe an die beobachteten Thatsachen gekommen wäre. Aber die hier angedeutete Art des Vorgehens ist in vielen Fällen vorzuziehen, weil sie auf einen allgemeinen Satz führt, der nicht nur auf die grade vorliegenden Thatsachen anwendbar zu sein braucht. Die Wahrheiten der Arithmetik würden sich dann zu denen der Logik ähnlich verhalten wie die Lehrsätze zu den Axiomen der Geometrie. Jede würde in sich eine ganze Schlussreihe für den künftigen Gebrauch verdichtet enthalten, und ihr Nutzen würde darin bestehen, dass man die Schlüsse nicht mehr einzeln zu machen braucht, sondern gleich das Ergebniss der ganzen Reihe aussprechen kann30. Angesichts der gewaltigen Entwickelung der arithmetischen Lehren und ihrer vielfachen Anwendungen wird sich dann freilich die weit verbreitete Geringschätzung der analytischen Urtheile und das Märchen von der Unfruchtbarkeit der reinen Logik nicht halten lassen.

Wenn man diese nicht hier zuerst geäusserte Ansicht im Einzelnen so streng durchführen könnte, dass nicht der geringste Zweifel zurückbliebe, so würde das, wie mir scheint, kein ganz unwichtiges Ergebniss sein.

II. Meinungen einiger Schriftsteller über den Begriff der Anzahl

§ 18. Indem wir uns nun den ursprünglichen Gegenständen der Arithmetik zuwenden, unterscheiden wir die einzelnen Zahlen 3, 4 u. s. f. von dem allgemeinen Begriffe der Anzahl. Nun haben wir uns schon dafür entschieden, dass die einzelnen Zahlen am besten in der Weise von Leibniz, Mill, H. Grassmann und Andern aus der Eins und der Vermehrung um eins abgeleitet werden, dass aber diese Erklärungen unvollständig bleiben, solange die Eins und die Vermehrung um eins unerklärt sind. Wir haben gesehen, dass man allgemeiner Sätze bedarf, um aus diesen Definitionen die Zahlformeln abzuleiten. Solche Gesetze können eben wegen ihrer Allgemeinheit nicht aus den Definitionen der einzelnen Zahlen folgen, sondern nur aus dem allgemeinen Begriffe der Anzahl. Wir unterwerfen diesen jetzt einer genaueren Betrachtung. Dabei werden voraussichtlich auch die Eins und die Vermehrung um eins erörtert werden müssen und somit auch die Definitionen der einzelnen Zahlen eine Ergänzung zu erwarten haben.

§ 19. Hier möchte ich mich nun gleich gegen den Versuch wenden, die Zahl geometrisch als Verhältnisszahl von Längen oder Flächen zu fassen. Man glaubte offenbar die vielfachen Anwendungen der Arithmetik auf Geometrie dadurch zu erleichtern, dass man gleich die Anfänge in die engste Beziehung setzte.

Newton 31 will unter Zahl nicht so sehr eine Menge von Einheiten als das abstracte Verhältniss einer jeden Grösse zu einer andern derselben Art verstehen, die als Einheit genommen wird. Man kann zugeben, dass hiermit die Zahl im weitern Sinne, wozu auch die Brüche und Irrationalzahlen gehören, zutreffend beschrieben sei; doch werden hierbei die Begriffe der Grösse und des Grössenverhältnisses vorausgesetzt. Danach scheint es, dass die Erklärung der Zahl im engern Sinne, der Anzahl, nicht überflüssig werde; denn Euklid braucht den Begriff des Gleichvielfachen um die Gleichheit von zwei Längenverhältnissen zu definiren; und das Gleichvielfache kommt wieder auf eine Zahlengleichheit hinaus. Aber es mag sein, dass die Gleichheit von Längenverhältnissen unabhängig vom Zahlbegriffe definirbar ist. Man bliebe dann jedoch im Ungewissen darüber, in welcher Beziehung die so geometrisch definirte Zahl zu der Zahl des gemeinen Lebens stände. Dies wäre dann ganz von der Wissenschaft getrennt. Und doch kann man wohl von der Arithmetik verlangen, dass sie die Anknüpfungspunkte für jede Anwendung der Zahl bieten muss, wenn auch die Anwendung selbst nicht ihre Sache ist. Auch das gewöhnliche Rechnen muss die Begründung seines Verfahrens in der Wissenschaft finden. Und dann erhebt sich die Frage, ob die Arithmetik selbst mit einem geometrischen Begriffe der Zahl auskomme, wenn man an die Anzahl der Wurzeln einer Gleichung, der Zahlen, die prim zu einer Zahl und kleiner als sie sind, und ähnliche Vorkommnisse denkt. Dagegen kann die Zahl, welche die Antwort auf die Frage wieviel? giebt, auch bestimmen, wieviel Einheiten in einer Länge enthalten sind. Die Rechnung mit negativen, gebrochenen, Irrationalzahlen kann auf die mit den natürlichen Zahlen zurückgeführt werden. Newton wollte aber vielleicht unter Grössen, als deren Verhältniss die Zahl definirt wird, nicht nur geometrische, sondern auch Mengen verstehen. Dann wird jedoch die Erklärung für unsern Zweck unbrauchbar, weil von den Ausdrücken »Zahl, durch die eine Menge bestimmt wird« und »Verhältniss einer Menge zur Mengeneinheit« der letztere keine bessere Auskunft als der erstere giebt.

