Wallenstein. Terzky. Gleich darauf Illo.
Max Piccolomini verließ dich eben?
Wo ist der Wrangel?
Fort ist er.
So eilig?
Es war, als ob die Erd' ihn eingeschluckt.
Er war kaum von dir weg, als ich ihm nachging,
Ich hatt' ihn noch zu sprechen, doch – weg war er,
Und niemand wußte mir von ihm zu sagen.
Ich glaub, es ist der Schwarze selbst gewesen,
Ein Mensch kann nicht auf einmal so verschwinden.
Ist's wahr, daß du den Alten willst verschicken?
Wie? Den Octavio! Wo denkst du hin?
Er geht nach Frauenberg, die spanischen
Und welschen Regimenter anzuführen.
Das wolle Gott nicht, daß du das vollbringst!
Dem Falschen willst du Kriegsvolk anvertrauen?
Ihn aus den Augen lassen, grade jetzt,
In diesem Augenblicke der Entscheidung?
Das wirst du nicht tun. Nein, um alles nicht!
Seltsame Menschen seid ihr.
Oh! nur diesmal
Gib unsrer Warnung nach. Laß ihn nicht fort.
Und warum soll ich ihm dies eine Mal
Nicht trauen, da ich's stets getan? Was ist geschehn,
Das ihn um meine gute Meinung brächte?
Aus eurer Grille, nicht der meinen, soll ich
Mein alt erprobtes Urteil von ihm ändern?
Denkt nicht, daß ich ein Weib sei. Weil ich ihm
Getraut bis heut, will ich auch heut ihm trauen.
Muß es denn der just sein? Schick einen andern.
Der muß es sein, den hab ich mir erlesen.
Er taugt zu dem Geschäft, drum gab ich's ihm.
Weil er ein Welscher ist, drum taugt er dir.
Weiß wohl, ihr wart den beiden nie gewogen,
Weil ich sie achte, liebe, euch und andern
Vorziehe, sichtbarlich, wie sie's verdienen,
Drum sind sie euch ein Dorn im Auge! Was
Geht euer Neid mich an und mein Geschäft?
Daß ihr sie haßt, das macht sie mir nicht schlechter.
Liebt oder haßt einander, wie ihr wollt,
Ich lasse jedem seinen Sinn und Neigung,
Weiß doch, was mir ein jeder von euch gilt.
Er geht nicht ab – müßt' ich die Räder ihm am Wagen
Zerschmettern lassen.
Mäßige dich, Illo!
Der Questenberger, als er hier gewesen,
Hat stets zusammen auch gesteckt mit ihm.
Geschah mit meinem Wissen und Erlaubnis.
Und daß geheime Boten an ihn kommen
Vom Gallas, weiß ich auch.
Das ist nicht wahr.
Oh! du bist blind mit deinen sehenden Augen!
Du wirst mir meinen Glauben nicht erschüttern,
Der auf die tiefste Wissenschaft sich baut.
Lügt er, dann ist die ganze Sternkunst Lüge.
Denn wißt, ich hab ein Pfand vom Schicksal selbst,
Daß er der treuste ist von meinen Freunden.
Hast du auch eins, daß jenes Pfand nicht lüge?
Es gibt im Menschenleben Augenblicke,
Wo er dem Weltgeist näher ist als sonst
Und eine Frage frei hat an das Schicksal.
Solch ein Moment war's, als ich in der Nacht,
Die vor der Lützner Aktion vorherging,
Gedankenvoll an einen Baum gelehnt,
Hinaussah in die Ebene. Die Feuer
Des Lagers brannten düster durch den Nebel,
Der Waffen dumpfes Rauschen unterbrach,
Der Runden Ruf einförmig nur die Stille.
Mein ganzes Leben ging, vergangenes
Und künftiges, in diesem Augenblick
An meinem inneren Gesicht vorüber,
Und an des nächsten Morgens Schicksal knüpfte
Der ahnungsvolle Geist die fernste Zukunft.
