Kitabı oku: «Im Herzen von Afrika», sayfa 6
Von noch größerer Bedeutung ist das Wahrsagen vermittels eines Huhns. Dem Huhn wird ein Fetischtrank beigebracht; er besteht aus einer roten Brühe, die durch den Absud des Holzes eines 20 Meter hohen Baumes gewonnen wird. Der Tod des Huhns bedeutet Unglück im Krieg und Lebensgefahr; bleibt es am Leben, so bedeutet es Sieg. In andern Fällen nimmt man einen Hahn, packt ihn am Hals und duckt seinen Kopf unter Wasser; nach einiger Zeit läßt man ihn wieder los. Kommt er zu sich, so ist es ein glückbedeutendes, im andern Fall ein unheilvolles Zeichen. Unerschütterlich ist der Glaube an die Zuverlässigkeit einer solchen Schicksalserforschung. Uanbo z. B., unser Widersacher, griff unsere Karawane selbst nicht an, obgleich er bereits zwei Bezirke zu offenen Feindseligkeiten angefeuert hatte, nur weil sein Huhn bei dem obigen Versuch getötet worden war. Die zu uns haltenden Niamniam behaupteten steif und fest, daß wir nur durch den Tod des Huhns vor unserm Untergang gerettet worden seien. Auch Hexen werden einem solchen Gottesurteil ausgesetzt. Böse Geister und Waldkobolde spielen bei den Niamniam eine große Rolle. Immer ist es der Wald, in dessen Dunkel die Sitze der dem Menschen feindlichen Mächte verlegt werden.
Der Trauer um den Verlust eines Angehörigen gibt der Niamniam dadurch Ausdruck, daß er sich das Haar schert und seinen kostbaren Haarputz rücksichtslos zerstört. Die abgeschnittenen Zöpfe und Flechten streut man weithin aus. Der Körper des Toten wird mit Fellen und Federn festlich geputzt und mit Rotholzpulver eingerieben. Vornehme werden auf dem von ihnen getragenen Schurz gebettet und dann beigesetzt, auf ihren Bänken sitzend oder in einem ausgehöhlten Baumstamm sargartig verschlossen. Man schüttet Erde nicht unmittelbar auf den Begrabenen, sondern stellt vermittels eines Holzverschlags eine seitliche Kammer her, in deren Hohlraum die Leiche gestellt wird, ohne von der Erde berührt zu werden, genau wie es die Vorschriften des Islam erheischen. Auch die Niamniam beobachten bei der Beisetzung ihrer Toten die Himmelsrichtung, nur in anderer Weise als die Bongo: die Männer werden mit dem Gesicht nach Osten, die Weiber westwärts gekehrt bestattet. Über der aus festgestampftem Ton geformten Grabdecke errichtet man eine Hütte, die sich durch nichts von den Behausungen der Lebenden unterscheidet; vernachlässigt und vereinsamt, ist sie dem Untergang durch Steppenbrand, Termitenfraß und Fäulnis preisgegeben.
13. Der rätselhafte Strom
Am 13. März begann der ungemütliche Marsch durch die Grenzwildnis, die uns von dem Mohammed befreundeten Land der Mangbattu trennte. Bald bot die Gegend ein ganz anderes Aussehen dar als das bisher durchzogene, wasser- und waldreiche Land. Die sich unregelmäßig durch die Steppenfläche hinschlängelnden Sumpf- und Wiesengewässer waren ohne Uferwaldung und nur von ingwerartigen Staudendickichten umsäumt. Die Gewässer mußten an Stellen durchwatet werden, die von wilden Büffelherden tief ausgetreten und zerstampft waren. Der schwarze Schlamm reichte oft bis an den Hals, während unter den Füßen der Grund ins Bodenlose zu weichen schien. Zu allem Überfluß gebot ein Unwetter Halt. Das Menschengetümmel, die allgemeine grenzenlose Verwirrung dazu, die zuckenden Blitze eines großartigen Tropengewitters hätten den schönsten Vorwurf zu einem Gemälde der Sintflut abgeben können. In der Morgendämmerung wurde nach verkürzter Nachtruhe mit leerem Magen das Schlammbad fortgesetzt. Schwimmkundige Bongo mußten eine gegen das gänzliche Versinken schützende Decke über die tiefsten Sumpfstellen legen, indem sie große Grasmassen und ausgeraufte Stauden ins Wasser warfen. Später führte wieder der Weg durch Buschwald und Galeriewälder, wie die hochstämmigen Uferwälder dieser Gebiete nach ihrer Erscheinung genannt werden. Es sind Laubengänge großen Stils, die von hier an nach Süden in noch großartigerer Gestaltung auftreten. Unter großer Mühe wurde der Grenzbach überschritten, und endlich winkten aus tiefstem Grün die idyllischen Behausungen der Mangbattu gastlich entgegen. Der Empfang bei den Häuptlingen war freundlich. Eine große Schießerei, die mich zunächst in lebhafte Unruhe versetzte, stellte sich als harmlose Begrüßung der Karawane einer andern Elfenbeingesellschaft heraus, die von Tuhami, dem Oberschreiber des Generalgouverneurs in Chartum, gegründet worden war.
