Kitabı oku: «Maria Stuart / Мария Стюарт», sayfa 4

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Achter Auftritt

Leicester. Mortimer.

Leicester (verwundert).

 
Was wandelte den Ritter an?
 

Mortimer.

 
Ich weiß es nicht – Das unerwartete
Vertrauen, das die Königin mir schenkt —
 

Leicester (ihn forschend ansehend).

 
Verdient Ihr, Ritter, daß man Euch vertraut?
 

Mortimer (ebenso).

 
Die Frage tu ich Euch, Mylord von Leicester.
 

Leicester.

 
Ihr hattet mir was in geheim zu sagen.
 

Mortimer.

 
Versichert mich erst, daß ich’s wagen darf.
 

Leicester.

 
Wer gibt mir die Versicherung für Euch?
– Laßt Euch mein Mißtraun nicht beleidigen!
Ich seh Euch zweierlei Gesichter zeigen
An diesem Hofe – Eins darunter ist
Notwendig falsch, doch welches ist das wahre?
 

Mortimer.

 
Es geht mir ebenso mit Euch, Graf Leicester.
 

Leicester.

 
Wer soll nun des Vertrauens Anfang machen?
 

Mortimer.

 
Wer das Geringere zu wagen hat.
 

Leicester.

 
Nun! Der seid Ihr!
 

Mortimer.

 
Ihr seid es! Euer Zeugnis,
Des vielbedeutenden, gewalt’gen Lords,
Kann mich zu Boden schlagen; meins vermag
Nichts gegen Euren Rang und Eure Gunst.
 

Leicester.

 
Ihr irrt Euch, Sir! In allem andern bin ich
Hier mächtig, nur in diesem zarten Punkt,
Den ich jetzt Eurer Treu’ preisgeben soll,
Bin ich der schwächste Mann an diesem Hof,
Und ein verächtlich Zeugnis kann mich stürzen.
 

Mortimer.

 
Wenn sich der allvermögende Lord Leicester
So tief zu mir herunterläßt, ein solch
Bekenntnis mir zu tun, so darf ich wohl
Ein wenig höher denken von mir selbst
Und ihm in Großmut ein Exempel geben.
 

Leicester.

 
Geht mir voran im Zutraun, ich will folgen.
 

Mortimer (den Brief schnell hervorziehend).

 
Dies sendet Euch die Königin von Schottland.
 

Leicester (schrickt zusammen und greift hastig darnach).

 
Sprecht leise, Sir – Was seh ich! Ach! Es ist
Ihr Bild!
 

(Küßt es und betrachtet es mit stummem Entzücken.)

Mortimer (der ihn während des Lesens scharf beobachtet).

 
Mylord, nun glaub ich Euch.
 

Leicester (nachdem er den Brief schnell durchlaufen).

 
Sir Mortimer! Ihr wißt des Briefes Inhalt?
 

Mortimer.

 
Nichts weiß ich.
 

Leicester.

 
Nun! Sie hat Euch ohne Zweifel
Vertraut —
 

Mortimer.

 
Sie hat mir nichts vertraut. Ihr würdet
Dies Rätsel mir erklären, sagte sie.
Ein Rätsel ist es mir, daß Graf von Leicester,
Der Günstling der Elisabeth, Mariens
Erklärter Feind und ihrer Richter einer,
Der Mann sein soll, von dem die Königin
In ihrem Unglück Rettung hofft – Und dennoch
Muß dem so sein, denn Eure Augen sprechen
Zu deutlich aus, was Ihr für sie empfindet.
 

Leicester.

 
Entdeckt mir selbst erst, wie es kommt, daß Ihr
Den feur’gen Anteil nehmt an ihrem Schicksal,
Und was Euch ihr Vertraun erwarb.
 

Mortimer.

 
Mylord,
Das kann ich Euch mit wenigem erklären.
Ich habe meinen Glauben abgeschworen
Zu Rom und steh im Bündnis mit den Guisen.
Ein Brief des Erzbischofs zu Reims hat mich
Beglaubigt bei der Königin von Schottland.
 

Leicester.

