Kitabı oku: «Herz und Verstand im Verwaltungsrat», sayfa 3
2.Beziehungen des Verwaltungsrates zum Unternehmen
Frage: Welche Beziehungen pflegt der Verwaltungsrat zum Unternehmen?
Eine Beziehungspflege des Verwaltungsrates zum Unternehmen, zu den Mitarbeitern, ist von fast allen Verwaltungsräten gewünscht – jedoch nicht auf eigene Initiative. Eine direkte Kontaktnahme eines Verwaltungsrates im Betrieb ist unerwünscht und problematisch, weil schlussendlich der CEO für das operative Geschäft verantwortlich ist und der Verwaltungsrat eine Aufsichtsfunktion hat. Eine Beziehungspflege muss auf jeden Fall transparent über die Bühne gehen, via den Verwaltungsratspräsidenten und dann den CEO. Es hilft, wenn der Verwaltungsrat mit der Geschäftsleitung ein gutes Verhältnis hat.
Es gehört zur Verantwortung des Verwaltungsrates, mit der Firma auf Tuchfühlung zu sein, um sie wirklich verstehen zu können. Darin sind sich die meisten Gesprächspartner einig. Es darf dabei kein zu starker Kontakt zu einzelnen Angestellten entstehen, weil man so eventuell mit falschen Tatsachen konfrontiert würde, die nur der eine Mitarbeiter so sieht, aber nicht eine ganze Gruppe oder ein Team. Für den Verwaltungsrat wird es dann schwierig, weil er sich die Frage stellen muss, wie er diese Information weiterverarbeitet. Ist der Mensch einfach frustriert, weil er nicht befördert wurde? Sollte der Verwaltungsrat aktiv werden? War es vertraulich? Ist striktes Heraushalten aus dem Operativen geboten? Oder soll man eventuell doch mit dem CEO sprechen? All das kann gefährlich werden. Abgesehen davon hört man von den Erfolgreichen im Unternehmen meist nichts. Gleichzeitig kann man es einem Verwaltungsrat nicht verwehren, sich mit Mitarbeitern zu treffen und ihnen zuzuhören; viele Verwaltungsräte möchten nicht nur Kontakt zum CEO und zum Finanzchef haben. Es braucht aber auf jeden Fall Fingerspitzengefühl, und Probleme sollen ja keinesfalls versteckt werden.
Es gibt auch kritische Stimmen zu einer internen Beziehungspflege. Etwas vom Schlimmsten ist es, wenn der Verwaltungsrat den Eindruck erweckt, er unterminiere den CEO – das ist waghalsig. Es muss eine strukturierte Kommunikation geben, sonst führt es zu Spannungen, Gerüchten und falschen Meinungen, was nicht gut ist für das Unternehmen. In diesem Punkt sind sich alle einig.
Eine Kontaktnahme zu den Mitarbeitern kann aber auch einen einfachen Grund haben: Man möchte beispielsweise wissen, wer talentiert ist und eventuell in eine höhere Charge kommen könnte. Insbesondere wenn man einen neuen CEO langfristig intern rekrutieren möchte, ist eine frühzeitige Kontaktnahme zu eventuellen Kandidaten und ein direktes Kennenlernen, ein Sondieren ihres Fachwissens und ihrer Sozialkompetenz, nicht unwichtig. Auch eine Stimmung im Unternehmen oder wie die Firmenkultur gelebt wird, kann man nur erleben, wenn man an die Front geht. Solche Treffen dürfen nicht überinterpretiert werden, sie können Denkanstösse geben und durchaus auch an einer Verwaltungsratssitzung thematisiert werden.
Meine Frage, ob die Gesprächsteilnehmer auch einmal in der Firmenkantine essen oder eine Tasse Kaffee trinken würden, wird eher skeptisch beantwortet. Wie gesagt: Es darf nicht der Eindruck erweckt werden, dass der Verwaltungsrat gegenüber der Geschäftsleitung Misstrauen hegt. Man könnte von einem Angestellten auch leicht instrumentalisiert werden, oder die Mitarbeiter bekommen selber Probleme, wenn sie mit einem Verwaltungsrat direkt sprechen, denn auch sie müssen ja den Dienstweg einhalten. Hinzu kommt, dass in einem Grosskonzern niemand einen Verwaltungsrat in der Kantine erkennen würde – im besten Fall den Verwaltungsratspräsidenten. In einem kleinen Unternehmen ist das anders, da kennt man sich und ist schon fast wie eine Familie.
