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Kitabı oku: «Die Nilbraut», sayfa 11

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»Hoffentlich zeigt sie sich wenigstens nicht ganz so schlimm, wie Du sie vorhin geschildert. Wenn unserem Bündnis nur nicht bald ein jähes Ende bevorsteht!«

»Oho!« rief der Arzt. »Jeder Blutstropfen in diesen Adern...«

»Du würdest bereit sein, ihn für mich zu verspritzen,« unterbrach ihn Paula mit einer pathetischen Geste, die sie dem ersten Tragödienspieler aus dem Theater zu Damaskus abgesehen hatte; »aber sei unbesorgt: um Tod und Leben wird sich’s nicht handeln, höchstens vertreiben sie mich aus diesem Hause und Memphis.«

»Dich?« fuhr Philippus erschrocken auf. »Wer dürfte das wagen?«

»Diejenigen, denen ich so wunderbar fremd blieb; Du hast’s ja vorhin treffend geschildert. Und ist ihnen der Wille gethan, dann, mein lieber, neuer Freund, wird es uns gehen wie dem gelehrten Dionys von Kyrene.«

»Von Kyrene?«

»Ja wohl! Ich hab’ das Geschichtchen von meinem Vater. Als dieser Dionys seinen Sohn nach Athen auf die hohe Schule schickte, setzte er sich hin und begann für ihn ein Buch über alles zu schreiben, was ein Student auf der Universität thun und lassen soll. Er widmete sich dieser Arbeit mit allem Eifer, und als er nach vier Jahren das: ›So wäre denn dies Buch glücklich zu Ende,‹ unter das letzte Blatt der Rolle setzte, kehrte der Jüngling, dessen Studium das Werk zu leiten bestimmt war, als fertiger Gelehrter nach Kyrene zurück.«

»Und so hätten wir unsere Freundschaft geschlossen...«

»Und alles für ein künftiges Bündnis schön vorbereitet, um sehr bald auseinander zu gehen.«

Da schlug Philipp heftig auf das Tischchen vor seinem Lager und rief: »Das werd’ ich zu verhindern wissen! Doch vertraue mir nun, was es zwischen Dir und denen da unten wieder gegeben?«

»Du erfährst es zeitig genug.«

»Und wer da denkt, daß man Dir mir nichts dir nichts den Stuhl vor die Thür setzen darf und daß damit auch zwischen uns alles vorbei ist, der könnte sich irren!« rief der Arzt, und seine Augen begannen zornig zu funkeln. »Ich habe hier im Haus auch ein Wort mitzureden, und so weit sind wir noch lange nicht, so weit darf es überhaupt niemals kommen. Verlassen sollst Du sie, ja! Aber nur freiwillig und mit hoch erhobenem Haupte...«

Hier wurde die Thür des ersten Krankenzimmers schnell geöffnet, und im nächsten Augenblick stand Orion in dem Nebensaale, blickte die beiden, welche das Mahl vor kurzem beendet, erstaunt und befremdet an und sagte finster: »Ich seh’, daß ich störe.«

»Durchaus nicht,« versetzte der Arzt; der Jüngling aber empfand, daß es geschmacklos und wenig am Platze sein würde, seinem eifersüchtigen Mißbehagen Ausdruck zu geben, und erwiderte lächelnd: »Wem es gestattet gewesen wäre, dies Symposion als dritter mitzugenießen!«

»Wir genügten einander vollkommen,« entgegnete der Arzt.

»Dem wäre die Seligkeit gewiß, der an alle Lehren der Kirche so leicht zu glauben vermöchte wie an diese Behauptung,« lachte Orion. »Ich bin sonst kein Spaßverderber, meine Verehrten, aber diesmal, es thut mir aufrichtig leid, muß ich dennoch den Störenfried spielen. Es handelt sich,« und nun war es ihm wieder vergönnt, von dem scherzhaften Tone zu lassen, der seiner Stimmung nur zu übel entsprach — »es handelt sich um eine wichtige Sache. Sie betrifft zunächst Deinen Freigelassenen, meine schöne Feindin.«

»Ist Hiram zurück?« fragte Paula und fühlte dabei, daß sie bleich ward.

»Sie brachten ihn ein,« versetzte Orion. »Der Vater hat die Richter sogleich zusammenrufen lassen. Bei uns hat die Justiz hurtige Beine. Der Mann thut mir leid, doch ich kann nicht hindern, daß sie ihren Lauf nimmt. Dich muß ich bitten, Dich zum Verhör einzustellen, wenn man Dich ruft.«

»Man soll die volle Wahrheit erfahren,« entgegnete Paula fest und streng.