Am 19. März hatten wir mein heißersehntes Ziel, den Uellestrom, erreicht, der seine trüben, bräunlich schimmernden Fluten zwischen hohen Uferwänden majestätisch gen Westen wälzte. Dies war also der rätselhafte Fluß, auf den ich infolge der Erzählungen der Nubier bereits seit dem Aufbruch von Chartum aufs höchste gespannt war. Wer eine Ahnung hat von der unklaren Darstellungsweise der arabisch sprechenden Völker, wenn es sich um Stromläufe und Stromrichtungen handelt, der wird die Spannung begreifen, mit der ich einen Durchblick nach dem großen Wasser zu gewinnen suchte. Auf dem nächsten Weg brach ich mir durch das Ufergebüsch Bahn nach dem mächtigen Strom. Sein Rauschen, das durch die Felsbänke in seinem Bett verursacht wurde, war bereits eine Zeitlang zu meinen Ohren gedrungen. Floß das Wasser nach Osten, so war das Rätsel der Wasserfülle des Mwutan, des 1864 von Baker entdeckten Albertsees, eines der Quellbecken des Nil, gelöst. Floß es aber nach Westen, dann konnte es nicht mehr zum Nilsystem gehören. Es strömte nach Westen, das große Wasser, und es gehörte darum nicht mehr zum Nil! Der neuentdeckte Strom war hier 400 Kilometer von der Nordostecke des Mwutan entfernt, und bei all den vielen Stromschnellen, die er bereits hinter sich gelassen, immer noch in einer Meereshöhe gleich der des Sees oder sie übertreffend.
In den beiden ersten Ausgaben von »Im Herzen von Afrika« ist die Zugehörigkeit des Uelle zum Nilsystem entschieden abgelehnt worden, seine Zugehörigkeit zum System des Kongo war damals nicht nachzuweisen gewesen. Ich hielt den Uelle für den Oberlauf des in das Binnengewässer des Tschadsees mündenden Schari, erwog auch die Möglichkeit, daß er zu dem durch den Niger in den Atlantischen Ozean entwässernden Benue gehören könnte. Das Hauptverdienst um die endgültige Lösung des Uelleproblems gebührt Dr. Wilhelm Junker, der zehn Jahre nach mir den ostwestlichen Lauf des Stromes auf eine Strecke von nahezu 540 Kilometer festzulegen vermochte. Der Anschluß der weit ausholenden Entdeckungen Junkers an diejenigen, die sich in der entgegengesetzten Richtung vom Kongo her stromaufwärts vollzogen, wurde zunächst durch die Entdeckung und Befahrung seines größten Nebenflusses, des Ubangi, durch den Amerikaner Grenfell ermöglicht. Dann kam der Belgier Van Gèle, der den Makua genannten Oberlauf 1888 weiter verfolgte und im Juli 1890 bis Bangasso vordrang. Dieser Ort ist nur 26 Kilometer von Junkers westlichstem Punkt entfernt. Gleichfalls im Jahre 1890 gelangte Becker über Land reisend vom Aruwimi her an den Makua-Uelle.
Der Uelle erinnert an meiner Übergangsstelle auffallend an den Blauen Nil bei Chartum. Er hatte hier eine Breite von 250 Metern. Die Wassertiefe betrug nirgends unter vier Meter; die Uferwände überragten um sieben Meter die Wasserfläche.
Ein Überschwemmungsgebiet fehlte hier wie an den weiter oberhalb überschritten Teilen des dort Kibali genannten Hauptflusses, und das Land senkte sich gegen 35 Meter in ziemlich steiler Neigung zum waldumgürteten eigentlichen Flußufer hinab.
