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Kitabı oku: «Alfried Krupp», sayfa 11

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Ich verlasse nun dieses häßliche Bild und so unerquickliche Betrachtungen, um zu einem anderen Gegenstande überzugehen und zwar zu der Geschichte meiner Werke, damit Ihr einsehen möget, aus welchen Gründen und mit welchem Rechte ich nicht ein Haar breit nachgebe in meinen Forderungen, welche den Schluß dieser Ansprache bilden werden. Es ist bekannt, daß im Jahre 1826 die verfallene Gußstahlfabrik ohne Vermögen mir zur Führung anvertraut wurde. Mit wenigen Leuten fing ich an, sie verdienten mehr und lebten besser als ich; so ging es fast 25 Jahre fort mit Sorgen und mühevoller Arbeit, und als ich dann eine größere Zahl von Leuten beschäftigte, war dennoch mein Vermögen geringer, als was heute mancher Arbeiter der Gußstahlfabrik besitzt. Es waren alle sehr brave Leute, mit denen ich die Arbeiten begonnen und durchgeführt habe. Allen, von denen viele bereits in die Ewigkeit hinübergegangen sind, habe ich meinen vollen Dank für ihre Treue bewahrt. Jene aber, die ich von der Heerde, vom Pflug, als tüchtige Handwerker, als Arbeitslose von allen Professionen, oder als Kinder von Wittwen angenommen habe, traten bereitwillig bei mir ein, weil sie ihr Loos verbesserten, und sie haben in den meisten Fällen auch dafür ihren Dank gern ausgedrückt. Mancher von ihnen ist ein wohlhabender Mann geworden. (Viele Aeltere, Meister und Arbeiter, die zum Theil schon vor ca. 46 Jahren bei mir eingetreten sind, genießen schon seit lange ihre Pension; andere arbeiten noch mit voller Kraft und alter Treue.) Den Leuten, die ich gebraucht habe, habe ich ihren Lohn gezahlt, meistens ihre Stellung verbessert und nach gesetzlichen Bestimmungen den Kontrakt verlängert oder sie entlassen. Mancher verließ die Fabrik, um anderswo sich zu verbessern, der eine ist gegangen und ein anderer hat die Stelle wieder besetzt, und wo ursprünglich 3 Mann beschäftigt waren, standen später 15000. Im Laufe der Zeit haben mehr als 100000 Mann solchen Wechsel auf meinen Werken durchgemacht, und es ist ganz natürlich, daß solcher Ab- und Zugang fortdauern wird. Jeder Mann hat nach seiner Kraft und Fähigkeit seinen Lohn erhalten, und anstatt eines Jeden konnte in den meisten Fällen auch ein Anderer hingestellt werden.

Es ist bisher Keinem eingefallen, nach Empfang des vereinbarten Lohnes noch einen Anspruch zu erheben an den Gewinn. Für diesen Anspruch treten aber heutigen Tages gelehrte Volksbeglücker mit den schönsten Redensarten auf, und diese haben wesentlich zu den bethörenden sozialistischen Lehren geführt. Der Arbeiter hat die Erfindungen nicht gebracht. Er wird nicht betroffen von den Kosten und Verlusten, welche der Fabrikant für Versuche und Anlagen zu tragen hat. Für die Arbeit erhält er seinen Lohn. Es kann keine Rede davon sein, daß irgend Jemand einen besonderen Anspruch behalte, außer solchem, der in Steigerung des Lohnes und des Gehaltes besteht und immer nur Folge größerer Leistungen ist. Das ist Sache der freien Vereinbarung. Die Erfindungen und dazu gehörenden Produktionen habe ich eingeführt; der Arbeiter darf aber nicht die Frucht verlangen von der Thätigkeit Anderer, das ist gegen das jedem Menschen eingeborene Rechtsgefühl. Wie Jedermann vertheidige auch ich mein Eigenthum; wie mein Haus, so ist auch meine Erfindung mein und die Frucht derselben, sie mag Gewinn sein oder Verlust. In seinem Lohne hat der Arbeiter den größeren Antheil am Ertrage. Denn durchschnittlich beträgt in guten Zeiten der Lohn mehr als drei Viertel des ganzen Werthes der Fabrikate, der Rest muß Zinsen, Entwerthung, Verwaltungskosten, verlorene Posten und dergleichen decken. Dann erst kommt der Gewinn. In schlechten Zeiten aber, wo der Arbeitgeber oft nichts verdient, vielleicht viel verliert, behält der Arbeiter immer noch seinen Lohn. Der Arbeiter, der in guten Zeiten Antheil am Gewinn verlangen möchte, müßte doch auch in schlechten Zeiten, wo zugesetzt wird, den Verlust theilen, und doch verlangt er auch dann vollen Lohn. Daher ist es nothwendig, daß der Arbeitgeber in guten Jahren mehr verdient, als er gebraucht. Gerade wie der Landwirth, muß er auf Wechselfälle vorbereitet sein. Beide haben oft die Kosten für die Saat und keine Ernte. Hat die Fabrik in guten Jahren ihr Kapital nicht vergrößert, so könnte sie in schlechten Jahren nicht bestehen und müßte die Arbeiter entlassen. – Das ist bisher in größerem Maße nicht nöthig gewesen, sie hat, wenn Alles darnieder lag, dennoch die Arbeit fortgesetzt, auf Vorrath fabrizirt oder mit Verlust verkauft, um die Leute zu ernähren und ihren Heerd warm zu halten. Wie ich den Verlust allein tragen muß, so ist auch der Gewinn mein von Rechtswegen, denn ich habe ihn erworben mit meiner Kraft und meiner Sorge. Ich habe das Bewußtsein, daß diese Werke ein Segen sind für das Land und für die Arbeiter. Sie sind das umsomehr, weil mein Interesse mir empfohlen haben würde, dieselben im Auslande zu errichten, wo ich früher und mehr Anerkennung und Absatz gefunden habe und größere Vortheile haben würde.