Da sagt' ich also zu mir selbst: " So vielen
Gebietest du! Sie folgen deinen Sternen
Und setzen, wie auf eine große Nummer,
Ihr Alles auf dein einzig Haupt und sind
In deines Glückes Schiff mit dir gestiegen.
Doch kommen wird der Tag, wo diese alle
Das Schicksal wieder auseinanderstreut,
Nur wen'ge werden treu bei dir verharren.
Den möcht' ich wissen, der der Treuste mir
Von allen ist, die dieses Lager einschließt.
Gib mir ein Zeichen, Schicksal! Der soll's sein,
Der an dem nächsten Morgen mir zuerst
Entgegenkommt mit einem Liebeszeichen".
Und dieses bei mir denkend, schlief ich ein.
Und mitten in die Schlacht ward ich geführt
Im Geist. Groß war der Drang. Mir tötete
Ein Schuß das Pferd, ich sank, und über mir
Hinweg, gleichgültig, setzten Roß und Reiter,
Und keuchend lag ich, wie ein Sterbender,
Zertreten unter ihrer Hufe Schlag.
Da faßte plötzlich hilfreich mich ein Arm,
Es war Octavio – und schnell erwach ich,
Tag war es, und – Octavio stand vor mir.
"Mein Bruder", sprach er, "reite heute nicht
Den Schecken, wie du pflegst. Besteige lieber
Das sichre Tier, das ich dir ausgesucht.
Tu's mir zu Lieb'. Es warnte mich ein Traum."
Und dieses Tieres Schnelligkeit entriß
Mich Banniers verfolgenden Dragonern.
Mein Vetter ritt den Schecken an dem Tag,
Und Roß und Reiter sah ich niemals wieder.
Das war ein Zufall.
Es gibt keinen Zufall;
Und was uns blindes Ohngefähr nur dünkt,
Gerade das steigt aus den tiefsten Quellen.
Versiegelt hab ich's und verbrieft, daß er
Mein guter Engel ist, und nun kein Wort mehr!
(Er geht.)
Das ist mein Trost, der Max bleibt uns als Geisel.
Und der soll mir nicht lebend hier vom Platze.
Seid ihr nicht wie die Weiber, die beständig
Zurück nur kommen auf ihr erstes Wort,
Wenn man Vernunft gesprochen stundenlang!
– Des Menschen Taten und Gedanken, wißt!
Sind nicht wie Meeres blind bewegte Wellen.
Die innre Welt, sein Mikrokosmus, ist
Der tiefe Schacht, aus dem sie ewig quellen.
Sie sind notwendig, wie des Baumes Frucht,
Sie kann der Zufall gaukelnd nicht verwandeln.
Hab ich des Menschen Kern erst untersucht,
So weiß ich auch sein Wollen und sein Handeln.
(Gehen ab.)
Zimmer in Piccolominis Wohnung.
Octavio Piccolomini reisefertig. Ein Adjutant.
Ist das Kommando da?
Es wartet unten.
Es sind doch sichre Leute, Adjutant?
Aus welchem Regimente nahmt Ihr sie?
Von Tiefenbach.
Dies Regiment ist treu.
Laßt sie im Hinterhof sich ruhighalten,
Sich niemand zeigen, bis Ihr klingeln hört;
Dann wird das Haus geschlossen, scharf bewacht,
Und jeder, den Ihr antrefft, bleibt verhaftet.
(Adjutant ab.)
Zwar hoff ich, es bedarf nicht ihres Dienstes,
Denn meines Kalkuls halt ich mich gewiß.
Doch es gilt Kaisers Dienst, das Spiel ist groß,
Und besser zu viel Vorsicht als zu wenig.
Octavio Piccolomini. Isolani tritt herein.
Hier bin ich – Nun! wer kommt noch von den andern?
Vorerst ein Wort mit Euch, Graf Isolani.
