Kitabı oku: «Comanchen Mond Band 2», sayfa 3

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Light-Cloud machte sich bereit, das Messer abzufangen, das so bedrohlich über ihm schwebte. Noch hatte er sich nicht aufgegeben. Icy-Wind, ohne den lauernden Blick von Light-Cloud zu bemerken, senkte langsam den Arm und zog provozierend die scharfe Klinge durch das Gras. Eine Furche blieb zurück, bis in die Erde reichend. Die schmalen Lippen zu einem Lächeln verzogen, holte er zum Stoß aus. Dieser hier musste sterben, stellvertretend für einen Feind aus alten Tagen. Er würde ihn töten, um damit die Erinnerung an einen anderen Tag aus seinem Gedächtnis zu löschen. Was auch immer ihm jetzt durch den Kopf ging – es war ein befriedigendes Gefühl, bis er plötzlich blinzeln musste. Ein winziger Sonnenstrahl stach ihm in die Augen, und er senkte seinen Messerarm ein kleines Stück. Als er wieder klarer sah – es hatte nur zwei Wimpernschläge lang gedauert – blickten er und Light-Cloud sich direkt an. Icy-Wind ließ den Messerarm vorwärts schnellen, direkt auf die Brust seines Gegners zu. Dieses Glücksgefühl von eben machte alles andere um ihn herum bedeutungslos. Plötzlich spürte er, wie die Finger Light-Clouds sein Handgelenk umspannten, und erstarrte. Verzweifelt versuchte er, sich zu konzentrieren, doch da schwindelte es ihn. Es mochte der Blutverlust sein – oder vielleicht verließen ihn ganz einfach die Kräfte. Jedenfalls verschwamm alles vor seinen Augen in einem roten Nebel. Er blinzelte, holte tief Luft, während er weiter mit Light-Cloud um das Messer rang.

Da löste sich der Nebel auf, um sie seinen Blicken freizugeben: Sun-In-The-Red-Hair. Im nächsten Augenblick verschwand dieses Bild wieder, als wäre es nie dagewesen, löste sich einfach auf. Eine schwere Last blieb. Eine Last, die ihn zu erdrücken drohte – die Last der Erinnerung. Sun-In-The-Red-Hairs Sohn rang mit ihm um sein Leben. Er wusste, dass es so war und dass er das Leben ihres Sohnes in der Hand hielt.

Keuchend, den Tod erwartend, denn die scharfe Messerschneide bedrohte seine Kehle, wand sich Light-Cloud unter ihm. Langsam begannen beiden die Kräfte zu schwinden, doch der Jüngere befand sich in der schlechteren Position. Das Messer senkte sich ein Stück weiter und ritzte ihm bereits die Haut. Eine Schnur aus Blut sickerte über seinen Adamsapfel hinunter in die kleine Kuhle und sammelte sich dort. Um sie herum war es plötzlich still, selbst die Mustangs schienen den Atem anzuhalten. Die Männer, die wie erstarrt dem allen zugesehen hatten, beobachteten, wie Icy-Wind tief Luft holte – zum Letzten bereit; niemand griff ein, niemand würde sich in die Angelegenheiten dieser beiden Krieger mischen.

Die untergehende Sonne stand genau über einem der gezackten Felsen oben auf dem Geröllfeld. Das gegossene Silber war zu einem Rot geworden. Rot, wie glühendes Eisen, das zu schmelzen beginnt, fiel genau auf Light-Clouds Haare. Eigentlich dunkelbraun, schienen sie jetzt in Flammen zu stehen. Er lag auf dem Rücken, hingestreckt wie ein menschliches Opfer, mit wissenden Augen den tödlichen Stoß erwartend. Seine Gedanken waren bei Dark-Night. Jetzt, in seinen letzten Atemzügen, wusste er, dass er alles falsch gemacht hatte. Sie in dieser Lage zurückzulassen, war es nicht wert gewesen. Und doch … Noch mehr Rot ergoss sich über seine Haare. Icy-Wind stockte der Atem. Sun-In-The-Red-Hairs schemenhafte Gestalt drang erneut in sein Bewusstsein. Er wollte sich davon nicht aufhalten lassen. Seine Hand mit dem Messer drückte fester gegen den Hals, über die pulsierende Ader. Aus einer Hautfalte quoll Blut. Da geschah etwas mit ihm. Der Geist der Frau, die er niemals hatte vergessen können, nahm von ihm Besitz. Auf Light-Clouds Haaren lag der gleiche rote Schein wie damals auf ihren. Das traf ihn zutiefst. Die Erinnerung tat weh und löschte das eben noch gespürte Glücksgefühl aus. Seine Messerhand begann zu zittern, und er hätte laut aufschreien mögen. Der Augenblick des Triumphes verwandelte sich urplötzlich in eine Niederlage, und doch konnte er nichts dagegen tun.