 
Ich weiß von Eurer Glaubensänderung,
Sie ist’s, die mein Vertrauen zu Euch weckte.
Gebt mir die Hand. Verzeiht mir meinen Zweifel.
Ich kann der Vorsicht nicht zu viel gebrauchen,
Denn Walsingham und Burleigh hassen mich,
Ich weiß, daß sie mir lauernd Netze stellen.
Ihr konntet ihr Geschöpf und Werkzeug sein,
Mich in das Garn zu ziehn —
 

Mortimer.

 
Wie kleine Schritte
Geht ein so großer Lord an diesem Hof!
Graf, ich beklag Euch!
 

Leicester.

 
Freudig werf ich mich
An die vertraute Freundesbrust, wo ich
Des langen Zwangs mich endlich kann entladen.
Ihr seid verwunder, Sir, daß ich so schnell
Das Herz geändert gegen die Maria.
Zwar in der Tat haßt’ ich sie nie – der Zwang
Der Zeiten machte mich zu ihrem Gegner.
Sie war mir zugedacht seit langen Jahren,
Ihr wißt’s, eh’ sie die Hand dem Darnley gab,
Als noch der Glanz der Hoheit sie umlachte.
Kalt stieß ich damals dieses Glück von mir;
Jetzt im Gefängnis, an des Todes Pforten
Such ich sie auf, und mit Gefahr des Lebens.
 

Mortimer.

 
Das heißt großmütig handeln!
 

Leicester.

 
– Die Gestalt
Der Dinge, Sir, hat sich indes verändert.
Mein Ehrgeiz war es, der mich gegen Jugend
Und Schönheit fühllos machte. Damals hielt ich
Mariens Hand für mich zu klein, ich hoffte
Auf den Besitz der Königin von England.
 

Mortimer.

 
Es ist bekannt, daß sie Euch allen Männern
Vorzog —
 

Leicester.

 
So schien es, edler Sir – und nun, nach zehn
Verlornen Jahren unverdroßnen Werbens,
Verhaßten Zwangs – O Sir, mein Herz geht auf!
Ich muß des langen Unmuts mich entladen —
Man preist mich glücklich – wüßte man, was es
Für Ketten sind, um die man mich beneidet —
Nachdem ich zehen bittre Jahre lang
Dem Götzen ihrer Eitelkeit geopfert,
Mich jedem Wechsel ihrer Sultanslaunen
Mit Sklavendemut unterwarf, das Spielzeug
Des kleinen grillenhaften Eigensinns,
Geliebkost jetzt von ihrer Zärtlichkeit
Und jetzt mit sprödem Stolz zurückgestoßen,
Von ihrer Gunst und Strenge gleich gepeinigt,
Wie ein Gefangener vom Argusblick
Der Eifersucht gehütet, ins Verhör
Genommen wie ein Knabe, wie ein Diener
Gescholten – o die Sprache hat kein Wort
Für diese Hölle —
 

Mortimer.

 
Ich beklag Euch, Graf.
 

Leicester.

 
Täuscht mich am Ziel der Preis! Ein andrer kommt,
Die Frucht des teuren Werbens mir zu rauben.
An einen jungen blühenden Gemahl
Verlier ich meine lang beseßnen Rechte,
Heruntersteigen soll ich von der Bühne,
Wo ich so lange als der Erste glänzte.
Nicht ihre Hand allein, auch ihre Gunst
Droht mir der neue Ankömmling zu rauben.
Sie ist ein Weib, und er ist liebenswert.
 

Mortimer.

 
Er ist Kathrinens Sohn. In guter Schule
Hat er des Schmeichelns Künste ausgelernt.
 

Leicester.

 
So stürzen meine Hoffnungen – ich suche
In diesem Schiffbruch meines Glücks ein Brett
Zu fassen – und mein Auge wendet sich
Der ersten schönen Hoffnung wieder zu.
Mariens Bild, in ihrer Reize Glanz,
Stand neu vor mir, Schönheit und Jugend traten
In ihre vollen Rechte wieder ein,
Nicht kalter Ehrgeiz mehr – das Herz verglich,
Und ich empfand, welch Kleinod ich verloren.
Mit Schrecken seh ich sie in tiefes Elend
Herabgestürzt, gestürzt durch mein Verschulden.
Da wird in mir die Hoffnung wach, ob ich
Sie jetzt noch retten könnte und besitzen.
Durch eine treue Hand gelingt es mir,
Ihr mein verändert Herz zu offenbaren,
Und dieser Brief, den Ihr mir überbracht,
Versichert mir, daß sie verzeiht, sich mir
Zum Preise schenken will, wenn ich sie rette.
 