Wenn ein Verwaltungsrat neu gewählt wird, wird für ihn oft ein Einführungsprogramm erstellt, damit er die Firma kennenlernt. Das heisst etwa in einem internationalen Unternehmen, dass für ihn auf der ganzen Welt Sitzungen zwecks Herstellung von persönlichen Kontakten organisiert werden. So sind die Verwaltungsräte im Unternehmen von Anfang an berührbar.
In Verwaltungsräten wird auch diskutiert, was eine moderne Version eines solchen Gremiums sein könnte. Eine zentrale Rolle bei den Überlegungen spielt, dass man nicht nur aktiv den Kontakt zum Management pflegen sollte, sondern auch zu den Mitarbeitern; das würde helfen, die Kultur und die Geschichte des Unternehmens besser zu verstehen. Eine Aussenperspektive und direkte Feedbacks an den CEO wären darin eingeschlossen. Viele Verwaltungsräte sind für einen ganz neuen Zugang offen. Dazu gehört auch, dass die Mitarbeiter die Pläne und Strategien kennen. Sie sollen wissen, was der Verwaltungsrat für Prioritäten setzt und an welchen Themen er arbeitet.
Die Verwaltungsräte machen selber die Erfahrung, dass die Kontaktnahme zu Mitarbeitern je nach Unternehmen ganz unterschiedlich gehandhabt wird. Gewisse Firmen sind ganz offen und halten zu diesem Zwecke die Verwaltungsratssitzungen bewusst auf der ganzen Welt ab. Es gibt Beispiele, wo der ganze Verwaltungsrat jedes Jahr in eine bestimmte Region fliegt. Jeder Verwaltungsrat geht dann alleine zwei Tage in ein Land, wo eigene Betriebe vorhanden sind, und trifft sich mit Mitarbeitern und Kunden. Dann kommt man wieder im Hauptquartier für ein Update über das jeweilige Land und den Betrieb zusammen; danach erst wird die Verwaltungsratssitzung abgehalten. So kann das Zwischenmenschliche gepflegt und ein natürliches Interesse, was im Betrieb läuft und wer im Hintergrund arbeitet, gezeigt werden. Die Nähe zu Aussendienstmitarbeitern etwa wird aktiv gepflegt und auch deren Koffer mal getragen. Oder ein Verwaltungsrat kann mal im Regen mit schmutzigen Stiefeln auf einer Baustelle herumlaufen. All das spricht sich natürlich in einem Unternehmen herum und hat einen positiven Einfluss auf die Beziehung zu den Mitarbeitern.
Entscheidend in der Beziehung des Verwaltungsrates zum Unternehmen ist, dass er und auch die Geschäftsleitung jeden Tag die richtigen Werte und eine Kultur vorleben, die anständig, vertretbar und für alle Mitarbeiter nachvollziehbar ist. Das ist es, was alle, die ihre tägliche Arbeit verrichten, ob in einer kleinen oder grossen Firma, wahrnehmen. Ein Verwaltungsrat muss stets eine Vorbildfunktion übernehmen und diejenigen, die das nicht tun, sollte man zum Wohle des Unternehmens, der Glaubwürdigkeit und des Vertrauens in die Beziehungen abwählen – das ist meine feste Überzeugung.