Das war zu viel für ihn. Keuchend wandte er sich ab, nahm das Messer von Light-Clouds Hals und zog stattdessen abermals eine tiefe Furche durch das Gras, direkt neben der von eben. Fest schlossen sich seine Finger um die Waffe – eine harte Faust. Ein Schluchzen, das tief aus seiner Kehle hochstieg, zwang er nur mit größter Mühe zurück. Nein, er konnte ihren Sohn nicht töten. Nicht, wenn ihre Gegenwart ihn beschützte – nicht jetzt, nicht, wenn er sie spüren konnte. So nah, so nah. Diese Erkenntnis tat weh. Mehr, als jeder andere Schmerz zuvor in seinem Leben. Wie sollte er ihn auch töten können, wenn sie ihm dabei zusah?

Langsam steckte er sein Messer zurück in die Scheide, den brennenden Schmerz in seiner Kehle noch immer spürend. Mühsam versuchte er sich zu erheben, keuchend auf ein Knie gebeugt. Er schnappte nach Luft, stemmte sich weiter hoch, machte zwei, drei unsichere Schritte, torkelte zur Seite, fing sich wieder, ging weiter, ging einfach nur weg. Weg von Light-Cloud, ihm den Rücken zukehrend, weg von der Erinnerung an Sun-In-The-Red-Hair.

Totenstille herrschte ringsum – Unverständnis, Fragen, die in der Luft hingen. Niemand wusste eine Antwort – man hörte nur das heftige Atmen der beiden Männer. Icy-Wind blieb wieder stehen, wandte sich zurück und schaute mit einem gequälten Blick auf Light-Cloud. Dann erst schien er in seiner Trance die anderen Männer zu bemerken. Doch diese hatten nur den Eindruck, als blickte er durch sie hindurch. Erneut wischte er sich über beide Augen, entdeckte jetzt einzelne Gesichter, nickte ihnen zu, konnte aber noch immer nicht klar denken. Was war mit ihm geschehen? Diese Frage stellte er sich jetzt selber, seinen Gegner betrachtend. Dieser hatte sich inzwischen ebenfalls erhoben. Schwer verwundet stützte er sich mit beiden Armen auf den Knien ab und blicke direkt zu Icy-Wind. Das hier mussten sie zu Ende bringen, aber nicht heute. Es war ein stummes Versprechen, das sie sich gegenseitig gaben.

Sich wieder abwendend, versuchte auch er eine Antwort auf das soeben Geschehene zu finden. Er begriff überhaupt nichts. Ungläubig blinzelte er. Komm, sagte er sich, reiß dich zusammen. Du lebst, alles andere ist jetzt erst einmal unwichtig. Sein Kopf war völlig leer, bis Dark-Night vor seinem inneren Auge auftauchte. Dark-Night, schrie alles in ihm. Was würde nun aus ihr werden? Sollte das denn nie aufhören? Verzweifelt machte er einen Schritt auf sein Pferd zu. Er fühlte den Boden unter sich – aber dann nichts mehr. Wie in einem Traum gefangen sah er einen der Männer auf sich zukommen. Wer? Gray-Wolf? Storm-Rider, der ihm dabei geholfen hatte, hierher zu kommen? Er wusste es nicht.

Icy-Wind stand neben seinem Schecken. Der rote Schimmer der untergehenden Sonne umschloss Light-Cloud jetzt völlig. Er starrte ihn an. Sun-In-The-Red-Hair hatte ihn in diesen Schein, ihren Schutz gehüllt; das glaubte er noch immer. Mühsam zog er sich in den Sattel hoch, denn auch er war verwundet. Jemand reichte ihm seine Lanze, ein anderer das Beil. Eine Handbewegung, und seine undurchsichtige Miene sagte ihnen: Macht Platz, lasst mich in Ruhe. Blut rann an seinem Körper herunter und tränkte einen seiner Mokassins. Ohne die Zügel zu benutzen, wendete er und ritt in Richtung Fluss, seinem Zuhause zu. In ihm war alles leer, wie ausgehöhlt. Am liebsten hätte er sich von aller Welt in eine dunkle Höhle zurückgezogen. Sun-In-The-Red-Hair, klopfte sein Herz unaufhörlich. Sun-In-The-Red-Hair, Sun-In-The-Red-Hair. Oh ja, ohne jeden Zweifel, sie war dort gewesen, dort bei ihrem Sohn. Er hatte sie ganz deutlich gesehen. Genauso wie damals mit dem kleinen aufklappbaren Messer in der Hand. Nie hatte er das vergessen können – sie vergessen können, all die lange Zeit über, so einfach war das. Jetzt, hier, bei ihrem Anblick, war ihm zum ersten Mal im Leben seine Ehre egal gewesen, sein Ansehen, einfach alles. Als wäre er unsichtbar für alle, ritt er unbehelligt bis zu seinem Tipi. Niemand stellte Fragen, sie ließen ihn einfach nur stumm an sich vorbeireiten.