Mortimer.

 
Ihr tatet aber nichts zu ihrer Rettung!
Ihr ließt geschehn, daß sie verurteilt wurde,
Gabt Eure Stimme selbst zu ihrem Tod!
Ein Wunder muß geschehn – Der Wahrheit Licht
Muß mich, den Neffen ihres Hüters, rühren,
Im Vatikan zu Rom muß ihr der Himmel
Den unverhofften Retter zubereiten,
Sonst fand sie nicht einmal den Weg zu Euch!
 

Leicester.

 
Ach, Sir, es hat mir Qualen g’nug gekostet!
Um selbe Zeit ward sie von Talbots Schloß’
Nach Fotheringhay weggeführt, der strengen
Gewahrsam Eures Oheims anvertraut.
Gehemmt ward jeder Weg zu ihr, ich mußte
Fortfahren vor der Welt, sie zu verfolgen.
Doch denket nicht, daß ich sie leidend hätte
Zum Tode gehen lassen! Nein, ich hoffe
Und hoffe noch, das Äußerste zu hindern,
Bis sich ein Mittel zeigt, sie zu befrein.
 

Mortimer.

 
Das ist gefunden – Leicester, Euer edles
Vertraun verdient Erwiderung. Ich will sie
Befreien, darum bin ich hier, die Anstalt
Ist schon getroffen, Euer mächt’ger Beistand
Versichert uns den glücklichen Erfolg.
 

Leicester.

 
Was sagt Ihr? Ihr erschreckt mich. Wie? Ihr wolltet —
 

Mortimer.

 
Gewaltsam auftun will ich ihren Kerker,
Ich hab Gefährten, alles ist bereit —
 

Leicester.

 
Ihr habt Mitwisser und Vertraute! Weh mir!
In welches Wagnis reißt Ihr mich hinein!
Und diese Wissen auch um mein Geheimnis?
 

Mortimer.

 
Sorgt nicht. Der Plan ward ohne Euch entworfen,
Ohn’ Euch wär’ er vollstreckt, bestünde sie
Nicht drauf, Euch ihre Rettung zu verdanken.
 

Leicester.

 
So könnt Ihr mich für ganz gewiss versichern,
Daß in dem Bund mein Name nicht genannt ist?
 

Mortimer.

 
Verlaßt Euch drauf! Wie? So bedenklich, Graf,
Bei einer Botschaft, die Euch Hilfe bringt!
Ihr wollt die Stuart retten und besitzen,
Ihr findet Freunde, plötzlich, unerwartet,
Vom Himmel fallen Euch die nächsten Mittel —
Doch zeigt Ihr mehr Verlegenheit als Freude?
 

Leicester.

 
Es ist nichts mit Gewalt. Das Wagestück
Ist zu gefährlich.
 

Mortimer.

 
Auch das Säumen ist’s!
 

Leicester.

 
Ich sag Euch, Ritter, es ist nicht zu wagen.
 

Mortimer (bitter).

 
Nein, nicht für Euch, der sie besitzen will!
Wir wollen sie bloß retten und sind nicht so
bedenklich —
 

Leicester.

 
Junger Mann, Ihr seid zu rasch
In so gefährlich dornenvoller Sache.
 

Mortimer.

 
Ihr – sehr bedacht in solchem Fall der Ehre.
 

Leicester.

 
Ich seh die Netze, die uns rings umgeben.
 

Mortimer.

 
Ich fühle Mut, sie alle zu durchreißen.
 

Leicester.

 
Tollkühnheit, Raserei ist dieser Mut.
 

Mortimer.

 
Nicht Tapferkeit ist diese Klugheit, Lord.
 

Leicester.

 
Euch lüstet’s wohl, wie Babington zu enden?
 

Mortimer.

 
Euch nicht, des Norfolks Großmut nachzuahmen.
 

Leicester.

 
Norfolk hat seine Braut nicht heimgeführt.
 

Mortimer.

 
Er hat bewiesen, daß er’s würdig war.
 

Leicester.

 
Wenn wir verderben, reißen wie sie nach.
 

Mortimer.

 
Wenn wir uns schonen, wird sie nicht gerettet.
 