»Natürlich,« versetzte Orion. Dann wandte er sich an den Arzt: »Dich, trefflicher Aeskulap, möcht’ ich bitten, meine Verwandte und mich einen Augenblick allein zu lassen. Ich habe ihr einen Rat zu erteilen, der ihr sicherlich zum Vorteil gereicht.«

Philippus blickte die Freundin fragend an, sie aber versetzte laut und entschieden: »Ich habe kein Geheimnis mit Dir; was ich hören soll, kann auch dieser vernehmen.«

Da zuckte Orion die Achseln und wandte sich zum Gehen; doch vor der Schwelle kehrte er um und rief erregt und voll wirklicher Besorgnis:

»Wenn Du mich nicht um Deinetwillen anhören willst, so thu es, wie übel Du mir auch gesinnt bist, weil ich Dich anflehe, mir diese Gunst nicht zu versagen. Es handelt sich um das Leben des einen und um das Glück, die Ruhe eines andern Menschen. Sage nicht nein, ich fordere nichts Unbilliges, Philippus! Erfülle meinen Wunsch und laß uns einige Augenblicke allein!«

Abermals fragten die Augen des Arztes die Jungfrau und diesmal entgegnete sie: »Geh!« und ihr Freund entfernte sich sogleich.

Da zog Orion die Thür zu und rief mit fliegendem Atem:

»Was hab’ ich Dir gethan, Paula, daß Du mich seit gestern wie einen Aussätzigen fliehst, daß Du darauf ausgehst, mich ins Unglück zu stürzen?«

»Ich denke für das Leben eines treuen Dieners einzutreten, nichts weiter,« entgegnete sie gelassen.

»Auf die Gefahr hin, mich zu verderben?« versetzte Orion bitter.

»Auf diese Gefahr hin, wenn Du den fluchwürdigen Mut findest, die eigene Schuld auf den redlichen Mann zu wälzen.«

»Du hast mich in der vergangenen Nacht belauscht!«

»Nur der Zufall fügte es, daß ich Dich aus dem Tablinum...«

»Ich forsche jetzt nicht, was Dich so spät dahin führte,« unterbrach sie der Jüngling. »Denn es widersteht mir, von Dir etwas anderes als das Beste, das Höchste zu glauben. Aber Du? Was hast Du anderes von mir erfahren als Freundschaft, ja — verbergen, verstecken wäre hier Thorheit — als was der Liebende der Geliebten...«

»Der Liebende?« fiel ihm Paula empört ins Wort. »Der Liebende, wagst Du zu sagen, Du, der Hand und Herz einer andern geboten, Du, der...«

»Wer sagt Dir das?« fragte Orion dumpf.

»Deine eigene Mutter.«

»Das! Also das?« rief der Jüngling und faltete die Hände krampfhaft fest in einander. »Nun erst versteh’ ich, begreif’ ich... Aber halt... Wenn es das ist, was Dich zum Haß, zur Verfolgung gegen mich reizt, dann mußt Du mich lieben, dann liebst Du mich, Mädchen, und dann, Du hohes, einziges Wesen...«

Damit streckte er die Hand nach ihr aus, sie aber stieß sie zurück und rief mit bebender Stimme:

»Irre Dich nicht! Ich gehöre nicht zu den schwachen Lämmern, gegen die Du Deine Gaben und Vorzüge mißbraucht hast und die sich beeilten, Dir die Hände zu küssen. Ich bin des Thomas Tochter, und der Bräutigam einer andern, den es auf dem Weg zur Hochzeit nach meiner Umarmung gelüstet, der wird zu seinem Schaden erfahren, daß es Frauen gibt, die seine verruchten Wünsche zurückzuweisen und den Schimpf, der ihnen zugedacht war, zu strafen verstehen. Fort nun zu Deinen Richtern. Du, falscher Ankläger, nennst meinen Hiram, ich aber nenne Dich, Dich, den Sohn dieses Hauses, den Dieb. Sehen wir zu, wem sie glauben!«