Verwaltungsrätinnen äusserten sich dazu wie folgt:
Direkter Kontakt – Angst des CEO
Sie funktioniere wie eine Spinne im Netz, welches keine Hierarchien habe. Die Spinne sei in der Mitte, baue ihr Netz und gehe dort durch. Sie tue dasselbe und gehe dort durch, wo die Informationen herkommen. Sie möchte Hinweise aus dem Unternehmen direkt hören. Aber dann habe sie plötzlich realisiert, dass der CEO und die Geschäftsleitung Angst bekommen hätten und ihr Vorgehen gar nicht schätzten. Sie habe begriffen, dass sie achtsam sein sollte, diese Leute nicht umgehen dürfe und vor allem alles transparent machen müsse. Um ihr nahezulegen, den direkten Kontakt mit den Mitarbeitern doch bitte zu unterlassen, sei man diskret mit ihr in einem Restaurant essen gegangen und habe sie gebeten, diese Art von Kontaktnahme zu unterlassen. Trotzdem fände sie auch heute noch, dass es mehr Augen und mehr Ohren brauche, um eine Firma zielgerichtet zum Erfolg zu führen. Die Führung sei halt in der Regel noch militärisch geprägt. Das sei weiterhin nicht verwunderlich, denn die meisten Verwaltungsräte seien im Alter zwischen 60 und 70 Jahren.
Anerkennung – Wertschätzung
Der Bezug zur Basis sei enorm wichtig. In einem ihrer Verwaltungsräte würden sie jedes Jahr einmal die Mitarbeiter bei ihrer Arbeit besuchen. Das würde von den Leuten sehr geschätzt; auch weil die Angestellten ein Hierarchiedenken hätten, fühlten sie sich von ganz oben wahrgenommen und durch diese Begegnung geehrt. Die Mitarbeiter sähen dann, dass auch die Verwaltungsräte ganz normale Leute seien, die man berühren könne. Man müsse mit den Leuten gar nicht viel reden, nur schon die Tatsache, dass ihnen ein Verwaltungsrat die Hand reiche, empfänden sie als Anerkennung und Wertschätzung. Aber von sich aus dürfe man nicht ins Unternehmen gehen, und ganz bestimmt nicht hinter dem Rücken des CEOs.
Softfaktoren – «ruckzuck»
Natürlich würde sie den Kontakt in einer Firma proaktiv suchen, aber nur auf dem korrekten Weg via Verwaltungsratspräsident und CEO. Sie schaue sich beispielsweise die Risikoorganisation an und bespreche mit ihnen einzelne Themen. Das würde sehr geschätzt. Durch ihre Besuche der verschiedenen Filialen in allen Landesteilen realisiere sie, wie verschieden die Kulturen schon im eigenen Lande seien. In der Südschweiz sei man klar etwas flexibler und weniger «ruckzuck» als in der Deutschschweiz. Für diese Erkenntnis müsse man aber hingehen, sich zeigen, mit den Mitarbeitern reden und sich für sie und ihre Geschichten interessieren. Auch eine Infrastruktur könne Bände sprechen, zum Beispiel in welchem Gebäude welche Angestellten sitzen und aus welchem Grunde sie dort und nicht woanders untergebracht seien. Es gebe ständig viele Zusatzinformationen, die wichtig seien, um das Geschäft in einem Gesamtzusammenhang zu sehen und zu verstehen. Ja, es handle sich meist um Softfaktoren, die im entscheidenden Moment für einen Beschluss im Verwaltungsrat aber relevant und ausschlaggebend sein könnten.
Goldwaage
Querbeet in einem Unternehmen herumzuwandern sei schwierig, denn jede Bewegung werde beachtet und jeder noch so gut gemeinte Austausch mit einem Mitarbeiter werde auf die Goldwaage gelegt. Sie bekomme auch von Mitarbeitern Mails mit der Frage, ob man einen Kaffee trinken könnte, das gehe ihr dann schon zu weit. Probleme habe sie auch schon gesehen, wenn es unten an der Basis 180 Grad anders sei als was man oben sage. Das sei jeweils eine schwierige Situation. Wenn es um etwas gehe, das brenne, dann kommuniziere sie es schon im Verwaltungsrat. Oft gehe es um Frauen, die schwanger seien, und um deren Karriere. Es könne aber auch einfach eine Sekretärin sein, die mitgenommen aussehe und bei der sie sich nach den Gründen dafür erkundige. Wichtig sei, dass die Mitarbeiter sähen, dass jeder Einzelne ein Teil des ganzen Unternehmens sei und nicht lediglich einer Hierarchie unterstellt, in welcher der Verwaltungsrat das oberste Aufsichtsorgan sei.