§ 20. Die erste Frage wird nun sein, ob Zahl definirbar ist. Hankel32 spricht sich dagegen aus: »Was es heisst, ein Object 1mal, 2mal, 3mal … denken oder setzen, kann bei der principiellen Einfachheit des Begriffes der Setzung nicht definirt werden.« Hier kommt es jedoch weniger auf das Setzen als auf das 1mal, 2mal, 3mal an. Wenn dies definirt werden könnte, so würde die Undefinirbarkeit des Setzens uns wenig beunruhigen. Leibniz ist geneigt, die Zahl wenigstens annähernd als adaequate Idee anzusehen, d. h. als eine solche, die so deutlich ist, dass alles, was in ihr vorkommt, wieder deutlich ist.

Wenn man im Ganzen mehr dazu neigt, die Anzahl für undefinirbar zu halten, so liegt das wohl mehr an dem Misslingen darauf gerichteter Versuche als an dem Bestehen der Sache selbst entnommener Gegengründe.

Ist die Anzahl eine Eigenschaft der äusseren Dinge?

§ 21. Versuchen wir wenigstens der Anzahl ihre Stelle unter unsern Begriffen anzuweisen! In der Sprache erscheinen Zahlen meistens in adjectivischer Form und in attributiver Verbindung ähnlich wie die Wörter hart, schwer, roth, welche Eigenschaften der äusseren Dinge bedeuten. Es liegt die Frage nahe, ob man die einzelnen Zahlen auch so auffassen müsse, und ob demgemäss der Begriff der Anzahl etwa mit dem der Farbe zusammengestellt werden könne.

Dies scheint die Meinung von M. Cantor33 zu sein, wenn er die Mathematik eine Erfahrungswissenschaft nennt, insofern sie von der Betrachtung von Objecten der Aussenwelt ihren Anfang nehme. Nur durch Abstraction von Gegenständen entstehe die Zahl.

E. Schröder 34 lässt die Zahl der Wirklichkeit nachgebildet, aus ihr entnommen werden, indem die Einheiten durch Einer abgebildet würden. Dies nennt er Abstrahiren der Zahl. Bei dieser Abbildung würden die Einheiten nur in Hinsicht ihrer Häufigkeit dargestellt, indem von allen andern Bestimmungen der Dinge als Farbe, Gestalt abgesehen werde. Hier ist Häufigkeit nur ein anderer Ausdruck für Anzahl. Schröder stellt also Häufigkeit oder Anzahl in eine Linie mit Farbe und Gestalt und betrachtet sie als eine Eigenschaft der Dinge.

