Kitabı oku: «Der Zauberring», sayfa 8

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Die Speere hoch, die Schilde zur Deckung vor die Brust gehalten, begannen die Fechter langsamen, gemeßnen Schrittes in derselben Entfernung umeinander her zu gehn, immer an den Grenzen des Kreises hin, jeder eine Gelegenheit zum Wurf erspähend. Wohl bemerkte Bertha mit heißem Erbangen, daß ihrem Bruder dies fremde Gewaffen ungewohnt sei, daß er sich unter der Riesenwucht des Schildes unbeholfner als sein Widersacher bewege, und den ungeheuern Wurfspeer nur mühsam und prüfend ins rechte Gleichgewicht zu bringen wisse, dagegen der Seeritter sein Lanzengeschoß leicht, wie ein zieres Stäblein, in der Rechten schwang. Aber Mut und besonnene Freudigkeit am Kampf loderte zu gleichen Parten aus der beiden Streiter Augen. Wären die Lichter der Blicke Pfeile gewesen, die Ritter hätten allzwei durchbohrt auf den Rasen fallen müssen. Bisweilen schwang einer von ihnen den Speer, man mußte denken zum entscheidenden Fortschleudern, – dann aber war es nur ein Versuch gewesen, den Gegner zum übereilten Wurfe, oder zu irgend einer unvorsichtigen Wendung des Schildes zu locken, und fürder harrend und starr schritten sie ihren feierlichen Mordtanz umeinander herum. Da sausete plötzlich Heerdegens Speer durch die Luft, und zugleich drehte der Nordmann sein riesigleuchtendes Schild, wie einen wirbelnden Mond, fing das Geschoß mit der festen Mitte der Schutzwaffe auf, und schleuderte es so im Bogen geschnellt gegen den Werfer zurück. Und zugleich zischte auch seine Lanze fort und fuhr durch Heerdegens Schildrand mit so krachender Gewalt, daß sie den überraschten Fechter, eben da er zum Schwerte fassen wollte, mit sich zur Erde riß, den Schild in den rasigen Boden einpfählend. Noch eh’ sich der Gesunkne davon losmachen konnte, war ihm der Seeritter gewaltigen Sprunges, wie ein geflügeltes Raubtier, auf dem Nacken, hielt ihm mit einem geschickten Griff beide Arme gegen den Rücken zusammen, und gewann gleich darauf mit der einen Hand des Schwertes Knauf, das er aus der Scheide riß, und weit über den Kampfesrund hinausschleuderte. Während dieses Ringens sang er mit lauter, fröhlicher Stimme:

»Hat den kräftigen Holmgang

Heiß gekämpft der Nordmann,

Kniet noch kaum sich regend

Fremder Kämpfer lautlos!«

Bertha aber sahe mit wachsendem Entsetzen, wie ihr Bruder erlag, sahe, wie die goldnen Geierflügel vom Helme des Siegers über das zornbleiche Antlitz Heerdegens hervorragten, und des gräßlich erfüllten Gesichtes im Zauberspiegel gedenkend, schrie sie laut auf: »O Geier, o mächtiger Geier, so schone des edlen Wildes!« – Da lächelte der Seeritter freundlich gegen sie empor, und sagte: »Ich tu’ ihm nichts.« – Dann neigte er sich wieder zu Heerdegen, sprechend: »Du bist wehrlos. Willst du dich geben? Dann hast du’s mit einem ehrlichen Feind zu tun.« – Heerdegen senkte in Beschämung und Ingrimm sein Haupt. Da ließ ihn der Nordmann los, ging lächelnd zu Bertha, und sprach: »Laßt es euch beide nicht gereuen, daß ihr mich eine Zeitlang begleitet auf meinen Fahrten durch die salzige Flut. Ich hab’ Euch rühmlich gewonnen, und es ist für Euch und ihn nichts weiter, als hättet Ihr noch einen Bruder dazu. Der ist aber freilich der älteste, oder gilt doch dafür, und da müßt Ihr hübsch folgen, wie er’s gebeut.« Dann kehrte er sich zu seinem Gefolg, und rief: »Boot heran! Segel bereit. Wir müssen heut noch viele Meilen schiffen beim Sternenlicht.«

