Kitabı oku: «Mündliches Erzählen als Performance: die Entwicklung narrativer Diskurse im Fremdsprachenunterricht», sayfa 11
4.3.4 Verwendungsmöglichkeiten erzählperformativer Zeichen
Im Folgenden werden die erzählperformativen Verwendungsmöglichkeiten der Zeichen dargestellt und auf ihr Potenzial für die Gestaltung von Erzählperformances befragt.
Die Transformation der Erzählung in eine Erzählperformance erfordert einige grundsätzliche Entscheidungen, zu denen in erster Linie die Dominantenbildung (Fischer-Lichte 2007: 83f.) gehört. Dominanten können festgelegt werden im Hinblick auf ein Zeichensystem, auf bestimmte Zeichenarten, auf Funktionen und Bedeutungsebenen.
Neben der Dominantenbildung stehen für die Gestaltung der Erzählperformances folgende sich ergänzende bzw. zusammen wirkende Verwendungsmöglichkeiten (Fischer-Lichte 2007: 83f., 2009: 85-96) bereit:
die Selektion und Kombination von Zeichenarten und die Privilegierung von Zeichen und Zeichenkombinationen,
die simultane oder sequenzielle Verwendung der Zeichen,
die Äquivalenz- und Oppositionsbeziehung zwischen den Zeichen.
Selektion, Privilegierung und Kombination von Zeichen
Die Selektion, Kombination und Privilegierung1 bestimmter Zeichen erfolgt im Hinblick auf die Gesamtinszenierung und die Konzeption einzelner Szenen der Aufführung.
Was die Selektion der Zeichen betrifft, so können die Erzählenden z.B. prosodische Zeichen wie Akzentuierung, Dehnung oder Lautstärke für die Gestaltung eines bestimmten Dialogs, Requisiten zur Hervorhebung eines in der Narration ‚mitspielenden‘ Gegenstandes einsetzen.
Die Privilegierung von Zeichenarten stellt ein Instrument zur Strukturierung der Performance dar. Ein einzelnes Zeichen kann privilegiert eingesetzt werden, indem es in bestimmten Abständen oder an bestimmten Stellen wiederholt gebraucht wird. Aufgrund seiner Einmaligkeit und seiner absehbaren Wiederkehr innerhalb der Inszenierung zieht es Aufmerksamkeit auf sich. So kann z.B. eine wiederkehrend gesungene oder instrumental vorgetragene Melodie zum Leitmotiv werden und / oder eine Signalfunktion übernehmen.
Zeichen können auf unterschiedliche Weise miteinander kombiniert werden. Es ist möglich, gestische und mimische oder, was meist der Fall ist, verbale Zeichen mit paralinguistischen, mimischen und gestischen zu kombinieren. „Als wichtigste derartige Relationen lassen sich Ersetzung, Ergänzung, Modifizierung, Neutralisierung und Widerspruch anführen.“ (Fischer-Lichte 1991: 41) Für die Gestaltung von Erzählperformances ist die Ergänzung besonders wichtig, denn alle non-verbalen Zeichen können dazu dienen, die verbalen zu bekräftigen, zu verdeutlichen und ihre Wirkung zu verstärken (Fischer-Lichte 1991: 42) – eine für den Fremdsprachenunterricht zentrale Funktion.
Simultane und sequenzielle Verwendung von Zeichen
Zeichen können auf die oben beschriebene Weise simultan verwendet, d.h. miteinander kombiniert werden. Es ist aber auch möglich, bestimmte Zeichen nur an bestimmten Stellen, in bestimmten Szenen einzusetzen oder sie in einem bestimmten Rhythmus aufeinander folgen zu lassen. Diese Form der Verwendung strukturiert den Gesamtablauf, trägt zur Erhöhung von Spannung, aber auch zur Memorierung bei. Soll diese Technik zum Einsatz kommen, müssen die Erzählenden präzise arbeiten, um dasselbe Zeichen auf dieselbe Art hervorzubringen bzw. ein Zeichen für das Publikum wiedererkennbar einzusetzen.