«Murren» im Kloster
Sie mache «management by walking around». Der Grund dafür sei eine Geschichte, die ihr Abt Werlen erzählt habe. Der heilige Benedikt hätte schon gesagt, dass das grösste Problem in den Klöstern das Murren sei. So aber kämen Informationen nie zu demjenigen, zu dem sie eigentlich kommen sollten, sondern nur zu den Mitbrüdern und verpuffe bei denen. Eine schlechte Stimmung sei die Folge davon. Genau das Murren möchte sie direkt hören. Sie möchte wissen, wo der Sand im Getriebe sitze, um ihn beseitigen zu können. Sie wisse, es gebe andere Verwaltungsräte, die einfach führten und direkt mit dem separaten Lift in den fünften Stock führen. So würden die aber nie erfahren, was unter den Mitarbeitern laufe. Ein Baum wachse ja auch von unten und nicht erst ab der Krone; man müsse immer wieder besorgt sein, dass dieser Baum genügend Wasser habe und auch das um ihn herum wachsende Unkraut entfernen.
Firmenkantine – Instrumentalisierung
Es sei ein ganz wichtiges Zeichen, in einer Firmenkantine essen zu gehen. Natürlich könne man dort kein vertrauliches Gespräch führen. Man spüre dafür den Geist eines Unternehmens, was man bei Personaldiskussionen im Verwaltungsrat gut gebrauchen könne. Aufpassen müsse man, nicht instrumentalisiert zu werden und Einzelanliegen so zu behandeln, als ob das Problem in der ganzen Firma virulent sei.
Privilegien – Autos
In der Firma werde sehr wohl wahrgenommen, wenn Verwaltungsräte auf gewisse Privilegien beharrten, die es sonst in der Firma für niemanden gebe, beispielsweise einen Parkplatz. Die tollen Autos von Verwaltungsräten seien auch ein wunder Punkt für die Mitarbeiter, wenn es der Firma schlecht gehe.
Hemmungen
Man habe ganz allgemein wenig Kontakte mit den Angestellten, der Verwaltungsrat pflege diesen ausschliesslich zur Geschäftsleitung. Sie könne sich auch nicht vorstellen, einfach mal in der Kantine essen zu gehen, das sei schwierig. Im Fernen Osten sei zum Beispiel eine Verwaltungsratssitzung und gleichzeitig ein Firmenjubiläum gefeiert worden. Alle Angestellten seien willkommen und anwesend gewesen, aber nur wenige Leute hätten sich getraut, sich mit den Verwaltungsräten auszutauschen. Sie habe es natürlich versucht und mit einigen Frauen gesprochen. Aber man merke, dass die im Operativen tätigen Mitarbeiter ziemlich weit weg seien vom Verwaltungsrat.
Internes Frauennetzwerk – Politische Korrektheit
In ihrer Firma gebe es ein internes Frauennetzwerk. Sie sei dort eingeladen worden, weil es diese Kolleginnen wundergenommen habe, wer diese Frau sei, die es als Non-Executive Director bis ganz an die Spitze geschafft habe. Interessanterweise seien bei diesem Treffen meistens Fragen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf aufgekommen. Das sei nicht verwunderlich gewesen, denn es hätte sich vorwiegend um Frauen im Alter um die dreissig gehandelt. Die Männer seien als Mitbetroffene virtuell präsent gewesen, weil sich die Frauen freimütig auch über die Rolle ihrer Partner geäussert hätten. In diesem Zusammenhang sieht die Verwaltungsrätin ein grundlegendes Problem. Sie sagt, gewisse Sachen könne man einfach in einem Anstellungsgespräch nicht mehr thematisieren. Man dürfe nicht fragen, wie es in Bezug auf Familie aussehe oder ob eine Kandidatin schwanger sei oder es werden möchte. Das heisse auch, dass ein wichtiger Teil der Entscheidungsgrundlage für ein eventuelles Jobangebot wegbreche. Die Konsequenz sei, dass man die Bewerberin lieber nicht anstelle. Sie fände es viel besser, wenn man offen mit den Frauen und Männern über diese Themen sprechen könnte, insbesondere, wenn man jemanden für ein kleines, spezialisiertes Team suche. Gerade dann sei dies für die Planung, die Kontinuität und für das Funktionieren des Betriebs sehr wichtig.