Die Stromgeschwindigkeit betrug am nördlichen Ufer zwischen 17 und 19 Meter in der Minute. Die in der Sekunde fortbewegte Wassermasse mochte jetzt über 300 Kubikmeter betragen; bei ihrem höchsten Stand mußte sie, wenn die Geschwindigkeit dieselbe blieb, fast das Dreifache sein. Der Uelle entsteht kurz oberhalb dieser Stelle aus der Vereinigung des Gadda und des Kibali.
Die Übergangsstelle des 19. März lag nach der an Ort und Stelle flüchtig ausgerechneten Ablesung meiner Aneroide in 700 Meter Meereshöhe. Der Uelle hatte alle Merkmale eines Gebirgsflusses, wenigstens eines solchen, dessen Quellen sich in nicht zu großer Entfernung von unserm Übergangspunkt befinden konnten.
Es war nicht leicht, die Karawane über den großen Fluß zu schaffen. Diese Arbeit wurde aber durch die von Munsa, dem »König« der Mangbattu, uns gestellten Fährleute so rasch gefördert, daß in drei Stunden der letzte Mann auf das südliche Ufer übergesetzt war. Dies geschah in großen Booten, die aus einem Baumstamm gehauen waren und alles bisher Gesehene an Festigkeit und Formvollendung übertrafen. Einige von ihnen hatten bei zehn Meter Länge eineindrittel Meter Breite, Infolge ihrer Größe war beim Einsteigen nicht das geringste Schwanken zu bemerken. An beiden Enden liefen die Boote in lange horizontale Schnäbel aus, und die Bordränder waren mit Schnitzwerk verziert.
14. Beim König der Mangbattu
Nur noch durch eine kurze Wegstrecke vom Ziel der diesjährigen Reise getrennt, machten wir einen Rasttag, um uns für den folgenden Tag zum Einzug in die Residenz König Munsas vorzubereiten. Eine überraschend neue Welt umgab mich in diesem fernsten Erdwinkel, der gleich weit vom Indischen Ozean und den atlantischen Küsten lag, im innersten Zentralkern von Afrika. Neu erschien hier alles: die hellfarbige Rasse der Eingeborenen, ihre seltsame Tracht, ihre kunstfertigen Geräte, der behäbige Wohlstand ihrer zierlichen Behausungen, schließlich der wilde großartige Pomp des Königs waren in der Tat meines Staunens wert, und eine Überraschung harrte meiner nach der andern. Dazu gesellte sich noch eine überwältigende Fülle neuer, nie gesehener Gewächse und die ungeahnte Fremdartigkeit der Pflanzungen, in denen die Banane, das Zuckerrohr und die Ölpalme überall verbreitet waren. Hier befand ich mich im Mittelpunkt Afrikas, der mit all dem Zauber meiner frühesten Jugendträume ausgestattet schien.
Ein schöner Spaziergang vollendete am letzten Tag unsere lange Wanderung. Bis wir die letzten 20 Kilometer zurückgelegt hatten, die uns noch von dem Wohnsitz Munsas trennten, führte der Pfad durch eine paradiesische Landschaft. Wir durchzogen die endlosen Bananenpflanzungen, die, vermischt mit bezaubernden Hainen der Ölpalme, das ganze Land zu einem ununterbrochenen Garten machten. Die Ölpalme, deren Stämme von oben bis unten von Farnkräutern und Schlinggewächsen überwuchert waren, stellten alle Pracht eines ägyptischen Dattelpalmenhains weit in den Schatten. Eine köstlich erquickende, würzige Luft strich durch die Landschaft; überall war Wasser und kühlender Schatten zu finden. Vor den Häusern der Eingeborenen prangten riesige Feigenbäume, deren dichte Kronen kein Sonnenstrahl je durchdrang. Dann ging es wieder durch dichte Dschungeln, über Bäche und durch Galeriewälder bergauf bergab in beständig ansteigender Hügellandschaft. Wir überschritten vom Uelle an allein zwölf solcher Bäche. Der Weg war mit nur geringen Unterbrechungen auf beiden Seiten von den idyllischen Wohnungen der Mangbattu umsäumt. Vor den Türen standen die Bewohner und boten uns die köstlichen Früchte aus ihren paradiesischen Gärten zum Willkommen.
Endlich winkten aus tiefem Grün die Palasthallen des Königs schon von weitem den Wandernden entgegen, und wir gelangten zu einer ausgedehnten Talsenkung, in deren Mitte ein spiegelklarer Bach murmelnd sich hinschlängelte. Uns gegenüber zeigte sich ein weitgedehnter grasfreier Abhang, auf dem die wohlgesäuberte dunkelrote Erde mit vielen Reihen der zierlichsten Hütten bedeckt war. Dahinter erhoben sich, alles übrige weit überragend, bahnhofähnliche Schuppen in einer Höhe und Breite, wie ich sie seit Kairo nicht wiedergesehen; sie verrieten mir sofort den Wohnsitz des Königs Munsa.