Um die Lage meiner Arbeiter zu verbessern, war ich von jeher zunächst darauf bedacht, ihnen ein möglichst sorgenfreies Dasein für die Zeiten zu verschaffen, in denen sie selbst nicht mehr arbeiten könnten. Ihr selbst wißt es am besten, wie es mit Kranken, Invaliden und ausgedienten Arbeitern bei uns gehalten wird. Dann habe ich den Arbeitern Wohnungen gebaut, worin bereits 20000 Seelen untergebracht sind, habe Schulen gegründet, Schenkungen verliehen und Einrichtungen getroffen zur billigen Beschaffung von allem Lebens- und Hausbedarf. Ich habe mich dadurch in eine Schuldenlast gesetzt, die abgetragen werden muß. Damit dies geschehen kann, muß Jeder seine Schuldigkeit thun in Frieden und Eintracht und in Uebereinstimmung mit unseren Vorschriften. Die jetzt allgemein verbreitete Geschäftsstille hat bereits viele Fabriken, Hütten und Gruben unseres Landes empfindlich berührt. Geringe Preise haben geringe Löhne zur Folge gehabt, und bei einigen Werken ist schon vollständiger Mangel an Arbeit und dadurch Stillstand eingetreten. In den verschiedenen Klassen der Gesellschaft giebt es Leute, die irrthümlich die Besserung ihrer Lage von der Aenderung der Verfassung, der Regierung und der Gesetze erwarten, dabei aber das Wesentlichste vernachlässigen, was in ihrer eigenen Gewalt liegt. Fleiß, Ordnung und Sparsamkeit ist der erste und sicherste Schutz gegen die beklagte Noth, und wo sie fehlen, helfen auch die beste Regierung und die besten Gesetze nichts. Umwälzungen jeder Art sind ebenso verkehrte Mittel zur Besserung der Lage, als wenn man ein Haus wegen einzelner Fehler abbrechen wollte. Dann wird man obdachlos. Man verbessert und reparirt und erhält das Bestehende.