Soll's losgehn? Will der Fürst was unternehmen?
Mir dürft Ihr trauen. Setzt mich auf die Probe.
Das kann geschehn.
Herr Bruder, ich bin nicht
Von denen, die mit Worten tapfer sind
Und, kommt's zur Tat, das Weite schimpflich suchen.
Der Herzog hat als Freund an mir getan,
Weiß Gott, so ist's! Ich bin ihm alles schuldig.
Auf meine Treue kann er baun.
Es wird sich zeigen.
Nehmt Euch in acht. Nicht alle denken so.
Es halten's hier noch viele mit dem Hof
Und meinen, daß die Unterschrift von neulich,
Die abgestohlne, sie zu nichts verbinde.
So? Nennt mir doch die Herren, die das meinen.
Zum Henker! Alle Deutschen sprechen so.
Auch Esterhazy, Kaunitz, Deodat
Erklären jetzt, man müss' dem Hof gehorchen.
Das freut micht.
Freut Euch?
Daß der Kaiser noch
So gute Freunde hat und wackre Diener.
Spaßt nicht. Es sind nicht eben schlechte Männer.
Gewiß nicht. Gott verhüte, daß ich spaße!
Sehr ernstlich freut es mich, die gute Sache
So stark zu sehn.
Was Teufel! Wie ist das?
Seid Ihr denn nicht? – Warum bin ich denn hier?
Euch zu erklären, rund und nett, ob Ihr
Ein Freund wollt heißen oder Feind des Kaisers.
Darüber werd ich dem Erklärung geben,
Dem's zukommt, diese Frag' an mich zu tun.
Ob mir das zukommt, mag dies Blatt Euch lehren.
Wa – was? Das ist des Kaisers Hand und Siegel.
(Liest.)
"Als werden sämtliche Hauptleute unsrer
Armee der Ordre unsers lieben, treuen,
Des Generalleutnant Piccolomini,
Wie unsrer eignen" – Hum – Ja – So – Ja, ja!
Ich – mach Euch meinen Glückwunsch, Generalleutnant.
Ihr unterwerft Euch dem Befehl?
Ich – aber
Ihr überrascht mich auch so schnell – Man wird
Mir doch Bedenkzeit, hoff ich —
Zwei Minuten.
Mein Gott, der Fall ist aber —
Klar und einfach.
Ihr sollt erklären, ob Ihr Euren Herrn
Verraten wollet oder treu ihm dienen.
Verrat – Mein Gott – Wer spricht denn von Verrat?
Das ist der Fall. Der Fürst ist ein Verräter,
Will die Armee zum Feind hinüberführen.
Erklärt Euch kurz und gut. Wollt Ihr dem Kaiser
Abschwören? Euch dem Feind verkaufen? Wollt Ihr?
Was denkt Ihr? Ich des Kaisers Majestät
Abschwören? Sagt' ich so? Wann hätt' ich das
Gesagt?
Noch habt Ihr's nicht gesagt. Noch nicht.
Ich warte drauf, ob Ihr es werdet sagen.
Nun seht, das ist mir lieb, daß Ihr mir selbst
Bezeugt, ich habe so was nicht gesagt.
Ihr sagt Euch also von dem Fürsten los?
Spinnt er Verrat – Verrat trennt alle Bande.
Und seid entschlossen, gegen ihn zu fechten?
Er tat mir Gutes – doch wenn er ein Schelm ist,
Verdamm' ihn Gott! die Rechnung ist zerrissen.
Mich freut's, daß Ihr in gutem Euch gefügt.
Heut nacht in aller Stille brecht Ihr auf
Mit allen leichten Truppen; es muß scheinen,
Als käm' die Ordre von dem Herzog selbst.
Zu Frauenberg ist der Versammlungsplatz,
Dort gibt Euch Gallas weitere Befehle.
Es soll geschehn. Gedenkt mir's aber auch
Beim Kaiser, wie bereit Ihr mich gefunden.