Es wurde Halt kommandiert, und in einer Stunde war unser großes Feldlager aufgeschlagen. Nicht lange währte es, und von allen Seiten strömten Scharen schaulustiger Eingeborener herbei. Ich entzog mich diesmal im geschlossenen Zelt ihrer Zudringlichkeit. Ich war müde, vor versammeltem Volk meine Kopfbedeckung zu lüften, um zu zeigen, daß das lange, schlichte Haar wirklich mein eigenes sei, oder meine Brust zu entblößen, um ihre blendende Weiße bewundern zu lassen. Dabei verging ich im Zelt vor Hitze. Rundherum saßen die Vornehmen der Mangbattu in gespannter Erwartung, aber ich nahm mich zusammen, brauchte ich doch noch Kraft genug für den folgenden Tag, um vor Munsa selbst das Wunder meiner Existenz an den Tag zu legen.
Munsa hatte die Ankunft der Chartumer mit Ungeduld erwartet; hoch aufgestapelt lagerte in seinen Speichern das Elfenbein. Munsa war Mohammeds Freund, sie hatten von ihrem Blut miteinander getrunken und nannten sich Brüder.
Mohammed war bei allen Eingeborenen unter dem Namen des »Mbali«, des »Kleinen«, bekannt und im Verkehr mit ihnen die Gemütlichkeit selbst. Gern weilte er hinter gefüllten Bierkrügen an der Seite seines heidnischen Blutsfreundes und wenn er umgürtet mit dem volkstümlichen Rokko der Mangbattu, dem Kleid aus der Rinde des Feigenbaums, und mit dem roten Federbusch auf dem Haupt sich sehen ließ, gewann er die Herzen aller.
Mohammed hatte nach unserm Eintreffen nichts Eiligeres zu tun gehabt, als sich zum König zu begeben. Unter den mitgenommenen Geschenken spielte eine Auswahl großer Kupferschüsseln die Hauptrolle, die ihre Kraft als Tonwerkzeuge beweisen sollten. Erst spät am Abend kehrte Mohammed in das große Lagerdorf zurück. Hörner- und Paukenschall begleiteten seine Schritte, und mit staunenswerter Schnelligkeit häuften sich große Proviantvorräte an, auf Befehl des Königs von Tausenden herbeigetragen. Mir selbst war ein feierlicher Empfang für den folgenden Morgen zugestanden.
Andern Tags, am 22. März 1870, wurde mir die Botschaft übermittelt, ich möchte hinüberkommen. Mohammeds schwarze Leibgarde und die Musikanten waren mir entgegengeschickt worden.
Schnell warf ich mich in ein feierliches Schwarz und zog die schwerbeschlagenen hohen Schnürstiefel eines Bergsteigers an. Drei schwarze Knappen trugen mir Büchsen und Revolver nach; ein vierter den unvermeidlichen Rohrstuhl. Mit erwartungsvoller Schweigsamkeit folgten meine Chartumer Diener, angetan mit weißen Festgewändern, die Geschenke für den König in den Händen. Als wir die Bachniederung erreicht hatten, fanden wir die sumpfigen Uferstellen mit frischgefällten Baumstämmen belegt und große Balken als Brücken über das Wasser geworfen. Wie wir uns den ersten Hütten näherten, begann das Trommeln und Trompeten wurden geblasen. Das Volk ließ einen schmalen Durchgang frei. An der zweitgrößten der königlichen Palasthallen, die, einem Schuppen gleich, an beiden Giebelseiten offen war, harrte einer der Beamten meiner. Schweigend geleitete er mich ins Innere an Hunderten von Trabanten und Vornehmen vorbei, die im vollen Waffenschmuck auf zierlichen Bänken dasaßen, in Reih und Glied geordnet nach Rang und Würden.