Die augenblickliche Noth hat ihre Hauptursache in den übertriebenen Unternehmungen der vergangenen Jahre, in einer allgemeinen Verirrung. Der Arbeiter hatte aber für sich dabei zunächst nur einen höheren Lohn erzielt, und wenn er von demselben nicht so viel erübrigt hat, daß er damit über die schlechte Zeit sich hinweghilft, so hat er damals seinen großen Lohn, der schließlich die Arbeitgeber häufig ruinirte, leichtsinnig vergeudet und nun sich selbst Vorwürfe zu machen. Das kann er nur ausgleichen durch Sparsamkeit, Ordnung und Fleiß. Mit Gewalt und Umwälzungen geht das nicht. In den siebenziger Jahren haben wir das Beispiel erlebt, daß trotz der nie dagewesenen Höhe der Löhne Bergleute ihre Gruben verließen, und ebenso Arbeiter die Fabriken, um die Besitzer zu unmöglichen Erhöhungen der Löhne zu zwingen. Das hat keinen Segen gebracht und hat auch nur zurückgeführt werden können auf Verführungen Fremder, die auch jetzt noch fortfahren, Aufregung hervorzubringen. – Ich erinnere daran, daß Bergwerke still gelegt wurden, um dadurch auch meine Fabrik zum Stillstand zu zwingen, und daß nur mit Aufwand großer Kosten dies Unheil von meinen Leuten abgewendet wurde, indem ich sogar bis von Saarbrücken Kohlen bezog. England ist groß und mächtig geworden durch Industrie, die Arbeiter haben dann Vereine gegründet und die Arbeit eingestellt, um höhere Löhne zu erpressen. Dadurch ist zum großen Theil die Arbeit von England auf das Ausland übergegangen. Die deutsche Industrie hat von diesem Fehler der englischen Arbeiter Nutzen gehabt. Das ist auch eine Warnung! Die Nachahmung des schlechten Beispiels würde auch unsere Industrie ins Ausland treiben. Unter den schwierigsten Umständen habe ich den Muth gehabt, für meine Leute einzutreten und behalte ihn auch in der jetzigen schweren Zeit. Ich hoffe, daß wir sie überwinden werden, daß wir Arbeit behalten werden. Alle Kräfte werden dafür nach allen Seiten aufgewandt. – Das sollten die Arbeiter dankbar anerkennen, und diejenigen, welche täglich für diesen Zweck Sorge und Mühe aufwenden, durch freundliche Dienstfertigkeit aufmuntern für den schweren Beruf. In welchem Maaße die Gußstahlfabrik noch weiter von der Geschäftsstille betroffen werden wird, das läßt sich noch nicht voraussehen, wenn auch für die nächste Zeit Arbeit beschafft ist. Jedermann möge vorbereitet sein auf die Ereignisse.

In früheren Zeiten, wo die Löhne auch verhältnißmäßig sehr viel niedriger standen als jetzt, waren die Arbeiter mit bescheideneren Ansprüchen glücklicher und zufriedener und kannten nicht den verderblichen heutigen Aufwand für Kleidung und Durst. Ich gebe Euch nun diesen Rath: Laßt Euch nicht blenden durch schöne Worte und erwartet das Heil nicht von solchen, die einen neuen mühelosen Weg zur Volksbeglückung gefunden haben wollen. Die Angelegenheiten des ganzen Vaterlandes sollen Jedem wichtig und theuer sein, aber dazu hilft gar nichts das Kannegießern, das Schwatzen über politische Angelegenheiten, das ist nur den Aufwieglern willkommen und stört die Pflichterfüllung. Eine ernste Beschäftigung mit der Landespolitik erfordert mehr Zeit und tiefere Einsicht in schwierige Verhältnisse, als Euch zu Gebote steht. Das Politisiren in der Kneipe ist nebenbei sehr theuer, dafür kann man im Hause Besseres haben. Nach gethaner Arbeit verbleibt im Kreise der Eurigen, bei den Eltern, bei der Frau und den Kindern. Da sucht Eure Erholung, sinnt über den Haushalt und die Erziehung. Das und Eure Arbeit sei zunächst und vor Allem Eure Politik. Dabei werdet Ihr frohe Stunden haben. Mit dem Laufe der Zeit, von Jahrzehnt zu Jahrzehnt wird Alles besser. Wer zurückblickt in die Vergangenheit, muß sich überzeugen, daß große Fortschritte gemacht worden sind zum Besten Aller und vor Allem auch der arbeitenden Klasse. Schlechte Zwischenzeiten müssen durch treues Zusammenhalten der Arbeiter mit ihrem Arbeitgeber überwunden werden. Aber vor 50 Jahren lebte kein Arbeiter so gut in Nahrung, Wohnung und Kleidung, als heute. Keiner wird tauschen wollen mit dem Loose seiner Eltern und Vorfahren. Was ich nun hiermit ausgesprochen habe, möge Jedem zur Aufklärung dienen und deutlich machen, was er zu erwarten hat von Handlungen und Bestrebungen im Dienste des Sozialismus. So sehr ich auch wünsche, daß meine Arbeiter statt der verführenden Schriften nur nützliche belehrende lesen, so kann ich doch Niemand dazu zwingen. Die Neigung zum Guten und Schlechten zeigt nur den Geist der Leser und kann nicht ohne Folgen bleiben. Jeder muß die Folge seiner Handlungsweise tragen. Man erwärmt keine Schlange an seiner Brust, und wer nicht von Herzen ergeben mit uns geht, wer unseren Ordnungen widerstrebt, kann nicht im Kreise unserer Arbeiter bleiben. Denn wo mit Wohlwollen und Gerechtigkeit das Regiment geführt wird, muß auch Strenge gehandhabt werden gegen solche, die das gute Einvernehmen und den Frieden zum Nachtheile der großen Gemeinschaft stören wollen. Wie dies seither mein fester Wille gewesen, so ist dies auch eine ausdrückliche Bestimmung meines letzten Willens. Statt der zeitweise geübten Nachsicht wird daher auch, wie hier angekündigt, Strenge eintreten müssen, wenn die Ordnung dies fordert. Möge sich also Niemand durch bisher erfahrene Nachsicht verleiten lassen, auf unrechtem Wege zu beharren.