Äquivalenz und Opposition
Neben der Kombination von Zeichen sind zwei Arten von Beziehungen (Fischer-Lichte 2009: 89-94) zwischen den Zeichen von zentraler Bedeutung: die Äquivalenz, d.h. Ähnlichkeitsbeziehung zwischen „zwei Einheiten, die auf derselben Ebene der semantischen Kohärenz ermittelt sind“ (Fischer-Lichte 2009: 89), und die Opposition bzw. das gegenseitige Sich-Ausschließen (s. auch Bußmann 2008: 496). Äquivalenz kann in der Erzählperformance z.B. zur Wiedererkennung einer Figur genutzt werden, indem die Erzählenden bei jedem Auftritt der Figur mit derselben Stimmfärbung sprechen. Eine Oppositionsbeziehung könnte durch unterschiedliche Stimmfärbungen entstehen und damit auf eine Opposition zwischen den Figuren verweisen: Eine hohe, helle Stimme, die eher auf Jugendlichkeit hindeutet, kann einer tiefen, rauen Stimme, die ein höheres Alter anzeigt, entgegengesetzt werden.
4.4 Erzählen als Performance (4): die Aufführung als Erlebnis
Die Verwandlung als viertes Merkmal der Aufführung stellt das Verbindungsstück zwischen den Merkmalen der Medialität, Materialität und der Bedeutungserzeugung dar. Verwandlung1 im Sinne der Theorie des Performativen meint eine spezifische Art der ästhetischen Erfahrung (Fischer-Lichte 2005d: 100). Sie wird in der Performancetheorie als ein ‚Erfasst-Werden‘ von der Situation der Aufführung verstanden2. Es handelt sich um einen Prozess, den die Erzählenden / die Schauspielerinnen und Schauspieler und ihr Publikum kognitiv, körperlich, affektiv und als sozialen Vorgang erfahren, der sie aus dem Alltag heraushebt und damit privilegierte Momente erleben lässt. Verwandlung bedeutet, dass aus dem Ereignis Erlebnis (Rapp 1973: 200) wird. Voraussetzung dafür, dass dieser Prozess in Gang gesetzt wird, ist die Rahmung der Aufführung. Aus diesem Grund werden im Folgenden drei für eine Aufführung zentrale ‚Rahmen‘ benannt und auf ihre Wirkung und Funktion bei Aufführungen von Erzählperformances in der Klassenzimmersituation befragt.
4.4.1 Der Rahmen der Aufführung
Als Rahmen der Aufführung werden in der Theaterwissenschaft die Faktoren Raum, Zeit und Konventionen (Rapp 1973: 202 ff., Roselt 2005: 260-267, Fischer-Lichte 2005a: 16-23) gesetzt.
Was den Faktor Raum betrifft, so sind Gebäude, Ort und Lage des Aufführungsraums entscheidende Voraussetzungen für die Art und Weise, wie die jeweilige Aufführung vom Publikum aufgefasst wird. Die Anordnung des Aufführungsraumes legt eine bestimmte Beziehung zwischen Schauspielerinnen und Schauspielern und ihrem Publikum fest. Während z.B. die Guckkastenbühne den Raum durch die ‚vierte Wand‘ in zwei getrennte Zonen teilt und damit das Publikum deutlich auf seine Plätze verweist, versucht eine offene Raumkonzeption dieser Trennung entgegenzuwirken. Die Unterrichtssituation als Raum-Rahmen stellt eine Herausforderung für die Realisierung der oben beschriebenen Verwandlungsprozesse dar. Unterrichtsgeschehen und Aufführung werden im Schulalltag nicht unbedingt als kompatibel erfahren. Eine Möglichkeit des Umgangs mit diesem Problem ist die konkrete Raumgestaltung des Klassenzimmers, von der ein wichtiges Signal ausgehen kann. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, den Raumrahmen nicht nur als den medialen Bühnen- und Zuschauerraum, sondern auch als „Kunstraum" (Roselt 2005: 264) zu gestalten. Ein solches Raumverständnis wurde dem „Kommunikationsmodell mündlichen Erzählens als Performance“ mit dem Begriff des ‚performativen Raums‘ (Kap. 4.2.2) zugrunde gelegt. Der performative Raum ist ein Erlebnisraum, der durch die Interaktion von Erzählenden und Publikum geschaffen wird.