Sein Handeln jedoch wurde ihm anders ausgelegt. Jeder bewunderte seine Großherzigkeit Light-Cloud gegenüber. Die Entscheidung, ihn am Leben zu lassen, brachte ihm mehr Ehre und Ansehen ein als alle seine Taten jemals zuvor. Manche vergaßen dabei sogar seine erfolglosen Versuche, Kriegszüge organisieren zu wollen, die allesamt gescheitert waren. Ihn zeichneten keinerlei Führungsqualitäten aus wie Red-Eagle. Trotzdem wären einige der jungen Männer nach diesem Vorfall bereit gewesen, ihm zu folgen. Im Nachhinein begriff er das verwundert. Jedenfalls machte das den Verlust von Dark-Night mehr als wett. Die schlaue Finte von Großmutter tat er als Weiberkram ab, damit konnte er leben. In ein paar Tagen würde er darüber lachen. Eine Frau war leicht zu ersetzen. Schlimmer wäre der Verlust eines Pferdes gewesen.

Großmutter hatte von ihrem Platz aus das Kampfgeschehen beobachtet. In dem Moment, als die untergehende Sonne ihre Strahlen auf die Haare ihres Neffen warf, hatte auch sie den Atem angehalten, denn sie erinnerte sich plötzlich an ihre Schwägerin. Dankbar schickte sie ein Gebet an die Geister, die ihren geliebten Light-Cloud beschützt hatten. Während Icy-Wind ihren Blicken entschwand, wendete sie ihre Stute und ritt eilig zurück. Jetzt galt es, die Wunden Light-Clouds zu versorgen und sich um Dark-Night zu kümmern. Alles wird gut, sagte sie sich immer wieder – alles wird gut, Icy-Wind wird keinen Anspruch mehr auf sie erheben. Schließlich hatte es genügend Zeugen für ihr Gespräch mit Icy-Wind gegeben.

Moon-Night, Red-Eagles Frau, erwartete sie bereits, um ihr vom Zustand Dark-Nights zu berichten, und natürlich wollte sie wissen, was am Geröllfeld passiert war. Großmutter machte nicht viele Worte, denn schließlich musste Light-Clouds Tipi für ihn vorbereitet werden. Er brauchte jetzt ihre volle Aufmerksamkeit. Nach einem kurzen Bericht huschte sie, beladen mit Verbandsmaterial und Kräutern, hinüber in Light-Clouds Tipi.

Unterdessen hievten Storm-Rider und Gray-Wolf den Schwerverletzten auf sein Kriegspony, das sie bereits abgesattelt hatten. Er hätte kein anderes reiten mögen. Sich über seinen Hals beugend, flüsterte er ihm Kosewörter zu. Eine tiefe Wunde in der Kruppe des Tieres würde besonderer Pflege bedürfen. Darum mussten sich seine Pferdejungen kümmern. Vorsichtig drehte er sich um, legte die Handfläche in das Blut und wischte sacht darüber. Storm-Rider, der wie immer Summer-Wind ritt, tauchte neben ihm auf, griff – ohne ein Wort zu sagen – zu ihm hinüber, um ihn zu stützen. Einen Augenblick später war auch Gray-Wolf da. Beide nahmen ihn in die Mitte, um ihn nach Hause zu bringen. Währenddessen wanderten Light-Clouds Gedanken zurück zum Kampfgeschehen. Er versuchte gar nicht erst, Icy-Winds Handeln zu verstehen. Was ihn auch immer dazu bewogen hatte – er wollte es nicht wissen. Jetzt, während er zurück zu seinem Zuhause ritt, flankiert von seinen Freunden, quälte ihn mehr und mehr der Gedanke an Dark-Night. Diese Angst betäubte für kurze Zeit seine Schmerzen. Die beiden tiefen Wunden an seiner Seite pumpten noch immer Blut. Die Zähne zusammengebissen, blies er den Atem nach oben gegen seine Stirn, gegen den herunterhängenden, halb abgerissenen Wulst über den Augen, der nicht weiter ins Gewicht fiel. Er presste die Hand gegen seine Rippen und atmete flach. Die Schmerzen waren plötzlich wieder da. Damit konnte er umgehen. Schon seit Kindesbeinen lernten Comanchenjungen das. Undenkbar, dass jemand auch nur einen einzigen Jammerlaut von ihm zu hören bekommen würde.

