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Kitabı oku: «Der Waldläufer», sayfa 67

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»Ich glaube es auch«, antwortete Gayferos; »Gott hatte es anders beschlossen. Unterdessen«, fuhr er fort, »empfand ich lebhaft den Wunsch, mein Vaterland wiederzusehen; aber die Dankbarkeit machte es mir zur Pflicht, es ihnen zu verschweigen. Der alte Krieger schien es zu ahnen und sprach mit mir darüber. Zu edelmütig, um ihr Werk unvollendet zu lassen und mich allein den zahllosen Gefahren der Rückkehr auszusetzen, entschloß sich der riesige Jäger, mich bis Tubac zu begleiten. Sein Gefährte hatte nichts gegen diesen Entschluß einzuwenden, und wir machten uns zur Grenze hin auf den Weg. Der junge Mann allein schien uns nur widerstrebend zu folgen.

Um das Presidio zu erreichen, war es notwendig, zum zweitenmal die Kette der Nebelberge zu überschreiten, und gerade beim Einbruch der Nacht hatten wir sie überstiegen und waren genötigt, haltzumachen. Es ist dies eine Gegend, die von den Gilenosindianern am häufigsten besucht wird, und wir konnten nur mit der größten Vorsicht hier übernachten.

Ich gestehe es, nichts gleicht mehr der Wohnung der Geister des Abgrunds als diese Berge, in deren Mitte wir die Nacht zubrachten. Jeden Augenblick wurde unser Schlaf durch sonderbares Getöse unterbrochen, das aus den Schluchten der Felsen hervorzukommen schien. Bald war es wie das unterirdische Getöse eines grollenden Vulkans oder wie die Stimme eines fernen brausenden Wasserfalls; bald war es wie das Geheul von Wölfen oder wie klagendes Seufzen, und von Zeit zu Zeit zerrissen unheimliche Blitze den ewigen Nebelschleier, der diese Berge bedeckt.

Ein peinlicher Traum vermehrte bei mir noch die düstere Stimmung, in die mich das unerklärliche Getöse versetzte. Ich träumte, daß ich mich noch auf der Insel befände, daß das Geheul der Indianer meine Ohren zerriß, daß Büchsenschüsse noch schmerzlich wie sechs Monate früher meine schwachen Nerven erschütterten. Dieser Traum zeigte mir im Schlaf so schreckliche Ähnlichkeiten mit der Wirklichkeit, daß ich mehrmals erwachte, ohne die Kraft dazu zu haben, den bleiernen Schlaf, der auf mir lastete, abzuschütteln. Endlich wachte ich auf und öffnete die Augen. Alles um uns war so ruhig, wie es bei dem übernatürlichen Getöse, das von allen Seiten erscholl, nur immer sein konnte.

Wir hatten uns aus Furcht vor einem Überfall und ohne Feuer anzuzünden auf einem Felsen gelagert, der wie ein Tisch in ein ziemlich breites Tal hineinreichte und sich ungefähr fünfzig Fuß über dieses erhob. Die beiden älteren Jäger schliefen in einiger Entfernung von mir, der jüngste allein wachte; er war an der Reihe und war wie immer gezwungen gewesen, dieses Recht in Anspruch zu nehmen, denn seinen Gefährten schien es peinlich zu sein, ihn so ihre Beschwerden teilen zu sehen.

»Habt Ihr nichts gehört?« fragte ich meinen wachenden Gefährten.

»Nichts Neues«, sagte er zu mir, »als das Getöse der in diesen Bergen stets unruhigen unterirdischen Vulkane.« »Sagt lieber, daß wir uns hier an einem verfluchten Ort befinden«, erwiderte ich und erzählte dem jungen Mann meinen Traum.

»Das ist vielleicht eine Warnung«, sagte er ernst. »Ich erinnere mich, daß ich eines Nachts einen ähnlichen Traum hatte, als …«

Der junge Mann hielt inne. Er näherte sich dem Rand des Felsens, der das Tal beherrschte. Unwillkürlich machte ich es ebenso. Derselbe Gegenstand fiel uns zu gleicher Zeit in die Augen.

Einer der Geister der Finsternis, die diese Gegenden bewohnen müssen, schien plötzlich eine sichtbare Gestalt angenommen zu haben. Es war eine Art von Gespenst mit dem Kopf und dem Pelz eines Wolfs, aber aufrecht auf seinen Beinen wie ein menschliches Wesen. Ich bekreuzigte mich, sagte ein Stoßgebet her, aber das Gespenst rührte sich nicht.

»Das ist der Teufel!« murmelte ich.