Affront
Die Verwaltungsratspräsidenten würden die Beziehungen zum Unternehmen gerne monopolisieren. Die schätzten es gar nicht, wenn man beispielsweise mit den Zahlen nicht ganz zurechtkäme und direkt zum Leiter Rechnungswesen gehe und um Erklärung bitte. Das werde als Affront empfunden. Natürlich sei es ein Schwächezeichen jedes Verwaltungsratspräsidenten, der so reagiere. Man wisse, dass man in ein Wespennest steche, wenn man so etwas tue, und mit Sicherheit am nächsten Tag einen Anruf vom Verwaltungsratspräsidenten oder CEO erhalte. Die würden das gar nicht mögen!
Weisse Tischtücher
Die Beziehungen zum Unternehmen würden nicht institutionell arrangiert. Man müsse sich dies konkret vorstellen: Man betrete den Haupteingang der Firma, werde von der Dame am Empfang höflich begrüsst und in den Aufzug geschleust, fahre in den obersten Stock und habe mit niemandem Kontakt. Oben werde man wieder von jemandem in Empfang genommen und ins Sitzungszimmer begleitet. Wenn die Sitzung zu Ende sei, gehe es umgekehrt zurück zum Haupteingang. Man treffe überhaupt niemanden. Auch esse man nicht in einer Kantine, was sie sehr wichtig fände. Die Verwaltungsrätin gibt ehrlich zu, dass sie im Nachhinein hätte darauf drängen müssen, dass man mindestens zwei Mal im Jahr den Lunch, den es immer nach einer Sitzung gebe, in der Kantine einnehme – diesen Vorwurf mache sie sich heute. Es komme schon vor, dass man im Unternehmen esse, dann aber in einem abgetrennten Raum mit weissen Tischtüchern, und ohne jede Berührung mit irgendjemandem.
Teambesuche
Es könne sein, dass Verwaltungsräte für einen bestimmten Bereich im Betrieb zuständig seien, beispielsweise für Forschung und Entwicklung. Diese gingen dann in regelmässigen Abständen zu diesen Teams und liessen sich deren Projekte vorstellen. Sie habe auch schon die Diversität, den Frauenanteil, in solchen Gruppen beanstandet. Und siehe da: ein Jahr später habe es eine Frau dabeigehabt.
Verwaltungsräte äusserten sich dazu wie folgt:
Potentials
Es gebe ganz bewusst Beziehungen des Verwaltungsrates mit sogenannten Potentials. Das seien Mitarbeiter, bei welchen man das Gefühl habe, sie könnten im Unternehmen eine Karriere machen. Diese Leute würden dann zu einem Nachtessen mit dem ganzen Verwaltungsrat eingeladen. Dann könne man mit ihnen sprechen, Fragen stellen und sich kennenlernen, abtasten und spüren. Das sei natürlich bei einer Belegschaft von 5000 Mitarbeitern nicht mit jedem von ihnen möglich. In solchen Fällen werde meist immer wieder eine Gruppe von 40 Leuten herausgepflückt.
Direktionskantine
Leider habe er zu wenig Zeit, um in der Firmenkantine essen zu gehen. Wenn er mal dort sei, fände er es spannend und fühle sich richtig als Teil des Betriebes. Es sei ihm sehr daran gelegen, den direkten Kontakt mit den Mitarbeitern zu pflegen, und für die Leute sei es extrem wichtig, dass er sich zeige. Und die Direktionskantine habe er überhaupt abgeschafft.
