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Kitabı oku: «Herd und Schwert», sayfa 13

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Es waren ein paar sehr ungemütliche Stunden, die sie in dem Saal verlebten. Der russische Arzt behandelte auch seine Landsleute so roh, dass sie stöhnten und fluchten, ja einer versetzte ihm einen Faustschlag ins Gesicht, dass ihm das Auge anschwoll … Vom anderen Bett rief ein verwundeter Unteroffizier: «Das ist ja kein Arzt, das ist ein Fleischer … Man sollte ihn bei der Bagage beschäftigen, aber nicht als Arzt…“

Gegen Mitternacht kam ein Soldat, der die beiden Schwestern zum Oberstabsarzt holte.

Sie sollten ihm bei einer schweren Operation Handreichungen tun … Es wurden aber nicht eine, sondern vier große Operationen…

Erst gegen Morgen, als schon der Tag graute, waren sie damit fertig…

Frau Kowalla hatte nicht unterlassen, in einer Pause dem alten Herrn das Benehmen des jungen Arztes noch einmal zu schildern.

Er versprach, ihn rauszuwerfen und ging selbst mit ihnen, um die deutschen Verwundeten zu untersuchen … Dann ging Lena nach Hause, um ein paar Stunden Schlaf zu suchen…

Frau Kowalla schien eine eiserne Natur zu besitzen. Ihr genügte es, sich auf ein Stühlchen zu setzen und ihren Kopf aus ein Bett zu legen, um zu schlafen…

Als Lena vor ihr Haus kam, fand sie ein altes Ehepaar zitternd vor der Tür stehen.

»Was ist los?« fragte sie den alten Tischlermeister…

»Ein russischer Offizier mit zehn Soldaten hält Haussuchung bei uns ab. Ich glaube, man hat es auf Sie abgesehen … Wir haben angeben müssen, wo Sie wohnen.«

Ohne Zögern ging Lena über den Hof und stieg zu ihrer Wohnung hinauf … Die Tür stand weit offen. In ihrem Stübchen sah es wüst aus. Die russischen Soldaten hatten alle Schubladen, alle Schränke ausgeleert und Kleider, Betten, Papiere, Wäsche auf den Fußboden geworfen. Der Offizier stand im Zimmer. Lena klopfte das Herz bis zum Zerspringen, aber sie trat auf den Offizier zu, der mitten in der Stube stand und herrschte ihn an:

»Was wollen Sie hier? Was haben Sie in meiner Wohnung zu suchen?«

»Ah, Sie sind das Fräulein Strawischke?« antwortete er deutsch. »Wir suchen nicht mehr, wir haben schon gefunden. Sie kommen mit uns zum Verhör…«

Einer der Soldaten fasste sie am Arm.

»Sie werden doch gegen eine Dame nicht Gewalt anwenden, Herr Leutnant,« rief Lena energisch und schüttelte die Hand des Soldaten ab…

Von zwei Soldaten mit aufgepflanztem Seitengewehr eskortiert, schritt Lena im Morgengrauen durch die stillen Straßen der Stadt…

Sie wusste nicht, weswegen sie verhaftet wurde … Sie war sich keiner Schuld bewusst … Aber das war ein schlechter Trost…

6. Kapitel

Nach einer Weile fiel ihr ein, den Offizier zu bitten, sie nach dem Lazarett zu führen. Der alte Oberstabsarzt würde ihr vielleicht helfen…

Der Offizier erwiderte ihr rau:

»Dazu habe ich keinen Befehl. Sie sind der Spionage verdächtig und ich habe die Schuldbeweise gefunden.«

»Das ist aber ganz unmöglich … Ich bin Krankenschwester und habe mich um nichts anderes gekümmert.«

Der Leutnant zuckte die Achseln.

»Das wird sich finden. Jetzt haben Sie den Mund zu halten.«

Immer weiter ging der Marsch bis zur Kaserne. Dort wurde sie in das vergitterte Arrestlokal gesperrt, in dem sich schon zwei russische Soldaten befanden. Der eine, sinnlos betrunken, wälzte sich auf dem Boden, der andere lag auf der Pritsche und schnarchte. Sie lehnte sich an den Türpfosten, die Sinne drohten ihr zu schwinden. Die Luft war wohl schon an und für sich schlecht gewesen, jetzt kam noch der widerliche Gestank hinzu, den der Betrunkene verbreitete … Sie krampfte die Hände ein und biss sich auf die Zunge, um sich durch den Schmerz aufrecht zu erhalten. Die Gedanken gingen ihr aus, sie fühlte nur einen dumpfen Schmerz im Kopf. Dazu die bleierne Müdigkeit, die sie umzuwerfen drohte…

Im letzten Augenblick erinnerte sie sich daran, dass sie ein Fläschchen mit Salmiakgeist in ihrer Handtasche hatte. Sie entkorkte es und roch daran …, das erfrischte sie für ein paar Minuten … und dann fing sie an zu grübeln … Bei jedem Geräusch fuhr sie zusammen und doch wünschte sie, dass man sie holen kam, um endlich aus dieser körperlichen und seelischen Pein erlöst zu werden. Aber Stunde um Stunde verrann…

Frau Kowalla hatte den ganzen Vormittag schwer gearbeitet. Nun war es schon elf und Lena hatte versprochen, um zehn zurück zu sein.