»Mir!« versetzte Orion und seine Augen begannen nicht weniger empört und vernichtend zu glühen wie die ihren. »Mir, dem Sohn des Mukaukas! O, daß Du kein Weib wärest! Auf die Kniee wollt’ ich Dich nieder drücken und Dich zwingen, mich um Vergebung zu bitten! Wie darfst Du es wagen, auf einen Mann, dessen Wandel bisher so makellos rein war wie Dein weißes Gewand, mit dem Finger zu weisen, als ob er ein Nichtswürdiger wäre? Ja, ich bin in das Tablinum gegangen, ich habe den Smaragd aus dem Teppich gerissen, aber es ist in übermütiger Laune geschehen und in dem Bewußtsein, des Vaters Gut sei das meine. Fortgeschleudert hab’ ich dann den Stein, einer wunderlichen Liebhaberei, einem flüchtigen Einfall zu gefallen. Verflucht sei die Stunde, in der es geschehen ist, nicht um der That selber, sondern um der Folgen willen, die sie nach sich ziehen kann durch Deinen wahnsinnigen Haß; Eifersucht, kleine, unwürdige Eifersucht ist es, die ihn erzeugte! Und gegen wen ist sie gerichtet?«

»Gegen niemand, auch nicht gegen Deine Braut Katharina,« versetzte Paula mit erzwungener Ruhe. »Was bist Du mir noch, daß ich, um Dir eine Demütigung zu ersparen, das Leben des bravsten Mannes aufs Spiel setzen möchte? Es bleibt dabei: die Richter sollen entscheiden.«

»Nein, sie sollen es nicht!« brauste Orion von neuem auf, »wenigstens nicht in Deinem Sinne! Hüte Dich, hüte Dich, mich zum Aeußersten zu treiben. Noch seh’ ich in Dir das Weib, das ich liebte, noch biete ich auf, was in meiner Macht steht, auch für Dich alles zum Besten zu wenden...«

»Für mich? So bin auch ich bestimmt, Deine Schuld mit zu tragen?«

»Hast Du vorhin da unten Gebell vernommen?«

»Ich hörte kläffende Hunde.«

»Nun wohl, der Freigelassene ist eingebracht worden, die Meute hatte seine Witterung gewonnen und wurde jetzt in das Haus und in die Nähe des Tablinums geführt, und die Hunde sind nicht von der Schwelle gewichen, und die Leute haben dort nachher auf der weißen Marmorschwelle an ihrem rechten Ende die Spuren eines männlichen Fußes im Staube entdeckt. Sie war seltsam gebildet, und statt fünf Zehen gab es ihrer nur drei zu erkennen. Dein Hiram wurde gebracht, und es fanden sich bei ihm ebensoviel Zehen wie auf dem Marmor, nicht weniger, nicht mehr. Ein Hengst hat ihn im Stall Deines Vaters getreten, und der Arzt ihm zwei seiner Zehen abnehmen müssen; das ist dem Stotterer mühsam genug abgefragt worden. An der andern Seite der Schwelle war eine kleinere Spur, aber so wenig die Hunde acht auf sie gaben, ich habe sie bemerkt und sicher festgestellt, — wie, brauchst Du nicht zu erfahren — daß Du es gewesen, die dort gestanden. Er, der kein Recht hat, dies Haus zu betreten, ist in dieser Nacht in unser Tablinum, unsere Schatzkammer gedrungen. Denke Dich nun in die Seele der Richter! Wie schwer kann wohl gegen solche Thatsachen das bloße Wort einer Jungfrau ins Gewicht fallen, von der jedermann weiß, daß sie mit meiner Mutter nichts weniger als eins ist, und der alles darauf ankommen muß, ihren Diener zu retten.«

»Nichtswürdig!« rief Paula. »Aber Hiram hat den Stein nicht gestohlen, Du weißt es ja selbst, wer es gethan hat. Der Smaragd, den er verkaufte, mein Eigentum war er, und sehen sich diese Steine wirklich so ähnlich, daß selbst der Verkäufer...«

»Ja, ja! Er konnte sie nicht unterscheiden. Böse Dämonen sind bei alledem im Spiel, teuflische, hämische Geister. Es möchte einem der Verstand dabei stille stehen, wenn das Leben nicht so voll von Wundern wäre. Du selbst bist ja das größte! Hast Du dem Syrer den Smaragd zu verkaufen geboten, um mit dem Erlös aus diesem Hause zu fliehen? Du schweigst? So traf ich doch wohl das Rechte! Was kann der Vater Dir sein, Du liebst die Mutter nicht, und den Sohn — Paula, Paula, Du thust ihm doch vielleicht Unrecht! — Ihn hassest Du, ihm zu schaden ist Dir eine Lust.«

»Weder Dir noch irgend einem andern möchte ich weh thun,« versetzte das Mädchen, »und Deine Vermutung ist falsch. Dein Vater versagt mir die Mittel, den meinen zu suchen...«