«Rösslispiel»
Sich zu exponieren und von den Mitarbeitern wahrgenommen zu werden, sei nicht nur am Hauptsitz, sondern auch draussen in den Ländern absolut wichtig. Das müsse jedoch in dem Sinne geregelt sein, dass nicht jeder Verwaltungsrat einfach herumspazieren und reisen könne. Es müsse eine gewisse Disziplin mit Facetten geben. Wenn ein Verwaltungsrat in ein fremdes Land komme, dann gehe das ganze «Rösslispiel» los, ganz einfach, weil es sich um andere Länder und Kulturen handle. Bei den dortigen Mitarbeitern müsse für die Verwaltungsräte alles perfekt organisiert sein, bis zum Punkt, wo manchmal der ganze Laden stillstehe, um die Ankommenden gebührend zu ehren. Allein schon deshalb könne nicht alle vier Wochen ein anderer Verwaltungsrat hingehen. Man sei offen für Werkbesichtigungen manchmal auch mehrerer Verwaltungsräte gemeinsam, jedoch durch den CEO oder Verwaltungsratspräsidenten organisiert.
«Blue color worker» – Hände schütteln
Wenn man Beziehungen zu den Betrieben in anderen Ländern pflege, dann gebe es auch Veranstaltungen mit Kunden und Regierungsvertretern. Wichtig sei ihm, dass man immer auch Kontakt zum «blue collar worker» (Fabrikarbeiter) suche und schon deshalb die Firmen besuchen gehe. Als Verwaltungsratspräsident gehe er oft alleine auf Reisen, ganz ohne Entourage, ohne Kofferträger, und schaue sich die Fabriken an, habe Kundenkontakte, zu welchen er auch immer die lokalen Mitarbeiter mitnehme. Für die lokalen Mitarbeiter sei es das Nonplusultra, wenn der Verwaltungsratspräsident oder im besten Fall der gesamte Verwaltungsrat zu Besuch käme, das habe einen unglaublichen Wert. Enorm wichtig sei, dass man durch die Fabrik gehe, Hände schüttle, das eine oder andere Wort wechsle und auf die Schulter klopfe. Die Mitarbeiter wüssten, dass er vom Moment an, an dem er lande und bis er wieder wegfliege, für die Angestellten da sei. Das wirke sehr authentisch.
Einzelmaske – Konfusion
Weil er schon so lange draussen in der Welt als ehemaliger CEO und CFO und jetzt als Verwaltungsrat im Geschäft sei, müsse man ihm nicht sagen, ob ein Betrieb laufe oder nicht. Das rieche und lese er zwischen den Zeilen. Ganz wichtig sei jedoch, dass man den Leuten zu verstehen gebe, dass man als Verwaltungsratspräsident nicht eine operative Rolle habe, sondern Inputs und Probleme an den CEO weiterleite. Wenn man anfange drein zu pfuschen, komme es zu Konfusionen im ganzen Betrieb – da müsse man unheimlich aufpassen. Die Versuchung sei natürlich gross, ins Operative «hinein zu wurschteln», aber da müsse man sich zurückhalten.
Berührungsängste
In seinem Verwaltungsrat hätten sie auch einen Rechtsgelehrten, der mindestens vier Mal pro Jahr mit dem Rechtsdienst zusammensitze und offene Fragen diskutiere. Auch für den Technikbereich sitze jemand im Verwaltungsrat. Dieser gehe regelmässig in die Forschungs- und Entwicklungslaboratorien und zusätzlich auch Werke anschauen. Alle Verwaltungsräte seien regelmässig in der Kantine anzutreffen, sässen mit den Mitarbeitern ohne gegenseitige Berührungsängste an einem Tisch und sprächen mit ihnen. Man denke weniger in Hierarchien. Aus eigener Erfahrung wisse er, dass auch eine weltweit tätige Firma mit zigtausenden von Mitarbeitern eine Corporate Identity bis ganz nach unten verbreiten könne. Er kenne aber auch Verwaltungsratsgremien, in welchen die Beziehungen zu den Mitarbeitern nicht so direkt und intensiv gepflegt würden. Dort bestehe eine grössere Distanz zwischen dem Verwaltungsrat und der Konzernleitung. Schon gar nicht könne man schnell anrufen, weil man zufällig in einer Region sei, und fragen, ob man den Betrieb besuchen könne. In anderen Unternehmen wiederum sei dies überhaupt kein Problem.