Und noch war die Sonne kaum ganz hinab in die Flut, da fuhren die Geschwister schon mit der Flotte des Seeritters, – drei schnelle, wunderlich gebaute Fahrzeuge waren’s, und sie mit ihm in demselben Schiffe, – auf und davon. Bertha aber stand auf dem Verdeck, und mußte bitterlich weinen, wie die Abendnebel am verschwindenden Ufer sich kräuselten, und mit ihren weißen Armen nach ihr zu fassen schienen, wie abgesandt von der verlassenen freundlichen Drude. »Ich käme ja gern, ich käme ja gern«, sagte sie leise unter ihren quellenden Tränen. »Ich kann ja nicht wieder zurück.« Eine weiße Taube flog girrend über sie hin, und die Küste verschwand in den Schleiern der Dunkelheit und des Meeres.

Siebzehntes Kapitel

Einige Zeit, nachdem sich die letzterzählten Begebenheiten an dem Strande der Nordsee zugetragen, saßen Otto und Tebaldo in der Mitte des schönen Landes Frankreich unter den Schatten eines tiefdunkeln Forstes auf schwellendem Rasen beieinander. Die Sonne stand hoch am wolkenleeren Himmel, und schickte, ohne die Kühlung zu unterbrechen, nur heiter spielende Lichtlein durch das saftgrüne Laubengezweig. Die Rosse der beiden Gefährten graseten friedlich nebeneinander, denn des Ritters lichtbrauner Hengst hatte sowohl den gelben Polacken als dessen Herrn auf der langen Reise kennengelernt, und tat keinem von ihnen mehr etwas zuleide. Während nun Otto in ernsthaften Gedanken rückwärts gelehnt durch das Waldesgrün emporblickte nach dem Himmelblau, ergriff Tebaldo eine zierliche Mandoline, welche er immer mit sich zu führen pflegte, stimmte sie, und sang mit anmutiger Stimme folgende Worte zu seinem Spiel:

»Die Lande fliehn, die Reise schwingt die Flügel,

Im süßen Schwindel saust man durch die Lüfte,

Umkränzung immer neu, und nie Begrenzung!

Gehabt euch wohl, entschwundne Seen und Hügel,

Seid schön gegrüßt, ihr fern geahnten Düfte,

Einfassend ihr der Gegenwart Umglänzung!

O Wechsel, gaukelnd Kind der zart’sten Feien,

Führt endlos fort den lust’gen Lebensreihen!«

»Nein, ich kann dir dein Lied nicht nachsingen!« fuhr Otto aus seinem tiefen Sinnen auf, und Tebaldo entgegnete lächelnd: »Wer verlangt denn das auch von Euch? Singt ein anders. Die wenigsten Menschen können einerlei Lieder singen, kaum einerlei Lieder vertragen, weshalben es eben so viele Sänger und Dichter gibt, und geben muß.«

»Ich mag gar nicht singen«, sagte Otto. »Die Sehnsucht in mir überschwillt das holde Maß, in welchem sie ein tönend Meer des Liedes wird. Sag’ mir, Tebaldo, ist es nicht unbegreiflich, daß man zwei so leuchtenden Gestalten, als Folko und Gabriele, zweien Namen, denen das ganze Frankreich zum Echo dient, noch immer vergeblich nachziehen kann, wenn man so lange und so eifrig bemüht ist, sie zu suchen, als wir?«

»Eben die vielen Spiegel, draus sie widerleuchten«, erwiderte Tebaldo lachend, »eben die zahllosen Echos, die von ihnen widerklingen, machen uns irre, und unsre Bemühungen zunicht. Sind die beiden nicht etwa schon ganz geworden, wie Erscheinungen aus der alten Sagenzeit, von deren wundervollen Taten jedermann erzählt, was ihm am wundervollsten vorkommt, und sich berechtigt glaubt, auf ihre Rechnung zu lügen, was er sich irgend erdenken kann? Sie sind gewissermaßen schon bei ihren Lebzeiten vergöttert, und eben deshalb auf Erden nicht mehr gut ausfindig zu machen.«