Was den Faktor Zeit betrifft, so hebt die Zeitspanne, in der die Aufführung stattfindet, die Akteure der Aufführung aus der ‚Normalzeit‘ heraus: „Die Alltagszeit wird als suspendiert erlebt, während die Aufführung ihre eigene Zeitdauer hat.“ (Rapp 1973: 202) Bei der Erzählperformanceaufführung im Klassenraum sind dabei drei zeitliche Ebenen zu unterscheiden, die von den Akteuren der Aufführung unterschiedlich erfahren werden. Das Zusammenspiel der zeitlichen Ebenen wird in der folgenden Darstellung (Abb.5), die das Verlaufsschema einer narrativen Diskurseinheit (Abb.2, Kap. 3.2.2) aufnimmt, veranschaulicht:
Abb. 5:
Der Faktor Zeit als Rahmen der Aufführung von Erzählperformances
Wurde im gesprächsorganisatorischen Verlaufsschema die Abgrenzung der narrativen Diskurseinheit vom Klassenzimmerdiskurs unter dem Aspekt der narrativen Jobs dargestellt, so wird dieser Verlauf nunmehr unter dem Aspekt der unterschiedlichen Zeitebenen gesehen.
Die Zeit, in der die Performance stattfindet, entspricht der Zeit des Thematisierens, des Elaborierens und des Abschließens der Diskurseinheit: Die erste zeitliche Ebene ist die der real ablaufenden Zeit innerhalb der Unterrichtsstunde – die Zeit, die als ‚Normalzeit‘ suspendiert ist, tatsächlich aber weiter läuft. Die zweite Ebene ist die der Fiktion, eine Zeit, in die die Erzählenden das Publikum entführen. Il était une fois. Es ist aber auch die Zeitspanne, die den Figuren zur Verfügung steht, um ihre Abenteuer zu bestehen. Die Zeit der Fiktion hat einen Anfang, zu dem die Thematisierung die Erzählenden hinführt, und ein Ende, mit dem sie die Erzählung abschließen und die Zuhörerenden in die Normalzeit entlassen. Diese erzählte Zeit kann das Publikum miterleben, mitfühlen. Die dritte Ebene, die der Erzählzeit, ist die von den Erzählenden erzähltechnisch und performativ gestaltete Zeit. Dabei spielen die Faktoren Dauer und Frequenz (Kap. 3.6) eine wichtige Rolle. Die Erzählenden können – ihrer Inszenierungsidee folgend – bei einer Szene länger verweilen oder eine Szene weglassen bzw. sie wiederholen. Sie können das Erzähltempo beschleunigen oder die Handlung auf der Stelle treten lassen. Die Regulierung der Erzählzeit stellt ein Gestaltungsmittel der Performance dar – ein Mittel, die Performance zu gliedern und Spannung zu erzeugen. Die real ablaufende Zeit, die erste Ebene wirkt in besonderer Weise in die zweite und dritte Ebene hinein. Die Lernenden haben – zunächst – nur diese Zeit zur Verfügung, um die Erzählung in der Fremdsprache zu verstehen. Können sie in die erzählte Zeit eintauchen, auch wenn das Verstehen der Handlung nur unvollkommen ist? Der Umgang mit diesem Problem stellt eine Herausforderung für beide Kommunikationspartnerinnen und -partner dar. Andererseits: Gerade die Unterrichtssituation bietet Möglichkeiten, das Verstehen und das Erleben zu üben bzw. das eine und das andere miteinander zu verknüpfen.
