Kitabı oku: «Friedrich Gerstecker: Streif- und Jagdzüge durch die Vereinigten Staaten von Amerika 1837-43», sayfa 3

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Wir hatten ungefähr anderthalb Stunden ruhig in der Kajüte gesessen, getrunken und gelacht. Ich brauchte indes dabei die Vorsicht, nicht mehr als ein Glas zu trinken, da mir der Punsch ungeheuer stark vorkam und überhaupt für meinen Geschmack zu süß war, als ich zu meiner Verwunderung bemerkte, dass besonders der Doktor und noch einige andere recht sonderbar glänzende Augen bekamen und äußerst lustig wurden. Ich stand auf, die anderen folgten, und wir traten hinaus aufs Verdeck, dem Spektakel ein wenig zuzusehen, der da oben mit jedem Augenblicke toller und tobender wurde.

Allmächtiger, wie sah es da aus! Die Matrosen waren auf den Mast und die Rahen hinaufgestiegen und ließen von dort Schwärmer in die dunkle Nacht hinauszischen, die Schiffsglocke vorn wurde geläutet wie zu Feuerlärm, und aus allen nur irgend brauchbaren Flinten wurden Schwärmer und blinde Ladungen geschossen, Zllr's. Doppelflinte sprang bei dieser Gelegenheit, ohne jedoch jemand zu beschädigen. Auf dem Mittelpunkte des Schiffes, gerade hinter dem großen Maste, war der Haupttummelplatz, und der Anblick wahrhaft wunderbar.

Herr Ol., ein ausgezeichneter Violin-Spieler, hatte sich im Anfange freundlich dazu hergegeben, dem Volke ein wenig aufzuspielen; als es aber zu toll wurde, zog er sich zurück, und ein anderer, vor Eifer brennend, seine Kunstfertigkeit zu zeigen, setzte sich auf die Winde und fing nun an, so jämmerlich auf seiner Violine herum zu kratzen, dass nur der furchtbare Spektakel, der fast alles übertäubte, diesen schlimmeren Lärm erträglich sein ließ. Nichtsdestoweniger drehte sich alles wie toll um ihn im Kreise, und jubelnd und jauchzend kehrte sich keiner an das Schwanken und Schaukeln des Schiffes, das oft ganze Reihen der Tänzer auf einmal wie mit einem Zauberschlage nach einem Bord zu kehrte. Der Mann auf der Winde spielte indessen wie von einem bösen Geist besessen unausgesetzt fort und behauptete dabei durch eine mir unbegreifliche Geschicklichkeit seinen Sitz, das Gesicht zugleich dem Steuerruder zugekehrt. Nur wenn die Tänzer durch das Umlegen des Schiffs auf eine Seite gewälzt wurden und dort eine Weile wie Kraut und Rüben untereinander lagen, drehte er sich mit dem ganzen Leibe dem am Boden liegenden Knäuel zu und spielte, ohne jedoch eine Miene zu verziehen, ruhig weiter.

Als ich heraufkam, fiel mir Wilhelms Mutter, eine Frau, die sonst nur immer kränklich und mürrisch an Deck herumschlich und des langen Schneiders Behauptung nach „wie sieben Meilen schlechter Weg“ aussah, um den Hals und bat mich um Gottes willen, ich möchte mit ihr tanzen. Dicht neben ihr stand ein alter Seiler, der, so lange wir auf dem Schiffe waren, Leibschmerzen gehabt hatte, auf einem Beine und drehte sich, während er selbst dazu pfiff, hopsend um seine eigene Achse. Nur der arme Schneider lag, Arme und Beine wie ein Telegraph ausgestreckt, auf dem Boden und musste durch doppelten Vorspann vom Schauplatze gezogen werden. Kurz, von den hundertachtzehn Passagieren waren nicht sechs mehr nüchtern. Ein einzelnes betrunkenes Frauenzimmer zu sehen, ist ekelhaft, hier waren es aber einige dreißig, und das wurde interessant. Das ganze Leben und Treiben also aus sicherer Entfernung betrachtend – ich kletterte in das vor dem Mast liegende kleine Boot – lag ich wohl eine Stunde lang da oben und weiß mich in der Tat der Zeit nicht zu erinnern, dass ich so viel gelacht hätte. Müde zuletzt ging ich zur Koje und erfuhr nun später, dass es der Steuermann wirklich darauf angelegt hatte, alle betrunken zu machen, indem er fast gar kein Wasser unter den Punsch getan. Der Rum war nur heiß gemacht und tüchtig gesüßt worden.