»Du willst mich zu lachen machen«, sagte Otto, »aber gib mir die Mandoline. Ich will doch lieber ein Lied singen.«

»Seht Ihr nun wohl?« sprach Tebaldo, ihm das Instrument hinreichend. »Ach ja, singt, lieber Ritter, singt. Gesang ist wahrlich der reinste Engel, der sich in unsre Welt herein verfliegt. Es müßte denn den Düften einmal einfallen, Paradies spielen zu wollen, die nehmen’s wohl mit jenem auf.«

Otto rührte die Saiten und sang folgendes Lied:

»Vöglein dort im klaren Blauen,

Zeigt mir an

Rechte Bahn,

Wo sie führt zu meiner Frauen!

Ach, ihr fliegt so kreuz und quer

Irr umher,

Habt sie selbst noch nicht gefunden;

Bang’ im Leib

Unterm bunten Federkleid

Tragt auch ihr der Sehnsucht Wunden.«

»Es ist seltsam«, sagte der Italiener, als Otto schwieg, »wenn Ihr deutsch redet und vollends etwas ungestüm, scheinen sich diese Bäume und Gräser und Gewässer ordentlich zu verwundern, ja wohl gar ein wenig zu erschrecken; aber so wie Ihr singt, ist alles wieder gut, und sie schauen ganz befreundet drein. Und seht einmal, was sie Euch jetzo gar, wie zur Belohnung, Wundervolles und Schönes bescheren wollen.«

Die Augen emporrichtend, sahe Otto, daß auf einem schlanken weißen Pferd ein junger Mann durch die Hainesschatten geritten kam. Er trug ein faltiges grünes Sängerkleid, und eine prächtige Goldkette darüber, an der ihm die blanke Zither vor der Brust herunterhing. Er spielte während des Reitens darauf, denn das Rößlein war so artig und wohlgezogen, daß es ordentlich den tiefer hängenden Zweigen aus dem Wege zu gehen suchte, damit sein Reiter nicht dadurch in seiner anmutigen Beschäftigung gestört wurde. Angekommen bei den Reisenden, fragte der Fremde: »Wart ihr es, die eben so ergötzlich gesungen habt?« Und auf Ottos höflich bejahende Antwort stieg er ab, sprechend: »So erlaubt, daß ich mich ein wenig zu euch setze. Gleich und gleich gesellt sich gern.« – Damit nahm er seinem Pferde das Hauptgestell ab, und ließ es über die frische Waldwiese hinlaufen. Alsbald kam Ottos Streithengst herbei, und stellte sich kampfheischend dem fremden Weidegesellen gegenüber, daß davor das zarte Tier erschrak, und Schirm suchend zu seinem Herrn zurücktrabte. Otto aber rief den zornigen Lichtbraunen mit strengen Worten an, und sogleich begab er sich ruhig zu dem Polacken, worauf denn des Sängers Rößlein wieder dreist ward, und sich in allerlei zierlichen Sprüngen auf dem Anger ergötzte.

»Wir ziehen vielleicht eines Weges«, sagte der freundliche Fremde, »ja ich hoffe es sogar stark. Denn wo ich jetzt einen geharnischten Ritter erblicke, kann ich mir immer nichts anders einbilden, als er reise nach Osten in das heilige Land.« – »Leider ist es mit mir nicht so«, entgegnete Otto mit einem flüchtigen Erröten, »aber es ist nicht meine Schuld. Ein gegebnes Wort treibt mich immer weiter gegen Abend fort, so sehr auch mein Herz der erquickenden Sonne des Orients entgegenschlägt.« – »Schade!« sagte der Sänger. »Es hätte hübsch sein müssen, in eurer Gesellschaft zu reisen. Aber so wie die Sache steht, habt ihr vollkommen recht. Gegebnes Wort ist heilig Pfand, und es wär’ ein schlechter Gottesdienst, das Heiligste im Stich zu lassen, um dem Heiligen zu dienen. Wollt Ihr aber nicht für jetzt noch etwas singen?« – »Ich weiß nicht«, sagte Otto, »aber Ihr habt mir mit dem Gedanken an das Morgenland das Herz so schwer gemacht. Ich könnte jetzt nichts Ordentliches singen, oder doch wenigstens was Erfreuliches nicht. Viel lieber hörte ich von Euch ein Lied.« – »Ja«, sagte der Fremde, »ich weiß auch eben von nichts anderm zu singen, als vom Morgenland. Wenn Ihr mich aber hören wollt, so hört.« – Darauf schlug er die Saiten, und sang mit wundersüßer Stimme folgende Worte:

»Was bebt durch diese grünen Räume?

Was rauscht durch diese blaue Luft?

Was sagt ihr zueinander, Bäume?

Welch ferne Kunde bringst du, Duft?

Es klingt wie Jammer aus der Ferne,

Es hallt wie tiefer Seufzerlaut,

Es ist ein Weh, doch hört man’s gerne,

Und hegt’s, wie eine kranke Braut.

Ach Gott, wer hätt’ es nicht verstanden,

In dem ein christlich Herze schlägt!

Seht ihr den Frevel in den Landen,

Wo man den Herrn ins Grab gelegt?

Die einen haben ihn erschlagen,

Die andern schwelgen um sein Grab;

Für jenes haben wir nur Klagen,

Für dieses Kling’ und Lanzenstab.

Wenn Schmerzenlaut von dorther tönet,

Horch, wie von hier Trompete klingt,

Schau, wie mit rotem Kreuz verschönet,

Der Ritter sich in Bügel schwingt!

Sieh Wellen sich an Wellen schließen,

Und allesamt von blankem Stahl,

Den Speerwald sieh zusammenschießen,

Und jeder Zweig ist Gottes Wahl.

Wir wären lange schon gekommen,

Wir meinten’s längst im Sinne gut,

Doch fehlt’ es am Panier den Frommen,

Und blöd und einzeln schwieg der Mut.

Jetzt tönt ein freud’ger Sang von allen,

Steigt zuversichtlich himmelwärts;

Panier, Panier, wir sehn dich wallen,

Bist König Richard Löwenherz!«

Ottos Wangen brannten, er wäre um alles gern mit dem wunderbaren Sänger dem königlichen Kreuzpaniere nachgezogen in das Morgenland, und er wollte eben seinen Mund auftun, den Fremden zu befragen, ob er nicht etwa vernommen habe, daß der Freiherr Folko von Montfaucon mitziehe an das heilige Grab; dann wäre jede einzelne Fehde zur Ruh’ bis nach der Fahrt, und ihr Weg und ihr Kämpfen gemeinschaftlich das Glorwürdigste und Seligste auf der ganzen Welt. Aber noch ehe er fragen konnte, trabten einige Kriegsleute durch den Wald heran, sprachen ehrerbietig mit dem Sänger, zäumten nach seinem Gebote das weiße Rößlein wieder auf, und alsbald ritt er mit ihnen, Otto und Tebaldo freundlich grüßend, durch das frische Gezweig davon. – »Wer war der Herr?« fragte Otto einen Kriegsknecht, der sich etwas verzögert hatte. – »Ei«, entgegnete dieser, »es ist der berühmte Meister Blondel, der beste Minstrel in allen englischen Landen, und König Richard Löwenherzens Busenfreund, deshalben er auch dem heiligen Lande zureiset mit unserm großen Heere. Der hat uns ihn als Begleitung zugeordnet, wenn der Meister unterweges hin und her zieht, in freundlicher Neubegier, wie es der edlen Sänger heitre Weise ist. Gehabt euch wohl, ihr Herren!«

Und damit sprengte er dem lustigen Zuge nach, den man noch fernherüber durch den Wald scherzen und singen hörte.