Ich werd es rühmen.
(Isolani geht. Es kommt ein Bedienter.)
Oberst Buttler? Gut.
Vergebt mir auch mein barsches Wesen, Alter.
Herr Gott! Wie konnt' ich wissen, welch große
Person ich vor mir hatte!
Laßt das gut sein.
Ich bin ein lust'ger alter Knab', und wär'
Mir auch ein rasches Wörtlein übern Hof
Entschlüpft zuweilen, in der Lust des Weins,
Ihr wißt ja, bös war's nicht gemeint.
(Geht ab.)
Macht Euch
Darüber keine Sorge! – Das gelang!
Glück, sei uns auch so günstig bei den andern!
Octavio Piccolomini. Buttler.
Ich bin zu Eurer Ordre, Generalleutnant.
Seid mir als werter Gast und Freund willkommen.
Zu große Ehr' für mich.
Ihr habt die Neigung nicht erwidert,
Womit ich gestern Euch entgegenkam.
Wohl gar als leere Formel sie verkannt.
Von Herzen ging mir jener Wunsch, es war
Mir Ernst um Euch, denn eine Zeit ist jetzt,
Wo sich die Guten eng verbinden sollten.
Die Gleichgesinnten können es allein.
Und alle Guten nenn ich gleichgesinnt.
Dem Menschen bring ich nur die Tat in Rechnung,
Wozu ihn ruhig der Charakter treibt;
Denn blinder Mißverständnisse Gewalt
Drängt oft den Besten aus dem rechten Gleise.
Ihr kamt durch Frauenberg. Hat Euch Graf Gallas
Nichts anvertraut? Sagt mir's. Er ist mein Freund.
Er hat verlorne Worte nur gesprochen.
Das hör ich ungern, denn sein Rat war gut.
Und einen gleichen hätt' ich Euch zu geben.
Spart Euch die Müh – mir die Verlegenheit,
So schlecht die gute Meinung zu verdienen.
Die Zeit ist teuer, laßt uns offen reden.
Ihr wißt, wie hier die Sachen stehn. Der Herzog
Sinnt auf Verrat, ich kann Euch mehr noch sagen,
Er hat ihn schon vollführt; geschlossen ist
Das Bündnis mit dem Feind vor wen'gen Stunden.
Nach Prag und Eger reiten schon die Boten,
Und morgen will er zu dem Feind uns führen.
Doch er betrügt sich, denn die Klugheit wacht,
Noch treue Freunde leben hier dem Kaiser,
Und mächtig steht ihr unsichtbarer Bund.
Dies Manifest erklärt ihn in die Acht,
Spricht los das Heer von des Gehorsams Pflichten,
Und alle Gutgesinnten ruft es auf,
Sich unter meiner Führung zu versammeln.
Nun wählt, ob Ihr mit uns die gute Sache,
Mit ihm der Bösen böses Los wollt teilen?
Sein Los ist meines.
Ist das Euer letzter
Entschluß?
Er ist's.
Bedenkt Euch, Oberst Buttler.
Noch habt Ihr Zeit. In meiner treuen Brust
Begraben bleibt das raschgesprochne Wort.
Nehmt es zurück. Wählt eine bessere
Partei. Ihr habt die gute nicht ergriffen.
Befehlt Ihr sonst nocht etwas, Generalleutnant?
Seht Eure weißen Haare! Nehmt's zurück.
Lebt wohl!
Was? Diesen guten, tapfern Degen
Wollt Ihr in solchem Streite ziehen? Wollt
In Fluch den Dank verwandeln, den Ihr Euch
Durch vierzigjähr'ge Treu verdient um Östreich?
Dank vom Haus Östreich!
(Er will gehen.)
Buttler!
Was beliebt?
Wie war es mit dem Grafen?
Grafen! Was?
Dem Grafentitel, mein ich.
Tod und Teufel!