Am entgegengesetzten Ende der Halle stand die Thronbank des Königs, darunter eine Fußmatte. Hinter der Bank war eine mächtige Lehne aufgestellt, die auf drei Füßen ruhte; am obern Ende lief sie in zwei Arme aus, die dazu dienten, um nach Belieben Rücken und Arme zu stützen. Die Lehne war über und über mit kupfernen Ringen und Nägeln beschlagen. Einige Schritte zur Seite der Thronbank ließ ich meinen Stuhl hinstellen und nahm Platz, meine Leute hockten oder stellten sich hinter mich, und die nubischen Soldaten bildeten um den freien Platz eine Art Spalier. Die Halle hatte 35 Meter Länge, 13 Meter Höhe und 16 Meter Breite. Alles Holzwerk schien glänzend braun poliert und wie frisch gefirnißt, es war aber nur die natürliche Farbe der Palmrippen. Das in einem breit abgerundeten Spitzbogen kühn gewölbte Dach ruhte auf drei Reihen sehr schmaler Pfosten. Die Rippen und Sparren des Dachstuhls sowie alle übrigen Bauteile waren aus den Blattschäften der Weinpalme zusammengefügt. Den Fußboden bedeckte ein dunkelbrauner Tonestrich, der wohlgeglättet war und fest wie Asphalt. Eine niedrige Brustwehr aus gleicher Masse bildete die Seiteneinfassung. Hunderte von schaulustigen Eingeborenen lehnten von außen an der Brüstung. Aufseher mit langen Stöcken machten die Runde und hieben, wo es nottat, wacker auf die Menge ein. Knaben, die sich in den Festsaal geschlichen, wurden schonungslos hinausgepeitscht.
Am Eingang der Halle war eine großartige Ausstellung von Prunkwaffen hergerichtet. Viele hundert ganz aus Kupfer geschmiedeter Lanzen und Wurfspieße waren für zentralafrikanische Begriffe Schätze von unberechenbarem Wert.
Jetzt, still! — Der König kommt! Voran schreiten Musikanten, die auf riesigen, aus ganzen Elefantenzähnen geschnitten Hörnern blasen; andere schwingen roh gehämmerte Glocken aus Eisenblech. Den Blick gleichgültig vor sich hin gerichtet, naht der rotbraune Cäsar, gefolgt von einer Schar seiner Lieblingsweiber, in Putz und Haltung wild, romantisch, malerisch. Ohne mich eines Blickes zu würdigen, wirft er sich auf die niedrige Thronbank und betrachtet seine Füße. Mohammed setzte sich mir gegenüber neben den König auf einen Schemel im theatralischen Staat eines Obersten der albanischen Leibwache des türkischen Sultans.
An Armen und Beinen, Hals und Brust trug der Herrscher fremdartig geformten Schmuck; alles war blinkend blank geputzt und geschliffen, und Munsa erglänzte in seiner schweren Kupferpracht. Ein imposanter Federhut, fast einen halben Meter hoch, saß hinten auf der Höhe des Scheitels. Es war ein schmaler Zylinder von feinem Rohrgeflecht, außen mit drei Reihen von roten Papageifedern übereinander besetzt, große Federbüsche derselben Art krönten die Spitze. Einen Schirm hatte der Hut nicht, aber vorn über dem Scheitel war eine Art Mondsichel aus Kupfer angebracht. Die durchbohrten Ohrmuscheln trugen fingerdicke Kupferstäbe. Am ganzen Leib war der König mit rotem Farbholzpulver eingerieben. Seine einzige Kleidung, ein großes Stück verarbeiteter Feigenrinde, umhüllte in kunstvollem Faltenwurf den halben Körper. Fingerdicke, stielrunde Riemen von Büffelhaut, die im Schoß zu einem gewaltigen Knoten verschlungen waren und an den Enden schwere Kupferkugeln trugen, hielten das schöngesäumte Rindenzeug an den Hüften zusammen. In der Rechten schwang Munsa zepterartig den sichelförmigen Mangbattusäbel, eine Luxuswaffe von purem, lauterm Kupfer.
Das also war Munsa, der Selbstherrscher der Mangbattu, so recht ein wilder König, ohne jede Spur entlehnten europäischen oder orientalischen Schmucks. Munsa mochte nahe an die Vierzig sein; seine ziemlich hohe Gestalt war schlank, aber kräftig, der Wuchs stramm und gerade, wie bei jedem Mangbattu. Durchaus nicht einnehmend waren seine Gesichtszüge, obgleich sie den nicht unschönen Typus dieses Volkes trugen. Ein ziemlich dichter Knebelbart saß am Kinn, auch die Backen waren mit einigem Haarwuchs bekleidet. Die völlig kaukasisch geformte Nase schloß sich dem fast geradzähnigen Profil an; nur die stark aufgeworfenen Negerlippen standen hierzu im Gegensatz. In den Augen brannte ein wildes Feuer tierischer Sinnlichkeit, und um den Mund ging ein Zug, den ich bei keinem Mangbattu wiedergefunden habe. Habsucht und Gewalttätigkeit lagen darin auf der Lauer und die Freude an Grausamkeit; nie sah man den Mund zu einem Lächeln sich verziehen.