So schließe ich mit den besten Wünschen für Alle.

(gez.) Alfred Krupp.”

Ich habe geglaubt, trotz seiner Länge dieses hochbedeutsame Schriftstück in seinem ganzen Umfang mittheilen zu müssen, weil es einmal ein schönes Beispiel giebt von Krupps rechtlicher und schlichter, dabei durchaus auf das Praktische gerichteten Denkweise, weil es ferner zeigt, wie er in überzeugter Beharrlichkeit das patriarchalische Verhältniß zu seinen Arbeitern festhält und gegen alle Beeinflussung zu vertheidigen sucht, und weil es endlich ein seltenes Dokument ist für seine politischen Ansichten. Die Ueberzeugung, daß seinen Angestellten zum Politisiren Zeit und tiefere Einsicht fehle, daß sie in Arbeit und häuslichen Pflichten ihre Politik zu finden hätten, übertrug er in gewissem Sinne auch auf seine eigene Person. Sein Haushalt war die Fabrik mit dem ganzen zahlreichen Personal, seine Arbeit die Führung der deutschen Eisenindustrie im erfolgreichen Kampfe mit der des Auslandes. Gelang es ihm, durch eine tüchtige erzieherische und segensreiche Organisation der Verwaltung seiner Werke, sowie durch kräftige Abwehr der zersetzenden Elemente eine festgefügte, auf Ordnungsliebe und Pflichterfüllung gegründete Gemeinschaft herzustellen und anderseits durch stetige Vervollkommnung und absolute Zuverlässigkeit seiner Erzeugnisse der vaterländischen Industrie ihre anerkannt führende Stellung zu sichern, so war er sich bewußt, dem Vaterlande einen unschätzbaren Dienst zu leisten und hierdurch seine politische Mission für den Staat in vollstem Sinne zu erfüllen. Was er seinen Arbeitern sagte, wandte er also auch auf sich selbst an: zu weiterer Antheilnahme an der Politik hatte er keine Zeit und Kraft übrig.

Eine Aeußerung über Politik suchte er in konsequenter Weise auch stets zu vermeiden und schob selbst eine Erörterung der sozialistischen Lehren so lange von sich, bis der Organismus seines Gemeinwesens dadurch ernstlich gefährdet wurde. Nun aber begnügt er sich nicht mit Mahnungen und Warnungen, sondern geht gleich direkt auf den Kernpunkt los, welchen er in der Lehre der Kathedersozialisten erblickt: „Der Arbeiter ist an dem Ertrag eines industriellen Unternehmens zu betheiligen.” Er erblickt hierin eine Ungerechtigkeit und eine Undurchführbarkeit, weil der Arbeiter nicht gezwungen werden kann, an den Verlusten in gleicher Weise wie an dem Gewinn sich zu betheiligen, denn er kann die Arbeit jederzeit verlassen, er ist nicht an das Unternehmen gefesselt, wie der Besitzer und Arbeitgeber. Und diese seine Ansicht spricht Krupp unumwunden aus; er weiß sie in klarer Weise zu begründen und seine berechtigten Ansprüche denen der Sozialisten gegenüber zu behaupten.

Gerade dieser Theil der Schrift mußte weit über die Grenzen der Fabrik hinaus Aufsehen erregen; die Zeitungen brachten lange Auszüge daraus, und in allen Kreisen der staatserhaltenden Ordnungsliebe ward ihr allgemeiner Beifall gezollt. Die sozialdemokratischen Agitatoren waren eifrig bemüht, den fühlbaren Eindruck, welchen die Broschüre auf die Arbeiter, namentlich in Essen, gemacht hatte, abzuschwächen und begannen, in lärmenden Versammlungen diese zu diskutiren. Diesem Unwesen machte Krupp aber, soweit seine Macht reichte, energisch ein Ende. Er kündigte Anfang April 30 Arbeitern, welche hauptsächlich die Agitation betrieben hatten, ihre Stellung. Wenngleich die „Essener Freie Zeitung” diese Zahl gleich zu 120 anwachsen ließ und einen Aufruf zur Unterstützung der „Märtyrer” erließ, hatte das für die Fabrik keine weiteren Folgen. Der Friede und das gute Einverständniß mit den Angestellten war wieder hergestellt.