Ihr suchtet darum nach. Man wies Euch ab.
Nicht ungestraft sollt Ihr mich höhnen. Zieht!
Steckt ein. Sagt ruhig, wie es damit ging. Ich will
Genugtuung nachher Euch nicht verweigern.
Mag alle Welt doch um die Schwachheit wissen,
Die ich mir selbst nie verzeihen kann!
– Ja! Generalleutnant, ich besitze Ehrgeiz,
Verachtung hab ich nie ertragen können.
Es tat mir wehe, daß Geburt und Titel
Bei der Armee mehr galten als Verdienst.
Nicht schlechter wollt' ich sein als meinesgleichen,
So ließ ich mich in unglücksel'ger Stunde
Zu jenem Schritt verleiten – Es war Torheit!
Doch nicht verdient' ich, sie so hart zu büßen!
– Versagen konnte man's – Warum die Weigerung
Mit dieser kränkenden Verachtung schärfen,
Den alten Mann, den treu bewährten Diener
Mit schwerem Hohn zermalmend niederschlagen,
An seiner Herkunft Schmach so rauh ihn mahnen,
Weil er in schwacher Stunde sich vergaß!
Doch einen Stachel gab Natur dem Wurm,
Den Willkür übermütig spielend tritt —
Ihr müßt verleumdet sein. Vermutet Ihr
Den Feind, der Euch den schlimmen Dienst geleistet?
Sei's, wer es will! Ein niederträcht'ger Bube,
Ein Höfling muß es sein, ein Spanier,
Der Junker irgend eines alten Hauses,
Dem ich im Licht mag stehn, ein neid'scher Schurke,
Den meine selbstverdiente Würde kränkt.
Sagt. Billigte der Herzog jenen Schritt?
Er trieb mich dazu an, verwendete
Sich selbst für micht, mit edler Freundeswärme.
So? Wißt ihr das gewiß?
Ich las den Brief.
Ich auch – doch anders lautete sein Inhalt.
(Buttler wird betroffen.)
Durch Zufall bin ich im Besitz des Briefs,
Kann Euch durch eignen Anblick überführen.
(Er gibt ihm den Brief.)
Ha! was ist das?
Ich fürchte, Oberst Buttler,
Man hat mit Euch ein schändlich Spiel getrieben.
Der Herzog, sagt Ihr, trieb Euch zu dem Schritt? —
In diesem Briefe spricht er mit Verachtung
Von Euch, rät dem Minister, Euren Dünkel,
Wie er ihn nennt, zu züchtigen.
(Buttler hat den Brief gelesen, seine Knie zittern, er greift nach einem Stuhl, setzt sich nieder.)
Kein Feind verfolgt Euch. Niemand will Euch übel.
Dem Herzog schreibt allein die Kränkung zu,
Die ihr empfangen; deutlich ist die Absicht.
Losreißen wollt' er Euch von Eurem Kaiser —
Von Eurer Rache hofft' er zu erlangen,
Was Eure wohlbewährte Treu ihn nimmer
Erwarten ließ bei ruhiger Besinnung.
Zum blinden Werkzeug wollt' er Euch, zum Mittel,
Verworfner Zwecke Euch verächtlich brauchen.
Er hat's erreicht. Zu gut nur glückt' es ihm,
Euch wegzulocken von dem guten Pfade,
Auf dem Ihr vierzig Jahre seid gewandelt.
Kann mir des Kaisers Majestät vergeben?
Sie tut noch mehr. Sie macht die Kränkung gut,
Die unverdient dem Würdigen geschehn.
Aus freiem Trieb bestätigt sie die Schenkung,
Die Euch der Fürst zu bösem Zweck gemacht.
Das Regiment ist Euer, das Ihr führt.
Buttler. (will aufstehen, sinkt zurück. Sein Gemüt arbeitet heftig, er versucht zu reden und vermag es nicht. Endlich nimmt er den Degen vom Gehänge und reicht ihn dem Piccolomini)
Was wollt Ihr? Faßt Euch.