Am nächsten Morgen war ich schon mit Tagesanbruch wieder auf und half noch manches von den gefallenen Opfern zu Bett bringen; dann herrschte mehrere Stunden Totenstille an Deck. Außer Vgl. und H. ließ sich lange keiner von den Passagieren sehen, und als sie endlich kamen, was für Gesichter trugen sie zur Schau! Bleich und überwacht, die Augen hohl und stier, die Backen eingefallen, alle über Kopfschmerz und Übelkeit klagend, schlichen sie an Deck umher und dürften jetzt natürlich nicht für Hohn und Spott sorgen. Wilhelm besonders ging sehr betrübt herum; er hatte sich im Rausche in eine Wanne mit Wasser gesetzt, in welcher der Koch das Fleisch liegen hatte, um das Salz herauszuziehen, und war bis zum Tageslicht in dem nassen Elemente sitzen geblieben, was mir allen Appetit zum Fleischessen verdarb.

Gegen Abend wetterleuchtete es, und um elf Uhr brach das furchtbarste Gewitter, das ich je erlebt habe, über uns herein. Die Bramsegel wurden gelöst und sollten eingerefft werden. Ich selber hatte mir indessen viel Mühe gegeben, die Handgriffe an Bord so viel als möglich zu erlernen, und war besonders viel mit nach oben gegangen, das Einnehmen und Lösen der Segel wegzubekommen. Ich sprang daher auch jetzt mit den Matrosen hinauf, das Manöver auszuführen; nie aber werde ich das Gewitter und den Anblick vergessen, der sich mir dort bot.

Wir waren oben am Bramsegel unserer drei und versuchten, die losen Falten des Tuches zusammenzunehmen und einzuschnüren, während der Wind noch wie toll mit den gelösten Enden spielte. Blitz auf Blitz, Schlag auf Schlag leuchtete und donnerte unterdessen am weiten, dunklen Himmelsgewölbe hin. Jetzt erhellte ein greller, blendender Wetterstrahl das Ganze zur Tageshelle, – oben der dräuende, finstere Himmel, unten, tief unten, wie ein breiter, dunkler Streifen, das Schiff auf dem leuchtenden, wie mit Myriaden Sternen besäten, wie mit glühendem Schaum bedeckten Ozean dahinschießend; dann plötzlich fürchterliche Dunkelheit, dass es nicht möglich war, die Rahe, die wir hielten, und das Tau, auf dem wir standen, zu sehen. Und hinterher das Schmettern und Donnern des erzürnten Himmels. Es war großartig, und nicht um vieles möchte ich die Erinnerung an jene Augenblicke dahingeben. Der Sturm hielt indessen nur bis etwa gegen zehn Uhr an.

Bis zum 10. Juli blieb uns der Wind ziemlich günstig, dann ließ er wieder einmal für eine Weile gänzlich nach. Das Schiff lag fast bewegungslos, und da alles wieder, sowohl von der Seekrankheit als auch von den üblen Nachwirkungen des Punschfestes genesen war, so trieb sich der größte Teil der Passagiere in den mannigfaltigsten Gruppen auf dem Verdeck umher.