»Und Du hast Dir Geld schaffen wollen, um weiter nach dem längst Verstorbenen zu forschen. Selbst die Mutter gibt zu, daß Du die Wahrheit liebst, und hat sie recht, und es freut Dich in der That nicht, mich zu verderben, so höre mich, folge meinem Rat, erfülle meine Bitte! Ich verlange nichts Großes.«

»Dann rede.«

»Weißt Du, was eines Mannes Ehre bedeutet? Brauch’ ich Dir zu sagen, daß ich ein verlorener, geächteter Mensch bin, wenn ich um dieser That des hirnlosesten Leichtsinns willen von den Richtern des eigenen Hauses verurteilt werde? Dem Vater kann es das Leben kosten, wenn er erfährt, daß das ›Schuldig‹ über mich verhängt ward, und ich — ich — was aus mir würde, wenn dies geschähe, ich kann es nicht absehen... ich... Gott, Gott, schütze mich vor Wahnsinn! Aber Ruhe, Ruhe... Die Zeit drängt... Wie anders steht es mit Deinem Diener; er scheint schon jetzt bereit, die Schuld auf sich zu nehmen; denn wie man ihn auch ausfragt, er behauptet Schweigen. Thue Du dasselbe, und heben die Richter lebhaft die Verbindung hervor, in der Du in dieser Nacht mit dem Syrer gestanden — die Hunde fanden seine Spuren auf Deiner Treppe — so sprich die Vermutung aus, der treue Mann habe sich des Smaragden bemächtigt, um Dein Verlangen zu befriedigen, Deinen Vater, seinen lieben Herrn, weiter zu suchen. Kannst Du Dich entschließen, dies schwere Opfer zu bringen, — o, daß ich es fordern muß! — so schwöre ich Dir bei allem, was mir heilig ist, bei Dir selbst und bei dem Haupt meines Vaters, daß ich Hiram in spätestens drei Tagen ungeschlagen und ungefoltert, fürstlich beschenkt aus der Haft entlasse und ihm selbst die Wege bahne, zu fliehen, wohin er nur mag, oder ist es Dir lieb, Deinen Verstorbenen weiter zu suchen. — Schweige, halte Dich gelassen im Hintergrunde; das ist alles, was ich verlange, und daß ich mein Wort halten werde, daran wenigstens, nicht wahr, daran zweifelst Du nicht?«

Tief atmend hatte sie ihm zugehört. Sie empfand Mitleid, tiefes Mitleid mit ihm, wie er da bittend und von tiefer innerer Pein gemartert vor ihr stand, ein Missethäter, der es immer noch nicht fassen konnte, es zu sein, und der auf das Zutrauen baute, das er gestern noch berechtigt gewesen, von aller Welt zu fordern. Wie ein schöner, stolzer Baum, in den der Blitz geschlagen, und der nun wankend und mit geborstenem Stamme beim nächsten Unwetter zu Boden stürzen muß, wenn ihn der Gärtner nicht stützt, stand er vor ihr, und am liebsten hätte sie alles, was ihr von ihm zugefügt worden war, vergessen und seine Hand freundlich und tröstend ergriffen; aber ihr tief verletzter Stolz half ihr die kühle, ablehnende Haltung wahren, die es ihr bis jetzt zu behaupten gelungen.

Zaudernd und gemessen willigte sie ein, so lange er sein Versprechen halte, zu schweigen. Weniger um seinet- als um seines Vaters willen werde sie sich zu seiner Mitschuldigen machen; doch damit sei alles aus zwischen ihnen, und sie werde die Stunde segnen, welche sie von ihm und den Seinen für alle Ewigkeit trenne.

Der letzte Teil ihrer Rede klang unsagbar abweisend und hart, und sie mußte sich eines solchen Tones bedienen, um nicht zu verraten, wie tief sie sein Unglück und das Erlöschen des Sonnenscheins in seinem Wesen ergreife, der auch ihr einst das Herz so selig erwärmt; ihn aber wehte es eisig an aus ihren Worten, aus denen schnöde Mißachtung und feindseliger Groll zu sprechen schien. Mühsam hielt er an sich, um sich nicht abermals zu heftigen Worten hinreißen zu lassen. Es war ihm fast leid, ihr sein Geheimnis anvertraut, sie um Gnade gebeten, nicht den Dingen ihren Lauf gelassen und sie, kam es zum Aeußersten, mit sich ins Verderben gezogen zu haben. Lieber wollte er Ehre und Ruhe einbüßen, als sich noch einmal vor dieser erbarmungslosen, kaltherzigen Feindin demütigen. In diesem Augenblick haßte er sie wirklich, und er wünschte sich, mit ihr kämpfen zu dürfen, ihren Stolz zu brechen und die Besiegte, um Erbarmen bettelnd, vor seinen Füßen zu sehen. Mühsam, mit glühenden Wangen und gepreßter Stimme schloß er:

»Trennung von Dir, Dir, ist für uns alle das Beste. Halte Dich bereit, bald werden die Richter Dich rufen.«

»Gut,« lautete die Antwort, »ich schweige, Du aber sorgst für die Rettung des Syrers; ich habe Dein Wort.«

»Und so lange Du dem Deinen treu bleibst, werd’ ich es halten; sonst,« fuhr es ihm über die vor Empörung bebenden Lippen, »sonst Kampf bis aufs Messer!«

»Bis aufs Messer!« versetzte sie mit funkelnden Augen. »Aber noch eins! Ich habe Beweise, daß der Smaragd, den ihr bei Hiram gefunden, mir gehört hat, bei allen Heiligen, ich hab’ sie!«

»Desto besser für Dich,« versetzte er dumpf. »Wehe uns beiden, wenn Du mich zwingst, zu vergessen, daß Du ein Weib bist!« Damit verließ er raschen Schrittes den Saal.

Zwölftes Kapitel.

Mit geballter Faust und grollendem Blick stieg Orion die Treppe hinunter. Das Herz that ihm weh zum Zerspringen.

Was hatte er gethan, was war aus ihm geworden!

So durfte ein Weib ihm begegnen, ein Weib, das er seiner Liebe gewürdigt, das schönste, edelste der Weiber, das hochmütigste, rachedürstigste, hassenwerteste zugleich! Er hatte einmal das Wort gelesen: »Wer etwas Niedriges begangen, um das auch nur ein anderer weiß, der trägt das Todesurteil seiner Ruhe in den Falten seines Gewandes.« Er fühlte die Wucht dieses Urteils, und die andere, die Mitwisserin, war Paula, war diejenige, von der er am meisten gewünscht hätte, daß sie zu ihm hinaufschauen möge. Seligkeit auf Erden hätte es ihm noch gestern geschienen, sie in den Armen halten, sie sein nennen zu dürfen, jetzt fühlte er nur den einen Wunsch, sie zu demütigen, sie zu strafen. Und daß ihm die Hände gebunden waren, daß er wie ein Verurteilter von ihrer Gnade abhing! Es war nicht zu fassen, war unerträglich! Aber sie sollte ihn kennen lernen! Wie ein weißer Schwan war er bis dahin durchs Leben gezogen; wenn diese unseligen Stunden, wenn dies Weib ihn zum Geier machte, war es nicht seine, war es ihre Schuld! Bald sollt’ es sich erweisen, wer der Stärkere war von ihnen beiden. Wie man ein Weib nur immer züchtigen kann, mußt’ er sie strafen, und wenn der Weg dazu durch Verbrechen und Elend führte! Daß der Arzt ihre Neigung gewonnen habe, fürchtete er nicht; denn mit wunderbarer Sicherheit empfand er, daß trotz aller Feindseligkeit, die sie ihm zu fühlen gab, ihr Herz ihm und nur ihm gehöre. »Das Goldstück der Liebe,« sagte er sich, »hat zwei Seiten: zärtliches Verlangen und bitteren Haß; jetzt zeigt sie mir diesen, aber wie verschieden auch Bild und Schrift an der Münze sein mögen, wenn man sie klingen läßt, gibt es doch nur einen Ton, und der liegt auch in ihren verletzendsten Worten.«

Bei der Familientafel entschuldigte er Paula und nahm selbst nur wenige Bissen; denn die Richter hatten sich schon längst versammelt und warteten seiner.

Schon den Ahnen des Mukaukas, mächtigen Gaufürsten, war das »Recht über Leben und Tod« verliehen worden, und sie hatten sich seiner sicher schon unter den Psamtikiden bedient, deren Herrschaft durch den Perser Kambyses ein grausames Ende gefunden. So prangten noch jetzt Uräusschlangen, diejenigen Nattern, deren Biß am schnellsten den Tod verursacht, und der Drachentöter St. Georg als ehrwürdige Symbole dieses Rechtes über des Mukaukas Palästen zu Memphis und Lykopolis in Oberägypten, und an beiden Orten stand es, nachdem Justinian und ganz zuletzt der Kaiser Heraklius diese alte Befugnis neu bestätigt hatten, dem Haupt der Familie zu, über die Hörigen des Hauses und die Insassen der Distrikte, denen er vorstand, aus eigener Machtvollkommenheit die Todesstrafe zu verhängen. Der Ritter Georg war zwischen die alten Schlangen gesetzt worden, um das heidnische Symbol durch ein christliches zu ersetzen. Früher hatte der Ritter das Haupt eines Sperbers, das heißt des Gottes Horus, getragen, der, um seinen Vater zu rächen, den bösen Seth Typhon niedergeworfen; doch schon vor zweihundert Jahren war der heidnische Krokodiltöter in den christlichen Besieger des Drachen verwandelt worden.