Nehmt!
Wozu? Besinnt Euch.
Nehmt hin! Nicht wert mehr bin ich dieses Degens.
Empfangt ihn neu zurück aus meiner Hand
Und führt ihn stets mit Ehre für das Recht.
Die Treue brach ich solchem gnäd'gen Kaiser!
Macht's wieder gut. Schnell trennt Euch von dem Herzog.
Mich von ihm trennen!
Wie? Bedenkt Ihr Euch?
Nur von ihm trennen? Oh! er soll nicht leben!
Folgt mir nach Frauenberg, wo alle Treuen
Bei Gallas sich und Altringer versammeln.
Viel andre bracht' ich noch zu ihrer Pflicht
Zurück, heut nacht entfliehen sie aus Pilsen.
Graf Piccolomini! Darf Euch der Mann
Von Ehre sprechen, der die Treue brach?
Der darf es, der so ernstlich es bereut.
So laßt mich hier, auf Ehrenwort.
Was sinnt Ihr?
Mit meinem Regimente laßt mich bleiben.
Ich darf Euch trauen. Doch sagt mir, was Ihr brütet?
Die Tat wird's lehren. Fragt mich jetzt nicht weiter.
Traut mir! Ihr könnt's! Bei Gott! Ihr überlasset
Ihn seinem guten Engel nicht! – Lebt wohl!
(Geht ab.)
Ein Unbekannter bracht's und ging gleich wieder.
Des Fürsten Pferde stehen auch schon unten.
(Ab.)
"Macht, daß Ihr fortkommt. Euer treuer Isolan."
– Oh! läge diese Stadt erst hinter mir!
So nah dem Hafen sollten wir noch scheitern?
Fort! Fort! Hier ist nicht länger Sicherheit
Für mich. Wo aber bleibt mein Sohn?
Beide Piccolomini.
Max. (kömmt in der heftigsten Gemütsbewegung, seine Blicke rollen wild, sein Gang ist unstet; er scheint den Vater nicht zu bemerken, der von ferne steht und ihn mitleidig ansieht. Mit großen Schritten geht er durch das Zimmer, bleibt wieder stehen und wirft sich zuletzt in einen Stuhl, gerad vor sich hin starrend)
Ich reise ab, mein Sohn.
(Da er keine Antwort erhält, faßt er ihn bei der Hand.)
Mein Sohn, leb wohl!
Leb wohl!
Du folgst mir doch bald nach?
Ich dir?
Dein Weg ist krumm, er ist der meine nicht.
(Octavio läßt seine Hand los, fährt zurück.)
Oh! wärst du wahr gewesen und gerade,
Nie kam es dahin, alles stünde anders!
Er hätte nicht das Schreckliche getan,
Die Guten hätten Kraft bei ihm behalten,
Nicht in der Schlechten Garn wär' er gefallen.
Warum so heimlich, hinterlistig lauernd
Gleich einem Dieb und Diebeshelfer schleichen?
Unsel'ge Falschheit! Mutter alles Bösen!
Du jammerbringende, verderbest uns!
Wahrhaftigkeit, die reine, hätt' uns alle,
Die welterhaltende, gerettet. Vater!
Ich kann dich nicht entschuldigen, ich kann's nicht.
Der Herzog hat mich hintergangen, schrecklich,
Du aber hast viel besser nicht gehandelt.
Mein Sohn, ach! ich verzeihe deinem Schmerz.
Wär's möglich, Vater? Vater? Hättest du's
Mit Vorbedacht bis dahin treiben wollen?
Du steigst durch seinen Fall. Octavio,
Das will mir nicht gefallen.
Gott im Himmel!
Weh mir! Ich habe die Natur verändert,
Wie kommt der Argwohn in die freie Seele?
Vertrauen, Glaube, Hoffnung ist dahin,
Denn alles log mir, was ich hochgeachtet.