Gegen Mittag schwamm ein Haifisch, der erste, den wir seit langer Zeit sahen, zum Schiff heran, zog einmal ruhig um dasselbe hin und verschwand dann trotz allem Fleisch, das wir für ihn an dem Haken aufwarfen. Er hatte zwei Lotsenfische bei sich, deren Anhänglichkeit an den Hai wirklich wunderbar ist. Diese Lotsen waren ungefähr 12 bis 14 Zoll lang, mit fingerbreiten weißen und roten Streifen geziert und kreuzten vor dem Raubfisch hin und her. Ich schoss einen, konnte ihn jedoch nicht bekommen. Diese Fische folgen dem Hai öfters zu fünfen und sechsen, nie verschlingt er einen von ihnen, und sicher ist's, dass sie ihm seinen Raub anzeigen. Obgleich wir den Hai nicht mehr zu sehen bekamen, stand er doch noch unter dem Schiffe, und die Piloten spielten vorn um das Bugspriet herum – das sichere Zeichen, dass der Hai nicht fern war. Auch ein Schwertfisch von 12 bis 13 Fuß Länge kam an diesem Tage zum Schiffe.

Mehrere Seeschwalben, oder, wie sie die Engländer nennen, mother Carey's chicken, die sogenannten Sturmvögel waren uns fast auf der ganzen Reise gefolgt, und auch jetzt noch flogen oder schwammen sie neben dem Schiffe, dahinter oder voraus. Ich schoss einen dieser Vögel und fing ihn dann, als er am Schiff vorbeitrieb, mit dem Netze. Sie sind ungefähr von der Größe unserer Schwalben, fliegen auch ziemlich auf dieselbe Art, tragen aber eine Schwimmhaut zwischen den Zehen und tauchen vorzüglich. Auch ihr Schnabel ist anders eingerichtet, denn sie haben ein großes, hornartiges Luft- oder Nasenloch daran.

Der Wind erhob sich zwar die nächsten Tage wieder etwas, aber so leise, dass das Schiff einzuschlafen schien und ihm nur noch Schlafmütze und Pantoffel fehlten; auch unsere Passagiere wurden mit jedem Tage unleidlicher. Die muntersten, die stets auf dem Verdeck waren, fingen Zank und Streit miteinander an, und die anderen, bei weitem die unangenehmsten, vegetierten nur noch. Sie blieben Tag und Nacht in ihren Kojen liegen und nahmen sich nicht einmal mehr die Mühe, sich zu waschen; ob sie vielleicht das Wasser nicht vergeuden wollten, da wir in der Nähe von Sandbänken waren? Doch trieben wir auch wieder viel Unsinn, und zwar auf eine Art, von der man gar nicht glauben sollte, dass vernünftige, erwachsene Menschen darauf kommen könnten. Wir spielten unter anderem einmal Soldaten, – Handwerker, Kaufleute, Apotheker, Juden, Christen, Matrosen, alt und jung, alle nahmen daran teil, mit Stangen, Besen, Haken, Harpunen, Hirschfängern, Blasinstrumenten (dem blechernen Alarmhorn), Fahnen usw., wie die kleinen Kinder bewaffnet. Alles wurde aufgeführt, – Rebellion, Desertion – ein Jude war der Deserteur –, Kriegsgericht, Standrecht, Sturmläuten. Die Sturmglocke war aus einem Hemde gemacht, in welches ein Fassreif gespannt war; als Klöppel diente ein Besenstiel. Das Schönste bei der ganzen Sache war, dass der Doktor die Nase rümpfte und von „Kindereien“ sprach; er wurde furchtbar verhöhnt. Der Landbewohner kann sich aber auch wirklich keine Idee von dem Müßiggang eines solchen Schifflebens machen. Tag nach Tag, Woche nach Woche vergeht, und mit nichts als Himmel und Meer um die Reisenden ist es kein Wunder, dass selbst ganz ernste, gesetzte Menschen einmal über die Stränge schlagen und in fast kindischem Übermut diese Zwischenexistenz der Reise eine Weile zu vergessen und das fatale Gefühl zu betäuben suchen, das in der langen, öden Zeit in ihnen aufzuwuchern beginnt.

Am 18. Juli flog das Schiff lustig durch die Wellen, die Segel von günstigem Winde, unsere Herzen von neuerwachter Hoffnung geschwellt. Heute hatten sich sogar die Oldenburger Bauern auf dem Verdeck versammelt und sangen im Chorus ein sehr schönes Lied, von dem der Kehrreim immer lautete: „In Amerika können die Bauern in den Kutschen fahren“, wobei sie das „s“ sehr deutlich von dem „ch“ trennten. Mit den Kutschen möchten sich die guten Leute wohl geirrt haben; „Schiebkarren“ könnten da eher am Platze sein; doch geht ja nichts über die Hoffnung, was wären wir ohne sie.