§ 22. Baumann35 verwirft den Gedanken, dass die Zahlen von den äussern Dingen abgezogene Begriffe seien: »Weil nämlich die äussern Dinge uns keine strengen Einheiten darstellen; sie stellen uns abgegränzte Gruppen oder sinnliche Punkte dar, aber wir haben die Freiheit, diese selber wieder als Vieles zu betrachten«. In der That, während ich nicht im Stande bin, durch blosse Auffassungsweise die Farbe eines Dinges oder seine Härte im Geringsten zu verändern, kann ich die Ilias als Ein Gedicht, als 24 Gesänge oder als eine grosse Anzahl von Versen auffassen. Spricht man nicht in einem ganz andern Sinne von 1000 Blättern als von grünen Blättern des Baumes? Die grüne Farbe legen wir jedem Blatte bei, nicht so die Zahl 1000. Wir können alle Blätter des Baumes unter dem Namen seines Laubes zusammenfassen. Auch dieses ist grün, aber nicht 1000. Wem kommt nun eigentlich die Eigenschaft 1000 zu? Fast scheint es weder dem einzelnen Blatte noch der Gesammtheit; vielleicht gar nicht eigentlich den Dingen der Aussenwelt? Wenn ich jemandem einen Stein gebe mit den Worten: bestimme das Gewicht hiervon, so habe ich ihm damit den ganzen Gegenstand seiner Untersuchung gegeben. Wenn ich ihm aber einen Pack Spielkarten in die Hand gebe mit den Worten: bestimme die Anzahl hiervon, so weiss er nicht, ob ich die Zahl der Karten oder der vollständigen Spiele oder etwa der Wertheinheiten beim Skatspiele erfahren will. Damit, dass ich ihm den Pack in die Hand gebe, habe ich ihm den Gegenstand seiner Untersuchung noch nicht vollständig gegeben; ich muss ein Wort: Karte, Spiel, Wertheinheit hinzufügen. Man kann auch nicht sagen, dass die verschiedenen Zahlen hier so wie die verschiedenen Farben neben einander bestehen. Auf die einzelne farbige Fläche kann ich hindeuten, ohne ein Wort zu sagen, nicht so auf die einzelne Zahl. Wenn ich einen Gegenstand mit demselben Rechte grün und roth nennen kann, so ist das ein Zeichen, dass dieser Gegenstand nicht der eigentliche Träger des Grünen ist. Diesen habe ich erst in einer Fläche, die nur grün ist. So ist auch ein Gegenstand, dem ich mit demselben Rechte verschiedene Zahlen zuschreiben kann, nicht der eigentliche Träger einer Zahl.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen Farbe und Anzahl besteht demnach darin, dass die blaue Farbe einer Fläche unabhängig von unserer Willkühr zukommt. Sie ist ein Vermögen, gewisse Lichtstrahlen zurückzuwerfen, andere mehr oder weniger zu verschlucken, und daran kann unsere Auffassung nicht das Geringste ändern. Dagegen kann ich nicht sagen, dass dem Pack Spielkarten die Anzahl 1 oder 100 oder irgend eine andere an sich zukomme, sondern höchstens in Bezug auf unsere willkührliche Auffassungsweise, und dann auch nicht so, dass wir ihm die Anzahl einfach als Praedicat beilegen könnten. Was wir ein vollständiges Spiel nennen wollen, ist offenbar eine willkührliche Festsetzung und der Pack Spielkarten weiss nichts davon. Indem wir ihn aber in dieser Hinsicht betrachten, entdecken wir vielleicht, dass wir ihn zwei vollständige Spiele nennen können. Jemand, der nicht wüsste, was man ein vollständiges Spiel nennt, würde wahrscheinlich irgend eine andere Anzahl eher an ihm herausfinden, als grade die Zwei.

§ 23. Die Frage, wem die Zahl als Eigenschaft zukomme, beantwortet Mill36 so:

»Der Name einer Zahl bezeichnet eine Eigenschaft, die dem Aggregat von Dingen angehört, welche wir mit dem Namen benennen; und diese Eigenschaft ist die charakteristische Weise, in welcher das Aggregat zusammengesetzt ist oder in Theile zerlegt werden kann.«

Hier ist zunächst der bestimmte Artikel in dem Ausdrucke »die charakteristische Weise« ein Fehler; denn es giebt sehr verschiedene Weisen, wie man ein Aggregat zerlegen kann, und man kann nicht sagen, dass Eine allein charakteristisch wäre. Ein Bündel Stroh kann z. B. so zerlegt werden, dass man alle Halme durchschneidet, oder so, dass man es in einzelne Halme auflöst, oder so dass man zwei Bündel daraus macht. Ist denn ein Haufe von hundert Sandkörnern ebenso zusammengesetzt wie ein Bündel von 100 Strohhalmen? und doch hat man dieselbe Zahl. Das Zahlwort »Ein« in dem Ausdruck »Ein Strohhalm« drückt doch nicht aus, wie dieser Halm aus Zellen oder aus Molekeln zusammengesetzt ist. Noch mehr Schwierigkeit macht die Zahl 0. Müssen denn die Strohhalme überhaupt ein Bündel bilden, um gezählt werden zu können? Muss man die Blinden im Deutschen Reiche durchaus in einer Versammlung vereinigen, damit der Ausdruck »Zahl der Blinden im Deutschen Reiche« einen Sinn habe? Sind tausend Weizenkörner, nachdem sie ausgesäet sind, nicht mehr tausend Weizenkörner? Giebt es eigentlich Aggregate von Beweisen eines Lehrsatzes oder von Ereignissen? und doch kann man auch diese zählen. Dabei ist es gleichgiltig, ob die Ereignisse gleichzeitig oder durch Jahrtausende getrennt sind.