Millionen für Mitarbeiterschulung
Ein gemeinsames Weltbild und Wertesystem zu haben sei ganz wichtig für eine Firma. Dazu diene eine interne Schulung, die alle Mitarbeiter in seinem Unternehmen genössen. Alle 18 Monate besuchten seine zigtausenden Angestellten ein Lager. Klar koste dies einen zweistelligen Millionenbetrag, aber das Payback sei gewaltig. Die Leute, die einen solchen Campus führten, seien selbst entsprechender Nationalität, beispielsweise Chinesen oder Japaner, damit man explizit auf die verschiedenen kulturellen Situationen eingehen könne. Die Leiter würden eng untereinander zusammenarbeiten. Jeder Mitarbeiter sollte in den Firmenrahmen und die Kultur hineinpassen, und wer ganz anders ticke, sollte gehen.
«Sauladen»
Beziehungen innerhalb des Unternehmens seien sehr wichtig. Natürlich käme es auch ein bisschen auf die Grösse der Gesellschaft an. Er habe eine Firma in den USA besucht, deren Hauptaktionär er sei; ein wahrer «Sauladen» sei das gewesen. Er habe direkt gesagt, dass in seinem Betrieb diese Leute «geschasst» worden wären. Seine direkte Art werde von den einen geschätzt, von anderen nicht so sehr.
Montagearbeit – neue Tendenz
Regelmässig esse er in der Firmenkantine. Ihm sei diese Kontaktpflege wichtiger als anderen Verwaltungsratskollegen. Er sei auch regelmässig auf Baustellen anzutreffen. In einem Audit-Komitee sehe man nur Zahlen, er möchte aber wissen, was in einem Industrieunternehmen hinter den Fragen der Technical Compliance und einem Audit Report stecke und wie dieser zu interpretieren sei. Wesentlich sei ihm, ob das Produkt sicher sei und was die Firma dafür tue. Deshalb habe er zwei Tage einem Monteur bei seiner Arbeit zugeschaut und auch aktiv geholfen. Er glaube, das sei die neue Tendenz, wie man die Arbeit und die Verantwortung in einem Verwaltungsrat angehen sollte. Er stelle fest, dass vor allem bei den jüngeren Verwaltungsratsmitgliedern ein Bedürfnis bestehe, zu erfahren, was im Betrieb passiere. Das sei aber in einem Industrieunternehmen einfacher als in einer Bank.
Preisvergaben – Extrameile
Sein Verwaltungsrat würde firmenintern verschiedene Preise ausschreiben, die immer mit einer Teamarbeit verbunden seien. So binde man die Angestellten zusammen, und es sei eine Form der Anerkennung und Wertschätzung für sie. Das Aufsichtsgremium sei in den ganzen Prozess involviert, sitze in der Jury und verteile auch die Preise. Die Preisvergabe trage sehr viel zur Firmenzufriedenheit bei und auch dazu, dass die Mitarbeiter gerne einmal eine Extrameile für das Unternehmen laufen. Nebenbei bemerkt sei, dass an Umfragen zur Personalzufriedenheit sich 93 Prozent der Angestellten beteiligten und 88 Prozent davon stolz seien, für diese Firma zu arbeiten. Aber die Extrameile müsse vom Verwaltungsrat und der Konzernleitung vorgelebt werden, sonst funktioniere es nicht. Dies würde man leider in vielen Verwaltungsräten nicht kapieren.
Fussballspiel
Selbstverständlich gehe er in der Firmenkantine essen, auch spiele er Fussball mit den Mitarbeitern. Meist komme er zu Fuss oder mit dem Velo in den Betrieb. Das seien kleine Sachen, die den Angestellten Eindruck machten.