Leicester.

 
Ihr überlegt nicht, hört nicht, werdet alles
Mit heftig blindem Ungstüm zerstören,
Was auf so guten Weg geleitet war.
 

Mortimer.

 
Wohl auf den guten Weg, den Ihr gebahnt?
Was habt Ihr denn getan, um sie zu retten?
– Und wie? Wenn ich nun Bub g’nug gewesen,
Sie zu ermorden, wie die Königin
Mir anbefahl, wie sie zu dieser Stunde
Vor mir erwartet – Nennt mir doch die Anstalt,
Die Ihr gemacht, ihr Leben zu erhalten.
 

Leicester (erstaunt).

 
Gab Euch die Königin diesen Blutbefehl?
 

Mortimer.

 
Sie irrte sich in mir, wie sich Maria
In Euch.
 

Leicester.

 
Und Ihr habt zugesagt? Habt Ihr?
 

Mortimer.

 
Damit sie andre Hände nicht erkaufe,
Bot ich die meinen an.
 

Leicester.

 
Ihr tatet wohl.
Dies kann uns Raum verschaffen. Sie verläßt sich
Auf Euren blut’gen Dienst, das Todesurteil
Bleibt unvollstreckt, und wir gewinnen Zeit —
 

Mortimer (ungeduldig).

 
Nein, wir verlieren Zeit!
 

Leicester.

 
Sie zählt auf Euch,
So minder wird sie Anstand nehmen, sich
Den Schein der Gnade vor der Welt zu geben.
Vielleicht, daß ich durch List sie überrede,
Das Angesicht der Gegnerin zu sehn,
Und dieser Schritt muß ihr die Hände binden.
Burleigh hat Recht. Das Urteil kann nicht mehr
Vollzogen werden, wenn sie sie gesehn.
– Ja, ich versuch es, alles biet ich auf —
 

Mortimer.

 
Und was erreicht Ihr dadurch? Wenn sie sich
In mir getäuscht sieht, wenn Maria fortfährt,
Zu leben – Ist nicht alles wie zuvor?
Frei wird sie niemals! Auch das Mildeste,
Was kommen kann, ist ewiges Gefängnis.
Mit einer kühnen Tat müßt Ihr doch enden,
Warum wollt Ihr nicht gleich damit beginnen?
In Euren Händen ist die Macht, Ihr bringt
Ein Heer zusammen, wenn Ihr nur den Adel
Auf Euren vielen Schlössern waffnen wollt!
Maria hat noch viel verborgne Freunde;
Der Howard und der Percy edle Häuser,
Ob ihre Häupter gleich gestürzt, sind noch
An Helden reich, sie harren nur darauf,
Daß ein gewalt’ger Lord das Beispiel gebe!
Weg mit Verstelllung! Handelt öffentlich!
Verteidigt als ein Ritter die Geliebte,
Kämpft einen edeln Kampf um sie. Ihr seid
Herr der Person der Königin von England,
Sobald Ihr wollt. Lockt sie auf Eure Schlösser,
Sie ist Euch oft dahin gefolgt. Dort zeigt ihr
Den Mann! Sprecht als Gebieter! Haltet sie
Verwahrt, bis die Stuart freigegeben!
 

Leicester.

 
Ich staune, ich entsetze mich – Wohin
Reißt Euch der Schwindel? – Kennt Ihr diesen Boden?
Wißt Ihr, wie’s steht an diesem Hof, wie eng
Dies Frauenreich die Geister hat gebunden?
Sucht nach dem Heldengeist, der ehemals wohl
In diesem Land sich regte – Unterworfen
Ist alles, unterm Schlüssel eines Weibes,
Und jedes Mutes Federn abgespannt.
Folgt meiner Leitung. Wagt nichts unbedachtsam.
– Ich höre kommen, geht.Я
 

Mortimer.

 
Maria hofft!
Kehr ich mit leerem Trost zu ihr zurück?
 

Leicester.

 
Bringt ihr die Schwüre meiner ew’gen Liebe!
 

Mortimer.

 
Bringt Ihr die selbst! Zum Werkzeug ihrer Rettung
Bot ich mich an, nicht Euch zum Liebesboten!
 

(Er geht ab.)

Neunter Auftritt

Elisabeth. Leicester.