§ 24. Damit kommen wir auf einen andern Grund, die Zahl nicht mit Farbe und Festigkeit zusammenzustellen: die bei weitem grössere Anwendbarkeit.

Mill 37 meint, die Wahrheit, dass, was aus Theilen zusammengesetzt ist, aus Theilen dieser Theile zusammengesetzt ist, sei von allen Naturerscheinungen giltig, weil alle gezählt werden könnten. Aber kann nicht noch weit mehr gezählt werden? Locke38 sagt: »Die Zahl findet Anwendung auf Menschen, Engel, Handlungen, Gedanken, jedes Ding, das existirt oder vorgestellt werden kann«. Leibniz39 verwirft die Meinung der Scholastiker, dass die Zahl auf unkörperliche Dinge unanwendbar sei, und nennt die Zahl gewissermaassen eine unkörperliche Figur, entstanden aus der Vereinigung irgendwelcher Dinge, z. B. Gottes, eines Engels, eines Menschen, der Bewegung, welche zusammen vier sind. Daher, meint er, ist die Zahl etwas ganz Allgemeines und zur Metaphysik gehörig. An einer andern Stelle40 sagt er: »Gewogen kann nicht werden, was nicht Kraft und Vermögen hat; was keine Theile hat, hat demgemäss kein Maass; aber es giebt nichts, was nicht die Zahl zulässt. So ist die Zahl gleichsam die metaphysische Figur«.

Es wäre in der That wunderbar, wenn eine, von äussern Dingen abstrahirte Eigenschaft, auf Ereignisse, auf Vorstellungen, auf Begriffe ohne Aenderung des Sinnes übertragen werden könnte. Es wäre grade so, als ob man von einem schmelzbaren Ereignisse, einer blauen Vorstellung, einem salzigen Begriffe, einem zähen Urtheile reden wollte.

Es ist ungereimt, dass an Unsinnlichem vorkomme, was seiner Natur nach sinnlich ist. Wenn wir eine blaue Fläche sehen, so haben wir einen eigenthümlichen Eindruck, der dem Worte »blau« entspricht; und diesen erkennen wir wieder, wenn wir eine andere blaue Fläche erblicken. Wollten wir annehmen, dass in derselben Weise beim Anblick eines Dreiecks etwas Sinnliches dem Worte »drei« entspräche, so müssten wir dies auch in drei Begriffen wiederfinden; etwas Unsinnliches würde etwas Sinnliches an sich haben. Man kann wohl zugeben, dass dem Worte »dreieckig« eine Art sinnlicher Eindrücke entspreche, aber man muss dabei dies Wort als Ganzes nehmen. Die Drei darin sehen wir nicht unmittelbar; sondern wir sehen etwas, woran eine geistige Thätigkeit anknüpfen kann, welche zu einem Urtheile führt, in dem die Zahl 3 vorkommt. Womit nehmen wir denn etwa die Anzahl der Schlussfiguren wahr, die Aristoteles aufstellt? etwa mit den Augen? wir sehen höchstens gewisse Zeichen für diese Schlussfiguren, nicht sie selbst. Wie sollen wir ihre Anzahl sehen können, wenn sie selbst unsichtbar bleiben? Aber, meint man vielleicht, es genügt, die Zeichen zu sehen; deren Zahl ist gleich der Zahl der Schlussfiguren. Woher weiss man denn das? Dazu muss man doch schon auf andere Weise die letztere bestimmt haben. Oder ist der Satz »die Anzahl der Schlussfiguren ist vier« nur ein anderer Ausdruck für »die Anzahl der Zeichen der Schlussfiguren ist vier«? Nein! von den Zeichen soll nichts ausgesagt werden; von den Zeichen will niemand etwas wissen, wenn nicht deren Eigenschaft zugleich eine des Bezeichneten ausdrückt. Da ohne logischen Fehler dasselbe verschiedene Zeichen haben kann, braucht nicht einmal die Zahl der Zeichen mit der des Bezeichneten übereinzustimmen.