Es kam das Jahr 1878 mit seinen schmachvollen Mordversuchen, welche zwei Sozialdemokraten am 11. Mai und 2. Juni gegen den verehrtesten und verehrungswürdigsten Regenten seiner Zeit, gegen Kaiser Wilhelm, verübten. Nun mußte endlich den sozialdemokratischen Verhetzungen, die man in verblendeter Gleichgültigkeit immer weiter sich hatte ausbreiten lassen, mit Ernst entgegengetreten werden. Dem neuen Reichstag fiel diese Aufgabe zu, und die staatserhaltenden Elemente hatten im ganzen Reiche die triftigste Veranlassung, ihre Meinung bei den Wahlen der Abgeordneten zur Geltung zu bringen. Jetzt trat die Frage an den angesehensten und einflußreichsten Mann von Essen, an Alfried Krupp, heran, ob er die Vertretung des Wahlkreises übernehmen, ob er zu Gunsten einer für den Staat so außerordentlich wichtigen Aufgabe aus seiner politischen Zurückhaltung heraustreten und für die Staatsinteressen sowie für die Arbeiterinteressen im Reichstage eintreten wollte. Es gab keinen Mann, der mehr Vertrauen genossen und der mehr Aussicht hätte, gegen den sozial-ultramontanen Kandidaten Stötzel den Sieg zu erringen. Männer wie Löwe und Berger, Kreutz und Stumm ließen sich für ihre Industrie-Bezirke gewinnen, aber es erschien ein Reform-Reichstag auf dem Gebiete der sozialen und wirthschaftlichen Gesetzgebung ohne den erfolgreichen Vorgänger Alfried Krupp kaum denkbar.

Die Vertrauensmänner-Versammlung am 26. Juni und die öffentliche Wählerversammlung am 7. Juli wählte einstimmig Krupp zum Kandidaten der regierungsfreundlichen Parteien; es handelte sich darum, auch die ultramontanen Wähler zu gewinnen und man glaubte dessen sicher zu sein, wenn er sich bereit erklärte, die Wahl anzunehmen. Aber er enthielt sich jedes Zeichens der Zustimmung; die Gegenpartei wußte daraus Gewinn zu ziehen, indem sie die Aufstellung der Krupp’schen Kandidatur als gegen seinen ausdrücklichen Willen geschehen hinstellte; Stötzel, welcher sich vollständig dem Programm der Zentrumspartei unterworfen hatte, ward von den Ultramontanen gewählt und ging aus der Wahl am 28. Juli mit 14527 Stimmen, mit 113 Stimmen über die absolute Mehrheit, als Sieger hervor. Die liberalen und nationalen Stimmen betrugen 13882 gegen 2693 im Jahre 1871 und 6634 im Jahre 1877, aber das war ein geringer Trost: kirchlicher Fanatismus und politischer Unverstand hatten gesiegt.

Soll man Krupp aus seiner Zurückhaltung einen Vorwurf machen? Er ist zu verstehen aus seinem an der einmal gewonnenen und ausgesprochenen Ueberzeugung zäh festhaltenden Charakter. Seine Arbeit wollte er allein als seine Politik betrachten. Zu der Uebernahme einer weiteren Aufgabe konnte er sich selbst unter den vorliegenden schwerwiegenden Verhältnissen nicht entschließen, fühlte sich vielleicht auch bei seinem Alter von 66 Jahren den vermehrten Anstrengungen nicht mehr gewachsen.

X
Neue Aufgaben und neue Erfolge

Gerade dieses letzte Jahrzehnt seines Lebens stellte Krupp die Aufgabe, seine Befähigung zum Geschütz-Konstrukteur – nachdem er einmal als solcher den Wettkampf aufgenommen hatte – auch durch weitere Fortschritte zu bethätigen. Da war nicht nur seinem Gußstahl in der Stahlbronze ein einflußreicher Gegner erstanden, sondern da ward auch seiner Konstruktion der Rohre, des Verschlusses und der Laffeten von den tüchtigsten Konstrukteuren der Krieg erklärt, da galt es zu zeigen, ob seine Ideen entwicklungsfähig, ob sie auch gesteigerten Ansprüchen durch weitere Vervollkommnungen zu entsprechen im Stande seien. Und wenn Alfried Krupp am Abend seines Lebens des Sieges sich noch freuen durfte, so war es gerade die Unbezwingbarkeit seiner ersten Ideen, welche ihm dazu verhalf und die Ueberlegenheit dieses Mannes über seine Gegner klarlegte, die von einem Konstruktionsprinzip zum andern sprangen im vergeblichen Versuche, ihn zu überflügeln.