Die Araber hatten nach der Eroberung des Landes die alten Einrichtungen und Rechte, und so auch die des Mukaukas bestehen lassen.

Der Gerichtshof, welcher in Sachen der Angehörigen des Hauses zusammenberufen wurde, bestand aus den höheren Privatbeamten der Statthalterei. Das Amt des Oberrichters bekleidete der Mukaukas selbst, und sein erwachsener Sohn war sein natürlicher Stellvertreter. Während Orions Abwesenheit hatte der Vorsteher des Rechnungswesens, Nilus, ein kluger und besonnener Aegypter, den Platz seines leidenden Herrn häufig eingenommen, aber heute war Orion beauftragt worden, seine Stelle zu vertreten und den Vorsitz zu führen.

Aus dem Speisesaal eilte der Statthalterssohn in das Schlafgemach seines Vaters und bat ihn um seinen Ring als Zeichen der Vollmacht, die er auf ihn übertragen, und der Mukaukas ließ sich ihn willig vom Finger ziehen und legte dem Jüngling ans Herz, unnachsichtliche Strenge zu üben. Er sei sonst zur Milde geneigt, doch auf einen Einbruch im Hause stehe der Tod, und in diesem Fall sei es schon um des arabischen Kaufmanns willen geboten, keine Schonung zu üben.

Orion bat nun den Vater, eingedenk seines Vertrages mit Paula, ihm ganz freie Hand zu lassen. Der alte Muslim sei ein gerechter Mann, der unter Umständen auch ein mildes Urteil billigen werde, außerdem sei der Verbrecher nicht eigentlich ein Hausgenosse, sondern stehe im Dienst einer Verwandten.

Der Mukaukas lobte den besonnenen Sinn seines Sohnes. Wenn es ihm selbst nur etwas besser gehe, werde er sich die Freude gönnen, der Sitzung beizuwohnen und ihn zum erstenmal eine ernste Pflicht, würdig seiner Geburt und Stellung, erfüllen zu sehen.

Orion küßte dem Vater innig und mit wehmütiger Bewegung die Hand; denn jedes anerkennende Wort des geliebten Mannes that ihm tief innerlich wohl, und er empfand es dabei wie ein Unglück, daß er seine Richterlaufbahn, deren Ernst und Heiligkeit er kannte, so — so antreten mußte.

Weicher gestimmt, in Gedanken versunken und erwägend, wie Hiram zu retten und Paulas Name am besten ganz aus dem Spiel zu lassen sei, begab er sich zu dem Gerichtssaal, und vor ihm fand er die Amme Perpetua in lebhaftem Gespräch mit dem Rentmeister Nilus.

Die Alte war außer sich. Beim Klappern der Webstühle hatte sie bis vor kurzem nichts von dem Vorgefallenen erfahren; nun beschwor sie die Unschuld des unglücklichen Hiram. Der Stein, den er verkauft habe, sei das Eigentum ihrer Herrin gewesen, und dafür fehle es gottlob nicht an Beweisen: die Fassung des Smaragds liege wohlverwahrt in der Truhe ihrer Herrin. Es sei ihr zum Glück noch möglich gewesen, sie zu sprechen, aber daß man sie, die Tochter des Thomas, wie jedes Bürger- oder Sklavenkind vor Gericht stellen wolle, das sei unerhört, das sei schändlich!

Da unterbrach sie Orion barsch, gebot dem alten Thorhüter, sie sogleich in das Gewebemagazin neben dem Tablinum, wo die fertigen, für den Gebrauch des Hauses bestimmten Stoffe aufbewahrt wurden, zu führen und sie dort bis auf weiteres wohl zu bewachen. Der Ton, in dem er diesen Befehl erteilte, war so beschaffen, daß ihm selbst die Amme nicht widersprach, und auch der Rentmeister gehorchte schweigend seinem Gebot, sich zu den Richtern zurückzubegeben.