»Es ist ein Indianer« erwiderte der junge Mann; »seht dort in einiger Entfernung seine Gefährten.«

In der Tat konnten unsere an die Dunkelheit schon gewöhnten Augen etwa zwanzig Indianer auf der Erde liegend bemerken, die uns gewiß nicht so nahe bei sich vermuteten.

Ach, Señorita, das war eine solch gefährliche Lage, nach der der arme junge Mann, der uns begleitete, so begierig war, und Sie würden wie ich mit blutendem Herzen die traurige Freude gesehen haben, die in seinen Augen blitzte; denn je mehr wir uns den Ansiedlungen näherten, um so mehr schien seine Schwermut zuzunehmen.

»Wir wollen unsere Freunde wecken«, sagte ich nun.

»Nein, laßt mich allein gehen. Diese beiden Männer haben genug für mich getan; an mir ist jetzt die Reihe, mich der Gefahr auszusetzen, und wenn ich sterbe … nun, dann werde ich vergessen …«

Mit diesen Worten ging der junge Mann von mir weg, machte einen Umweg, und ich verlor ihn aus den Augen, ohne daß ich jedoch aufhörte, das schreckliche, regungslose Wesen fünfzig Fuß unter mir zu beobachten …

Plötzlich sah ich, wie eine andere schwarze Gestalt sich auf sie warf, wie die beiden Körper zu einem einzigen wurden, aber still genug, daß man hätte glauben können, es sei ein Kampf zweier Geister. Sie verschwanden aus meinen Augen in einer Spaltung des Bodens, und ich betete zu Gott für den edlen jungen Mann, der sein Leben mit soviel kaltem Blut und Unerschrockenheit aufs Spiel setzte. Kurze Zeit darauf sah ich ihn zurückkommen; das Blut strömte aus einer breiten Kopfwunde über sein Gesicht.

»0 Jesus!« rief ich aus. »Ihr seid verwundet!«

»Es ist nichts!« sagte er. »Nun will ich meine Gefährten wecken.«

»Was soll ich noch sagen, Señorita?« fuhr der Gambusino fort. »Mein Traum war uns eine Warnung Gottes. Eine Abteilung Indianer, die wir an der Red Fo… in Texas, wollte ich sagen, vollständig in die Flucht geschlagen hatten, war wieder unseren Spuren gefolgt, um das Blut der Ihrigen, das an den Ufern des … an der Stelle, wo wir den jungen Mann befreit hatten, geflossen war, zu rächen. Aber die Indianer hatten mit furchtbaren Gegnern zu tun. Ihre Schildwache war von dem mutigen jungen Mann erdrosselt worden, ehe sie nur Zeit gehabt hatte, einen Alarmruf auszustoßen, und die anderen wurden im Schlaf von den drei vereinigten Jägern überfallen.

Die Nacht war noch nicht vorüber, als diese neue Heldentat ausgeführt war, und ich schlief wieder ein. Ich erwachte erst nach Tagesanbruch. Die beiden Jäger standen aufrecht auf dem Felsen, der das Tal beherrschte, und beide blickten auf den Schlaf dessen, den sie so sehr liebten. Ich wollte den großen Jäger über die einzelnen Umstände der Abenteuer der Nacht befragen, als er den Finger auf den Mund legte und auf den schlafenden jungen Mann zeigte. Es war sein Sohn, dessen Schlaf er bewachte. Ich begriff, daß ich ihn nicht stören durfte, und schaute, ohne etwas zu sagen, auf seine bleichen Züge und die blutige Binde, die um seinen Kopf geschlungen war.«

»Armes Kind!« unterbrach ihn leise Doña Rosarita. »Noch so jung und schon ein Leben voll steter Gefahren. Armer Vater auch, der in jedem Augenblick für die Tage eines vielgeliebten Sohnes zittern muß!«

»Eines vielgeliebten, wie Ihr sagt, Señorita«, erwiderte der Erzähler. »Sechs Monate lang habe ich in jedem Augenblick die unendliche Zärtlichkeit dieses herkulischen Vaters für seinen Sohn sehen können.

Der junge Mann schlief ruhig, und sein Mund flüsterte leise einen Namen, aber laut genug, daß ich es hören konnte, und es war der Name einer Frau.«

Die schwarzen Augen Rosaritas schienen den Erzähler zu fragen; aber das Wort erstarb auf ihren halbgeöffneten Lippen; sie wagte nicht auszusprechen, was ihr Herz in ihr Ohr flüsterte.

»Aber ich nehme Ihre Zeit zu lange in Anspruch«, fuhr Gayferos fort, ohne daß er die Verwirrung des jungen Mädchens zu bemerken schien; »ich komme zum Schluß meiner Erzählung.