Lachen
Als Verwaltungsratspräsident gehe er immer an Personalanlässe, weil er die Atmosphäre spüren möchte. Dort, in Diskussionen und daraus, ob es Fragen gebe oder nicht, ob die Leute lachten, zusammen sprächen, ob die Direktion in einer Ecke und das Personal in einer anderen sitze, nehme er die Beziehung zwischen der Direktion und dem Personal wahr. Es liege ihm viel daran, all dies mitzuerleben, denn sonst sei man völlig isoliert.
Ein Witz
Es gebe Generalversammlungen, die seien wie eine Landsgemeinde und nur die Hauptaktionäre seien anwesend, besonders bei Familienunternehmen. Aber wenn man an eine Generalversammlung eines Grosskonzerns gehe, wo vielleicht gerade mal fünf Prozent der Stimmen im Raum seien und die anderen elektronisch abgestimmt hätten, dann werde die Generalversammlung zu einem Witz, weil man die Resultate schon zuvor kenne. Dann könne man im Raum nichts mehr bewegen. Er sei überzeugt, dass die Generalversammlungen langsam verschwinden würden; eine Alternative sei aber leider noch nicht gefunden. Das Zählen der Stimmen der Kleinaktionäre sei heutzutage absurd. Aber trotzdem sollte man deren Voten ernst nehmen, weil gerade diese Stimmen eine wichtige politische Aussage seien.
Herumschwirren
Ein Verwaltungsrat sollte sich vom Tagesgeschäft abheben. Er empfinde es als heikel, wenn der sich in der Firma zeige. Schlussendlich habe er eine Aufsichtsfunktion wahrzunehmen. Als Verwaltungsratspräsident würde er es nicht zulassen, dass einzelne Mitglieder in der Firma herumschwirrten und dort ihre Gedanken, Überzeugungen und Strategien preisgeben; das habe er schon erlebt, und es sei gefährlich. Dabei würden die Verwaltungsräte vom lokalen Management absorbiert und mit allerlei Wünschen bombardiert, die sie nachher ins Gremium einbrächten. Es gehe nicht an, dass man hinten herum mit dem Management Sachen bespreche. Selbstverständlich hätten alle Verwaltungsratsmitglieder Anspruch auf sämtliche Informationen zum Unternehmen, aber nicht als Einzelmaske. Das müsse kontrolliert und mit Disziplin erfolgen, aber nicht, weil man etwas verheimlichen wolle. Es gehe vielmehr um die Glaubwürdigkeit des Verwaltungsrates als gesamtes Team.
Kein Interesse
An einer Beziehungspflege des Verwaltungsrates zu den Mitarbeitern hätten die Angestellten kein Interesse. Er sei davon überzeugt, dass die Angestellten ganz einfach am Ende des Monats ihren Lohn beziehen wollten und damit zufrieden seien. Die Mitarbeiter interessiere ihre nächste Umgebung im Betrieb, vielleicht noch eine Stufe höher, aber der CEO sei schon weit, weit weg, auch der interessiere sie nicht – und schon gar nicht der Verwaltungsrat.
Glaswände – Portier – Putzdienst
Die Nähe und Erreichbarkeit sei für die Mitarbeiter wichtig. Er sitze in einem Büro mit Glaswänden, wie alle Mitarbeiter im Gebäude. Vorbei seien in ihrer Firma die sterilen Gänge und geschlossenen Türen, wo man keinen Menschen sehe. Auch er teile das Büro mit jemandem. Wichtig sei, dass man diese offene Kultur von oben vorlebe. Ein Unternehmen werde an der Atmosphäre und am Zusammenspiel der Teams gemessen, das seien wesentliche Kleinigkeiten. Auch sei es wichtig, dass man den Mitarbeitern in Abständen immer wieder die Strategie erkläre, was mit einem Workshop verbunden sein könne. Dort werde konkret gefragt, was der einzelne Mitarbeiter zum Betrieb beitrage, weil er doch immer auch ein Teil der Strategie sei. Das gehe soweit, dass auch der Putzdienst und der Portier wissen müssten, was sie zur Strategie beitragen können.