Nach und nach begann Munsa einige Fragen an mich zu richten, die sein erster Dolmetsch einem meiner beiden Niamniam übermittelte, der mir die Worte arabisch wiedergab; sie waren sehr gleichgültiger Natur. Nun trugen meine Diener die Geschenke herbei: ein Stück schwarzen Tuchs, ein Fernrohr, einen silbernen Teller, Porzellangeschirr, Schnitzwerk aus Elfenbein, ein Buch mit Goldschnitt, einen Doppelspiegel, der vergrößerte und verkleinerte, schließlich eine große Auswahl venezianischer Glasperlen, darunter dreißig Halsschnüre, jede aus einigen dreißig voneinander ganz verschiedenen Stücken der feinsten Art zusammengesetzt, so daß Munsa über 1000 verschiedene Glasperlen erhielt. Er betrachtete alles mit großer Aufmerksamkeit, ohne indes viel dabei zu sagen. Desto häufiger ließen sich aus seiner nächsten Umgebung halbunterdrückte Laute des Staunens vernehmen, denn hinter dem Sitze des Königs hatten sich seine Weiber, einige fünfzig, auf netten Schemeln in Reih und Glied niedergelassen. Auch der Doppelspiegel ging von Hand zu Hand, und seine Verzerrungen erzeugten Jauchzen und Schluchzen vor Freude. Diese Frauen unterschieden sich von denen des übrigen Volks nur durch größere Eleganz.
Nach einiger Zeit griff Munsa zu den bereitliegenden Erfrischungen: Breiklumpen von Bananenmehl und Tapioka, im reifen Zustand getrocknete Bananen und eine Frucht, die ich sofort als die vielgepriesene Kolanuß des Westens erkannte. Munsa schnitt sich von ihren rosaschimmernden Kernen, den Keimblättern, einige Stückchen ab und kaute daran in den Zwischenpausen nach jeder Pfeife Tabak, die ihm ein eigener Diener in Gestalt eines gegen zwei Meter langen Eisenrohrs reichte. Zunächst brachte der König sich in die richtige Stellung; er warf sich weit nach hinten zurück, stützte den rechten Ellbogen in die große Armlehne, schlug ein Knie über das andere und ergriff dann mit der Linken das Rohr. In dieser stolzen Haltung tat er bedächtig einen einzigen langen Zug, gab die Pfeife zurück und ließ dann den Rauch langsam aus dem Mund gleiten.
Ich bat um eine Kolanuß; der Herrscher reichte sie mir höchst eigenhändig. Ich äußerte gegen Mohammed meine Verwunderung, diese Frucht bei den Mangbattu wiederzufinden. Zu Munsa gewandt, wies ich mit der Hand in der Richtung zum Tschadsee und ließ ihm sagen: »Ich kenne wohl diese Frucht, dort essen sie die vornehmen Leute«, aber der König ging nicht darauf ein. Endlich nahmen die Vorstellungen zu unserer Unterhaltung ihren Anfang. Zunächst traten ein paar Hornbläser auf, die Solostücke vortrugen. Künstler in ihrer Art, ließen sie durchdringend heftige Brülltöne mit zartesten Flötenstimmen abwechseln. Der eine konnte auf dem gewaltigen Elfenbeinhorn, das er in wagrechter Lage kaum zu halten vermochte, sicher und zart trillern.
Darauf folgten Spaßmacher und Sänger von Beruf. Ein Hofnarr, ein kleiner kugelrunder Fettklumpen, dessen Gliedmaßen wie Windmühlenräder umherfuchtelten und der über und über mit buschigen Quasten und Schweineschwänzen behangen war, konnte sich nicht genug tun in seinen Späßen und Albernheiten. Zu des Königs größter Befriedigung brach ich in herzhaftes Lachen aus. Der Narr durfte sich gegen jedermann, sogar gegen Munsa selbst, Freiheiten herausnehmen. So kam er auf den König zugehüpft und streckte ihm die Rechte entgegen. Als Munsa einschlagen wollte, zog der Spaßmacher die Hand schnell wieder zurück und machte mit einem Satze kehrt. Kurz vorher waren mir einige frischgeröstete Maiskolben, die ersten im Jahr, vorgesetzt worden; da kam der Narr und bat mit drolliger Gebärde, davon essen zu dürfen. Ich warf ihm die Körner einzeln in den aufgesperrten Rachen; unter wunderlichem Augenverdrehen fing er sie auf; — das rief ein unbändiges Gejubel hervor. Ein Eunuch war die Zielscheibe des allgemeinen Witzes. Wenn er sang, glich er einem grunzenden Pavian. Munsa hatte ihm einen roten Fes aufgesetzt, und so war er der einzige, der etwas Fremdländisches an sich trug.