Der junge Mann wachte in dem Augenblick auf, wo der Riese, nachdem er mich beiseite geführt hatte, mir die verlangte Erklärung geben wollte. ›Halt!‹ sagte er. ›Geht hinunter und zählt die Toten, die diese Hunde uns zurückgelassen haben.‹

Elf auf dem Boden ausgestreckte Leichen«, fuhr der Gambusino fort, »und zwei gefangene Pferde bezeugten den Sieg dieser unerschrockenen Indianertöter.«

»Ehre sei diesen Unbekannten!« rief Don Agustin enthusiastisch aus.

Seine Tochter schlug ihre zarten Hände zusammen und rief ebenfalls mit flammenden Wangen und Augen, die von einem Enthusiasmus wie die ihres Vaters blitzten, aus: »Das ist schön! So jung und so tapfer!«

Das junge Mädchen spendete sein Lob nur dem jungen Unbekannten, dessen Namen ihm das feine Gefühl der Frauen, das zuweilen ein zweites Gesicht zu sein scheint, vielleicht offenbarte. Der Erzähler schien mit Lust die seinen Freunden gespendeten Lobeserhebungen zu hören.

»Aber Ihr erfuhrt doch endlich ihren Namen?« fragte schüchtern Doña Rosarita.

»Der Älteste hieß Bois-Rosé, der zweite Pepe oder Dormilon; was den jungen Mann betrifft …«

Gayferos schien sich auf einen Namen zu besinnen, ohne daß er die ängstliche Erwartung zu bemerken schien, die sich bei dem jungen Mädchen in dem wogenden Busen, in ihrer Blässe und den geschwellten Nasenflügeln kundgab. Da die Lage Tiburcios mit der des jungen Unbekannten so ähnlich war, zweifelte sie nicht daran, daß er es auch sei, und das arme Kind raffte seine Kräfte zusammen, um seinen Namen anzuhören, ohne dabei einen Ausruf des Glücks und der Liebe auszustoßen.

»Was den jungen Mann betrifft«, fuhr der Gambusino fort, »so hieß er … Fabian.«

Bei diesem Namen, der Rosarita an nichts erinnerte und so ihre süßen Täuschungen vernichtete, legte sie schmerzlich die Hand auf ihr Herz, ihre Lippen erbleichten; die Farbe, die die Hoffnung auf ihre Wangen zurückgerufen hatte, erlosch wie die rosigen Wolken nach Sonnenuntergang; dann konnte sie nur unwillkürlich wiederholen: »Fabian!«

Aber Fabian war für sie nicht Tiburcio – Fabian war ein Unbekannter!

In diesem Augenblick wurde die Erzählung des Gambusinos durch die Ankunft eines Dieners unterbrochen. Der Kaplan bat den Hacendero, einer Angelegenheit halber, über die er mit ihm zu sprechen habe, einen Augenblick zu ihm zu kommen.

Don Agustin verließ den Saal, indem er versprach, daß er bald zurückkehren würde.

Der Gambusino und das junge Mädchen blieben allein. Dieser betrachtete die unter ihrem seidenen Schleier verwirrte und zitternde Rosarita einen Augenblick schweigend und mit kaum verhehlter Freude. Ein geheimes Gefühl sagte ihr, daß Gayferos seine Erzählung noch nicht beendet hatte.

In der Tat sagte der Gambusino leise zu ihr: »Fabian hatte noch einen anderen Namen, Señorita; wollen Sie ihn wissen, während wir hier ohne Zeugen sind?«

Rosarita erbleichte. »Einen anderen Namen? O sagt ihn!« erwiderte sie mit bebender Stimme.

»Man hat ihn lange Tiburcio Arellanos genannt.«

Ein Ausruf des Glücks rang sich aus der Brust des jungen Mädchens, das sich von seinem Sitz erhob, sich dem Überbringer dieser guten Nachricht näherte, seine Hand ergriff und sie mit ausbrechender Leidenschaft an die Lippen preßte. »Dank! Dank«, rief Rosarita aus; »obgleich mein Herz es mir schon gesagt hat.« Dann schritt sie wankend durch den Saal und kniete vor einer Madonna in goldenem Rahmen nieder.

»Tiburcio Arellanos«, nahm der Gambusino das Wort, »ist jetzt nur noch Fabian, und Fabian ist der letzte der Grafen von Mediana, einer edlen Familie in Spanien.«

Das junge Mädchen betete immer noch, ohne daß es Gayferos‘ Worte zu hören schien.

»Unermeßliche Güter, einen großen Namen, Titel, Ehre – alles legt er zu den Füßen der Frau nieder, die die seinige werden wird.«

Das junge Mädchen setzte sein glühendes Gebet fort, ohne den Kopf umzuwenden.