Die ihn begleitenden beiden Männer waren unterschiedlicher Ansicht über den Ausgang des Kampfes. Während sie laut darüber nachdachten, nahm Gray-Wolfs Gesicht einen nachdenklichen Zug an. Er war der Meinung, Icy-Wind wäre vielleicht zur Vernunft gekommen und wollte, zwar etwas verspätet, endlich Frieden mit Light-Coud schließen. Diese Fehde zwischen den beiden Familien dauerte nun schon viel zu lange – und niemand kannte den Grund dafür. Storm-Rider jedoch hätte es an Light-Clouds Stelle erst nie so weit kommen lassen. Er wäre mit seinem Mädchen auf und davon. Dark-Nights Verstümmelung wäre somit auch nicht passiert. Nun ja, das alles war nun nicht mehr rückgängig zu machen; geschehen war geschehen.

Gray-Wolf lächelte jetzt unverhohlen. Großmutters Art, Icy-Wind Dark-Night abzuschwatzen, ja, ihn zu überlisten, fand er beachtenswerter. Natürlich konnte Light-Cloud davon noch nichts wissen. Diese Botschaft sollte ihn erfreuen. Doch er war nicht derjenige, um sie ihm zu überbringen. Dies gebührte einzig und allein Großmutter. Gray-Wolf war darüber froh – und besonders über den Ausgang des Kampfes. In seiner praktischen, einfachen Art interessierten ihn keine komplizierten Gründe. Man musste es eben hinnehmen, so wie es war.

Während sich Gray-Wolf mit Storm-Rider weiter an ihm vorbei über Kampfmethoden unterhielt, wendete Light-Cloud seinen Kopf von einem zum anderen. Sie waren schon eine ganze Strecke geritten, als er die Frage stellte, die ihn am meisten beschäftigte: „Weiß jemand von euch, wie es Dark-Night geht?“

Storm-Rider schürzte leicht die Lippen und schüttelte den Kopf. Seine Haare, offen und vom Wind zerzaust, fielen ihm in leichten Wellen unordentlich über den Rücken. Nervös fuhr er sich mit einem Finger über den breiten Rücken seiner Nase. In seinem männlich herben Gesicht erschien ein ernster Zug. „Spar dir deine Spucke“, meinte er dann leichthin, „denn du bist nicht leicht zu ersetzen. Was Dark-Night betrifft, um die kümmern sich Großmutter und meine Mutter.“ Er hüstelte verlegen, weil er auch nichts weiter wusste – und ebenso wie Gray-Wolf der Meinung war, dass ihm das mit Dark-Night Großmutter sagen musste.

Light-Cloud richtete sich mühsam auf, ihm einen dankbaren Blick zuwerfend. Gray-Wolf, der den Zügel von Light-Clouds Mustang in der Hand hielt, lenkte ihn den Fluss hinunter seinem Tipi zu.

„Großmutter wird dich schon wieder zusammenflicken“, meinte Storm-Rider, um das Thema zu wechseln. Er wollte einfach nicht mehr davon sprechen, auch nicht über den Kampf mit Icy-Wind – sich keine Gedanken mehr darüber machen, was vielleicht hätte sein können.

Vom Fluss her tauchte Little-Wolf auf und ritt ihnen entgegen. Nachdem er gesehen hatte, wohin Icy-Wind verschwunden war, wollte er wissen, wie es Light-Cloud ging, und schloss sich ihnen an. Gray-Wolf und er waren im gleichen Alter. Er jedoch war sehniger, etwas größer – und seine Haut hell. Fast ein Drittel aller Comanchen waren Mischlinge oder sogar weiß. Die Mitglieder der Antilopenbande dagegen hatten – bis auf wenige Ausnahmen – eine dunkle Haut. Ein weiterer Freund, der wie Little-Wolf das Kampfgeschehen beobachtet hatte, stieß aus dem seitlichen Gebüsch zu ihnen. Er war zu Fuß, passte sich aber leicht dem ruhigen Gang der Mustangs an. Ursprünglich stammte er aus Mexiko und war jetzt einer der Pferdejungen. Storm-Rider musterte ihn kurz. Ihm war eben etwas eingefallen. Oh, dachte er verwirrt. Ja, „Swims-Through-The-River“, hieß er – „Swimmer“, nannten sie ihn nur kurz. Hatte er doch im Mond, in dem die gelben Blumen blühen, versucht, mit Summer-Rain anzubandeln. Das war nun schon etwas über einen Winter her.