§ 25. Während für Mill die Zahl etwas Physikalisches ist, besteht sie für Locke und Leibniz nur in der Idee. In der That sind, wie Mill41 sagt, zwei Aepfel von drei Aepfeln, zwei Pferde von einem Pferd physikalisch verschieden, ein davon verschiedenes sichtliches und fühlbares Phänomen42. Aber ist daraus zu schliessen, dass die Zweiheit, Dreiheit, etwas Physikalisches ist? Ein Paar Stiefel kann dieselbe sichtbare und fühlbare Erscheinung sein, wie zwei Stiefel. Hier haben wir einen Zahlenunterschied, dem kein physikalischer entspricht; denn zwei und Ein Paar sind keineswegs dasselbe, wie Mill sonderbarer Weise zu glauben scheint. Wie ist es endlich möglich, dass sich zwei Begriffe von drei Begriffen physikalisch unterscheiden?

So sagt Berkeley43: »Es ist zu bemerken, dass die Zahl nichts Fixes und Festgestelltes ist, was realiter in den Dingen selber existirte. Sie ist gänzlich Geschöpf des Geistes, wenn er entweder eine Idee an sich oder eine Combination von Ideen betrachtet, der er einen Namen geben will und sie so für eine Einheit gelten lässt. Jenachdem der Geist seine Ideen variirend combinirt, variirt die Einheit, und wie die Einheit so variirt auch die Zahl, welche nur eine Sammlung von Einheiten ist. Ein Fenster = 1; ein Haus, in dem viele Fenster sind, = 1; viele Häuser machen Eine Stadt aus.«

22.A. a. O. Bd. II., S. 669.
23.Lehrbuch der Analysis, Bd. I., S. 1.
24.Theorie der complexen Zahlensysteme, S. 54 u. 55.
25.Baumann a. a. O. Bd. II., S. 56; Erdm. S. 424.
26.Baumann a. a. O. Bd. II., S. 57; Erdm. S. 83.
27.Baumann a. a. O. Bd. II., S. 57; Pertz, II., S. 55.
28.The principles of science. London 1879. S. 156.
29.Nouveaux Essais, IV, § 9; Erdm. S. 360.
30.Es ist auffallend, dass auch Mill a. a. O. II. Buch, VI. Cap. § 4 diese Ansicht auszusprechen scheint. Sein gesunder Sinn durchbricht eben von Zeit zu Zeit sein Vorurtheil für das Empirische. Aber dieses bringt immer wieder Alles in Verwirrung, indem es ihn die physikalischen Anwendungen der Arithmetik mit dieser selbst verwechseln lässt. Er scheint nicht zu wissen, dass ein hypothetisches Urtheil auch dann wahr sein kann, wenn die Bedingung nicht wahr ist.
31.Baumann a. a. O. Bd. I, S. 475.
32.Theorie der complexen Zahlensysteme, S. 1.
33.Grundzüge einer Elementarmathematik, S. 2, § 4. Aehnlich Lipschitz, Lehrbuch der Analysis, Bonn 1877, S. 1.
34.Lehrbuch der Arithmetik und Algebra, Leipz. 1873, S. 6, 10 u. 11.
35.A. a. O. Bd. II, S. 669.
36.A. a. O. III. Buch, XXIV. Cap., § 5.
37.A. a. O. III. Buch, XXIV. Cap. § 5.
38.Baumann a. a. O. Bd. I, S. 409.
39.Ebenda, Bd. II, S. 56.
40.Ebenda, Bd. II, S. 2.
41.A. a. O. III. Buch, XXIV. Cap. § 5.
42.Genau genommen müsste hinzugefügt werden: sobald sie überhaupt ein Phänomen sind. Wenn aber Jemand ein Pferd in Deutschland und eines in Amerika (und sonst keins) hat, so besitzt er zwei Pferde. Diese bilden jedoch kein Phänomen, sondern nur jedes Pferd für sich könnte so genannt werden.
43.Baumann a. a. O. Bd. II. S. 428.
Yaş sınırı:
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Litres'teki yayın tarihi:
28 eylül 2017
Hacim:
152 s. 4 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
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