»Und dennoch«, nahm der Gambusino wieder das Wort, »hat das Herz Don Fabians von Mediana nichts von dem vergessen, was das Herz von Tiburcio Arellanos gefühlt hat.«

Rosarita unterbrach ihr Gebet.

»Tiburcio Arellanos wird heute abend hier sein, wenn Sie ihn anhören wollen.«

Diesmal betete das junge Mädchen nicht mehr. Es war Tiburcio und nicht Fabian, Graf von Mediana; Tiburcio, arm und unbekannt, den sie so sehr beweint hatte. Nur bei diesem Namen hörte sie. Ehren, Titel, Reichtümer, was kümmerte sie das? Fabian lebte und liebte sie immer noch; war das nicht genug?

»Wenn Sie sich nach der Öffnung in der Ringmauer begeben wollen, wo er Sie verlassen hat, so werden Sie ihn heute abend dort finden. Erinnern Sie sich auch des Ortes, den ich meine?«

»O mein Gott«, murmelte das junge Mädchen; »als ob ich nicht alle Abende hinginge!«

Und immer noch kniete Rosarita vor dem Bild der Madonna und nahm ihr unterbrochenes Gebet wieder auf.

Der Gambusino betrachtete einige Augenblicke dieses glühende kniende Wesen, ihren seidenen, bis auf die Hüften herabwallenden Schleier, die bloßen Schultern und die langen Flechten ihres Haares, das in geschmeidigen Ringeln auf den Boden des Saales niederfiel, dann ging er ebenfalls hinaus.

79. Die Rückkehr

Als Don Agustin Peña in den Saal zurückkehrte, fand er seine Tochter allein und immer noch auf den Knien liegend; er wartete, bis sie ihr Gebet beendet hatte. Die sichere Nachricht vom Tod Don Estévans nahm den Hacendero so in Anspruch, daß er natürlich der frommen Handlung Rosaritas einen ganz anderen Zweck, als sie wirklich hatte, unterlegte. Er dachte, daß sie heiße Gebete für die Ruhe desjenigen gen Himmel sandte, dessen geheimnisvolles Ende man eben erfahren hatte.

»Jeden Tag«, sagte er, »soll der Kaplan ein ganzes Jahr lang auf meinen Befehl eine Messe für Don Estévan lesen, denn dieser Mann hat von der Gerechtigkeit Gottes gesprochen, die sich in der Steppe erfüllt hat. Das sind gewichtige Worte, und die Art, wie er sie ausgesprochen hat, läßt keinen Zweifel an deren Wahrheit zu.«

»Gott sei seiner Seele gnädig«, erwiderte Rosarita aufstehend; »er gewähre ihr Barmherzigkeit, wenn sie deren bedarf!«

»Gott sei seiner Seele gnädig!« wiederholte Don Agustin feierlich. »Die Seele des edlen Don Estévan de Arechiza war keine gewöhnliche Seele oder vielmehr, damit du es endlich erfährst, Rosarita, die Seele Don Antonios von Mediana, zu seinen Lebzeiten Marquis von Carsarcel und Herzog von Armada.«

»Mediana, sagst du, Vater?« rief das junge Mädchen aus. »Wie? Dann wäre er also sein Sohn?«

»Von wem sprichst du?« fragte Don Agustin erstaunt. »Don Antonio war niemals verheiratet. Was willst du also damit sagen?«

»Nichts, mein Vater; wenn nicht, daß deine Tochter heute sehr glücklich ist!«

Mit diesen Worten schlang Rosarita ihre Arme um den Hals ihres Vaters, lehnte ihren Kopf an seine Brust und begann, ihn mit Tränen überströmend, zu schluchzen. Aber ihr Schluchzen hatte nichts Bitteres; die Tränen des jungen Mädchens flossen sanft wie der Tau, den der Jasmin des Morgens aus seinen purpurnen Blütenkelchen herabträufeln läßt.

Der Hacendero war wenig bewandert in der Kenntnis des menschlichen Herzens und wußte nicht, daß die Tränen der Frauen auch zuweilen vor Freude fließen; er begriff also auch nichts von dem Glück, das seiner Tochter dieses Seufzen entriß.

Er fragte sie abermals; aber sie begnügte sich, ihm mit lächelndem Mund und noch feuchten Augen zu antworten: »Morgen will ich dir alles sagen, Vater.«

Der ehrliche Hacendero bedurfte in der Tat sehr einer Erklärung dieses ganzen Geheimnisses, von dem er kein Wort begriff. »Wir haben noch eine andere Pflicht zu erfüllen«, sagte er. »Der letzte Wunsch, den mir Don Antonio bei seiner Trennung von mir aussprach, war der, dich mit dem Senator Tragaduros vermählt zu sehen. Diese Heirat nicht länger aufzuschieben, heißt dem Willen eines Toten gehorchen. Siehst du dabei irgendein Hindernis, Rosarita?«

Diese erbebte bei den Worten, die sie an ein verhängnisvolles Versprechen erinnerten, dessen Andenken sie aus ihrem Gedächtnis zu verbannen gesucht hatte. Ihre Brust hob sich, und ihre Tränen fingen wieder an zu fließen.