Ob ihr was zugestoßen war? Oder schlief sie nach den Anstrengungen der letzten Nacht so fest…? Nach einer Viertelstunde machte Frau Kowalla sich auf den Weg, um Lena aufzusuchen.

Sie fand die Stube noch in der gräulichen Unordnung, in die sie die russischen Soldaten versetzt hatten, und erfuhr von dem alten Tischlermeister, dass Lena verhaftet worden sei. Sofort eilte sie nach dem Lazarett zurück und suchte den alten Oberstabsarzt auf. Ohne Umschweife sagte sie ihm, dass es nur ein Racheakt von dem jungen Arzt sein könnte…

Der alte Herr fluchte erst gräulich, dann gab er ihr ein Schreiben an den Platzkommandanten mit. Aber welcher Energie bedurfte es noch, bis Lena in dem Arrestlokal ausfindig gemacht und zum Verhör vorgeführt wurde.

Ohne um Erlaubnis zu fragen, drängte sich die mutige Frau mit den Soldaten ins Zimmer.

Lena sah erbarmungswürdig aus. Sie sank auf einen Stuhl und schlug die Hände vors Gesicht.

»Was haben Sie hier zu suchen, scheren Sie sich raus,« schnauzte der Auditeur Frau Kowalla mit gutem Deutsch an.

Wieder wies sie das Schreiben des Oberstabsarztes vor und dann sagte sie russisch:

»Die Schwester hier ist eine Dame aus bester Familie und die Verlobte eines russischen Offiziers, des Hauptmanns Nikolai von Roth. Sie werden gut tun, sie etwas höflich zu behandeln und als Kavalier etwas Rücksicht auf ihren Zustand zu nehmen. Wir haben die ganze Nacht russische Verwundete verbunden und bei vier schweren Operationen dem Oberstabsarzt Hilfe geleistet…«

Der Auditeur zuckte die Achseln, aber sein Ton war höflich, als er jetzt sagte:

»Fräulein Lena Strawischke … Sie sind der Spionage verdächtig. Und bei der Haussuchung hat man diesen Brief bei Ihnen gefunden. Haben Sie diesen Brief geschrieben?«

Lena erhob sich und trat zum Tisch. Nach einem Blick auf den Brief erklärte sie ruhig:

»Jawohl, den Brief habe ich kürzlich, bevor Ihre Truppen einrückten, an meine Mutter geschrieben, konnte ihn aber nicht mehr absenden…«

»Sie haben darin Mitteilungen über die Bewegungen unserer Truppen gemacht … Woher haben Sie diese Kenntnisse?«

»Von unseren Verwundeten, die mit Ihren Truppen im Gefecht waren.«

»Sie sind mit einem russischen Offizier verlobt?«

Lena errötete und machte ein erstauntes Gesicht.

»Ja, mit Nikolai von Roth.«

»Wo haben Sie den Herrn von Roth kennen gelernt?«

»Auf einem Gut hier in Ostpreußen.«

»Die Herren von Roth hatten doch einen Sekretär, einen Herrn von Iwolski…«

Lena nickte.

»Wissen Sie, wie dieser Herr von Iwolski ums Leben gekommen ist?«

Lena sah den Russen fest an und erwiderte ruhig:

»Er hat sich erschossen.«

Der Auditeur nickte.

»So! Wissen Sie auch, weshalb er sich erschossen hat?«

Ohne Zögern erwiderte Lena:

»Er hatte sich bei einer jungen Dame, die er liebte, einen Korb …, eine scharfe Abweisung geholt. Da ging er auf sein Zimmer, kam nicht mehr zum Abendessen herunter und gegen 10 Uhr abends erschoss er sich in seinem Zimmer.«

»Hm … Waren Sie vielleicht die junge Dame, die Herrn von Iwolski abwies?«…

»Nein, ein Fräulein Mertinat, die jüngste Schwägerin des Gutsherrn von Berschkallen.«

»Glauben Sie, dass die Abweisung wirklich Herrn von Iwolski dazu gebracht hat, sich zu erschießen?«

»Jawohl, ein anderer Grund lag ja nicht vor. Das Fräulein Mertinat war mit einem Deutschen verlobt, der den Herrn von Iwolski gefordert hätte, wenn er nicht vorgezogen hätte, freiwillig aus dem Leben zu scheiden.«

»Das ist mir auch noch keine genügende Erklärung … Wissen Sie nichts weiter?«…

Lena sah ihn fest an.