Die neuen Aufgaben und erhöhten Forderungen lagen zunächst auf dem Gebiete der schweren – Belagerungs- und Schiffs-Geschütze. Die immer zunehmende Stärke der Schiffspanzer bedingte für diese, namentlich für die Küstengeschütze eine größere Durchschlagskraft, um die feindliche Flotte in respektvoller Ferne zu halten; Krupp entsprach dieser Aufgabe durch Konstruktion einer 35,5 cm Ringkanone, wie sie 1876 zur Ausstellung nach Philadelphia gesandt wurde. Mit einer lebendigen Kraft von 6633 Metertonnen übertraf dieses Riesengeschütz das soeben in England fertig gestellte 81 Tons-Geschütz (ein 36,8 cm stählerner Hinterlader), welches nur 6484 Metertonnen an lebendiger Kraft erreichte. Man konnte annehmen, daß Krupp’s Geschütz den Panzer des damaligen stärksten englischen Schiffes „Inflexible” (60,96 cm) noch auf 1800 m Entfernung durchschlagen würde.

Die Küstenvertheidigung stellte aber noch eine zweite Aufgabe. Es erschien ausführbar, die feindlichen Schiffe durch eine Durchschlagung ihres Decks kampfunfähig zu machen; jedoch bedurfte man hierzu eines Wurfgeschützes, welches auf größere Entfernungen mit der hinreichenden Treffsicherheit ausgestattet war, um das verhältnißmäßig ungünstige – weil sich bewegende und nicht sehr große – Ziel auch zu treffen. Der von der deutschen Admiralität zu diesem Zwecke zunächst ins Auge gefaßte 21cm-Mörser genügte in letzterer Beziehung nicht, und Krupp konstruirte deshalb 1875 selbständig eine 28cm-Haubitze, mit der auf dem Schießplatz in Visbeck sehr günstige Resultate erzielt wurden. Das Geschütz erreichte bei 45° Elevation eine Wurfweite von 7500 m, also einer deutschen Meile. Das Geschütz ward in der Folgezeit noch wesentlich verbessert, erhielt namentlich durch eine schwerere und längere Granate eine größere Durchschlagskraft und erreichte bei dem Schießversuch 1879 eine Schußweite von 7870 m.

Auch die 35,5cm-Kanone machte nach 1875 wesentliche Veränderungen durch, erhielt bei kleinerem Gewicht eine größere Rohrlänge von 8,80 m und erreichte bei den Schießversuchen in Meppen 1878 eine Schußweite von 10000 m; ein gleiches Maaß auch die gleichzeitig vorgeführte 28cm-Kanone. Diese Schießversuche im Jahre 1878 sind deshalb besonders bemerkenswerth, weil sie zur ersten Erprobung des neu eingerichteten Schießplatzes in Gegenwart zahlreicher Gäste dienten.

Je mehr sich Krupp mit der selbständigen Konstruktion der Geschütze beschäftigte, desto mehr mußte er danach streben, alle von ihm und seinen Technikern gemachten Verbesserungen und Neukonstruktionen auf eigenen Schießplätzen einer gründlichen Prüfung zu unterwerfen, sich in dieser Beziehung also von den Schießplätzen der Staaten und ihren dort schaltenden Komitees und Prüfungskommissionen ganz unabhängig zu machen. Nur dieses konnte ein selbständiges weiteres Studium und die selbständige Ausbeutung der von ihm erreichten Verbesserungen gewährleisten. Selbst der Schießplatz bei Dülmen und ein im Jahre 1877 gepachteter bei Bredelar genügten den Zwecken nicht mehr, da die Wirkungssphäre der neuen Geschütze stetig sich steigerte. Deshalb erwarb Krupp 1877 ein umfangreiches fast ganz ebenes Gebiet bei Meppen in der Provinz Hannover und richtete dieses zu dem mächtigen Schießplatz ein, welcher seitdem durch die dort stattfindenden hochwichtigen Versuche und durch seine nirgend übertroffenen Einrichtungen so große Berühmtheit erlangt hat.