»Gut«, sagte der Hacendero lächelnd zu ihr; »das ist auch noch Glück, nicht wahr?«

»Glück?« antwortete Rosarita mit Bitterkeit: »O nein; nein, mein Vater!«

Don Agustin war mehr als jemals auf falschem Weg! Er hatte sich sein ganzes Leben hindurch mehr darauf verlegt, die Kriegslist der Indianer zu erraten, gegen die er lange sein Besitztum hatte verteidigen müssen, als das Herz der Frauen zu erforschen.

»O nein, Vater«, rief Rosarita aus; »diese Heirat wäre heute das Todesurteil deines armen Kindes!«

Bei dieser plötzlichen Erklärung, die er durchaus nicht vorhersah, blieb Don Agustin ganz verwirrt und konnte kaum die Aufregung beherrschen, die sie in ihm hervorrief. »Wie?« rief er lebhaft aus. »Hast du nicht selbst vor einem Monat in die Heirat gewilligt? Hast du nicht zu ihrer Vollziehung den Zeitpunkt bestimmt, wo wir wußten, daß Don Estévan nicht wieder zurückkehren würde? Er ist tot; was willst du also jetzt?«

»Ja, Vater, es ist wahr, ich hatte diesen Zeitpunkt festgesetzt.«

»Nun?«

»Aber ich wußte damals nicht, daß er noch lebte.«

»Don Antonio von Mediana?«

»Nein, Don Fabian von Mediana!« erwiderte leise Rosarita.

»Don Fabian? Wer ist denn dieser Don Fabian, von dem du sprichst?«

»Derjenige, den wir, du und ich, Tiburcio Arellanos nennen. Als ich in diese Heirat gewilligt habe«, sagte sie, »glaubte ich, daß Don Fabian auf immer für uns verloren wäre; ich wußte nicht, daß er mich noch liebte, und dennoch … Urteile, ob ich dich liebe, mein Vater, urteile, welch ein schmerzliches Opfer ich meiner Liebe für dich brachte … Ich wußte wohl …« Bei diesen Worten näherte sich Rosarita ihrem Vater, die Augen mit dem ganzen Zauber ihres süßen, von Tränen verschleierten Blicks bewaffnet; sie lehnte sich an seine Schulter und verbarg am Kopf des Vaters ihre Wangen, die so rot waren wie die halb aufgebrochene Granate. »Ich wußte jedoch, daß ich ihn immer noch liebte«, flüsterte sie leise.

»Aber von wem sprichst du denn?«

»Ich spreche von Tiburcio Arellanos, vom Grafen Fabian von Mediana, die beide nur ein und dieselbe Person sind.«

»Vom Grafen von Mediana?« wiederholte Don Agustin.

»Ja, aber«, rief Rosarita leidenschaftlich aus, »ich liebe in ihm nur Tiburcio Arellanos, so edel, so mächtig, so reich heute Fabian von Mediana auch sein mag.«

Edel, mächtig, reich – das sind die drei Worte, die im Ohr eines ehrgeizigen Vaters immer einen guten Klang haben, wenn sie einem jungen Mann gebühren, den er achtet, den er jedoch für arm hält. Tiburcio Arellanos hätte von Don Agustin nur eine ablehnende Antwort erhalten – freilich durch liebreiche Worte gemildert; hatte aber jetzt Fabian von Mediana nicht viele Aussichten für sich?

»Willst du mir wohl sagen, wie Tiburcio Arellanos Fabian von Mediana sein kann?« fragte Don Agustin mit mehr Neugierde als Zorn. »Wer hat dir diese Erzählung mitgeteilt?«

»Du bist nicht bis zum Schluß der Erzählung des Gambusinos hier geblieben«, antwortete Doña Rosarita, »sonst würdest du wissen, daß jener junge Gefährte der beiden unerschrockenen Jäger, deren Gefahren er so hochherzig geteilt hat, kein anderer war als Tiburcio Arellanos unter dem Namen Fabian. Als er allein und verwundet sich aus der Hacienda entfernte, durch welches Zusammentreffen von Umständen hat er so unverhoffte Beschützer gefunden? Welche Verwandtschaft besteht zwischen Tiburcio und dem Herzog von Armada? Ich weiß es nicht; aber dieser Mann, der es weiß, wird es dir sagen.«

»Man rufe ihn augenblicklich!« sagte lebhaft Don Agustin. Und er rief einen Diener, dem er den Auftrag gab, ihn herbeizuholen; dann wartete er mit großer Ungeduld auf Gayferos‘ Rückkehr; aber man suchte ihn vergeblich – der Gambusino war nirgends auffindbar.