»Ich habe Ihnen offen alles gesagt, was ich wusste … und das wusste ich nur, weil ich mit Nikolai von Roth verlobt bin…«

Sie musste sich mit Gewalt beherrschen, denn sie hatte bereits, gemerkt, dass von ihrer Aussage wahrscheinlich das Schicksal ihres Verlobten abhing. Aber der Gedanke rüttelte sie auf und gab ihr Kraft … Jetzt mischte sich auch Frau Kowalla ein.

»Ist das Verhör nun erledigt? Sie sehen doch, die junge Dame ist dicht vor dem Umsinken. Das soll wohl der Dank fein für unsere Tätigkeit?…«

»Sie können gehen alle beide…,« erwiderte der Auditeur mit aller Seelenruhe. »Danken Sie Gott, dass die Sache noch so gut für das Fräulein abgelaufen ist…«

»Oh, nein, so lassen wir uns nicht behandeln. Wir werden uns beschweren,« erwiderte Frau Kowalla auf Russisch und zog Lena mit sich fort.

Ganz oberflächlich hatte Lena in ihrem Stübchen etwas Ordnung gemacht, dann brach sie zusammen. Nur Ruhe …, schlafen …, sie sperrte die Tür ab und warf sich in Kleidern aufs Bett … Es war schon finster, als sie erwachte. Sie machte Licht und sah nach der Uhr. Es war bereits zehn Uhr … hastig aß sie ein paar Happen und ging hinaus durch die finstere Nacht zum Lazarett…

Die nächsten Tage vergingen ruhig. Eines Morgens fehlte der alte Oberstabsarzt. Frau Kowalla erfuhr bald, dass er nach Tilsit versetzt worden war. Er hatte aber noch etwas Gutes getan, er hatte den jungen Arzt mit sich genommen. Aber nun wurde es anders im Lazarett. Schon am Nachmittag kam ein ganzer Wagen voll russischer ‘Krankenschwestern’.

Aber sie trugen nur die Tracht. In Wirklichkeit waren sie ganz etwas anderes … Sie spazierten lachend und singend und Zigaretten rauchend durch die Zimmer und schäkerten mit den Leichtverwundeten. Abends fanden sich junge Offiziere zum Besuch ein und es begann ein wüstes Gelage mit den ‘Schwestern’.

Frau Kowalla ging sofort am nächsten Tage zu dem neuen Oberstabsarzt, einem Stockrussen, um sich zu beschweren und Abhilfe zu verlangen. Er schnauzte sie heftig an, sie habe sich nicht darum zu kümmern…

Wenn sie ihn noch einmal behellige, werde er sie einsperren lassen.

Nun berieten die beiden Frauen, ob sie unter solchen Umständen noch länger im Lazarett bleiben konnten … Aber die Sorge um die deutschen Verwundeten entschied. Sie waren dem sicheren Tod geweiht, wenn die beiden Schwestern weggingen. Aber nun musste Frau Kowalla mit dem russischen Oberstabsarzt jeden Tag einen Strauß bestehen, um nur das nötige Verbandszeug für ihre Verwundeten zu erhalten. Die jungen Frauenzimmer trieben sich nach wie vor im Lazarett herum, aber den beiden deutschen Schwestern gingen sie scheu aus dem Wege.

Eines Morgens machte sich Lena freudig gestimmt auf den Weg zum Lazarett Sie trug ein ganzes Körbchen Eier am Arm. Und das war so gekommen. Von ihrem Balkon aus konnte sie in den Hof und Garten eines Nachbarhauses sehen, auf dem ein Dutzend Hühner herumliefen. Sie mussten wohl irgendwo reichliches Futter finden, denn Lena hörte sie öfter gackern, und als Landmädel wusste sie ganz genau, was das bedeutete … Mit Hilfe des alten Tischlers sperrte sie die verschlossene Haustür auf und ging auf die Suche … Ein halbes Schock Eier war die Ausbeute…

Als sie mit schnellen Schritten in die Straße, die zum Lazarett führte, einbog, begegneten ihr zwei Offiziere. Der eine, ein General, mit langem, blondem Schnurrbart, grüßte sie freundlich und rief ihr auf Russisch etwas zu, was sie nicht verstand. Sie blieb stehen und antwortete:

»Ich bin eine deutsche Krankenschwester.«

Der General trat näher.