„Morgen kommen wir an Land!“ – Wie ein leises Flüstern lief das Wort erst über Deck und drang bis in die untersten, entferntesten Räume. – An Land – das so tausendmal und heißersehnte Land – und wie oft waren wir schon darauf vertröstet worden, wie oft hatten wir uns darauf gefreut. – Land – es liegt ein eigener Zauber in dem Worte, und nur der begreift ihn, der draußen in See der fernen Küste mühsam zustrebt und vor drängender Sehnsucht indessen fast zu vergehen meinte, bis der rastlose, zuckende Fuß den festen, heiligen Boden wieder betreten könne.

Ob wir uns aber auch zehnmal umsonst darauf gefreut, die Sehnsucht danach war deshalb nicht schwächer, eher stärker geworden, und als es leise, ganz leise im Osten anfing zu dämmern, sprang ich aus meiner Hängematte, die ich mir schon seit einiger Zeit selbst gemacht hatte, da ich das Schlafen in dem engen Räume nicht mehr aushalten konnte, und lief hinauf auf die Vorbramrahe.

Ruhig, nur von einem leisen Südostwinde gekräuselt, lag das Meer tief unter mir und schien tanzend und spielend dem gewaltigen Schiffe erst auszuweichen und ihm dann plätschernd zu folgen. Ich kletterte in die oberste Stenge hinauf, umfasste dieselbe mit dem linken Arme und atmete mit Wonne die reine Morgenluft. Heller und heller wurde der Horizont, klarer, immer klarer die Aussicht, die Nebel schwanden, ein fernes dumpfes, donnerähnliches Brausen schlug an das lauschende Ohr; das war die Brandung. – Dort, dort lag Amerika, und immer deutlicher trat jetzt ein schwacher blauer Streifen über dem dunkeln Wellenhorizonte hervor. „Land!“ schrie ich hinunter vom Mast, und „Land, Land!“ tönte es im Zwischendeck von einer Lippe zur anderen.

Wie Ameisen aus ihrem bedrohten Bau, so krochen aus dem engen Eingangsloche jetzt die schlaftrunkenen Passagiere eilfertig hervor, stellten sich vorn ans Bugspriet hin, rissen die verschlafenen Augen auf und schrien: „Land!“ Natürlich konnte unten vom Verdeck aus noch niemand etwas erkennen.

Auch der lange Schneider kam, in einer Hand seinen Butterteller, in der anderen einen Schiffszwieback, aufs Verdeck gesprungen, als er Land rufen hörte, setzte beides schnell auf einen der Hühnerkästen, die von ihrem gewöhnlichen Stande weggenommen und erst den Tag vorher vor die Winde hingestellt worden waren, und eilte mit den anderen vorn hin, das ersehnte Land zu erspähen.

Wilhelm, der wahrscheinlich dachte, dass er Amerika noch früh genug zu sehen bekommen würde, ließ sich ruhig auf einem der Hühnerkästen nieder, und natürlich nirgends anderswo als gerade in die Butter, welche die Nacht hindurch unten im warmen Zwischendeck weich geworden war. Mit den Fersen dabei gemütlich gegen die Latten klopfend, saß er da, pfiff, die Hände im Schoß gefaltet, und sah träumend ins Blaue. Der Schneider, nicht unnützerweise um seine Butter besorgt, die er, vertrauend auf allgemeine Redlichkeit, gewissermaßen auf offener Straße hingesetzt hatte, kehrte zurück und blieb starr vor Verwunderung mit offenem Munde stehen, als er dieses Bild unschuldiger Gemütlichkeit und Seelenruhe in seiner Butter sitzen sah. Wilhelm, nichts Böses ahnend und von dem Erstaunen des Schneiders ergötzt, verzog das Gesicht zu einem breiten Lächeln, wobei er immer noch zu pfeifen versuchte.