Nach einem prüfenden Blick auf Light-Clouds Pferd zeigte der junge Mexikaner auf das Blut, das dem Tier die Flanken hinunterlief. „Ich werde mich um deinen Braunen kümmern“, stellte er sachkundig fest, ihm die Flanke streichelnd. „Lass mich das für dich tun, Light-Cloud; es wäre mir eine Ehre.“

Sein Lächeln ist umwerfend, stellte Storm-Rider neidlos fest. Auch gehörte er zu den angesehensten Männern und war bekannt für seine heilenden Hände, wenn es um Pferde ging – beinahe so gut wie Light-Cloud selbst. Ohne auf das Angebot einzugehen, murmelte der nur Unverständliches vor sich her. Anscheinend hatte er gerade jetzt große Schmerzen.

Statt seiner antwortete Storm-Rider für den verletzten Freund: „Er wird es nicht selber tun können, das siehst du ja. Also wäre es schön, wenn du das übernimmst.“

„Ihr braucht nicht so zu tun, als wäre ich nicht hier“, schnappte Light-Cloud, der sich damit wieder ins Leben zurückmeldete. „Ich weiß, was ihr denkt, doch dieser Mann hier hat nur ein paar Kratzer abbekommen und wird in der nächsten Zeit noch nicht sterben. Auch verkriecht er sich nicht wie ein wundgeschossener Wolf irgendwo. Also, haltet euch besser zurück!“

„Oho, gib nur nicht so an!“ Gray-Wolf lachte glucksend. Man sah es ihm an, wie froh er über den Zustand des Freundes war. Wenn er schon wieder scherzen konnte, dann würde es sicher nicht so schlimm sein. Doch Light-Clouds Lächeln war nicht echt. Storm-Rider hatte es sehr wohl bemerkt, verbiss sich jedoch jeden Kommentar.

Swimmer drängte sich neben Storm-Riders Pferd. „Ich wünschte nur, seine Schwester Summer-Rain wäre jetzt hier“, sagte er laut. Sein Gesicht bekam einen verträumten Ausdruck, während er weitersprach. „ Sie kann Wunden zusammennähen, da bleiben schnurgerade Narben zurück. Nicht solche unschönen Wülste, wie sie Great-Mountain draufhat. Hier“, damit hielt er ihm den nackten Oberarm hin. „Das hat sie mir sauber zusammengenäht – eine gerade Linie, wie du sehen kannst.“

Storm-Rider rümpfte die Nase und verzog geringschätzig den Mund. „Pah! Wenn man nichts mehr davon sehen kann, heißt das wohl, dass deine Verletzung nicht von Bedeutung war. Solche Wunden näht jedes kleine Kind gerade zusammen.“

„Nein, du weißt genau, dass das nicht stimmt. Du musst ja nicht alles gutheißen, was Summer-Rain tut. Ich weiß wirklich nicht, was du gegen sie hast. Mir ist sie nie egal gewesen. Wenn sie von ihrem Erkundungsritt zurück ist, wird sie uns bald wieder verlassen. Diesmal aber endgültig. Ich jedenfalls finde das schade – noch dazu wegen eines Cheyenne. Das hätte einfach nicht passieren dürfen. Sie ist eine Comanche und gehört hierher zu uns.“

Diese Feststellung hing drei Herzschläge lang in der Luft, bevor Storm-Rider mit hochgezogenen Brauen, die er im Gegensatz zu seinen Freunden nie auszupfte, durch einen zur Hälfte geöffneten Mundwinkel hervorstieß: „Das ist wohl so, That-Swims-Through-The-River.“ Als es heraus war, schluckte er schwer. Seine Kehle war wie ausgetrocknet.

Gray-Wolf schürzte die Lippen, bevor er ebenfalls seine Meinung kundtat. „Wer weiß denn schon mit Sicherheit, ob dieser Cheyenne überhaupt jemals zurückkommt? Auf dieses Volk war doch noch nie Verlass. Unsere Großväter haben zwar damals diesen Großen Frieden mit ihnen geschlossen, doch das heißt noch lange nicht, dass sie uns ebenbürtig sind!“ Bei dieser Verkündung blickte er triumphierend in die Runde und warf sich in Position.

Mühsam hob Light-Cloud den Kopf. Er hatte diesem Gespräch trotz seiner Schmerzen folgen können.