»Ah, eine deutsche Krankenpflegerin … Tun Sie in unserem Lazarett Dienste? Weshalb sind Sie nicht geflohen?«

»Ich wollte einige schwerverwundete deutsche Soldaten, die nicht fortgeschafft werden konnten, nicht verlassen.«

»Brav, sehr brav, Schwester … Werden Sie gut behandelt? Haben Sie keine Klagen vorzubringen?«

»Leider ja, Herr General. Ihre Soldaten werden so schlecht behandelt und verpflegt, dass sie wie die Fliegen sterben.«

»Sind denn keine Ärzte, keine Schwestern da?«

»Nur zwei Ärzte. Und die Schwestern, die im Lazarett sind, haben etwas anderes zu tun, als sich um die Kranken zu kümmern.«

Der General, es war Rennenkampf selbst, wie Lena später erfuhr, griff grüßend an die Mütze.

»Ich danke Ihnen, Schwester, für Ihre Mitteilung…«

Dann sagte er auf Russisch einige Worte zu seinem Adjutanten, die sehr energisch klangen, und ging weiter. Der jüngere Offizier machte kurz kehrt und war mit wenigen Schritten an Lenas Seite.

»Haben Sie sonst noch Klagen vorzubringen, Schwester? Sprechen Sie offen … Exzellenz will alles wissen…«

»Sie werden ja selbst sehen, Herr Major.«

Schweigend legten sie die letzten Schritte zum Lazarett zurück. Schon von weitem winkte der Offizier dem Posten ab, als er die Wache herausrufen wollte … Ohne anzuklopfen öffnete er die Tür zu dem Zimmer, wo der Oberstabsarzt gerade bei einem kräftigen Frühstück saß. Ein kurzes, barsches Wort … Der Arzt kam herausgestürzt und fing zu sprechen an.

Ohne ihn weiter zu beachten, schritt der Offizier weiter.

»Führen Sie mich zu Ihren Verwundeten…«

Frau Kowalla rüstete sich gerade zum Weggehen. Sie hatte eben vergeblich den Oberstabsarzt um Verbandszeug für die deutschen Kranken gebeten. Jetzt wollte sie ausgehen und versuchen, in der Stadt etwas aufzutreiben. Mit einem Blick hatte sie die Sachlage erfasst. Ohne auf den Offizier zu achten, fuhr sie auf den Oberstabsarzt los, und fing an, ihm in russischer Sprache Vorhaltungen zu machen. Der Offizier hörte schweigend zu.

Ein kurzes Wort. Der Arzt trat an das Bett eines deutschen Schwerverwundeten und begann, seinen Verband zu untersuchen, nachdem er eine Ordonnanz nach Verbandszeug und nach dem zweiten Arzt geschickt hatte…

Währenddessen ging der Offizier von Bett zu Bett und befragte jeden Kranken. Und die russischen Verwundeten hielten nicht mit ihren Klagen und Beschwerden zurück … Schon während der Untersuchung und Befragung der Kranken war Kanonendonner zu vernehmen…

Bald nach Mittag hörte man schon Gewehrfeuer. Die Russen begannen abzuziehen. Die beiden Ärzte verschwanden…

Die russischen Krankenschwestern hatten, gleich nachdem der Major mit Lena das Haus betreten hatte, sich unsichtbar gemacht…

Auch die Soldaten, die in dem Lazarett Dienst getan hatten, verschwanden. Weinend fielen sich die beiden Frauen in die Arme. Kein Zweifel, deutsche Truppen nahten als Befreier…

Um die Verwundeten kümmerte sich niemand. Sie wollten auch gar nicht weg. Sie freuten sich alle darüber, in deutsche Gefangenschaft und deutsche Behandlung zu kommen…

Eben wollte Frau Kowalla nach der Küche herunter gehen, um zu sehen, ob nicht vielleicht der Kaffee fertig wäre, als der Auditeur mit zwei Soldaten in den Saal trat…

»Fräulein Strawischke, Sie kommen mit uns…«

Mit Mühe bezwang Lena ihren Schreck.

»Weshalb wollen Sie mich mitschleppen? … Ich habe doch nichts getan…?«

»Wir werden doch die Braut eines unserer Offiziere nicht in deutsche Hände fallen lassen,« erwiderte der Auditeur höhnisch. »Und Sie, Frau Kowalla, machen sich reisefertig … Sie kommen auch mit.«

»Da müssen Sie mich schon mit Gewalt fortschleppen, gutwillig gehe ich nicht…«

»Machen Sie keine Dummheiten, Frau, sonst lasse ich Sie an die Mauer stellen und erschießen…«

Mehr noch als die Drohung wirkte Lenas angstvoller Blick. Ohne zu antworten zog Frau Kowalla ihre Jacke an und fasste Lena unter den Arm.