Ein besonderes Schienengeleise von 3500 m Länge verbindet die Station Meppen der Westfälischen Eisenbahn mit den Etablissements des Schießplatzes. Dieser selbst erstreckt sich mit 16800 m Länge durch Haide und Bruchland und wird nur durch drei sehr wenig begangene Wege quer durchschnitten. Bis zur Entfernung von 12 Kilometer erstrecken sich beiderseits elektrische Drahtleitungen von dem Geschützstand zu den Unterständen der Sicherheitsposten, welch’ letztere auch mittelst Signalmasten sich verständigen können. Den Geschützstand bildet eine für die verschiedenen Geschützarten und Kaliber eingerichtete lange Betonbettung, über welcher ein Laufkrahn sich bewegt zur Hebung und Förderung der schweren Rohre, während drei Schienengeleise zu deren Heranführung dienen. Neben dem Hauptempfangsgebäude und einem Beobachtungsthurm, von dem man das ganze Vorfeld übersehen kann, steht ein mächtiger Laffetenschuppen zur Aufbewahrung von Rohren, Laffeten, Protzen und Geschossen schwersten Kalibers, ein Telegraphenhaus und zwei Wohngebäude für das Aufsichtspersonal. Ferner fehlen ein Sicherheitsstand für Panzerschießversuche, Pulvermagazin und Laboratorium natürlich nicht, um alle Bedürfnisse zur Hand zu haben. Durch seine Ausstattung mit allen Messungs- und sonstigen Apparaten übertrifft der Schießplatz in Meppen bisher noch alle staatlichen – geschweige denn privaten – derartigen Anlagen, selbst diejenigen Englands.

Zu einem ganz bestimmten Zwecke, auf den wir noch zurückkommen, hatte Krupp bereits einmal, im Jahre 1871, vor geladenen Gästen – Vertretern aller europäischen Staaten mit Ausnahme Frankreichs, sowie von Japan, Brasilien und Argentinien – auf dem Schießplatz von Bredelar einen größeren Versuch vorgeführt. Er wiederholte diese Einladung im Jahre 1878, um den neuen Schießplatz bei Meppen würdig einzuweihen und seine neuesten – oben bereits erwähnten – Konstruktionen den Artillerie-Offizieren aus aller Herren Länder vorzuführen. Einschließlich eines vorangehenden Versuches in Bredelar verweilten die militärischen Gäste vom 27. Juni bis 3. Juli, durch Friedrich Alfred Krupp von einem Etablissement zum andern, von einem Schießplatz zum andern geleitet, eine internationale Versammlung, welche ihrem liebenswürdigen Gastgeber zu doppeltem Danke verpflichtet waren; denn während sie einerseits ihr Wissen und ihre Kenntniß durch die Vorführung der neuesten Geschützkonstruktionen bereicherten – woraus allerdings dem Fabrikherren auch Geschäftsvortheile erwachsen mußten – kamen bei dieser Gelegenheit viele bedeutende Persönlichkeiten verschiedener Nationalitäten in Berührung miteinander, es ward im Meinungsaustausch manche Verbindung angeknüpft, welche in der Folge zu einer Förderung der gemeinsamen Wissenschaft beigetragen hat. In dieser Beziehung sind diese großartigen Versuche Krupps – denen später auch Gruson nachahmte – von großem Werthe für die Entwickelung der artilleristischen und fortifikatorischen Fragen geworden, und das ist Alfried Krupp zu danken, selbst wenn er diesen Punkt nicht im Auge hatte.

Schon im nächsten Jahre wiederholte er seine Einladung, um dieses Mal vom 5. bis 9. August 1879 ein neues Riesengeschütz, die 40 cm Ringkanone vorzuführen, welche mit einem 10 m langen Rohr das der 35,5 cm-Kanone noch um 1,20 m überragte. Andere Staaten hatten nicht gezögert, die Leistungsfähigkeit ihrer Schiffs- und Küstenartillerie gleichfalls durch Vergrößerung der Kaliber und Vermehrung der Durchschlagskraft zu steigern; denn bei dem Kampf zwischen Schiffspanzer und Geschütz waren zunächst die Grenzen – Tragfähigkeit der Schiffe für die immer gesteigerten Lasten – noch nicht erreicht worden. Gerade hierfür aber erschienen die Kruppschen Geschütze immer am vortheilhaftesten; denn während sie in ihren Leistungen die gleichkalibrigen englischen wesentlich übertrafen, hinter den noch größeren (45,08 cm) italienischen aber wenig zurückblieben, waren sie ganz bedeutend leichter. Die 40 cm-Kanone wog 72, die englische 40,6 cm-Kanone 81,2 und die italienische 45,08 cm-Kanone 101,05 Tonnen. Nicht mit Unrecht schrieb daher ein amerikanischer Berichterstatter am 25. Oktober 1879: „Die Ergebnisse der bei Meppen ausgeführten Versuche sind charakteristisch. Die Krupp’schen Geschütze besitzen die gleiche Durchschlagskraft wie die vorhandenen Woolwich-Kanonen von doppeltem Gewicht, so daß man künftighin Schiffe, welche die englischen Geschütze ihres zu bedeutenden Gewichtes wegen nicht zu führen vermögen, mit den leichteren und wirksameren deutschen Kanonen bewaffnen wird. Daraus muß man also die für Amerika sehr beachtenswerthe und für England sehr niederschlagende Folgerung ziehen, daß ein lediglich auf seine eigenen Hilfsquellen angewiesener deutscher Fabrikant im Stande gewesen ist, nach verhältnißmäßig kurzen Versuchen schwere Geschütze herzustellen, welche den in der englischen Artillerie eingeführten bei Weitem überlegen sind, und deren Leistungen die bis dahin von der Unübertrefflichkeit ihrer Kanonen überzeugten Konstrukteure von Woolwich genöthigt haben, in aller Eile eine Reihe neuer Versuche zu beginnen, um den ihnen angebotenen Wettstreit aufzunehmen und womöglich siegreich durchzuführen.”