Elisabeth.

 
Wer ging da von Euch weg? Ich hörte sprechen.
 

Leicester (sich auf ihre Rede schnell und erschrocken umwendend).

 
Es war Sir Mortimer.
 

Elisabeth.

 
Was ist Euch, Lord?
So ganz betreten?
 

Leicester (faßt sich).

 
– Über deinen Anblick!
Ich habe dich so reizend nie gesehn,
Geblendet steh ich da von deiner Schönheit.
– Ach!
 

Elisabeth.

 
Warum seufzt Ihr?
 

Leicester.

 
Hab ich keinen Grund,
Zu seufzen? Da ich deinen Reiz betrachte,
Erneut sich mir der namenlose Schmerz
Des drohenden Verlustes.
 

Elisabeth.

 
Was verliert Ihr?
 

Leicester.

 
Dein Herz, dein liebenswürdig Selbst verlier ich.
Bald wirst du in den jugendlichen Armen
Des feurigen Gemahls dich glücklich fühlen,
Und ungeteilt wird er dein Herz besitzen.
Er ist von königlichem Blut, das bin
Ich nicht, doch Trotz sei aller Welt geboten,
Ob einer lebt auf diesem Erdenrund,
Der mehr Anbetung für dich fühlt als ich.
Der Duc von Anjou hat dich nie gesehn,
Nur deinen Ruhm und Schimmer kann er lieben.
Ich liebe dich. Wärst du die ärmste Hirtin,
Ich als der größte Fürst der Welt geboren,
Zu deinem Stand würd’ ich heruntersteigen,
Mein Diadem zu deinen Füßen legen.
 

Elisabeth.

 
Beklag mich, Dudley, schilt mich nicht – Ich darf ja
Mein Herz nicht fragen. Ach! das hätte anders
Gewählt. Und wie beneid ich andre Weiber,
Die das erhöhen dürfen, was sie lieben.
So glücklich bin ich nicht, daß ich dem Manne,
Der mir vor allen teuer ist, die Krone
Aufsetzen kann! – Der Stuart ward’s vergönnt,
Die Hand nach ihrer Neigung zu verschenken;
Die hat sich jegliches erlaubt, sie hat
Den vollen Kelch der Freuden ausgetrunken.
 

Leicester.

 
Jetzt trinkt sie auch den bittern Kelch des Leidens.
 

Elisabeth.

 
Sie hat der Menschen Urteil nichts geachtet.
Leicht wurd’ es ihr, zu leben, nimmer lud sie
Das Joch sich auf, dem ich mich unterwarf.
Hätt’ ich doch auch Ansprüche machen können,
Des Lebens mich, der Erde Lust zu freun,
Doch zog ich strenge Königspflichten vor.
Und doch gewann sie aller Männer Gunst,
Weil sie sich nur befliß, ein Weib zu sein,
Und um sie buhlt die Jugend und das Alter.
So sind die Männer. Lüstlinge sind sie alle!
Dem Leichtsinn eilen sie, der Freude zu
Und schätzen nichts, was sie verehren müssen.
Verjüngte sich nicht dieser Talbot selbst,
Als er auf ihren Reiz zu reden kam!
 

Leicester.

 
Vergib es ihm. Er war ihr Wächter einst,
Die List’ge hat mit Schmeicheln ihn betört.
 

Elisabeth.

 
Und ist’s denn wirklich wahr, daß sie so schön ist?
So oft mußt’ ich die Larve rühmen hören,
Wohl möcht’ ich wissen, was zu glauben ist.
Gemälde schmeicheln, Schilderungen lügen,
Nur meinen eignen Augen würd’ ich traun.
– Was schaut ihr mich so seltsam an?
 

Leicester.

 
Ich stellte
Dich in Gedanken neben die Maria.
– Die Freude wünscht’ ich mir, ich berg es nicht,
Wenn es ganz in geheim geschehen könnte,
Der Stuart gegenüber dich zu sehn!
Dann solltest du erst deines ganzen Siegs
Genießen! Die Beschämung gönnt’ ich ihr,
Daß sie mit eignen Augen – denn der Neid
Hat scharfe Augen – überzeugt sich sähe,
Wie sehr sie auch an Adel der Gestalt
Vor dir besiegt wird, der sie so unendlich
In jeder andern würd’gen Tugend weicht.
 