»Kommen Sie … Das ist die größte Gemeinheit, dass die Russen uns jetzt fortschleppen. Das ist der Dank für unsere Aufopferung…«

Vor dem Tor hielt ein offenes Auto. Die Frauen stiegen mit dem Auditeur ein, die beiden Soldaten stellten sich von außen auf die Trittbretter und nun ging’s los. Aber so leicht war es nicht, aus der Stadt zu kommen, denn die Straßen waren mit Wagen aller Art vollgepfropft … Deutlich war jetzt das Gewehrfeuer zu hören. Die deutschen Truppen schienen die Stadt von zwei Seiten angegriffen zu haben … Mit gefalteten Händen schickte Lena ein stummes Gebet aus ihrem Herzen zum Himmel empor … Aber kein Wunder geschah … Das Auto wand sich durch und erreichte die Chaussee nach Gumbinnen. Nun ging es in rasender Fahrt durch Gumbinnen und Stallupönen bis nach Eydtkuhnen.

Dort wurde eine halbe Stunde gerastet, weil der Chauffeur seinen Benzinvorrat erneuern musste. Die beiden Frauen froren entsetzlich, denn die Nacht war schon empfindlich kühl, und dazu kam noch der schneidende Luftzug, den das Auto erzeugte … Erst gegen Morgen gelangte man in eine größere russische Stadt. Vor einer Kaserne, die als Lazarett eingerichtet war, hielt das Auto … Mehr tot als lebendig, hungrig, erfroren, wurden die beiden Frauen hereingeführt … Ein kleines Kämmerchen mit einem Bett wurde ihnen angewiesen…

Wortlos sanken sie sich in die Arme und hielten sich lange umschlungen … bis Frau Kowalla sagte:

»Mut, liebe Schwester, man wird uns nicht weiter fortschleppen, man will uns hier im Lazarett behalten … Wir werden die Zähne zusammenbeißen und unsere Schuldigkeit tun … Den Kopf wird man uns nicht abreißen … Nun kommen Sie, wir wollen uns zu Bett legen und zu erwärmen suchen … Morgen früh sehen wir die Sache schon mit anderen Augen an…«

7. Kapitel

Am nächsten Morgen erfuhren sie, dass sie sich in Kowno befanden. Frau Kowalla, die aus härterem Holz geschnitten war, stand auf und ging auf Entdeckungsreisen aus. Lena musste liegen bleiben. Sie fieberte und hustete…

Als ihre Leidensgefährtin wiederkam, brachte sie den alten Oberstabsarzt mit, der jetzt hier das Lazarett leitete … Nun fühlten sie sich geborgen … Der alte Herr untersuchte Lena und stellte eine nicht allzu schwere Lungenentzündung fest.

Ein Glück, dass Lena nicht allein fortgeschleppt worden war, denn jetzt brauchte sie sorgsame Pflege, und damit sah es auch in diesem Lazarett sehr windig aus. Es waren wohl einige Pflegerinnen da, aber viel zu wenig für die Menge Verwundeter. Die meiste Arbeit wurde von Soldaten besorgt, die nicht die geringste Ahnung von Hygiene und Sauberkeit hatten. Die wenigen Ärzte konnten nicht überall sein und schienen auch nicht allzu großen Wert auf Reinlichkeit zu legen.

Frau Kowalla wurde gleich tüchtig angespannt, aber sie fand immer noch Zeit, öfter nach Lena zu sehen, die vierzehn Tage fest zu Bett lag. Ebenso lange musste sie sich noch schonen, bis ihre volle Kraft wiedergekehrt war und sie sich wieder den Verwundeten widmen konnte.

Der russische Soldat, der unter böswilliger Leitung so schrecklich in Ostpreußen gehaust hat, ist in Wirklichkeit ein großes Kind. Er ist grausam und weichherzig, tapfer und feige, je nach Umständen, wobei es nur darauf ankommt, wozu er angeleitet wird…

Die Verwundeten lagen still und in ihr Schicksal ergeben in ihren Betten …, nur ihre Augen bettelten, wenn sie Hunger hatten oder sonst etwas haben wollten. Am größten war der Hunger nach Zigaretten. Selbst Leute mit einem Lungenschuss wollten durchaus rauchen, sobald es ihnen ein bisschen besser ging.

Täglich kam neuer Nachschub, und Frau Kowalla erfuhr, weil sie russisch sprach, von den frisch eingelieferten Verwundeten so viel, dass sie sich ein Bild der Kriegslage machen konnte.