Der dritte Rahmen, die Konventionen, betrifft explizit vereinbarte oder implizit vorliegende Kommunikationsregeln. Hierzu gehören die Übernahme der narrativen Jobs bzw. der Rollen innerhalb der Aufführung sowie die Regeln, nach denen das ‚Als-Ob-Spiel‘ gestaltet werden soll. Die Rollenverteilung während der Performance weist den Erzählenden eine ‚prominente‘ Stellung zu: Sie sind derjenigen, die die Rede und die Performance gestalten, sie haben das erste Rederecht. Das Publikum setzt sich aus Individuen zusammen, die individuell, aber auch als ‚Menge‘ gegenüber den Erzählenden reagieren. Interessant ist nicht nur der Rahmen, der die beiden Pole ‚Prominenz‘ und ‚Menge‘(Rapp 1973: 193) trennt, sondern auch die Verbindung zwischen beiden, die sog. Feedback-Schleife, die im Folgenden erläutert wird.
4.4.2 Die Feedback-Schleife
Während die Rahmung der Aufführung (Kap. 4.2.1) als externe Voraussetzung des Verwandlungsprozesses angesehen werden kann, so kann die Feedback-Schleife als intern wirkender Motor der Aufführung aufgefasst werden. Unter dem in der Theorie des Performativen (Fischer-Lichte 2004: 58-114) zentralen Begriff der ‚Feedback-Schleife‘ ist die gegenseitige Beeinflussung der Aktion von Schauspielerinnen und Schauspielern und Zuschauerinnen und Zuschauern zu verstehen. Die Schleife kann gesehen werden als ein elastisches Band, das an beiden Enden gezogen wird und ‚Schleifen dreht‘, wenn es hin und her bewegt wird. Das Band kann aber auch durchschnitten werden – individuell oder gemeinschaftlich. In jedem Fall rufen die Aktionen auf der einen Seite fortwährend Reaktionen auf der anderen hervor und umgekehrt. Während die Schauspielerinnen und Schauspieler sichtbar agieren, besteht die Aktion des Publikums in seiner Erwartungshaltung, seiner Aufmerksamkeit und in der Wahrnehmung der Aktionen von Schauspielerinnen und Schauspielern. Aber:
Zwar mögen diese Reaktionen teilweise ‚innerlich‘ ablaufen, einen ebenso wichtigen Teil stellen jedoch wahrnehmbare Reaktionen dar: Die Zuschauer lachen, juchzen, seufzen, stöhnen, schluchzen, weinen, scharren mit den Füßen, rutschen auf dem Stuhl hin und her, lehnen sich mit gespanntem Gesichtsausdruck vor oder mit entspanntem zurück, halten den Atem an und werden beinahe starr; sie schauen wiederholt auf die Uhr, gähnen, schlafen ein und fangen an zu schnarchen; sie […] klatschen oder zischen und buhen, stehen auf, verlassen den Raum und knallen die Tür hinter sich zu. (Fischer-Lichte 2004: 58)
Auch am anderen Ende der Schleife finden sichtbare Reaktionen statt:
Das Spiel der Schauspieler gewinnt oder verliert an Intensität; ihre Stimmen werden laut und unangenehm oder im Gegenteil immer anziehender; die Schauspieler fühlen sich animiert, Gags und andere Improvisationen hinzuzuerfinden oder verpassen Auftritte und Einsätze […]. (Fischer-Lichte a.a.O.: 58f.)
So extrem wie hier in Bezug auf das Theater dargestellt, fallen die Reaktionen auf die Erzählperformances im Klassenzimmer nicht aus – jedenfalls nicht in den Erzählstunden der Projektteilnehmerinnen und -teilnehmer (Kap. 9.2.2, 9.3.2). Aber auch hier ist eine Feedback-Schleife wirksam. Sie entfaltet wie die des Theaters eine Eigendynamik (Fischer-Lichte: a.a.O.) und ist nur eingeschränkt steuerbar bzw. planbar. Und wie im Theater ist auch im Klassenzimmer das Ergebnis offen. Diese Gegebenheiten vorausgesetzt: Worin könnte das Potenzial der Feedback-Schleife für den Fremdsprachenunterricht bestehen? Die folgenden Überlegungen zu einem ‚performativen Pakt‘ gehen dieser Frage nach (s. ‚fiktionaler Pakt‘ in Kap. 3.3).