Wir wollen sogleich den Grund dieses Verschwindens mitteilen. Fast in demselben Augenblick, wo man den Hacendero und seine Tochter von diesem Verschwinden benachrichtigte, trat ein anderer Diener ein, um zu melden, daß Tragaduros eben im Hof der Hacienda vom Pferd steige. Das Zusammentreffen der Rückkehr des Senators mit der bevorstehenden Ankunft Fabians war eines jener Ereignisse, die durch den Zufall häufiger im wirklichen Leben vorkommen, als man glauben sollte.

Rosarita beeilte sich, um sich ihres Vaters als eines Verbündeten zu versichern, ihn zärtlich zu umarmen und ihm ihr ganzes Erstaunen über ein Wunder zu bezeigen, das aus dem Adoptivsohn eines Gambusinos den Erben einer mächtigen spanischen Familie gemacht hatte. Nachdem sie wie ein Indianer diese beiden Pfeile abgeschossen hatte, flüchtete sie aus dem Saal ebenso leicht wie der Vogel, der von einem Baum zum anderen fliegt.

Tragaduros trat herein wie ein Mann, der fühlt, daß die Meldung seiner Gegenwart immer willkommen ist. Seine Haltung war die eines künftigen Schwiegersohns; er hatte das Wort des Vaters, die Einwilligung der Tochter, obgleich diese Einwilligung nur eine stumme gewesen war. Indessen konnte der Senator trotz seiner Zufriedenheit mit sich selbst und seiner Sicherheit über die Zukunft nicht umhin, die ernste und feierliche Miene Don Agustins zu bemerken; er glaubte ihn darüber befragen zu müssen.

»Don Estévan de Arechiza, der Herzog von Armada, ist nicht mehr!« sagte der Hacendero. »Wir haben, Ihr und ich, einen edlen teuren Freund verloren!«

»Wie? Tot?« rief der Senator aus und verhüllte sein Gesicht mit seinem Taschentuch von besticktem Batist.

»Armer Don Estévan; ich weiß nicht, ob ich mich jemals darüber trösten werde.«

Seine Zukunft jedoch sollte nicht durch eine ewige Trauer verdüstert werden, denn das Bedauern, das er aussprach, war weit davon entfernt, mit seinen geheimsten Gedanken übereinzustimmen. Er erkannte zwar die zahlreichen Verpflichtungen, die er Don Estévan schuldig war, konnte aber doch nicht umhin, zu denken, daß er, wenn er gelebt hätte, genötigt gewesen wäre, die Hälfte der Mitgift seiner Frau für politische Umtriebe zu verwenden … Eine halbe Million, die er gezwungen gewesen wäre, auf die Straße zu werfen! »Freilich«, sagte er zu sich selbst, »werde ich weder Graf noch Herzog, noch Marquis von irgend etwas sein, aber bei der Art und Weise, wie ich lebe, ist eine halbe Million angenehmer als Titel und wird meine Genüsse verdoppeln … Dieses verhängnisvolle Ereignis rückt außerdem noch den Zeitpunkt meiner Verheiratung näher heran … Am Ende ist es vielleicht gar kein Unglück, daß Don Estévan tot ist. – Armer Don Estévan«, wiederholte er laut, »welch ein unerwarteter Schlag!«

Tragaduros sollte später erfahren, daß es viel glücklicher für ihn gewesen wäre, wenn Don Estévan gelebt hätte. Wir wollen ihn bei dem Hacendero lassen und Gayferos folgen; denn wir glauben, daß der Leser gern wieder von ihm hören wird. —

Der Gambusino hatte sein Pferd gesattelt, ohne von jemand gesehen zu werden, war durch die Ebene geritten und hatte abermals den Weg, der zum Presidio führte, eingeschlagen. Auf dem Weg, dem er schon seit langer Zeit folgte, war er nur selten Reisenden begegnet, und wenn zufällig irgendein Reiter sich in der Ferne zeigte, so grüßte der Gambusino in dem Augenblick, wo er an ihm vorüberritt, mit ungeduldiger Miene; offenbar war es nicht derjenige, den er suchte.