Im Oktober hatten die Deutschen in Masuren wieder eine große Schlacht gewonnen und die Russen aus Lyck herausgeworfen. Aber dann hatte ihr Vordringen wieder gestockt, und nun lagen sich die beiden Fronten auf ostpreußischem Boden gegenüber…

Eines Tages war ein Transport verwundeter Offiziere angekommen und in einem großen Zimmer untergebracht worden. Der alte Oberstabsarzt, der nur die beiden deutschen Schwestern bei Operationen zuzog, betraute sie auch mit der Pflege der verwundeten Offiziere.

Trotzdem fanden sie noch Zeit, sich um die verwundeten Deutschen zu kümmern, von denen eine ganze Anzahl im Lazarett lag.

Lena hatte allmählich so viel russisch gelernt, dass sie sich mit den Kranken über die täglichen Vorkommnisse unterhalten konnte.

Eines Tages wurde sie von einem Leutnant, der wegen eines Schusses im rechten Arm nicht schreiben konnte, gebeten, ihm einen Brief an seine Braut zu schreiben … Sie erwiderte ihm auf Deutsch, sie könnte nicht russisch schreiben, sie sei eine Deutsche … Erstaunt rief der Leutnant es seinen Kameraden zu und sprach dann deutsch weiter:

»Oh, schade…, ich sehe, Sie sind auch verlobt … Ich dachte, Sie würden mir gern diesen kleinen Dienst erweisen…«

»Sehr gern,« erwiderte Lena, »wenn ich es könnte, aber ich kann Ihnen helfen … Meine Freundin spricht und schreibt fertig russisch.«

Es dauerte nicht lange, da kam Frau Kowalla herein und erklärte sich bereit, den Brief zu schreiben. Während der Leutnant diktierte, hörte Lena, die am Bett nebenan zu tun hatte, den Namen ihres Verlobten, Nikolai von Roth, aussprechen. Ein jähes Rot stieg in ihr Gesicht empor.

Hastig drehte sie sich um.

»Herr Leutnant, was wissen Sie von Nikolai von Roth? Er ist mein Bräutigam.«

»Schwester Lena, Sie sind die Braut meines: Hauptmanns? Meines verehrten Hauptmanns? Ach, welch ein prächtiger Mensch!«

Und nun begann er unaufgefordert von Nikolai zu erzählen. Wie durch ein Wunder war ihre Kompanie aus der Schlacht von Tannenberg entronnen, hatte dann an den erbitterten Kämpfen bei Augustowo teilgenommen, wobei sie mehr als die Hälfte ihres Bestandes verlor, und lag jetzt in einem Fort vor Kowno…

Lena wurde bei der Erzählung des Leutnants immer abwechselnd blass und rot. Sie wagte keine Frage zu tun, um den Erzähler nicht zu unterbrechen, aber jetzt brach es stürmisch aus ihr hervor:

»Hier in Kowno, Herr Leutnant? Ach Gott, wenn ich ihm doch Nachricht geben könnte, dass ich hier bin.«

»Aber Schwester Lena, das ist doch sehr einfach. Schreiben Sie, verehrte Frau: ‘Lieber Nikolai, ich liege verwundet hier in der Dragoner-Kaserne. Ich habe dir eine sehr wichtige Nachricht mitzuteilen. Komm’ so schnell als möglich. Dein Sergei Alexandrowitsch’. So, und nun rufen Sie mir eine Ordonnanz herein.«

In fieberhafter Aufregung ging Lena von Bett zu Bett, ihre Augen, die sonst wie ein paar Kohlen funkelten, leuchteten in verklärtem Glanz. Sie musste sich beschäftigen, um den Aufruhr ihrer Seele zu bändigen. Bis jetzt hatte sie die tiefe Sehnsucht nach dem über alles geliebten Mann fest in sich verschlossen getragen und nicht einmal Frau Kowalla, die ihr eine aufrichtige Freundin geworden war, einen Blick in ihr Herz tun lassen. Jetzt brach die ungestüme Freude in ihr unaufhaltsam hervor. Die verwundeten Offiziere, die sie alle dankbar verehrten, nickten und lächelten ihr zu.

»Nur Geduld, Schwester … Wir freuen uns alle mit Ihnen.«

Eben hatte Lena mit dem Verteilen des Nachmittagskaffees begonnen, als Nikolai von Roth ahnungslos eintrat. Mit einem Blick hatte er seinen Leutnant herausgefunden und schritt auf sein Bett zu. Da rief jemand hinter ihm:

»Nikolai!«

Alles Blut wich aus seinem gebräunten Gesicht. Seine Augen weiteten sich…

»Lena! Du hier?«

Da war nicht einer unter den verwundeten Offizieren, dem nicht die Tränen in die Augen traten…

Nun begann für Lena eine Reihe glücklicher Tage. Nikolai kam fast täglich auf ein paar Stunden. Unter anderem erzählte er ihr auch, dass gegen ihn und Bogdan eine Untersuchung wegen des Todes seines Sekretärs von Iwolski eingeleitet worden sei. Erst vor wenigen Wochen habe sich die Sache zur Zufriedenheit aufgeklärt. Lena führte diese Wendung wohl mit Recht auf ihre Aussage vor dem Auditeur zurück.