„Summer-Rain wird uns verlassen“, brachte er heraus, hustete und spuckte Blut. „Egal, was ihr sagt – auf den Cheyenne ist Verlass. Ihr seid wie gackernde Truthühner, die sich um einen Wurm streiten, der im Boden verschwindet. Wenn ich seiner nicht so sicher gewesen wäre, denkt ihr etwa, ich hätte sie ihm versprochen?“

Storm-Rider, der so tat, als interessierte ihn das alles nicht, sog die Wangen nach innen, während Swimmer und Little-Wolf enttäuscht vor sich hin nickten. Gray-Wolf schwieg betreten, er hatte Light-Cloud mit seinen Worten natürlich nicht beleidigen wollen.

Da meinte Light-Cloud leise, an keinen im Besonderen gewandt: „Warum eigentlich hat außer Swimmer niemand Interesse an meiner Schwester gezeigt? Da muss erst ein Fremder kommen, und jetzt beschwert ihr euch!“

Es folgte betretenes Schweigen und Schulterzucken. Nein, so war es nicht. Es gab eine einfache Erklärung, und ihrer aller Verlegenheit war Antwort genug. Eigentlich trug Summer-Rain ja an diesem Zustand selber die Schuld. Die jungen Männer befürchteten jedenfalls, von ihr abgewiesen oder was noch viel schlimmer war – lächerlich gemacht zu werden. Das wollte niemand, und so zog sich mancher bereits beim ersten Anzeichen einer Abfuhr zurück. Summer-Rain hatte eine scharfe Zunge, und deshalb überlegte man es sich reiflich, überhaupt mit ihr anzubandeln. Sie gaben lieber auf, als sich zu blamieren. Summer-Rains Stolz und ihre Unnahbarkeit schreckten sie alle ab – und die Gewissheit, dass es sowieso vergebliche Mühe wäre, seine Zeit mit ihr zu verschwenden. Das war die Wahrheit, die aber niemand sich laut zuzugeben getraute.

Storm-Rider legte schweigend eine Hand auf die blutige Flanke von Light-Clouds Braunem. Er schien mit seinen Gedanken weit weg zu sein. Trotz seines Zustandes bemerkte es Light-Cloud. Etwas an dem Gesichtsausdruck des Freundes ließ ihn jetzt stutzen. Es war nur ein kurzes Aufflackern der goldenen Sprenkel in den braunen Augen, ein kurzes Blinzeln. Die letzte Bemerkung über seine Schwester hing noch immer in der Luft. Sie schien die Männer verlegen gemacht zu haben. Jedenfalls blickten sie sich an, als wüssten sie alle außer ihm Bescheid.

„Wir waren überrascht, Light-Cloud“, ergriff Little-Wolf zögernd das Wort, „als das mit Running-Fox bekannt wurde. Das hat einige von uns schwer getroffen. Keiner konnte es so recht begreifen. Ich möchte jetzt keine Namen nennen, doch so war es.“ Ein Seufzer entrang sich ihm, und er schaute verlegen zur Seite. Natürlich hatte es alle überrascht! Summer-Rain wählte ausgerechnet einen Fremden!

„Eben war sie noch das Mädchen, an dessen Anblick man sich erfreute, ohne weiter darüber nachzudenken – und dann schnappt sie uns ein Fremder einfach vor der Nase weg“, offenbarte Little-Wolf seine Gedanken den anderen. Kurz überlegte er, zu schweigen, aber dann sprach er doch weiter, Light-Cloud einen schelmischen Blick zu werfend. „Deine Schwester kam mir immer wie ein wunderschöner Pilz vor, den man aber nicht zu essen wagt – aus Angst, sich zu vergiften. Obwohl es da nur etwas mehr Mut gebraucht hätte. Keiner von uns hat den gehabt. Naja, vielleicht von Swimmer einmal abgesehen.“

Seine Freunde prusteten los und feixten. Little-Wolf jedoch redete unbeirrt weiter, als sei er stolz darauf, das endlich laut aussprechen zu können, was andere insgeheim dachten. „Glaube mir, deine Schwester schwirrt immer noch in so manchen Köpfen herum, ohne dass sie das auch nur ahnt.“

„Naja, man sollte sich ja eigentlich vor giftigen Pilzen vorsehen“, meinte Gray-Wolf leicht belustigt.