Elisabeth.

 
Sie ist die Jüngere an Jahren.
 

Leicester.

 
Jünger!
Man sieht’s ihr nicht an. Freilich ihre Leiden!
Sie mag wohl vor der Zeit gealtert haben.
Ja, und was ihre Kränkung bittrer macht,
Das wäre, dich als Braut zu sehn! Sie hat
Des Lebens schöne Hoffnung hinter sich —
Dich sähe sie dem Glück engegenschreiten
Und als die Braut des Königssohns von Frankreich,
Da sie sich stets so viel gewußt, so stolz
Getan mit der französischen Vermählung,
Noch jetzt auf Frankreichs mächt’ge Hilfe pocht!
 

Elisabeth (nachlässig hinwerfend).

 
Man peinigt mich ja, sie zu sehn.
 

Leicester (lebhaft).

 
Sie fordert’s
Als eine Gunst, gewähr es ihr als Strafe!
Du kannst sie auf das Blutgerüste führen,
Es wird sie minder peinigen, als sich
Von deinen Reizen ausgelöscht zu sehn.
Dadurch ermordest du sie, wie sie dich
Ermorden wollte – Wenn sie deine Schönheit
Erblickt, durch Ehrbarkeit bewacht, in Glorie
Gestellt, durch einen unbefleckten Tugendruf,
Den sie, leichtsinnig buhlend, von sich warf,
Erhoben durch der Krone Glanz und jetzt
Durch zarte Bräutlichkeit geschmückt – dann hat
Die Stunde der Vernichtung ihr geschlagen.
Ja – wenn ich jetzt die Augen auf dich werfe —
Nie warst du, nie zu einem Sieg der Schönheit
Gerüsteter als eben jetzt – Mich selbst
Hast du umstrahlt wie eine Lichterscheinung,
Als du vorhin ins Zimmer tratest – Wie?
Wenn du gleich jetzt, jetzt wie du bist, hinträtest
Vor sie, du findest keine schönre Stunde —
 

Elisabeth.

 
Jetzt – Nein – Nein – Jetzt nicht, Leicester —
Nein, das muß ich
Erst wohl bedenken – mich mit Burleigh —
 

Leicester (lebhaft einfallend).

 
Burleigh!
Der denkt allein auf deinen Staatsvorteil;
Auch deine Weiblichkeit hat ihre Rechte,
Der zarte Punkt gehört vor dein Gericht,
Nicht vor des Staatsmanns – ja auch Staatskunst will es,
Daß du sie siehst, die öffentliche Meinung
Durch eine Tat der Großmut dir gewinnest!
Magst du nachher dich der verhaßten Feindin,
Auf welche Weise dir’s gefällt, entladen.
 

Elisabeth.

 
Nicht wohlanständig wär’ mir’s, die Verwandte
Im Mangel und in Schmach zu sehn. Man sagt,
Daß sie nicht königlich umgeben sei —
Vorwerfend wär’ mir ihres Mangels Anblick.
 

Leicester.

 
Nicht ihrer Schwelle brauchst du dich zu nahn.
Hör meinen Rat. Der Zufall hat es eben
Nach Wunsch gefügt. Heut ist das große Jagen,
An Fotheringhay führt der Weg vorbei,
Dort kann die Stuart sich im Park ergehn,
Du kommst ganz wie von ohngefähr dahin,
Es darf nichts als vorherbedacht erscheinen,
Und wenn es dir zuwider, redest du
Sie gar nicht an —
 

Elisabeth.

 
Begeh ich eine Torheit,
So ist es Eure, Leicester, nicht die meine.
Ich will Euch heute keinen Wunsch versagen,
Weil ich von meinen Untertanen allen
Euch heut am wehesten getan.
 

(Ihn zärtlich ansehend.)

 
Sei’s eine Grille nur von Euch. Dadurch
Gibt Neigung sich ja kund, daß sie bewilligt
Aus freier Gunst, was sie auch nicht gebilligt.
 

(Leicester stürzt zu ihren Füßen, der Vorhang fällt.)

Dritter Aufzug

Gegend in einem Park. Vorn mit Bäumen besetzt, hinten eine weite Aussicht.

Erster Auftritt

Maria tritt in schnellem Lauf hinter Bäumen hervor. Hanna Kennedy folgt langsam.