»Kommt es dir nicht vor«, sagte Otto nach einem langen Schweigen zu Tebaldo, »als ob uns fast immer die besten Freuden und Kräfte des Lebens nur hohnneckend ins Gesicht sähen, ohne uns jemals den Weg zum rechten Genusse zeigen zu wollen? Oder, weil du so gar verdrießlich zu meinen Worten aussiehst, laß mich lieber die Sprachweise verändern, und statt: uns sagen: mir. Es ist doch ein ordentlich boshaftes Spiel, daß ich nun heute erblicken muß, und ganz nahe bei, was mir das Allerschönste und Höchste dünkt auf der ganzen Welt, und daß mich dennoch ein fremdes Treiben an der Kette meines heiligen Wortes so unaufhaltsam abwärts reißt.«

»Ich hätte im Grunde mehr zu klagen, als Ihr«, entgegnete auf eine ziemlich mürrische Weise Tebaldo. »Denn seht nur an, mein edler Herr, wenn Ihr törichte Versprechungen getan habt, habe ich sie meines Wissens nicht mitgetan, und wäre jetzo doch sehr gern nach Jerusalem hinausgezogen.«

»Verlasse mich nur immer, Tebaldo,« sagte Otto weichmütig, »ich habe viel verlassen, und muß deshalben schon gut daran gewöhnt sein.«

Da sah ihn Tebaldo sehr freundlich an, und sprach gerührt: »Nein, Gott bewahre mich vor dergleichen. Aber laßt die Lamenten sein, und seht wieder hinauf ins Himmelblau. Wie da Wolke und Zweig und Vogelflug durcheinander spielt! Ich dächte, es müßte Heilkraft für alles Weh der Erden aus dem freudigen Gewimmel herunter regnen.«

Otto schaute empor, und sprach: »Du hast recht; auch mir vertreibt nichts besser das Grämeln, und alles Nichtsnutzige, als der Hinaufblick in die rege, sonnenblaue Halle über uns.«

Und wie nun die Jünglinge schon eine geraume Zeit auf den Rasen hingestreckt lagen, die Augen nach dem klaren Himmelsmantel gerichtet, siehe, da zog ein wunderbar schöner Edelfalk, wie ein Schnellsegler im Wolkenmeer, freudig über sie fort, in solcher Höhe, daß die schon tiefer stehende Sonne ihm Schwingen und Leib von unten mit ihrem leuchtendsten Glührot bestrahlte. Freudig fuhr Otto auf, und rief und lockte nach Jägerweise das ritterliche Tier. Aber der Falk schwebte nicht zu ihm herab. Wohl sahe man, daß er sein Rufen vernahm, und eines edlen Waidmanns Stimme erkannte, denn er zog seine luftigen Bahnen wohlgefällig um den Jüngling her, doch auf ein Locken, fernher aus dem Forste, schlug er seine Schwingen rüstig zusammen, und schoß mit Pfeilesschnelle nach jener Gegend hin. Man sah, er hatte den rechten Meister gehört. – »Ich bin froh, daß er fort ist«, sagte Tebaldo, »mir ist nichts mehr in der Seele zuwider, als so ein räubrischer Kerl mit krummgebognem, hakenartigem Schnabel, mit gräßlich funkelndem Auge, mit den spitzbübischen Krallenfingern an seinen Beinen. Wie könnt Ihr nur irgend Lust an ihm finden?« – »Wie du es sagst«, entgegnete Otto, »könnte man sich jegliches Tier zum Abscheu machen. Ich aber hege alle Tierchen gern; und vollends so ein Falke! So klug und treu!« – »Klug ist der Teufel auch«, sagte Tebaldo, »und wenn Ihr das Treue nennt, sich mit seinen spitzen Krallen überall fest anzuhäkeln, so kann er das eben so gut.« – »Du bist wohl noch nie auf eine Falkenjagd mitgeritten?« fragte Otto. – »Es gehört zu den Vorurteilen des Ritterstandes«, entgegnete Tebaldo, »dergleichen für eine Ergötzlichkeit auszugeben.« – »Nein, sage das nicht«, rief Otto aus, »ein Leben ist’s, wie auf Himmel und Erden zugleich: über uns der geflügelte Jäger, unter uns ein windschnell jagendes Roß, durch die grünen Matten dahinwirbelnd, gedreht von der Eil das wolkige Zelt, der Lüfte freudiges Rauschen durch unser Haar, der Gesellen jubelnder Waldruf um uns her – und endlich bannt der zaubrische Falk seinen Feind, und in Kreisen wogt und schwebt und leuchtet er über ihm, und nun, und nun« –