Die englischen Woolwich-Geschütze hatten gerade in jenem Jahre einen empfindlichen Stoß durch das Zerspringen eines Vorderladers auf dem „Thunderer” erlitten, und bei dem hierauf neu entsponnenen Streit über Hinter- und Vorderlader hatten die Gegner der ersteren auch wieder die Unglücksfälle von 1866 hervorgeholt, um nachzuweisen, daß auch die Krupp’schen Hinterlader ein solches Mißgeschick treffen könne wie ihr Woolwich-Rohr. Krupp konnte in einer hierauf antwortenden Schrift (die bereits erwähnt wurde) nachweisen, daß von den 5 Geschützrohren des nach 1870 eingeführten Systems, welche gesprungen waren, eins in Folge eines Dauerversuches – also beabsichtigt – und vier in Folge von Sprüngen in den Seelenwänden und daraus entstehenden Klemmungen, also durchaus nicht unvermuthet und ohne vorherige Anzeichen, gerissen waren, und doch nur auf je 2500 Geschütze ein einziges fehlerhaftes.

Außer dem neuen 40 cm-Geschütz und der 35,5 cm-Kanone wurde bei den Schießversuchen des Jahres 1879 eine ganze Reihe anderer Geschütze, die lange 15 cm-Kanone, die 21 cm Festungs-Haubitze, der 15 cm-Mörser, die 24 cm-Kanone in Küstenlaffete, und die 8,7 cm-Pivot-Schiffskanone probirt. Den Schluß bildete aber eine Vergleichsbeschießung von zwei verschiedenartigen Panzerplatten, und hiermit betrat Krupp wiederum ein neues Gebiet. Wenngleich diese ersten Panzerschießversuche ganz bestimmten, eng begrenzten Zwecken dienten, sind sie doch als Anfang der langen Reihe wichtiger Panzerschießversuche zu betrachten, deren Schauplatz der Schießplatz bei Meppen in späteren Jahren werden sollte.

Am 17. Februar des Jahres 1876 hatte Krupp für den preußischen Staat ein Patent auf ein 15 cm-Geschütz ohne Rücklauf für Panzerbatterien erhalten, und der bereits erwähnte Schießversuch am 7. und 8. November 1877 auf dem Schießplatz bei Bredelar hatte den Zweck, den Vertretern aller Mächte diese neue Erfindung vorzuführen. Die Anregung dazu hatten jedenfalls die Konstruktionen von Maximilian Schumann und Hermann Gruson gegeben. Ersterer hatte im Jahre 1866 einen festen gepanzerten Geschützstand zur Erprobung gebracht und letzterer einen gleichen, aber in Hartguß konstruirten im Jahre 1869 auf dem Tegeler Schießplatz vorgeführt. Der leitende Gedanke für beide Konstrukteure war die Sicherung eines Festungsgeschützes gegen die in steter Steigerung begriffene Wirkung der gezogenen Geschütze durch Umgebung mit einem eisernen Gehäuse, welches vorn lediglich durch die möglichst klein zu gestaltende Schießscharte durchbrochen und hinten völlig in den Wall hineingebaut war. Drei Theile waren hierbei neu und von gleicher Wichtigkeit: das eiserne Gehäuse, welches durch Gestalt und Material im Stande sein mußte, dem feindlichen Feuer einen möglichst langen Widerstand zu leisten; die Scharte, welche so klein zu machen war, daß keine Geschosse oder Sprengstücke zwischen Rohr und Schartenumrahmung in das Innere gelangen konnten; und hiermit in unmittelbarem Zusammenhang eine derartige Laffetirung des Geschützes, daß Seiten- und Höhenrichtung genommen, sowie geladen werden konnte selbst bei der minimalen Schartengröße. Die Laffete mußte also so konstruirt sein, daß der Drehungsmittelpunkt für alle Bewegungen des Rohrs möglichst in der Scharte lag und daß diese womöglich niemals unverschlossen blieb, daß also der Rücklauf des Geschützes möglichst ganz beseitigt wurde.

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28 eylül 2017
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