Erstaunt und beunruhigt ging Nilus in den Sitzungssaal zurück. So hatte er den Sohn seines Herrn noch nie gesehen! Bei der Mitteilung der Amme waren ihm die Adern auf der jugendlichen, faltenlosen Stirn weit hervorgetreten, und seine Nasenflügel hatten in rascher, krampfhafter Bewegung zu beben begonnen, der Wohlklang war aus seiner Stimme gewichen gewesen, und sein Auge hatte drohend gefunkelt.

Nun war Orion allein und knirschte tief aufgebracht mit den Zähnen. Trotz des gegebenen Versprechens hatte Paula ihn verraten, und wie elend war die Weiberlist, mit der sie es gethan! Vor den Richtern, herrlich! Vor denen konnte sie nun schweigen, ganz getrost schweigen bis ans Ende der Sitzung, die Amme, ihr Sprachrohr, hatte ja Nilus, den ernstesten und schärfsten im ganzen Kollegium, mit den Beweismitteln vertraut gemacht, welche für sie und gegen ihn zeugten. Unerhört, nichtswürdig! Ein schmählicher, ausgesucht tückischer Verrat! Aber noch war sie nicht am Ziele, noch hatte er freie Hand, den bösen Streich mit einem Gegenhieb zu pariren. Wie er zu führen sei, war ihm schon bei der Mitteilung der Amme klar gewesen, aber das Gewissen, die angeborene Neigung, die lange Gewohnheit, sich in den Schranken des Rechten, Guten, Schicklichen zu halten, hielt ihn zurück. Niedriges und Gemeines hatte er nicht nur niemals selbst begangen, sondern es auch nur mit Widerwillen an anderen gesehen, und das einzige, was er unternehmen konnte, um Paulas Verrat unschädlich zu machen, das war — er konnt’ es nicht leugnen — das war zwar eigenartig und kühn, aber ebenso verabscheuungswürdig und schändlich.

Doch er wollte und durfte in diesem Streite nicht unterliegen. Die Zeit drängte, langes Erwägen war hier nicht möglich, und plötzlich überkam ihn grimmige und wilde Kampflust, ward ihm zu Mute wie an den Wettfahrtstagen im Zirkus, wenn er das eigene Gespann den anderen zuvor trieb.

Vorwärts denn, vorwärts, und wenn das Fahrzeug zerschellte, wenn die Rosse zu Grunde gingen und seine Räder die gestürzten Genossen im Sand der Arena zermalmten; vorwärts, nur vorwärts!

Mit wenigen raschen Schritten erreichte er das Stübchen des Thorhüters, eines wackern Alten, der seit vierzig Jahren seinem Amte vorstand. Früher war er Schlosser gewesen, und jetzt lag es ihm ob, die kleinen Reparaturen an dem einfacheren Hausgerät vorzunehmen. Orion war als Knabe ein holdes, jedes Herz bestrickendes Bürschchen und auch der Liebling dieses tüchtigen Mannes gewesen, hatte sich mit Vorliebe in seinem Stübchen aufgehalten und ihm die Kunstgriffe seines Handwerks abgesehen. Mit besonderem technischem Geschick begabt, war er ein gelehriger Schüler des Alten gewesen und hatte es so weit gebracht, für die Eltern zu ihren Geburtstagen, in Aegypten besonders feierlich begangenen und durch Geben und Nehmen gewürzten Festen, zierliche Kästchen, Gebetbuchdecken und dergleichen zu schnitzen und mit Schlosserarbeit zu versehen. Er verstand alle Instrumente zu führen und wählte sich jetzt hastig diejenigen aus, welche er zu benützen gedachte. Auf dem Fensterbrett des Stübchens stand ein Blumenstrauß, den er gestern Abend für Paula bestellt und an diesem schrecklichen Tage abzuholen vergessen hatte. Mit ihm in der Hand und den Instrumenten in den Brustfalten seines Gewandes eilte er die Treppe hinan.

»Vorwärts, immer nur vorwärts!« rief er sich selbst zu, wie er in Paulas Zimmer drang, den inneren Riegel vorstieß und sich vor ihrer Truhe nieder und die Blumen aus der Hand warf. Ward er entdeckt, so war er in Paulas Gemach eingedrungen, um ihr den Strauß zu überbringen.

»Und vorwärts, nur vorwärts!« dachte er immerfort, wie er die Scharniere losschraubte, an denen sich der Deckel der Truhe bewegte. Seine Hände zitterten, sein Atem flog dabei, aber die Arbeit förderte dennoch. Dies Verfahren war das rechte, denn das Kunstschloß an dem Kasten ließ sich nicht aufthun, ohne es zu verderben. Jetzt hob er den Deckel, und — als unterstützten ihn freundliche Mächte — auf den ersten Griff in die Truhe hielt er das Halsband mit der leeren Fassung in der Hand. Sie hing an dem sorgfältig gearbeiteten Schmuck; sie loshaken und zu sich stecken war das Werk eines Augenblicks.