Little-Wolf runzelte die Stirn und warf ihm einen wütenden Blick zu. „Ich habe nicht gesagt, dass sie ein giftiger Pilz ist, du Schlauer. Ich hab gesagt, dass man Angst haben könnte, sich zu vergiften – nicht dass es so ist!“ Er musterte Swimmer, der bisher geschwiegen hatte. „Ich will damit sagen“, fuhr er fort, ihn nicht aus den Augen lassend, „sie hat so eine Art, die die Männer abschreckt. Wer holt sich schon gern eine Abfuhr? Dieser Blamage setzt sich kein vernünftiger Mann gern freiwillig aus. Höchstens, er ist so verrückt, wie ich es im vergangenen Sommer war.“

Seine Stimme stockte, er biss sich auf die Unterlippe. Wollte er ihnen das wirklich jetzt hier, in aller Öffentlichkeit, erzählen? Einen Augenblick lang zögerte er, doch dann zog er die Schultern hoch und redete weiter. „Sie hat gelacht und mich verspottet, als ich ihr wie ein treuer Hund überallhin gefolgt bin. Jedes andere Mädchen hätte sich geehrt gefühlt. Glaubst du wirklich, Light-Cloud, das hält ein Mann lange durch? Ich jedenfalls hab‘s aufgegeben. Allerdings hat das einen vollen Mond lang gedauert. Und Swimmer? Frag ihn, er wollte erst mit dir, als ihrem Bruder, reden, bevor er sich eine Abfuhr holt. Natürlich hat Summer-Rain das mitgekriegt. Frag ihn – los, frag ihn danach!“

Der junge Mann, jetzt darauf angesprochen, schaute ziemlich verlegen drein. Das ganze Gespräch war ihm sichtlich unangenehm. Trotz der Schmerzen grinste Light-Cloud in sich hinein. Nein, sagte er sich – nein. Seine Schwester hatte etwas Besseres als einen dieser Männer verdient. Er suchte nach den richtigen Worten, schließlich wollte er niemanden beleidigen. Was, dachte er, hat mir meine kleine Schwester noch alles verschwiegen? Und da fielen ihm Storm-Riders Worte wieder ein. Damals, als sie miteinander von dem Geröllfeld zurückgekommen waren, als der Freund mit Gray-Wolfs Hilfe seine Dark-Night in Sicherheit gebracht hatte. Tief auf den Widerrist seines Kriegsponys gebeugt, konnte er von dieser Position aus Swimmers Gesicht nicht sehen. Aber seine Füße, die jetzt ins Stolpern gerieten. Etwas belustigt richtete er deshalb seine nächsten Worte nach unten, direkt an Swimmers Mokassins. „Ich frage dich also, Swims-Through-The-River – außer der Absicht, mir für meine Schwester Pferde zu versprechen: Was hast du denn sonst noch so getan?“

Swimmer stolperte abermals, denn er hatte den scharfen Ton in Light-Clouds Stimme wohl herausgehört. Etwas verwirrt schaute er besser auf den Weg. So hatte er gleich einen Vorwand, Light-Cloud nicht ins Gesicht sehen zu müssen. „Naja“, druckste er, „was man eben so tut.“

Gray-Wolf, der jetzt hinter ihm ritt und den er nicht sehen konnte, verkniff sich nur mühsam das Lachen.

Etwas kleinlaut kamen die nächsten Worte von Swimmer, der nicht recht wusste, ob man ihn herausfordern oder sich über ihn lustig machen wollte. „Ich hab ihr vorgeschlagen, mit mir auszureiten, ihr kleine Geschenke gemacht, die sie aber nicht angenommen hat. Solche Sachen eben, die man so tut bei einem Mädchen. Sie wollte nicht einmal bunte Bänder haben, die doch wohl keine, die etwas auf sich hält, abgelehnt hätte! Bunte Perlen wollte sie auch nicht. Zuerst hat sie mich einfach nur stehen lassen, wenn ich mit ihr reden wollte; dann, als ich nicht aufgegeben habe, ist sie wütend geworden. Natürlich war ich enttäuscht, zumal es genug Mädchen gibt, die mir schöne Augen machen. Ich bin ein guter Mann – das kann jeder bezeugen. Für sie anscheinend nicht gut genug. Immerhin hat sie mich nicht ausgelacht.“

Betreten schwieg er; die ganze Sache vor seinen Freunden auszubreiten, war ihm jetzt irgendwie peinlich.

Light-Cloud nickte. Er respektierte die Ehrlichkeit, mit der er gesprochen hatte. „Davon wusste ich nichts“, meinte er deshalb in entschuldigendem Ton. Seine Schwester hatte also auch ihre Geheimnisse gehabt – nicht nur er. „Das ist jetzt sowieso nicht mehr von Belang“, tat er das Thema ab.