4.4.3 Der performative Pakt
Ein ‚performativer Pakt‘ im fremdsprachlichen Klassenzimmer könnte darin bestehen, dass Erzählende und Publikum nicht nur die Teilhabe an der Fiktion, sondern auch die Realisierung der Erzählperformance als ein ‚Als-Ob-Spiel‘ ansehen, auf das sie sich gemeinsam einlassen. Der performative Pakt könnte als ein Angebot von beiden Seiten angesehen werden, die Erzählperformance als ein gemeinsames Experiment (Kap. 1) durchzuführen. Auf der Grundlage eines solchen Pakts1 könnten beide Seiten ihre narrativ-performativen Jobs erproben und der jeweils anderen Seite Interaktions-Angebote machen, so dass sich Feedback-Schleifen entwickeln. So gesehen bestünde das Potenzial der Feedback-Schleife für den Unterricht einerseits in gemeinsamen Lernverabredungen, die bis zur Bewusstmachung des Lernprozesses gehen können, andererseits im Erproben der narrativen und der ästhetisch-performativen Jobs bei der Realisierung von Erzählperformances. Kommunikatives Potenzial steckt auch in der gemeinsamen Ausübung der narrativen Jobs durch die Lernenden, denn aus dieser gemeinsamen Situation und Aufgabe heraus können sie ihre Gespanntheit und Aufmerksamkeit gegenseitig verstärken. Sie können sich gegenseitig ‚anstecken‘. Die Analyse der Interviews (Kap. 10) und das performative Erzählkonzept (Kap. 11.2.7) werden zeigen, auf welche Weise und mit welcher Wirkung ein solcher Pakt zustande kommen kann.
4.5 Erzählen als Performance (5): Inszenierung und Interpretation von Erzählperformances und Teil 2 des Modells FDM-P
Während die Aufführung bisher auf systemischer Ebene untersucht wurde, so kommen mit der Frage nach der Inszenierung nunmehr auch die Ebene der Norm und die sie prägenden Kräfte in den Blick. Unter dem Begriff der Norm werden im Kontext der performativen Künste die in unterschiedlichen Epochen wirksamen Inszenierungsformen und die sie prägenden ästhetischen Auffassungen verstanden. Wichtiger als die historisch prägenden Kräfte sind im Kontext von Erzählperformances im Fremdsprachenunterricht jedoch kontextuelle Faktoren wie unterrichtliche Voraussetzungen, didaktische Konzepte und ästhetische Vorbilder. Aus diesem Grund werde ich den historisch-epochal geprägten Normbegriff auf den Unterrichtskontext übertragen und Kriterien entwickeln, mit deren Hilfe Performanceinszenierungen im Fremdsprachenunterricht interpretiert werden können1.
Unter dem Begriff Inszenierung verstehe ich im Rekurs auf Fischer-Lichte die „Planung, Erprobung und Festlegung von Strategien“ (Fischer-Lichte 2005e: 146), auf deren Grundlage Aufführungen entstehen. Demzufolge interessieren an dieser Stelle strategische Entscheidungsmöglichkeiten zwischen Konzepten und konkreten Vorbildern von Erzählperformances sowie weitere normbildende Kräfte, die Inszenierungsentscheidungen beeinflussen.