Tebaldos Bogen klang, und Otto, aus seiner Rede aufgeschreckt, blickte umher, da schwebte eben der Edelfalke taumelnden Flugs, einen Bolzen in der Schwinge, stark blutend und ganz wie ohnmächtig nach der andern Seite des Waldes davon. – »Wer hieß dich verletzen, was mich freut?« rief der junge Ritter flammenden Blicks. – »War es denn Euer Falke?« fragte Tebaldo. »Und wenn Ihr die Tierlein alle gern hegt, wie Ihr vor kurzem spracht, so solltet Ihr froh sein, daß mein Schuß ein armes, scheues Gefieder errettet hat, welches sich jetzt eben vor dem hochmütigen Räuber in jenen Gebüschen barg.« »Du bist nicht zum Richter gesetzt über des Adlers Reich«, sagte Otto mißmutig, worauf Tebaldo entgegnete: »Doch immer eben so gut, als Ihr oder ein andrer zum Jäger darin.«

Die jungen Männer aber wurden in ihrem beginnenden Streit durch die Dazwischenkunft eines Dritten gestört.

Achtzehntes Kapitel

Auf schlankem silbergrauem Roß, in prächtiger Jagdkleidung, ein helles silbernes Jägerhorn an der Hüfte, hielt ein edler Waidmann von jugendlich schönem Ansehn unvermutet vor den beiden. Im selben Augenblicke, wo Otto den blutenden Falken an des Fremden Brust gelehnt erblickte, ward auch dieser das Geschoß in Tebaldos Hand gewahr, und wandte sich, man konnte wohl sehen mit mühsam gedämpfter Zornesglut, von dem Reisigen weg an den Ritter, sehr höflich sprechend: »Messire, wenn es Euch gefällt, Eure Leute in meinem Forste jagen zu lassen, so mutet Ihr freilich meiner Gastlichkeit nicht minder zu, als sie ganz von selbsten geneigt ist, jeglichem edlen Reisenden angedeihen zu lassen, aber ich muß Euch sehr bitten, in Zukunft ein so ritterliches Tier zu verschonen, als dieses hier.« Dabei streichelte er den wunden Vogel sehr zärtlich, und sagte ihm zwischendurch einige schmeichelnd beruhigende Worte, worüber er auch Ottos Entschuldigungen überhörte, die freilich nicht auf das beste zusammenhingen, weil der junge Ritter sehr verstört war, sowohl durch des schönen Falken Verletzung, als durch das wunderliche Betragen Tebaldos. Diesen aber hatte der Zwiespalt mit seinem Gefährten und der nicht zu Ende gesprochene Streit nur störriger gemacht; er trat keck vor den fremden Jäger hin, und sagte: »Es hat niemand anders den Vogel geschossen, als ich, und niemand anders hat auch darum Rede zu stehn.« – »Zurück, Tebaldo!« rief Otto. »Du scheinst nicht zu wissen, was du getan hast, den Forstbann eines edlen Herrn verletzend, und obendrein an einem so herrlichen Tiere.« – »O ich weiß, ich weiß schon!« erwiderte der erhitzte Italiener. »Die Fürsten und Ritter haben die Erde sich einander in kleine Stückchen abgeteilt, die ihnen ausschließend gehören, und wo jeder andre Mensch der ihm von Gott verliehenen Rechte über die Tiere des Feldes und über noch manches andre heilige Erbgut verlustig gehn soll. Verlustig gehn soll! sagte ich, ihr stolzen Herrn; versteht mich wohl, nicht eben immer verlustig geht. Denn wo meinesgleichen eintreffen, da hat es mit euern ärmlichen Gesetzlein soviel nicht zu sagen, und was Milano im ganzen tut, vermag jedweder Milaneser im einzelnen auch: die angeborne, rechte Freiheit behaupten, trotz Kaiser und König, trotz Herzog und Graf. Jetzt will ich mir hier noch einige Vögel schießen.« – Und damit machte er seine Armbrust von neuem zurecht. – »Ihr habt da einen sonderbaren Reisigen, Messire«, lächelte der fränkische Herr. Aber Otto, an der Wurzel seines ganzen ritterlichen Lebens verletzt, hatte schon die Armbrust mit unversehrter Stärke aus Tebaldos Hand gerissen, sie im Augenblicke zerbrechend, zertretend und ihre Stücke über die Wiese hin auseinanderstreuend. – »Das heißt ja nun wohl, in lautbare Worte übersetzt, ganz vollkommen: Ade?« fragte Tebaldo erbittert, und als sich der Ritter unwillig von ihm abwandte, ging er finster auf seinen Polacken zu, ihn aufzäumend und sattelnd. Der Streithengst trabte gleichfalls mit lustigem Wiehern heran, aber Tebaldo wehrte ihn ab, sprechend: »Ja, du willst mich wohl noch, aber dein Herr will mich nicht mehr, und so kannst du dich auch deiner Wege scheren.« – Der vielfach beleidigte Otto rief seinem Hengst, rüstete ihn, saß auf, und nahm mit großer Freundlichkeit die Einladung des edlen Jägers an, ihn auf sein naheliegendes Schloß zu begleiten, um dort in zahlreicher Rittergesellschaft alles Ärgers über diesen wunderlichen Vorfall zu vergessen. Tebaldo saß auch schon zu Roß, und ritt langsam und traurig fort, während Otto und der Fremde nach der entgegengesetzten Richtung aufbrachen. Da wieherten der Lichtbraune und der Polack, und wollten nach einander hin, aber ihre Reiter trieben sie den eingeschlagenen Weg entlängst, obgleich sie es selbst nicht lassen konnten, sich mit großer Wehmut nacheinander umzusehen.