Endlich löste sich die Zunge des Erstaunten. „Nee, der Unglücksmensch“, rief er aus, sprang auf den sich dessen nicht versehenden Wilhelm zu, riss ihn übers Knie, und die Kehrseite desselben mit tiefer Betrübnis den Umstehenden zeigend, rief er aus: „Do hat er se.“

Näher und näher kamen wir jetzt der so lange ersehnten Küste. Schon konnte man das waldige Land, schon grüne Felder erkennen, jetzt die einzeln vorstehenden Bäume, jetzt Häuser, Farmerwohnungen und Leuchttürme; es war ein wundervoller Anblick. Doch nicht lange genossen wir ihn, denn der Kapitän getraute sich nicht, näher zum Ufer zu laufen; wir lavierten daher wieder ab, so dass wir gegen Abend das Land kaum noch vom Wasser unterscheiden konnten.

Am 19. Juli fuhren wir wieder mit vollen Segeln darauf zu. Um elf Uhr ungefähr kam ein kleiner Kutter uns entgegen; die nordamerikanische Flagge flatterte an seiner Segelstange; wir hissten die Bremer Flagge auf. Es war der Lotse.

Jetzt kam neues Leben an Bord. So nahe vor dem Hafen wurde frisches Wasser ausgeteilt, da das Seewasser, mit dem wir uns bis jetzt abgerieben hatten, keine Seife annimmt, und das ganze Schiff glich eher einer Reinigungsanstalt als etwas anderem. Überall wurde geputzt und blank gemacht. Hier schmückte sich eine junge israelitische Dame vor einem Stückchen Spiegelglas mit falschen Ohrringen, dort wusch sich ein armer Teufel noch in der Geschwindigkeit ein Hemde aus; an jener Seite saßen mehrere Frauen und kämmten und bürsteten die Kinder, und an dieser stiegen ein halbes Dutzend, schon fix und fertig, in ihrem schönsten Sonntagsstaat stolz einher. Dort, an der Winde, ach ja, da lagst du, lieber Seiler, auf dem Bauche, du besaßest nur das eine Paar Beinkleider, du Armer, und hattest diese auf der langen Überfahrt durchgesessen; aber mit erbarmendem Mitleiden im Blick bog sich der lange Schneider über dich und setzte dir einen großen schwarzen Flicken auf den defekten Teil, – eine Träne glänzte in seinen großen blauen Augen – es verdunkelte sich, die Nadel stach zu tief, und mit gewaltigem Satze sprangst du, lieber Seiler, in die Höhe und hieltest die Hand auf den Flicken.

Der Lotse, ein schöner, großer Mann, der, wie alle amerikanischen Lotsen, ganz unähnlich den unseren, die in ihrem groben blauen Pilotenzeuge einhergehen, höchst geschniegelt und modern mit schwarzem Frack und Zylinder angezogen war, brachte uns bald in die Einfahrt des New-Yorker Hafens nach Staten Island.

Wo nehme ich jetzt die Feder her, das zu beschreiben, was wir sahen, das zu schildern, was wir fühlten? Der Anblick des im lieblichsten Grün prangenden, mit üppigen Feldern und köstlichen Gebäuden besäten Landes, zwischen denen hier und da wieder der dunkelgrüne herrliche Urwald durchschimmerte, der rechts und links zur Beschützung des Hafens angelegten Forts, des freundlichen, blauen Himmels über uns, der nur leise plätschernden Wogen unter uns, machte mir das Herz aufgehen, und mich trieb es, allein zu sein. Ich stieg hinauf in den Mastkorb und schaute von dort mit entzückten, warum soll ich's leugnen, mit nassen Augen das wundervolle Land, das uns hier mit liebenden Armen zu umfangen schien, und unwillkürlich drängte sich mir die Frage auf: „Warum ist das nicht die Heimat, warum musste ich alles, alles verlassen, an dem das Herz hing, um diesen Anblick zu erkaufen?“

Die Matrosen, die wie Katzen die Strickleitern heraufliefen, störten mich in meinen Betrachtungen; die Segel wurden befestigt, und in wenigen Minuten rauschte der schwere Anker in die Tiefe.