Storm-Rider, der etwas zurückgefallen war, wischte sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Swimmer reckte sich zu Light-Cloud hoch und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Beide blickten sich an. „Sie wird uns verlassen“, sagte er leise, „weggehen, mit diesem Fremden.“ Swimmers Stimme klang weich und bedauernd. „Niemand wird etwas dagegen tun können; eine Frau gehört zu ihrem Mann.“

Das war richtig, und doch – plötzlich hörten sie die laute Stimme von Storm-Rider in ihrem Rücken. „Noch ist das nicht entschieden.“

„He“, meinte Light-Cloud, dem eine heiße Welle Schweiß über das Gesicht rinnen ließ, „habt ihr nichts anderes zu tun als euch über meine Schwester auszulassen?“

Erschöpft fielen ihm die Arme auf die Flanken seines Mustangs hinunter. Es wurde Zeit, dass er in die Obhut von Großmutter kam. Nur mit Mühe schaute Light-Cloud auf, blinzelte, da er jetzt alles nur wie durch einen grauen Schleier sah. „Mir fließt Blut aus dem Körper wie bei einem Topf der Tejano, in den wir Löcher geschossen haben, und ihr redet nur von meiner Schwester. Kümmert euch lieber um den, der hier wie ein angeschossenes Wild über seinem Kriegspferd hängt.“ Seine Augen waren jetzt geschlossen, sein Atem ging mühsam. Augenblicke später flankierten ihn wieder, wie zuvor schon, Gray-Wolf und Storm-Rider.

Inzwischen waren sie schon so weit an sein Tipi herangekommen, dass Großmutter sie eigentlich hören musste. Das hatte sie tatsächlich, denn sie erschien genau in diesem Moment davor. Dark-Night in ihrem eigenen Tipi gut versorgt wissend, hatte sie hier inzwischen alles für Light-Cloud vorbereitet. Sogar Fleischbrühe brodelte bereits über dem Feuer in einem Kessel. Die letzten Schritte seines treuen Pferdes bis zu seinem Tipi bekam Light-Cloud schon nicht mehr mit; er war in einen Wachtraum gefallen. Die Stimmen der Freunde verhallten in seinem Kopf wie ein abklingendes Echo. Vor seinen Augen verschwammen die Konturen des Flusses. Die Körper der Pferde auf der anderen Seite drüben im Canyon überlagerten sich. Der Blutverlust und das beginnende Fieber forderten bereits ihren Tribut. Light-Cloud glitt in eine andere Welt hinüber. Ohne dass er sein Bewusstsein wiedererlangte, brachten sie ihn in sein Tipi, wo Großmutter ihn übernahm. Später würde Moon-Night sich ebenfalls um ihn kümmern. Dark-Night musste auch gepflegt werden, und Dream-In-The-Day kam, um lange nicht mehr von ihrer Seite zu weichen.

Auch Icy-Wind war schwer verwundet. Viel schwerer als seine Verletzungen jedoch war für ihn die Erkenntnis, sich all die Zeit über nur etwas vorgemacht zu haben, was seine Gefühle für Sun-In-The-Red-Hair betraf. Sun-In-The-Red-Hair! Wenn er jetzt in der Nacht zu schlafen versuchte, erschien sie ihm immer öfter in seinen Träumen, ihre Haare rot wie der Sonnenuntergang. Ein Gesicht, so voller Sonnenspuren, dass es einem den Atem verschlug, und Augen, die ihn ansahen, flehten, baten. Anstatt sich als ihr Beschützer zu erweisen, hatte er ihr nur Gewalt angetan. Er, Icy-Wind, hätte wie Three-Bears handeln müssen. Diese Erkenntnis kam ihm viel zu spät. Doch den Hass und den Neid, den die Zeit in ihn hineingefressen hatte – den konnte dieser Mann nicht verwinden. Der Stachel, dass ihm etwas weggenommen worden war, das eigentlich ihm zugestanden hätte, egal, wessen Schuld das am Ende auch war – saß tief. Beim Anblick von Light-Clouds Haaren, dem rötlichen Schimmer darin, war alles wieder hochgekommen. Er hatte sie in ihm gesehen, Sun-In-The-Red-Hair hatte ihre Macht über ihn niemals verloren. Da begriff er die Bedeutung seines richtigen Namens, den er einst durch einen alten, weisen Mann erhalten hatte: The-One-Who-Should-Not-Look-Back. Das jedoch konnte er nicht, schon lange nicht mehr. Da gab es zu viel, das ihn immer wieder daran erinnerte. Light-Cloud, sagte er sich mit Hass im Herzen – bevor du tot bist, finde ich keine Ruhe vor den Geistern meiner Vergangenheit.

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