Nein! Nein! Nicht alles! Sie ja lebt mir noch,
Und sie ist wahr und lauter wie der Himmel.
Betrug ist überall und Heuchelschein
Und Mord und Gift und Meineid und Verrat,
Der einzig reine Ort ist unsre Liebe,
Der unentweihte in der Menschlichkeit.
Max! Folg mir lieber gleich, das ist doch besser.
Was? Eh' ich Abschied noch von ihr genommen?
Den letzten – Nimmermehr!
Erspare dir
Die Qual der Trennung, der notwendigen.
Komm mit mir! Komm, mein Sohn!
(Will ihn fortziehn.)
Nein! So wahr Gott lebt!
Komm mit mir, ich gebiete dir's, dein Vater.
Gebiete mir, was menschlich ist. Ich bleibe.
Max! In des Kaisers Namen, folge mir!
Kein Kaiser hat dem Herzen vorzuschreiben.
Und willst du mir das einzige noch rauben,
Was mir mein Unglück übrigließ, ihr Mitleid?
Muß grausam auch das Grausame geschehn?
Das Unabänderliche soll ich noch
Unedel tun, mit heimlich feiger Flucht,
Wie ein Unwürdiger mich von ihr stehlen?
Sie soll mein Leiden sehen, meinen Schmerz,
Die Klagen hören der zerrißnen Seele
Und Tränen um mich weinen – Oh! die Menschen
Sind grausam, aber sie ist wie ein Engel.
Sie wird von gräßlich wütender Verzweiflung
Die Seele retten, diesen Schmerz des Todes
Mit sanften Trostesworten klagend lösen.
Du reißest dich nicht los, vermagst es nicht.
Oh! komm, mein Sohn, und rette deine Tugend!
Verschwende deine Worte nicht vergebens,
Dem Herzen folg ich, denn ich darf ihm trauen.
Max! Max! Wenn das Entsetzliche mich trifft,
Wenn du – mein Sohn – mein eignes Blut – ich darf's
Nicht denken! dich dem Schändlichen verkaufst,
Dies Brandmal aufdrückst unsers Hauses Adel,
Dann soll die Welt das Schauderhafte sehn,
Und von des Vaters Blute triefen soll
Des Sohnes Stahl im gräßlichen Gefechte.
Oh! hättest du vom Menschen besser stets
Gedacht, du hättest besser auch gehandelt.
Fluchwürd'ger Argwohn! Unglücksel'ger Zweife!
Es ist ihm Festes nichts und Unverrücktes,
Und alles wanket, wo der Glaube fehlt.
Und trau ich deinem Herzen auch, wird's immer
In deiner Macht auch stehen, ihm zu folgen?
Du hast des Herzens Stimme nicht bezwungen,
So wenig wird der Herzog es vermögen.
Oh! Max, ich seh dich niemals wiederkehren!
Unwürdig deiner wirst du nie mich sehn.
Ich geh nach Frauenberg, die Pappenheimer
Laß ich dir hier, auch Lothringen, Toscana
Und Tiefenbach bleibt da, dich zu bedecken.
Sie lieben dich und sind dem Eide treu
Und werden lieber tapfer streitend fallen,
Als von dem Führer weichen und der Ehre.
Verlaß dich drauf, ich lasse fechtend hier
Das Leben oder führe sie aus Pilsen.
Mein Sohn, leb wohl!
Leb wohl!
Wie? Keinen Blick
Der Liebe? Keinen Händedruck zum Abschied?
Es ist ein blut'ger Krieg, in den wir gehn,
Und ungewiß, verhüllt ist der Erfolg.
So pflegten wir uns vormals nicht zu trennen.
Ist es denn wahr? Ich habe keinen Sohn mehr?
(Max fällt in seine Arme, sie halten einander lange schweigend umfaßt, dann entfernen sie sich nach verschiedenen Seiten.)