Unter gelber Flagge kam jetzt ein kleines Schiff von Staten Island; es brachte einen Arzt an Bord, der die Mannschaft und die Passagiere untersuchen musste, um sich zu überzeugen, ob sie alle gesund seien. Glücklicherweise waren unsere drei Pockenkranken genesen; die Leutchen sahen alle wohl und frisch aus, so dass der gute Doktor trotz seiner sechseckigen Brille keine Spur vergangener Krankheit finden konnte und mit einem „All well“ das Schiff verließ. Gegen Abend sprangen H., unser Doktor und ich wieder über Bord, uns zu baden.

Diese Nacht durften wir das Schiff noch nicht verlassen. Erst am 20. Juli wurden wir mit unserem Gepäck durch einen kleinen Schoner in ein großes viereckiges Blockhaus gebracht, das einige hundert Schritte vom Lande ablag. Dort mussten wir gewissermaßen eine kleine Quarantäne aushalten und nachsehen lassen, ob unsere Koffer entweder etwas Steuerbares oder schmutzige Wäsche enthielten, das erstere zu versteuern, die letztere zu waschen.

Mit den steuerbaren Sachen wurde es übrigens nicht streng genommen, und keiner von allen bezahlte etwas. Strenger wurde die Wäsche nachgesehen, wobei einige wirklich schaudererregende Stücke entdeckt wurden, welche einzelne des liederlichen, faulen Zwischendecks-Gesindels unter ihre reinen Sachen versteckt hatten. Große Kübel wurden jetzt herbeigeschafft, und die guten Leute mussten das Versäumte nachholen. Wir fünfe hatten nichts Schmutziges, weil wir stets auf dem Schiffe unsere Wäsche gereinigt hatten, d. h. die getragenen Gegenstände, an ein Tau gebunden, etwa vierundzwanzig Stunden lag vom Schiffe hatten nachziehen lassen, was die Wäsche, wenn auch nicht sehr weiß, doch tragbar macht und, wie jeder gestehen muss, sehr bequem ist.

Als wir die „KONSTITUTION“, in der wir nun vierundsechzig Tage in Freud und Leid zugebracht, verließen und von der Mannschaft Abschied nahmen, war es uns, wenigstens mir, fast, als wenn wir alte, liebe Bekannte zurückließen. Wir brachten ihnen auch, als die Bootsleute abstießen, ein donnerndes Hoch, das lauttönend von den Matrosen mit dem gebräuchlichen englischen „Hip, hip, hip, Hurra!“ dreimal zurückgegeben wurde. So gut es übrigens gemeint war, so fand es bei dem israelitischen Teil unserer Passagiere doch wenig Anklang. Diese, obschon sie tüchtig ihre englischen Gespräche durchstudiert haben mochten, hatten doch dieses „hip, hip, hip“ noch nicht in ihrem Wörterbuche gefunden, und einer von ihnen bemerkte ganz treuherzig: „Na, se hätten uns aach nicht gebraucht auszeuzen, ze guter letzt.“

Obgleich das Blockhaus, wohin man uns brachte, das „Quarantänegebäude“ genannt wurde, hielt man es mit der Quarantäne doch nicht sehr streng, und ein großer Teil von uns fuhr noch denselben Abend auf einem Kahne an Land. Zum ersten Mal betraten wir die neue Welt, für uns wahrlich eine wunderschöne, herrliche, aber doch eine neue und deshalb fremde Welt.

Sonderbare Gefühle bestürmten mich, als ich allein unter den fremden Bäumen, an den bleichen Amerikanern vorbei, zwischen fremdartig gebauten Straßen hindurchwandelte und mir ein ruhiges Plätzchen aussuchte, ganz meinen Gedanken nachzuhängen; es waren wehmütige und doch auch wieder hoffende, vertrauende Gefühle. Erst spät kehrte ich zu den Unsrigen zurück, die ich um Bier, Butterbrot und Käse versammelt fand, und die es sich zum guten Anfang gar wohl in der neuen Heimat sein ließen. Was halfen auch die trüben Gedanken, wir waren einmal da und mussten jetzt sehen, wie wir durchkamen. So ließ ich mich denn ebenfalls nicht lange. nötigen und setzte mich zu den übrigen Schiffsgefährten.