Kennedy.

 
Ihr eilet ja, als wenn Ihr Flügel hättet,
So kann ich Euch nicht folgen, wartet doch!
 

Maria.

 
Laß mich der neuen Freiheit genießen,
Laß mich ein Kind sein, sei es mit!
Und auf dem grünen Teppich der Wiesen
Prüfen den leichten, geflügelten Schritt.
Bin ich dem finstern Gefängnis entstiegen,
Hält sie mich nicht mehr, die traurige Gruft?
Laß mich in vollen, in durstigen Zügen
Trinken die freie, die himmlische Luft.
 

Kennedy.

 
O meine teure Lady! Euer Kerker
Ist nur um ein klein weniges erweitert.
Ihr sehr nur nicht die Mauer, die uns einschließt,
Weil sie der Bäume dicht Gesträuch versteckt.
 

Maria.

 
O Dank, Dank diesen freundlich grünen Bäumen,
Die meines Kerkers Mauern mir verstecken!
Ich will mich frei und glücklich träumen,
Warum aus meinem süßen Wahn mich wecken?
Umfängt mich nicht der weite Himmelsschoß?
Die Blicke, frei und fessellos,
Ergehen sich in ungemeßnen Räumen.
Dort, wo die grauen Nebelberge ragen,
Fängt meines Reiches Grenze an,
Und diese Wolken, die nach Mittag jagen,
Sie suchen Frankreichs fernen Ozean.
Eilende Wolken! Segler der Lüfte!
Wer mit euch wanderte, mit euch schiffte!
Grüßet mir freundlich mein Jugenland!
Ich bin gefangen, ich bin in Banden,
Ach, ich hab keinen andern Gesandten!
Frei in Lüften ist euren Bahn,
Ihr seid nicht dieser Königin untertan.
 

Kennedy.

 
Ach, teure Lady! Ihr seid außer Euch,
Die langentbehrte Freiheit macht Euch schwärmen.
 

Maria.

 
Dort legt ein Fischer den Nachen an!
Diesen elende Werkzeug könnte mich retten,
Brächte mich schnell zu befreundeten Städten.
Spärlich nährt es den dürftigen Mann.
Beladen wollt’ ich ihn reich mit Schätzen,
Einen Zug sollt’ er tun, wie er keinen getan,
Das Glück sollt’ er finden in seinen Netzen,
Nähm er mich ein in den rettenden Kahn.
 

Kennedy.

 
Verlorne Wünsche! Seht Ihr nicht, daß uns
Von ferne dort die Spähertritte folgen?
Ein finster grausames Verbot scheucht jedes
Mitleidige Geschöpf aus unserm Wege.
 

Maria.

 
Nein, gute Hanna. Glaub mir, nicht umsonst
Ist meines Kerkers Tor geöffnet worden.
Die kleine Gunst ist mir des größern Glücks
Verkünderin. Ich irre nicht. Es ist
Der Liebe tät’ge Hand, der ich sie danke.
Lord Leicesters mächt’gen Arm erkenn ich drin.
Allmählich will man mein Gefängnis weiten,
Durch Kleineres zum Größern mich gewöhnen,
Bis ich das Antlitz dessen endlich schaue,
Der mir die Bande löst auf immerdar.
 

Kennedy.

 
Ach, ich kann diesen Widerspruch nicht reimen!
Noch gestern kündigt man den Tod Euch an,
Und heute wird Euch plötzlich solche Freiheit.
Auch denen, hört’ ich sagen, wird die Kette
Gelöst, auf die die ew’ge Freiheit wartet.
 

Maria.

 
Hörst du das Hifthorn? Hörst du’s klingen,
Mächtigen Rufes, durch Feld und Hain?
Ach, auf das mutige Roß mich zu schwingen,
An den fröhlichen Zug mich zu reihn!
Noch mehr! O die bekannte Stimme,
Schmerzlich süßer Erinnerung voll.
Oft vernahm sie mein Ohr mit Freuden,
Auf den Hochlands bergichten Heiden,
Wenn die tobende Jagd erscholl.
 

Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
06 aralık 2024
Yazıldığı tarih:
1801
Hacim:
261 s. 3 illüstrasyon
ISBN:
978-5-17-165489-4
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