Von Bogdan hatte er schon seit dem Herbst keine Nachricht. Auf seine Erkundigungen hatte er die Mitteilung erhalten, dass er vermisst werde. Dann hatte er noch durch Kameraden erfahren, dass er nach Aussage eines Gemeinen verwundet und aller Wahrscheinlichkeit nach in die Hände der Deutschen gefallen sei. Bald merkte Lena den inneren Zwiespalt in der Seele ihres Bräutigams. Er tat seine Pflicht als russischer Offizier und nahm seine Pflicht ernster als viele seiner Kameraden.

Aber sein Herz stand auf Deutschlands Seite.

Er erzählte, dass er seines Namens und seiner Abstammung wegen besonders in der ersten Zeit angefeindet und misstrauisch beobachtet wurde. Er habe seine Zunge sehr hüten müssen und sei mehr als einmal nahe daran gewesen, seine Überzeugung zu verraten, wenn seine Kameraden in der Trunkenheit übermütig prahlten und von ihrem baldigen Einzug in Berlin sabelten…

Nach einiger Zeit begann er in Lena zu dringen, sich mit ihm kriegstrauen zu lassen.

Das war eine schwere Versuchung für Lena. Sie hing mit heißer Liebe an ihrem Verlobten, sie verehrte ihn, weil sie ihn als edlen, aufrichtigen Menschen hochschätzte…

Ja, als Tochter ihrer Mutter wusste sie auch die Bedeutung einer Eheschließung abzumessen … Aber sie weigerte sich. Erst gebrauchte sie die Ausrede, sie hätte doch gar keine Papiere, und als Nikolai das für nebensächlich erklärte, sagte sie ihm offen, dass sie sich trotz aller Liebe nicht dazu entschließen könnte, ihm jetzt und solange er noch als Feind ihrem Vaterlande gegenüberstände, ihre Hand zu reichen. Das würde ihr wie Fahnenflucht vorkommen…

Als Nikolai nichts darauf erwiderte, fasste sie ihn zärtlich um und sagte unter Tränen lächelnd:

»Sieh’ mal, ich kann doch auch hier im Lazarett nicht fahnenflüchtig werden. Ich bin ebenso nötig wie Frau Kowalla, nicht bloß, um deine verwundeten Kameraden zu pflegen, sondern auch meine Landsleute…«

Nun gab Nikolai sich zufrieden und drang nicht weiter in sie.

Dann kam die große Winterschlacht in Masuren Sie brachte so viel Verwundete, dass alle Räume überfüllt waren. Selbst auf den Korridoren lagen Schwerverwundete und Sterbende.

Es gehörten stahlharte Nerven und übermenschliche Kräfte dazu, um in diesem Jammer, Elend und Wirrwarr nicht den Kopf zu verlieren. Die beiden deutschen Schwestern kamen drei Wochen nicht aus den Kleidern und zu einem ungestörten Schlaf. Es lässt sich mit Worten kaum schildern, was die beiden Frauen durchzumachen hatten. Tagelang lagen Schwerverwundete unverbunden auf dem kalten, zugigen Korridor. Täglich hielt der Tod seine grausige Ernte ab und schaffte Platz.

Die Anstrengung und Aufregung war an Lena nicht spurlos vorübergegangen. Sie war zum Umfallen erschöpft, so dass ihr der Oberstabsarzt Ruhe und völlige Zurückziehung von der Arbeit verordnete…

Wieder waren einige Wochen vergangen, als Frau Kowalla ihr die Nachricht brachte, dass die deutschen Truppen die russischen Linien durchbrochen hätten und vorrückten … Die Bestätigung folgte bald durch die Menge Verwundeter, die eingeliefert wurden. Es war nicht ganz so schlimm, wie nach der Winterschlacht, aber immer genug Jammer und Elend.

Und dann kam der Tag, an dem der Donner der deutschen Geschütze vernehmbar wurde.

Nikolai kam auf eine Minute, um Abschied zu nehmen. Er gehörte zur Besatzung des Forts, das aller Wahrscheinlichkeit nach den ersten Ansturm der Deutschen würde aushalten müssen. Wortlos umfasste er Lena, küsste sie noch einmal heiß und drückte ihr ein Bündel Papiere in die Hand.