Schon war Otto eine gute Strecke neben dem Fremden fortgeritten, da trabte es plötzlich hinter ihnen, und umschauend sahen sie, daß es Tebaldo war, der jedoch sein Roß anhielt, so wie nur Ottos Blick auf ihn traf, und mit einer ihm ganz ungewohnten Demut in deutscher Sprache ganz leise sagte: »Herr, ich glaube, ich hatte unrecht, und ich will gerne wieder mit.« – Da streckte Otto beide Arme nach ihm aus, und Tebaldo flog jubelnd heran, und während die Gefährten sich herzten und drückten, wieherten der Lichtbraune und der Goldgelbe lustig darein.

Als nun alle dreie mitsammen weiter ritten, gab der edle Jäger seine Freude über diese Versöhnung in recht innigen Worten zu erkennen, und sagte, es lohne wohl der Mühe, daß braver Ritter so bravem Reisigen was zugut halte, denn solch ein Bund halte manch Dutzend andrer Bündnisse, und sei es auch zwischen König und König, aus. Darauf fing er an, von seinem Falken die artigsten Dinge zu erzählen, und von den Falken überhaupt, und wie sie älter würden, als hundert Jahr, und man auf goldnen Halsbändern solch edler Tiere noch bei ihren Lebzeiten gefunden hätte, daß sie schon längst verblichner großer Helden Eigentum gewesen wären, und wie sie nach ihrer Herren Fall oft Land und Meer weitaus umzogen, wild bleibend, bis sie einen neuen Herren fänden, der des alten würdig sei. Tebaldo befreundete sich darüber ganz mit diesen ritterlichen Vögeln, und gab seine Reue, den edlen Flügeljäger eines solchen Herren verletzt zu haben, ganz unverhohlen kund.

In den ersten ruhigen Augenblicken aber hatte Otto alsbald bemerkt, daß der fränkische Waidmann der Freiherr Folko von Montfaucon sei, während dieser freilich in dem stattlichen, reichgeharnischten Rittersmann jenen vorlauten Knappen vom Donaustrande mit keinem Gedanken wiedererkennen konnte.

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