Das Beste hatte sich Munsa für den Schluß aufgespart: er hielt eine Rede! Mit einem Satz erhob er sich, zupfte an seinem Schurz, räusperte sich und begann dann lautschallend die Ansprache. Natürlich verstand ich nichts davon. Was ich aber hörte und sah, war genug, um zu begreifen, daß Munsa seine Worte sorgsam wählte. Denn oft hielt er inne, verbesserte sich, und es schien mir sogar, als mache er Kunstpausen, um den Jubel des Volkes auf die Kraftstellen zu häufen. »Ih, ih, tschupi, tschupi ih. Munsa ih«, die Nationalhymne der Mangbattu, erschallte es aus allen Kehlen, und ein Höllenlärm ging von den Musikwerkzeugen aus.
Die Pauken, jetzt rhythmisch von den Hörnern begleitet, schlugen in lebhafterm Tempo einen andern Takt an. Mit dem Ernst eines Kapellmeisters dirigierte Munsa das Höllenkonzert. Als Taktstock diente ihm eine Klapper aus Korbgeflecht. Die Rede dauerte eine volle halbe Stunde und gewährte mir Muße, von dem redenden König mehrere Skizzen zu entwerfen.
Zum Abschied sprach Munsa: »Ich weiß nicht was ich dir für deine vielen Gaben bieten soll; ich bin recht betrübt, daß ich nichts habe und so arm bin.«
Ich erwiderte: »Ich bin nicht deshalb gekommen, nur um zwei Dinge bitte ich: um ein Wildschwein und um einen Schimpanse.«
»Daran soll es nicht fehlen«, versprach Munsa. Allein von Schwein und Schimpanse sah ich nichts, trotz meiner täglichen Mahnungen.
In früher Morgenstunde weckte mich der Ruf meiner Leute, ich sollte herauskommen und sehen, was mir der König schicke. Mohammed gab mir die Erklärung: »Ich habe Munsa gesagt, daß deine Sachen unter freiem Himmel lägen; jetzt schickt er dir ein Haus als erstes Gastgeschenk.« In der Tat trugen einige zwanzig Eingeborene auf ihren Schultern das vierkantige Untergestell eines Häuschens, eine geringere Anzahl folgte dahinter mit dem Dach. In wenigen Minuten waren sie oben und stellten das Häuschen neben meinem Zelt auf. Es war etwa sieben Meter lang und geräumig genug, um meine Vorräte aufzunehmen.
Beständig war mein Zelt von Scharen Neugier umringt. Die Angesehenern unter ihnen kamen mit ihren Bänken, um sich gemütlich bei mir zum Gaffen niederzulassen. »Bringt Waffen und kunstvolles Gerät, Schmucksachen und Gebrauchsgegenstände aller Art,« ließ ich ihnen sagen, »Felle und Schädel von Tieren, Früchte des Waldes, die Blätter dabei, vor allem aber Menschenschädel, ich gebe euch Kupfer.« Im Handumdrehen entwickelte sich ein Kuriositätenmarkt mit schwungvoll betriebenem Tauschhandel.
Die Menge der herbeigeschleppten Gebeine war erstaunlich: Ich hatte Mühe, begreiflich zu machen, daß ich nur unversehrte Schädel brauchen könne, ich verspräche aber, für jedes vollständige Stück mit einem großen Armring zu zahlen. Die meisten Schädel waren zertrümmert, um das Hirn bequemer herausnehmen zu können. In allen Fällen wußten die Überbringer mir Herkunft und Geschlecht mit großer Bestimmtheit anzugeben. Die meisten Schädel gehörten den Völkern an, die im Süden ihre Wohnsitze haben, nur wenige stammten von den Mangbattu selbst. Viele Stücke waren in Wasser gekocht und mit Messern abgeschabt worden. Einige schienen geradewegs von den Mahlzeiten der Eingeborenen zu kommen.