Der Tag ging hin, und es war schon spät, als Gayferos drei Reisende im Trab auf sich zukommen sah. Bei ihrem Anblick stieß er einen Freudenruf aus: es waren der Kanadier, Pepe und Fabian von Mediana. Der Riese saß auf einem kolossalen Maultier. Fabian und Pepe ritten die prächtigen Pferde, die sie den Indianern abgenommen hatten.

Der junge Mann hatte sich sehr verändert, seit man ihn zum erstenmal in der Hacienda del Venado gesehen hat. Schmerz und Trauer hatten seine Wangen gebleicht, seine Stirn mit Runzeln durchzogen, und in seinen Augen brannte ein düsteres Feuer, entzündet von der Leidenschaft, die sein Herz erfüllte. Mußte dieses Antlitz, dessen Züge die Sonne und die Anstrengungen veredelt hatten, Doña Rosarita nicht jene Liebe ins Gedächtnis rufen, die sie glücklich und stolz gemacht hatte?

Im übrigen sahen die Jäger ganz unverändert aus, und die sieben Monate eines tollen Abenteuerlebens hatten ihre männlichen Gestalten, ihre braunen Gesichter nicht ermüdet. Sie zeigten sich nicht im geringsten überrascht, als sie den Gambusino erblickten. Nur eine gewisse Neugier sprach aus ihren Augen, die Gayferos durch einen einzigen Blick befriedigte.

Nur Fabian schien erstaunt, den alten Begleiter hier wiederzufinden. »Hast du uns also bei Tubac nur verlassen, um uns hier voraus zu sein?« fragte er.

»Gewiß. Sagte ich‘s denn damals nicht?« antwortete Gayferos.

»Ich hatte es anders aufgefaßt«, murmelte Fabian und verfiel dann wieder in das düstere Schweigen, das ihm eigentümlich geworden war.

Gayferos wandte sein Pferd, und die vier Reisenden setzten schweigend ihren Ritt fort.

Ungefähr noch eine Stunde, in der Gayferos und der Kanadier allein einige Worte mit leiser Stimme wechselten, ohne daß Fabian, der immer noch in Gedanken versunken war, darauf geachtet hätte, boten sich die Erinnerungen einer Vergangenheit, die noch nicht sehr fern lag, in Menge dem Gedächtnis der drei Reiter dar. Sie ritten abermals durch die Ebene, die sich jenseits des Salto de Agua ausdehnte; dann kamen sie einige Augenblicke nachher an den Waldstrom selbst, der immer noch zwischen den Steinen seiner Ufer dahinrauschte; eine ebenso plumpe Brücke als die frühere hatte diejenige ersetzt, die die Männer, die nun den ewigen Schlaf in jenem Val d‘Or, dem Gegenstand ihres ehrgeizigen Strebens, schliefen, in den Waldstrom gestürzt hatten.

Der Kanadier war einen Augenblick vom Pferd gestiegen. »Sieh Fabian«, sagte er, »hier hielt Don Estévan; die vier Banditen – ich verstehe darunter jedoch nicht den armen Diaz, den Schrecken der Indianer – befanden sich dort. Sieh, da ist noch die Hufspur deines Pferdes, als es auf dem Felsen ausglitt und dich in seinem Fall mit hinabzog. Sieh, Fabian, mein Kind, ich sehe noch, wie das Wasser über dir schäumt; es ist mir, als ob das Echo noch einmal den Angstschrei wiederholte, den ich ausgestoßen habe. Welch ein ungestümer junger Mann warst du doch damals!«

»Und heute«, sagte Fabian traurig lächelnd, »bin ich also nicht mehr derselbe?«

»O nein! Heute ist deine Stirn männlich und unempfindlich wie die eines indianischen Kriegers, der bei den Martern am Pfahl lächelt; dein Gesicht ist ruhig diesen Orten gegenüber; und doch zerreißen dir diese Erinnerungen das Herz, das weiß ich gewiß. Nicht wahr, Fabian?«

»Du irrst dich, mein Vater«, erwiderte Fabian; »mein Herz ist wie dieser Felsen, auf dem ich, was du auch darüber sagen magst, die Spur der Hufe meines Pferdes nicht mehr erblicke; und mein Gedächtnis ist stumm wie das Echo deiner eigenen Stimme, die du noch zu hören wähntest. Ich habe dir gesagt, als du mir – ehe wir zurückkehrten, um für immer fern von den Menschen in der Steppe zu leben – als letzte Prüfung die auferlegt hast, alle Orte meiner Erinnerungen wiederzusehen, daß diese Erinnerungen gar nicht mehr da sind.«

Eine Träne benetzte die Augen des Kanadiers, aber er verbarg sie, indem er Fabian den Rücken zukehrte, um sein Maultier wieder zu besteigen. Die Reisenden ritten über die Brücke von Baumstämmen.