4.5.1 Inszenierungsmöglichkeiten zwischen den Extremen performativer Gestaltung
Als Alternativen performativer Gestaltung im Fremdsprachenunterricht stelle ich im Rekurs auf die Definitionen des Performativen (Kap. 4.1.1) zwei extreme Konzepte einander gegenüber: das Konzept der Tradition und des Experiments. Als traditionelles Erzählperformancekonzept fasse ich in Parallele zu einem traditionellen, psychologisch-realistischen Theaterkonzept eine ‚werkorientierte‘ Inszenierung des mündlichen Erzählens, die sich ausschließlich auf das Verständlich-Machen der Struktur und der Inhalte der Erzählung konzentriert. Als experimentelles Konzept fasse ich in Parallele zur Theorie des Performativen ‚erlebnisorientierte‘ Inszenierungen, die auf Transformationsprozesse der Aufführung (Kap. 4.4) setzen. Damit wird der Begriff der „Avantgarde“ (s. Definition „Die Performance“, Kap. 4.1.1 und Anm. 4, 5) in eine ‚abgeschwächte‘, mit der Unterrichtssituation kompatible Form überführt, die den Aspekt der ‚Machbarkeit‘ berücksichtigt. Die von mir vorgenommene Abschwächung besteht in einer Modellierung des experimentellen Extrempunktes, dem ich vier im Unterricht realisierbare Merkmale des Experimentellen zuordne (Abb. 6). Die vier Merkmale entwickle ich aus den bisher erarbeiteten Merkmalen von Aufführungen und Performances (Kap. 4.1.-4.4) und einer ersten Durchsicht des empirischen Materials: das Prinzip der Körperlichkeit (1), der Multimedialität (2), der Spontaneität und Offenheit (3) und der Einbeziehung des Publikums (4). Eine Erzählperformance, die das eine oder andere dieser Merkmale zu realisieren versucht, kann somit als eine Facette experimenteller Inszenierungen gelten. Das folgende Schema (Abb. 6) veranschaulicht die möglichen Positionen zwischen den Extrempunkten und dient als Grundlage für die im Folgenden erläuterten Inszenierungskonzepte und -strategien:
Abb. 6:
Möglichkeiten der Inszenierung von Erzählperformances zwischen zwei extremen Konzepten
Ein erstes Inszenierungskonzept liefert die Position C zwischen den Extremen A und B. Diese Position geht einen Mittelweg. Sie verortet sich vorwiegend traditionell, kombiniert jedoch ihr Konzept mit einem oder mehreren experimentellen Merkmalen. So ist es z.B. möglich, das Prinzip der Spontaneität (3) oder die Einbeziehung des Publikums (4) an bestimmten Stellen vorzusehen, die Körperlichkeit der Performance (1) mit einem deutlich wahrnehmbaren Einsatz non-verbaler Gestaltungsmittel zu betonen und diese Mittel nicht nur in erklärend-hinweisender, sondern auch poetischer Funktion zu nutzen. Das multimediale Prinzip (2) lässt sich durch Einbeziehung auditiver, visueller oder audiovisueller Medien oder direkt über künstlerische ‒ bildnerische oder musikalische ‒ Aktivitäten realisieren.
Ein zweites Inszenierungskonzept liefern unterschiedliche Inszenierungsformen. Als Vorbilder können Erzählperformances professioneller Erzählerinnen und Erzähler fungieren (Kap. 5.4.2). Eine Quelle der Inspiration können auch Performanceaktionen darstellen, die sich non-verbaler und / oder musikalischer Mittel bedienen wie das Statuentheater, wie Tanz, Pantomime, Rhythmus, Gesang, Rap-Performances. Dieses Inszenierungskonzept besteht in der Orientierung an diesen Vorbildern bzw. in der Adaption dieser Mittel an die eigenen Bedürfnisse.
Ein drittes Inszenierungskonzept, die Dominantenbildung, wurde als Strategie der Verwendung theatralischer Zeichen und Zeichenkombinationen (Kap. 4.3.5) bereits vorgestellt. Die Dominantenbildung interessiert an dieser Stelle als eine Grundsatzentscheidung für die Privilegierung eines Zeichensystems, die ihrerseits mit der Entscheidung für eine der Positionen A, B, oder C zusammenhängt. Es ist naheliegend, für die Inszenierung einer Erzählperformance im fremdsprachlichen Klassenzimmer das verbale Zeichensystem als Leitsystem zu setzen. Es ist auch davon auszugehen, dass als leitende Norm der Inszenierung das pädagogische Handlungsfeld gesetzt und das ästhetische dem pädagogischen untergeordnet wird. Die Festlegung auf das verbale Zeichensystem als dominierendem Leitsystem und die Orientierung an pädagogisch-fachdidaktischen Normen lässt jedoch, wie oben gezeigt, alle Möglichkeiten der Kombination mit anderen Handlungsfeldern wie dem ästhetisch-literarischen oder mit anderen Zeichensystemen wie dem musikalischen und dem bildlichen System sowie die Integration anderer Inszenierungsformen in eine dominierend verbale Inszenierung zu.
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