Während wir noch dort zechten und uns die langentbehrten Gottesgaben gut schmecken ließen, kam ein Fremder zu uns in die Stube, redete uns jedoch deutsch an, so dass wir in wenigen Minuten wie alte Bekannte waren. Es war ein Bäcker, der, schon einige dreißig Jahre in Amerika, sich ein bedeutendes Vermögen erworben hatte, und er kam einzig und allein in der löblichen Absicht zu uns, uns einige wohlgemeinte Warnungen zu geben. Der gute Mann hätte sich die Mühe ersparen können, wir wussten, wie alle Neuankommenden, das alles besser.

Er hatte die meiste Zeit seines Aufenthaltes in Pennsylvanien gelebt und redete, wie die dortigen Bürger, alle Leute mit du an. „Nehmt euch vor den Amerikanern in acht“, sagte er, „sie betrügen euch, wo sie können; wenn ihr aber einmal einem vertrauen müsst, so vertraut lieber einem Amerikaner als einem Deutschen. Es ist eine Schande für die Deutschen, es ist aber wahr. Hütet Euch vor ihnen, denn sie sind gegen ihre Landsleute viel schlimmer als gegen alle anderen, weil diese“, setzte er vertraulich hinzu, „immer die dümmsten sind. Wenn Ihr nach New-York kommt, so geht nicht in die Kneipen nahe am Wasser – William Tell und wie sie alle heißen, – es sind Mordhöhlen; tut ihr's dennoch, so ist es Euch eigene Schuld, und Ihr dürft euch nicht beklagen.“ In dieser Art redete er noch lange fort, und obgleich ich damals keine Ausnahme von der allgemeinen Regel machte, d. h. alles besser wissen und diesen bösen Warnungen nicht glauben wollte, weil sie nicht mit meinen Ideen übereinstimmten, so habe ich doch später gefunden, wie recht der Mann hatte. Nur in der einen Sache hatte er nicht ganz recht, dass er die Deutschen allein als Betrüger anklagte. Allerdings für ihre Landsleute sind sie die gefährlichsten; die dortigen Landhaie suchen sich aber eben immer und ganz hauptsächlich ihre Landsleute aus, weil sie deren Sprache am besten verstehen, und diese, sobald sie an der fremden Küste die heimischen Laute hören, denen, die sie reden, auch am leichtesten vertrauen. Der Franzose sucht sich den Franzosen, der Deutsche den Deutschen, der Engländer den Engländer, und was er aus ihm herauspressen kann, geschieht mit Vergnügen. „Sie werden das Geld doch hier in Amerika los“, trösten und entschuldigen sie sich dabei, „und es ist doch besser, dass es ein Landsmann bekommt, als einer der verdammten Fremden.“

Wir kehrten nach zehn Uhr wieder in unsere Baracke zurück, wo alle übrigen Deckpassagiere in malerischen Gruppen gelagert waren, und verbrachten ebenfalls dort die Nacht.

Als die Sachen unserer Reisegesellschaft genau durchgesehen wurden, fand sich noch mehr Unrat, als man erwartet hatte, und müde, länger in dieser ekelhaften Umgebung zuzubringen, gingen wir fünf auf ein Dampfboot, das morgens um neun Uhr von Staten Island nach New-York abging, welche Strecke von zwei Meilen es in einer halben Stunde zurücklegte.

Zuviel war da von neuen, nie gesehenen Herrlichkeiten zu schauen, als dass das Auge hätte lange auf einer Sache weilen und sich dieselbe einprägen können. Als ich kaum glaubte, dass wir abgefahren waren, hielt das Dampfboot schon, und vor uns lag das ungeheure Häusermeer New-York, von einem Mastenwalde begrenzt.

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