Erst am Abend, als sie für ein halbes Stündchen ihre Kammer aufsuchte, um sich durch Waschen zu erfrischen und einen Happen zu essen, warf sie einen Blick hinein. Es war außer anderen Schriftstücken, deren Bedeutung sie nicht verstand, sein Testament in deutscher und russischer Sprache. Mit wehmütiger Rührung las sie, dass er sie für den Fall seines Todes zur gleichberechtigten Erbin neben seinem Bruder Bogdan eingesetzt hatte, und falls Bogdan vor ihm gefallen wäre, zur alleinigen Erbin.

Als sie die Papiere in den Umschlag stecken wollte, fand sie noch einen Zettel. In rührenden Worten versicherte ihr Nikolai seine Liebe und nahm Abschied von ihr. Er habe das Gefühl, dass er diesmal nicht mit dem Leben davonkommen werde. Sie möge nach dem Frieden die Güter um jeden Preis verkaufen und einen anderen tüchtigen Mann mit ihrer Hand glücklich machen…

Noch in der Nacht begann das Wegschaffen der Leichtverwundeten. Alle weigerten und sträubten sich. Sie wollten lieber in deutsche Gefangenschaft geraten als sich fortschaffen lassen … Lena verband gerade einen Offizier, der auch weggeführt werden sollte, als Frau Kowalla hastig eintrat, sie an den Arm fasste und mit sich fortzog.

»Sie müssen sofort zum Oberstabsarzt kommen…«

»Aber hier geht es doch nicht zum Oberstabsarzt,« rief Lena, als ihre Freundin die entgegengesetzte Richtung einschlug…

»Schreien Sie doch nicht so … Fragen Sie nicht, kommen Sie…«

Sie lief voran und zog Lena mit sich fort. Sie stiegen eine wenig benutzte Hintertreppe hinab … Immer tiefer, bis in den Kohlenkeller … Frau Kowalla leuchtete mit ihrer Taschenlampe umher … Da stand im Winkel eine längliche Kiste, auf die sie sich setzten.

»Nun sagen Sie bloß, was ist los, weshalb verschleppen Sie mich bis in den Keller?«

»Der Auditeur sucht uns wieder. Ich stand gerade an der Treppe, als er mit zwei Soldaten in die Tür kam. Zum Überfluss hörte ich noch, wie er nach uns fragte…«

»Was will der Kerl bloß von uns?«

»Von uns? Nein, er will Sie in seine Gewalt bringen und mich will er Ihnen zur Gesellschaft mitnehmen. Solange Ihr Bräutigam hier ein und aus ging, hat er sich nicht an uns herangetraut … Jetzt müssen wir hier aushalten, bis unsere Landsleute uns befreien.«

Aber allzu lange hielt es die tätige Frau nicht in dem Versteck aus. Schon nach einer Stunde schlich sie die Treppe hinauf und wagte sich schließlich noch weiter vor … Alles still, alles finster … Alle Türen offen. Nur ab und zu vernahm sie das Stöhnen eines Verwundeten. Dann hörte sie jemand laut fluchend den Korridor entlang kommen. An der Stimme erkannte sie den alten Oberstabsarzt. Sofort ließ sie ihre Lampe aufleuchten und trat ihm entgegen.

»Ach Sie sind es, Frau Kowalla … Wo haben Sie gesteckt? Da war so ein verrückter Auditeur, der wollte Sie und Schwester Lena durchaus wegführen … Was will das verdammte Hundsblut von Ihnen?«

»Das ist, wie ich glaube, ein Privatgeschäft des Herrn Auditeurs, der Schwester Lena in seine Gewalt bringen will.«

»So? Na, dann machen Sie sich noch für ein paar Stunden unsichtbar, bis die Gefahr für Sie vorbei ist. Ich bleibe hier. Ich habe die Schweinewirtschaft satt, ich will unter Menschen kommen. Zwei Forts sind schon von den Deutschen genommen … gegen Morgen werden sie wohl in die Stadt eindringen. Haben Sie was zu essen? Nein? Dann kommen Sie in einer halben Stunde wieder. Ich werde etwas holen und hier an der Treppe niederlegen. Auf Wiedersehen, Schwester.«

Es war doch gut, dass der alte Herr auch daran gedacht hatte, denn nun, als sie still saßen, meldete sich der Hunger. Sie konnten ihn aber völlig stillen, denn der Oberstabsarzt hatte gut vorgesorgt Dann legte Frau Kowalla Lenas Kopf an ihre Brust und empfahl ihr zu schlafen. Sie selbst hatte sich ihr Schultertuch um den Kopf gebunden und sich an die schwarze, kalte Wand gelehnt.

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04 aralık 2019
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