Unter allen Vornehmen, die mich besuchten, fesselte besonders einer von Munsas Söhnen meine Aufmerksamkeit. Er hieß Bunsa. Dieser junge Mann trug alle Merkmale eines ausgeprägten Albinismus zur Schau und gehörte zu den hellfarbigsten Vertretern der Mangbatturasse, die mir zu Gesicht gekommen sind. Das stark gekräuselte, derbe Haar war von einem unreinen Blond. Der hohe Haarwulst am Hinterkopf glich einem Bündel Hanf. Die hellbraunen Augen schienen lichtscheu zu sein und schielten unstet umher, dabei wackelte das von einem dürren Hals getragene Haupt unwillkürlich, oder es ruhte in ungewöhnlichen Stellungen.
Von den übrigen Mitgliedern des Königshauses ließen sich nur Munsas Frauen und seine älteste Schwester im Lager blicken. Die letztere war eine ältliche garstige Person. Sie schien nichts von der Amazonennatur ihrer verstorbenen Schwester Nalengbe zu besitzen, von der man berichtete, daß sie in Mannestracht die Mangbattu in den Kampf geführt habe. Ihre Eitelkeit machte sie zum Gespött der Fremden und Eingeborenen. Von mir erbettelte sie einige Flintenkugeln, die den Mangbattu von den Nubiern aus Gründen der höhern Politik vorenthalten werden; sie hämmerte sich aus dem Blei der Kugeln schön glänzende Ohrgehänge.
Eines Morgens fanden sich gegen dreißig der königlichen Lieblingsfrauen im Lager ein, lauter jugendlich kräftige, meist große Gestalten von tadellosem Wuchs, wenn auch nicht von einnehmender Gesichtsbildung. Wie gewöhnlich wetteiferten sie in üppiger Entfaltung des Haarschmuckes und kunstvoller Bemalung des Körpers. Zwei ließen sich bewegen, mir zu einem Bild zu sitzen. Einzelne zeichneten sich durch helle Hautfarbe und fast blonden Haarwuchs aus, mehrere erinnerten sogar an die Färbung des Milchkaffees. Ich wollte durch Glasperlen meine Dankbarkeit an den Tag legen, erhielt aber die Perlenschnüre zurück; die Frauen des Königs seien nur berechtigt, von Mohammed Geschenke abzuholen, solche auch von mir in Empfang zu nehmen, hätten sie keinen Befehl, »das könnte Verdacht erregen, und Verdacht wäre bei Munsa gleichbedeutend mit Tod«, setzten die Dolmetscher hinzu.
Das Menschengetümmel um mich herum begann auf die Dauer sehr ermüdend zu wirken. Ich war bereits am zweiten Tag genötigt gewesen, mein Zelt mit einer Dornhecke einfriedigen zu lassen; aber viele brachen rücksichtslos durch. Jede Minute sah ich mich in meiner Arbeit unterbrochen. Ich spritzte im Unmut oft Wasser unter die Leute und ersann allerhand Schreckmittel. Schließlich blieb mir kein Ausweg, als beständig einige Wachen aufzustellen, denen von Mohammed befohlen wurde, Gewehr im Arm jeden Zudringlichen zurückzuweisen.
Kaum aber hatte ich mein Asyl verlassen; als ich mich auch schon von einer ganzen Schar begleitet sah. Vorwiegend Weiber folgten und verleideten mir viele meiner botanischen Ausflüge. Wo wir durch Weiler und Gehöfte kamen, wuchs mein Gefolge beständig an. War ich aufgelegt, so erlaubte ich mir wohl auch einige Späße, indem ich einige Worte, die ich von ihrer Sprache aufgeschnappt, unter die Menge warf. Diese wurden mit Begeisterung von Mund zu Mund getragen. Rief ich z. B. »hosanna«, d. h. »ist nicht«, so riefen alle Weiber hinter mir in einem Atem eine Viertelstunde lang »hosanna, hosanna«. Auch schwierige deutsche Worte gab ich ihnen zum besten und ergötzte mich an ihrer Gewissenhaftigkeit, die zungenbrechenden Laute nachzuahmen. Am liebsten aber bediente ich mich der vielen lautmalenden Namen von Tieren, die in der Mangbattusprache den von den Tieren ausgestoßenen Lauten nachgebildet werden, wie z. B. »Memmeh« für »Ziege«. Alle Mangbattuweiber waren im höchsten Grad zudringlich. So oft ich aber selbst zu ihren Wohnplätzen kam, verschlossen sie sich ängstlich im Innern der Hütten und verrammelten unter vielem Geschrei alle Türen.