Aber nun wollte auch das lauteste »Vorwärts« nicht länger fruchten. Das war ein Diebstahl, damit raubte er derjenigen etwas, die er, hätte sie nur gewollt, mit allem zu überhäufen bereit gewesen wäre, womit ihn die Schickung so überreich gesegnet. Nein, das, das...

Da schoß ihm plötzlich ein wunderlicher Gedanke durch das Hirn, ein Gedanke, der ihm mitten in dem furchtbaren Ernst dieser Stunde ein Lächeln auf die Lippen zwang. Ungesäumt ließ er ihm die Ausführung folgen, und mit einem tiefen Griff faßte er in sein Untergewand und holte eine Gemme hervor, welche an einem goldenen Kettchen auf seiner Brust hing. Dies Kleinod, das Meisterwerk eines großen griechischen Steinschneiders aus heidnischer Zeit, war ihm von seinem besten Freunde in Konstantinopel als Gegengabe für ein Viergespann, das diesem besonders gefallen, geschenkt worden, und es besaß in der That höheren Wert als ein halbes Dutzend edler Rosse. Wie im Rausche, halb wirren Geistes, folgte Orion den wilden Trieben, denen er sich überlassen, doch es freute ihn, daß er ein so kostbares Stück bei der Hand hatte, um es an Stelle des elenden Goldbleches zu hängen. Dies war mit zwei Griffen geschehen, aber das Wiederanschrauben der Scharniere nahm längere Zeit in Anspruch; denn die Finger zitterten ihm dabei heftig, und je näher der Augenblick kam, in dem er Paula seine Uebermacht fühlen lassen wollte, desto schneller schlug ihm das Herz, desto schwieriger ward es ihm, den Geist zu ruhigen Erwägungen zusammenzufassen.

Nachdem er die Thür aufgeriegelt, mußte er wieder wie ein Dieb auf den langen Gang des Fremdenstockes hinausspähen, und dies steigerte seine Erregung bis zum Ingrimm gegen Welt und Schicksal und am meisten gegen diejenige, welche ihn zu solcher schmählichen Selbsterniedrigung zwang.

Der Wettfahrer hielt nun Zügel und Stachel in der Hand. Vorwärts, nur vorwärts.

Wie einst als Knabe, jagte er, indem er immer drei Stufen auf einmal übersprang, die Treppe hinunter, und als er im Vorsaale die griechische Erzieherin Eudoxia traf, welche ihren wilden Zögling Maria eben ins Haus zog, warf ihr Orion den Blumenstrauß zu, den er wieder mit sich genommen, und eilte, ohne des schmachtenden Blickes zu achten, mit dem das alternde Fräulein ihre Danksagung begleitete, in die Thorhüterklause zurück und entledigte sich dort schnell der Werkzeuge des Pförtners.

Wenige Minuten später betrat er den Sitzungssaal. Der Rentmeister Nilus wies auf den erhöhten Oberrichterstuhl seines Vaters, ihn aber hielt eine starke Scheu zurück, diesen ehrwürdigen Sitz zu beschreiten, und mit glühendem Haupte und so finster blickendem Antlitz, daß die Anwesenden erstaunt und scheu auf ihn hinsahen, eröffnete er mit rasch hervorgestoßenen Worten die Sitzung.

Er wußte selbst kaum, was er sprach, und hörte die eigene Rede nicht deutlicher als fernes Meeresgebrause, und dennoch gelang es ihm, klar darzulegen, was geschehen war: er zeigte den Richtern den geraubten und dem Diebe abgejagten Stein, er berichtete, wie man seiner habhaft geworden, erklärte den Freigelassenen der Tochter des Thomas für schuldig des Einbruchs und forderte ihn auf, zu seiner Rechtfertigung vorzubringen, was er vermöge; aber der Angeklagte stotterte nur mühsam hervor, daß er unschuldig sei. Sich selbst verteidigen, sei nicht seine Sache, aber seine Herrin werde vielleicht einiges zu seiner Rechtfertigung vorbringen wollen.

Da strich sich Orion das wirre Haar aus dem Gesicht, warf das glühende Haupt stolz zurück und sagte, an die Richter gewandt:

Yaş sınırı:
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Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
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