»Findest du hier auf diesem Moos, auf dieser Erde die Spur der Schritte meines Pferdes wieder, als ich Don Estévan und seine Schar verfolgte?« fragte Fabian Bois-Rosé. »Nein, die von den Bäumen im letzten Winter gefallenen Blätter haben sie bedeckt; das Gras der Regenzeit ist auf ihnen gewachsen.«

»Ach, wenn ich diese Blätter aufheben, dieses Gras entfernen wollte, so würde ich diese Spuren wiederfinden, Fabian, wie wenn ich die verborgenen Falten deines Herzens durchforschen wollte …«

»So würdest du nichts darin finden, du, sage ich«, unterbrach ihn Fabian mit einiger Ungeduld. – »Ich irre mich; du würdest eine Erinnerung aus der Kindheit darin finden, eine von denjenigen, in der du selbst vorkommst, mein Vater.«

»Ich glaube dir, Fabian, ich glaube dir; du bist ja die Liebe meines ganzen Lebens gewesen. Aber ich habe dir gesagt, daß ich dein Opfer nur morgen zu derselben Stunde annehmen werde, wenn du alles wiedergesehen haben wirst; selbst die Öffnung in der Ringmauer, über die du, Herz und Körper verwundet und blutend, gestiegen bist.«

Ein Schauder gleich dem, der einen Verurteilten beim Anblick eines letzten schrecklichen Torturwerkzeugs überläuft, schüttelte Fabians Körper.

Die Reisenden machten endlich in dem zwischen dem Salto de Agua und der Hacienda gelegenen Teil des Waldes halt, und zwar in der Lichtung, auf der Fabian den Kanadier und den Spanier wiedergefunden hatte wie Freunde, die Gott ihm vom Ende der Welt hersandte.

Diesmal bedeckten die Schatten der Nacht noch nicht diesen Ort, wo das Schweigen der Wälder Amerikas herrschte; ein feierliches Schweigen, wenn die Sonne, im Zenit angekommen, ihre glühenden Strahlen heiß wie eine rotglühende Stahlklinge herabsendet; wenn die Lianenblüte ihren Kelch verschließt, wenn der Grashalm sich durstig der Erde zuneigt, als ob er dort Erfrischung suchte, und wenn die ganze Natur, stumm und in Erstarrung versunken, ohne Leben zu sein scheint. Das ferne Brüllen des Waldstromes, der seine Gewässer rauschend dahinrollt, war das einzige Geräusch, das um diese Stunde die ehrfurchtgebietende Ruhe des Waldes störte.

Die Reiter zäumten und sattelten ihre Pferde ab und banden sie in einiger Entfernung an. Da sie die ganze Nacht hindurch geritten waren, um die Hitze des Tages zu vermeiden, so hatten sie beschlossen, ihre Siesta im Schatten der Bäume zu halten.

Gayferos war der erste, der einschlief. Seine Liebe für Fabian war vor der Zukunft nicht besorgt. Pepe folgte ihm bald nach. Nur der Kanadier und Fabian schlossen kein Auge.

»Du schläfst nicht, Fabian«, sagte Bois-Rosé mit leiser Stimme.

»Nein; aber du, warum ruhst du dich nicht ein wenig aus wie unsere beiden Gefährten?«

»Man schläft nicht an einem geheiligten Ort, Fabian«, antwortete der alte Jäger. »Diese Stelle ist heilig für mich geworden. Hat sich nicht hier ein Wunder zugetragen, nachdem ich dich auf dem unermeßlichen Ozean verloren hatte? Ich würde mich für undankbar gegen Gott halten, wenn ich hier, selbst um den Schlaf zu genießen, den er uns zu genießen befiehlt, alles vergäße, was er für mich getan hat.«

»Ich denke wie du, mein Vater, und höre auf dich«, antwortete der junge Graf.

»Dank, Fabian; Dank auch Gott, der mich dich mit einem ebenso edlen als liebenden Herzen hat wiederfinden lassen. Sieh, hier sind noch die sichtbaren Spuren des Feuers, an dem ich saß; hier sind die Feuerbrände – immer noch schwarz, obgleich sie vom Wasser einer ganzen langen Regenzeit gewaschen sind. Dies ist der Baum, an den ich mich am Abend des schönsten Tages in meinem Leben lehnte; es ist durch dich verschönert, denn seitdem du wieder mein Sohn geworden bist, ist jeder Tag meines Daseins ein Tag des Glücks für mich gewesen, bis zu dem Augenblick, wo ich einsehen mußte, daß meine Liebe für dich nicht die war, wonach das Herz der Jugend dürstet.«

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
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1180 s. 1 illüstrasyon
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